Menschliche Regungen - Tim Krohn - kostenlos E-Book

Menschliche Regungen E-Book

Tim Krohn

0,0
0,00 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Exklusiv als E-Book lieferbar! Im Jahre 2015 hat Tim Krohn eines der aufregendsten Literaturprojekte der letzten Jahre angestoßen: Unter dem Titel Menschliche Regungen schrieb er in der Schweiz ein riesiges Crowdfunding aus: Als Teilnehmer konnte man den Autor beauftragen, aus einer Liste mit den Bezeichnungen von fast 1000 Gefühlen, Stimmungen und Gefühlslagen, einen Begriff auszuwählen und eine Geschichte darüber zu schreiben. Zudem konnte man ein, zwei oder drei Worte benennen, die in der Geschichte vorkommen sollen. Binnen kurzer Zeit waren die ersten 130 Geschichten zusammen, nach einer weiteren Runde waren es schon 200. Und dann schrieb Tim Krohn, mit eiserner Disziplin. Früh morgens wurde konzipiert, dann geschrieben; jeden Tag eine Geschichte – am Abend nahm er die fertige Rohfassung als Lesung auf. Dabei ordnete er die Gefühle schon gleich einer Palette von Figuren zu, die er alle in einem Genossenschaftshaus in Zürich wohnen lässt. In der Neujahrsnacht des Jahres 2000 setzt die Handlung ein. Für den pensionierten Tramfahrer Hubert Brechbühl beginnt das Jahrtausend mit großen Plänen und ohne Katze. Für das junge Paar Pit und Petzi mit viel Sex. Für Julia Sommer ohne Sex. Für Selina May ohne Arbeit. Für Efgenia Costa mit Drogen. Für Erich und Gerda Wyss mit Überlegungen, wer von beiden zuerst sterben sollte. Vieles davon wird sich ändern, anderes nicht. Elf Bewohnerinnen und Bewohner eines Züricher Mietshauses geraten im Jahr 2001 in einen Strudel der Gefühle. In »Menschliche Regungen. Ein Haus, elf Menschen und was sie bewegt« erfahren Sie mehr über das Projekt und können vor allen die wichtigsten Personen und ihre ersten Erlebnisse kennenlernen. Ein spannender Einblick in eines der spannendsten literarischen Projekte der letzten Jahre. Folgenden Bände erschienen: Herr Brechbühl sucht eine Katze Erich Wyss übt den freien Fall Julia Sommer sät aus

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 66

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Tim Krohn

Menschliche Regungen

Ein Haus, elf Menschen und was sie bewegt

Kurzübersicht

Buch lesen

Titelseite

Inhaltsverzeichnis

Über Tim Krohn

Über dieses Buch

Impressum

Hinweise zur Darstellung dieses E-Books

Inhaltsverzeichnis

Tim Krohn zu seinem Projekt-In-Progress

Ein Haus und seine Bewohner

Heiterkeit (1)

Abschiedsschmerz (3)

Kreativität (6)

Zartheit (7)

Wollust (8)

Kleingeist (9)

Gerechtigkeitsliebe (20)

Mitteilsamkeit (56)

Was im ersten Band sonst noch passiert und Ausblick auf die weiteren Bände

Fast 1000 Gefühle

Inhaltsverzeichnis

Wie die Idee entstand:

Tim Krohn zu seinem Projekt-In-Progress

Ich hatte schon immer die Fantasie, eine Enzyklopädie der menschlichen Gefühle und Charakterzüge zu schreiben. Über die Jahre entstand eine Liste von knapp tausend solcher »Regungen«. Allerdings ging ich davon aus, dass das Projekt mein Alterswerk werden würde.

Plötzlich kam alles ganz anders. Sie müssen wissen, ich bewohne mit meiner Familie ein vierhundert Jahre altes Bauernhaus im Val Müstair, verschroben gebaut, mit geheimen Winkeln und krummen, steilen Treppen. Das wurde zum Problem, als wir entschieden, meine betagte Mutter zu uns zu nehmen. Sie kann die Treppen nicht mehr steigen, und unser einziges Bad lag im Obergeschoss. So sahen wir uns gezwungen, ihr eines ebenerdig einzubauen. Doch woher das Geld nehmen?

So entstand ganz spontan die Idee, uns via Crowdfunding an die Leserinnen und Leser zu wenden. Über wemakeit bot ich eine Tranche von 111 Geschichten zum Verkauf an. Jeder Unterstützer durfte sich eine der Regungen von »aalglatt« bis »zynisch« aussuchen und erhielt zu jenem Begriff seine ganz persönliche Geschichte. Persönlich in doppeltem Sinn: zum einen vergebe ich jeden Begriff nur einmal, zum anderen waren die Unterstützer gebeten, zusätzlich ein bis drei ganz beliebige Wörter anzugeben, die sie in ihrer Geschichte wiederfinden wollten.

Das Angebot schlug ein wie eine Bombe, alle 111 Geschichten (und einige mehr) waren innerhalb eines Monats verkauft. Das Bad für meine Mutter war damit gesichert – doch ich hatte auch einhundertdreißig Schreibaufträge zu bewältigen.

Bevor ich zu schreiben begann, definierte ich den Rahmen für die Geschichten. Ich beschloss, die gesamte Conditio humana in den bescheidenen Verhältnissen einer Zürcher Genossenschaft abzuwickeln. Ich habe selbst fast zwanzig Jahre so gewohnt und kenne die Verhältnisse gut. Auch das Personal legte ich fest: Hubert Brechbühl, einen frühpensionierten Straßenbahnschaffner, Moritz Schneuwly ETH-Student und Tüftler. Das achtzigjährige Ehepaar Wyss (er war einst Logistikverantwortlicher der Post, sprich Paketdienst), das schon länger auf den Tod wartet, doch dazu noch viel zu lebendig ist. Die alleinerziehende Lektorin Julia Sommer mit ihrer vierjährigen Tochter und und und.

Dann machte ich mich ans Schreiben, in unserem Gesindezimmer unterm Dach, mit Blick durch die verworfenen alten Fenster auf die Dorfstraße, den Flieder, die Astern und den Stall der Nachbarn. Abends, sobald die Kinder im Bett sind, überarbeite ich und sende jede Geschichte, sobald sie fertig ist, an ihren Eigentümer. Inzwischen sind fast 200 Geschichten entstanden, gefasst in drei Romane.

Als sie fertig waren, kontaktierte ich meinen Verlag (Galiani Berlin), der sofort zustimmte, das Projekt als Serienroman zu veröffentlichen. Herr Brechbühl sucht eine Katze erscheint als Auftaktband Anfang März, Erich Wyss übt den freien Fall soll im August folgen, Julia Sommer sät aus, im Frühjahr 2018.

 

Und selten erhielt ich so herzliche Rückmeldungen. Manche der Unterstützer scheinen meine Texte wie Orakel auf ihr eigenes Leben zu lesen. Und die Romane als Ganzes scheinen einen hohen Suchtfaktor zu haben. Ich habe mir geschworen, an den »menschlichen Regungen« zu schreiben, solange jemand mitspielt. Ich hoffe, das wird noch eine Weile andauern.

Inhaltsverzeichnis

Ein Haus und seine Bewohner

Die Röntgenstrasse kennenlernen – Aus dem Eröffnungsband

Herr Brechbühl sucht eine Katze

Heiterkeit (1)

In der Silvesternacht des Jahres 2000 hatte Hubert Brechbühl vor, früh schlafen zu gehen. Ein Jahr zuvor, in der Nacht des großen Zahlensprungs, hatte er dem Datumswechsel noch regelrecht entgegengefiebert, mit gemischten Gefühlen und gut ausgerüstet mit Kerzen, Thermodecke und haltbaren Lebensmitteln für vier Wochen. Die Badewanne, Töpfe und Krüge hatte er mit Wasser gefüllt. Dann hatte er den gefütterten Anorak angezogen, in dessen Innentaschen er bereits – verteilt auf mehrere Briefumschläge – sein kleines Vermögen verstaut hatte, das er sich zwei Tage zuvor in der Post am Limmatplatz hatte auszahlen lassen. In die Außentaschen hatte er ein Klappmesser, ein Feuerzeug, einen Flachmann mit Enzian und eine kurbelbetriebene Taschenlampe gesteckt. Er war in die Moonboots geschlüpft (und wie dankbar war er nun, dass er vor dreißig Jahren nicht nachgegeben hatte, als seine Mutter, die ihm beim Umzug half, sie der Caritas hatte schenken wollen), dann hatte er sich eine letzte Kanne schön heißen Kaffee gekocht, eine Kerze angezündet und schwitzend vor dem Fernseher darauf gewartet, dass mit dem Datumswechsel die komplexe Technik, auf der das westliche System beruhte, und damit das gesamte Abendland zusammenbrach.

Als Mitternacht nahte, hatte seine Aufregung sich nochmals gesteigert, zweimal musste er aufs Klo, auch ein Butterbrot musste noch geschmiert sein, denn wer konnte schon sagen, was geschehen würde und wann er wieder zum Essen kam. Doch immer rannte er gleich wieder vor den Bildschirm, in dem eine feuchtfröhliche Festgesellschaft schlagersingend blindlings ihrem Untergang entgegenfeierte. Er eilte nicht, weil er etwas zu verpassen fürchtete, er wollte nur so lange als möglich unter Menschen sein. Denn das Leben nach dem Millennium-Crash malte er sich als einsame Sache aus, zumal ganz offensichtlich kaum jemand gerüstet war wie er, und so schätzte er, dass sich die Menschheit innerhalb weniger Wochen halbieren würde.

Die Kirche gegenüber läutete das Jahr aus wie stets, dann trat die »Stille zwischen den Jahren« ein, und Hubert öffnete das Fenster, um die Glockenschläge danach nicht zu verpassen. Die Festgesellschaft im Fernseher hatte sich ebenfalls erhoben und zählte im Chor die Sekunden ab, dann war das neue Jahr da.

Und nichts geschah. Die Stromversorgung blieb erhalten, das Fernsehen war weiter auf Sendung, und mit etwas Verspätung schlug auch die Glocke der Sankt-Josefs-Kirche. Kein Hochwasser-, Strahlungs- oder Brandalarm erklang, es gab kein Großaufgebot von Feuerwehr- und Notfallwagen. Nur einige Raketen knallten, und zwei Familien mit halbwüchsigen Kindern traten aus dem Nachbarshaus und zündeten auf dem Trottoir Vulkane. Weil er nicht wusste, was sie noch alles zünden würden, schloss er zur Sicherheit das Fenster wieder. Von der Straße her riefen sie ihm Neujahrswünsche zu. Nein, nicht Neujahrswünsche, sie wünschten ihm ein fröhliches Jahrtausend – als gehörte es nicht zur allgemeinen Bildung, dass das neue Jahrtausend erst in einem Jahr begann.

Eine halbe Stunde hatte er darauf gewartet, dass der Crash sich noch einstellte, dann hatte er Anorak und Moonboots wieder ausgezogen und sich bettfertig gemacht. Er hatte sich geärgert, dass er so viel Kaffee getrunken hatte, denn er hatte kaum Schlaf gefunden, und obwohl er sich vor der Zeit nach dem allgemeinen Zusammenbruch gefürchtet hatte, war er unzufrieden wieder aufgewacht.

Das wollte er im Jahr darauf vermeiden und beschloss, den Jahres- und Jahrtausendwechsel schlicht zu ignorieren. Das war nicht einfach, denn im Lauf des Jahres hatte er sich einer Clique angeschlossen, die stets donnerstags im »Schwänli« Schieber jasste und dort auch gemeinsam »rüberfeiern« wollte. Dazu hatte er nun gar keine Lust und hatte unbedacht behauptet, seine Nichte in Wattwil habe ihn zu sich eingeladen. Nun fürchtete er, dass die aus dem »Schwänli« vorbeischauten, um zu sehen, ob er die Wahrheit gesagt hatte, es waren ja nur hundert Meter. Oder Paul oder Ahmet nahmen den Weg vom Tram zum »Schwänli« durch die Röntgenstrasse. Deshalb saß er den ganzen Silvesterabend beim Licht einer einzelnen Kerze (so konnte er wenigstens endlich seinen Vorrat reduzieren) und traute sich auch nicht, den Fernseher einzuschalten. Dabei hatte er sich so sehr auf die Sportrückschau gefreut. Insbesondere hätte er nur zu gern nochmals gesehen, wie bei der WM die Eishockey-Nati Russland weggeputzt hatte. So saß er in der Stille und hörte alle möglichen Geräusche im Haus: einen Fernsehsender wohl