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Nach dem Verlust seiner Kräfte und dem Tod des Gnoms, ist Jasper zurück in den Alltag gekehrt. Doch der ganz normale Alltag bleibt nicht so erhalten, wie er es sich gewünscht hätte. Plötzlich entdeckt er altbekannte Gesichter im Fernsehen, die der breiten Masse verkünden, dass sie Menschen mit Superkräften seien. Diese neue Kunde sorgt in Parondon für Furore und es dauert nicht lange, bis diese Superhelden-Geschichte nach und nach ausartet... _____________________________________ Empfohlen ab 16 Jahren. ______________________________________ Coverdesign: Franz Müller
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Seitenzahl: 307
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Stellt euch vor auf euch sitzt gerade eine der geilsten Bräute der Stadt. Sie reitet euch, als ginge es um ihr Leben und unterhält stundenlang die Nachbarn mit ihrem Lustgeschrei. Außerdem beherrscht sie das ganze Kamasutra. Auswendig! Und mit wem will sie alles ausprobieren? Mit dir!
Dann weißt du gerade in etwa wie ich mich fühle. In diesem Moment, in dem Siran auf mir sitzt und ich mich in ihr entlade, bin ich der glücklichste Mann von ganz Parondon. Ach was, von der ganzen Welt.
«Wow, Baby. Du bist der Hammer», stöhne ich, als sich mein Puls langsam wieder normalisiert. Siran lächelt mich verführerisch an und beugt sich runter, um meinen Oberkörper zu küssen.
«Kurze Verschnaufpause, dann geht es weiter», flüstert sie mir mit einem Zwinkern zu. Dann steht sie auf und verschwindet in Richtung Bad. Selig grinsend starre ich an die Decke. Eigentlich ist mein Schwanz schon ganz krumm gevögelt, so oft wie wir es heute getrieben haben, aber ich wäre schön blöd, würde ich zu einer weiteren Runde nein sagen. Wir haben noch längst nicht alle Stellungen durch. Auch ich erhebe mich, um meinen Buddy ein bisschen aufzupäppeln. Schließlich hat er noch Großes vor sich. Außerdem öffne ich das Fenster. Es ist zwar noch kalt draußen, aber dieser Raum braucht dringend Frischluftzufuhr.
Wie ich so am offenen Fenster stehe, blicke auf die Stadt hinunter. Von meiner Penthouse Wohnung aus kann ich fast genauso gut auf die Stadt schauen wie damals von Jeans Balkon. Nur dass die Aussicht hier noch viel geiler und die Luft viel klarer ist. 15. Stock. Alles verglast und eine riesige Terrasse vor der Wohnzimmertür. Besser hätte ich es nicht treffen können. Grinsend ziehe ich mich wieder vom Fenster zurück. Es ist mitten im Februar und draußen es ist so kalt, dass meine nackten Nippel schon stehen. Außerdem spüre ich, dass mein Schwanz sich wieder halbwegs erholt hat und bereit für die nächste Runde ist.
«Hey Siran», rufe ich in Richtung des Badezimmers. «Wo bleibt die geilste Schnecke von Parondon? Jasper Black ist bereit.»
Kennen gelernt habe ich sie am Tag zuvor auf einer Hochzeit. Sie hat mich als der Pudding-Typ wiedererkannt, wusste aber auch, in welchen Filmen ich mitgespielt habe und welche demnächst mit mir anlaufen. Sie meinte mein Auftreten hätte ihre Aura so beflügelt, dass sie nicht ruhen könne, bis sie es endlich mit mir getan habe. Mit Jasper Black. Tja, damit hatte sie mich dann. Und jetzt sind wir hier oben und treiben es schon durchgängig seit dem vergangenen Abend.
«Wenn Chandra mir ihren Segen gibt», ertönt es dumpf hinter der Badezimmertür. Ich schüttele den Kopf. Zugegeben, ein bisschen crazy ist sie schon. Aber das kennt ihr von mir ja nicht anders. Dafür ist sie eine Granate im Bett.
Pfeifend laufe ich zurück zum Bett, ziehe mir einen Shot aus der Vodkaflasche im Nachtschrank rein und haue mich zurück auf die Matratze. Wenn Siran hier ist darf ich nichts trinken. Angeblich stört das unsere Konzentration zwischen den Akten und ihre Chandra sieht sowas nicht gerne. Von mir aus. Daher nutze ich den Moment. Als ein dumpfes Klopfen ertönt, runzle ich die Stirn. Ich hab hier oben keine Nachbarn. Auf dem Dach des Hauses bin ich der Einzige.
«Alles okay, Baby?», rufe ich in Richtung des Badezimmers und höre irgendein Gemurmel. Vermutlich betet sie gerade zu ihrer Möchtegern Göttin. Ich zucke mit den Schultern und warte ungeduldig auf ihre Rückkehr. Dann klopft es wieder.
«Aufmachen!», ruft eine unfreundliche, tiefe Männerstimme.
Hello again. Ihr dachtet meine Geschichte wäre eigentlich schon vorbei? Tja, ganz naiver Weise habe ich das auch geglaubt. Aber wie die alten Römer schon sagten: Errare humanum est. Irren ist menschlich. Denn eigentlich ging es nach der Geschichte mit dem Gnom erst so richtig los. Aber alles zu seiner Zeit. Ich fange lieber ganz von vorne an. Und zwar 18 Monate nach dem Geschehen. Mitten im Dezember.
Mein Dad ist schon lange unter der Erde, sein Haus verkauft und ich lebe seit fast zwei Jahren in meiner ganz eigenen Penthouse Wohnung. Eigentum natürlich. Nicht, dass ich Dads Erbe vollständig dafür verprasst hätte, um mir die Wohnung zu finanzieren. Aber ich habe einen Großteil davon investiert und es hat bei Weitem ausgereicht, um die Wohnung bis nächstes Jahr komplett auf Raten abzahlen zu können. Was in einem Monat endlich geschafft ist. Dann gehört sie mir ganz allein. Durch meine neuen Jobs als Schauspieler kommt auch ganz gut Geld rein, sodass ich nicht mehr in die Bredouille komme. Ich habe ja auch niemanden mehr, der mir aus einem finanziellen Schlamassel raus helfen könnte, deshalb muss ich mit Dads Vermögen haushalten. Seit seiner Beerdigung habe ich auch Karen, meine biologische Mum, nicht mehr gesehen. Mir ist zu Ohren gekommen, dass sie die Stadt verlassen hat, um irgendwo anders neu anzufangen. Das Einzige, was noch genauso ist wie früher, ist das Verhältnis zwischen Cora und mir. Beste Freunde mit gewissen Vorzügen.
Was sich im Übrigen auch nicht verändert hat, ist, dass ich zu Castings immer mal wieder verpenne. Ich wette mir sind dadurch jede Menge tolle Rollen entgangen. Schlussendlich habe ich aber doch eine größere ergattern können. Als Reporter in einem Superheldenstreifen, der sogar gar nicht mal unwichtig für das Geschehen ist und am Ende einen tragischen Heldentod stirbt. Eigentlich hab ich dieser Superheldensache abgeschworen. Aber bei dem Film habe ich natürlich eine Ausnahme gemacht. Immerhin ist das nur fiktiv und ich verdiene mir meine Kohle und einen Namen damit.
Der Film jedenfalls ist frisch abgedreht und das feiert die Crew gerade mit einer großen Abschlussparty. Cora ist auch dabei. Ich hab es geschafft, ihr einen Job als Set-Fotografin zu vermitteln und so gehört sie automatisch mit zum Team und darf mitfeiern bis zum Abwinken. Ganz besonders gefreut hat sie das anfangs, weil einer ihrer Lieblingsschauspieler – Caleb Hassler Jr. – die Hauptrolle in dem Streifen hat. Leider ist er aber zu arrogant, als dass er mit der kleinen Set-Fotografin mehr Worte gewechselt hätte als «Zeig mal her, sind meine Muskeln wenigstens ordentlich in Szene gesetzt?», «Oh vergiss es, Darling. Dieses Bild kommt mir nicht an die Öffentlichkeit.» oder «Wo hast du denn deine Augen? Meine Frisur kommt total unvorteilhaft rüber. Wo hast du denn dein Handwerk gelernt?».
Wie ihr euch vielleicht denken könnt, kann Cora ihn mittlerweile nicht mehr ausstehen. Ich im Übrigen auch nicht. Aber ich fand ihn eh von Anfang an viel zu schleimig. Eine Fleisch gewordene Imitation von Barbies Ken. Oder ganz einfach ein Klon von Clark Kent. Die Rollen die Hassel Jr. spielt sind trotzdem toll und leider kann man nicht abstreiten, dass er seinen Job ziemlich gut beherrscht.
«Noch ein Bier?«, brüllt jemand hinter mir, drängelt sich zwischen Cora und mich ans Buffet und legt jedem von uns einen Arm auf die Schultern. Es ist Paul. Einer der Setrunner.
«Klar doch!« Cora grinst. Sie grinst schon den ganzen Abend. Jeder, dem wir begegnen, will mit uns was saufen. Hier mal ein Shot, da mal ein Gläschen Schampus und dort mal ein Bierchen. Zwar bin ich mindestens genauso betrunken wie Cora, aber ich hab trotzdem die ganze Zeit ein Auge auf sie. Nicht, weil ich Angst habe, jemand könnte sie abschleppen. Sowas wie Eifersucht gibt es bei uns nicht. Es ist einfach eine Angewohnheit von mir, auf sie aufzupassen, seitdem ich vor knapp zwei Jahren meinen Kumpel Joe mal aus den Augen verloren habe und ihn dann tot im Planschbecken wieder fand. Ich habe Joe verloren und kurz darauf meinen Dad. Auch wenn die Verantwortlichen dafür mittlerweile zur Rechenschaft gezogen wurden und tot sind, passe ich umso mehr auf Cora auf. Wenn ich sie verlieren sollte, hätte ich niemanden mehr, der mit etwas bedeutet. Abgesehen von Jeremy, der mittlerweile ein echt guter Freund geworden ist. Aber das mit Cora ist einfach etwas anderes.
«Ich auch«, stimme ich mit ein. Prompt haben wir beide je eine Flasche `Rondoner' in der Hand. Aus Parondons eigener Brauerei. Leider schmeckt es nicht mal halb so gut wie die Werbung behauptet. Deshalb wundere ich mich auch, dass sie das Bier für die Abschlussfeier geholt haben, wo es doch sonst nur das Beste vom Besten gibt.
«Rein geschmuggelt«, beantwortet Paul meine ungestellte Frage mit einem Augenzwinkern. Das erklärt alles. «Meiner Meinung nach das beste Bier weit und breit. Eine Schande, dass sie es nicht für heute gekauft haben!« Dem kann ich nicht zu stimmen. Aber da ich schon betrunken genug bin, dass mir alles schmeckt, stoße ich johlend mit ihm und Cora an. Cora scheint es ähnlich zu gehen wie mir. Sie hasst das Gesöff, stößt aber fröhlich mit an.
«Cora, meine Hübsche!« Das ist Carl, der Regieassistent. Seit Cora das erste Mal am Set zum Fotografieren war, ist er nur am Rumbaggern. Ich würde mal behaupten er steht auf sie. Cora allerdings ist nicht ganz so interessiert, dennoch freundlich zu ihm. Meistens. Jetzt jedoch fängt sie mit gespitzten Lippen seine überschwängliche Umarmung ab, in dem sie seinen Arm mit der freien Hand packt und Carl einmal kräftig zu Boden wirft.
«Auu, ich wollte doch nur einen Kuss.« Er jammert zwar, kann seine Augen aber nicht von ihr lassen und grinst. Ich grinse mit. Ich mag Carl. Cora trinkt lässig von ihrer Bierbrühe und schaut frech auf ihn hinab.
«Ich aber nicht. Sorry, Reflex.« Dann wirft sie ihm eine Kusshand zu, was Paul zum Lachen bringt. Der ist aber so nett und hilft Carl wieder auf.
Nach der ganzen Sache mit dem Kampf im Killer und meinen drei wilden Ex-Affären, habe ich Cora mit zum Training genommen. Mindestens zwei Mal wöchentlich im Fight Club, wo mein Sportkollege Jeremy regelmäßig mit uns trainiert. Und noch zwei Mal die Woche zum Training mit Allen. Ich trainiere weiterhin hauptsächlich Bojutsu, den Stockkampf, mit meinem neuen Bo. Cora hingegen war das ein wenig zu umständlich, sodass sie sich eher dem Taijutsu gewidmet hat, ganz ohne Waffen. Ich brauchte Cora gar nicht lange dazu zu überreden, sie ist damals gleich freiwillig mitgekommen.
«Nochmal stehe ich nicht blöd an der Seite rum und verstecke mich, wenn wieder was passiert», hatte sie nur gesagt und damit war das geklärt. Auf meinen Einwand hin, dass so eine Situation, in der wir uns irre Leute mit Superkräften vom Hals halten müssen, vermutlich nie wieder eintreten wird, hat sie nur geschnaubt und gemeint: «Man weiß ja nie, was noch passiert. Oder welche irre Ex Affäre als nächstes um die Ecke biegt.«
Zwar hat sie gar nicht so Unrecht mit meinen irren Ex-Affären, aber immerhin hat seit der Nacht im Killer keine mehr versucht mich umzubringen. Das mit meiner Asiatin Haru ging zwar nicht sonderlich freundlich zu Ende, aber immerhin hat sie sich einfach einen Neuen zum Bewerfen gesucht und mich in Ruhe gelassen. Ich hatte erwähnt, dass sie gut mit Messern umgehen kann, oder? Wie sich herausstellte, lag das daran, dass sie früher mit dem Zirkus unterwegs war, bevor sie sich in Parondon nieder gelassen hat. Es hat ihr einen totalen Adrenalinkick versetzt mit ihren Messern auf Dinge zu zielen. Und damit meine ich nicht solche Dinge wie eine gewöhnliche Zielscheibe oder eine einfache, große Wand. Sondern Milchtüten oder Cornflakes Packungen, die man gerade in der Hand hielt, Bücher, die man gerade las oder Shampooflaschen, deren Inhalt man sich gerade in die Haare einmassieren wollte. Ihre Lieblingsobjekte waren aber Lebende. Weil die sich bewegten. Das machte es schwieriger und der Nervenkitzel, dass sie zwischen – dramatisch betrachtet – Leben und Tod entscheiden konnte, versetzte ihr einen Kick. Das habe ich dann zu spüren bekommen. Haru hatte mich während des Sex‘ an ihr Bett gefesselt und anschließend die Bettdecke und Kissen um mich herum mit ihren Messern fest getackert. Ich schwöre, sie hat dabei ein paar meiner Schamhaare erwischt!
Jedenfalls war mir das zu irre. Hab ich ihr auch direkt danach so gesagt und meine Sachen gepackt. Sie hat mich als Loser beschimpft und mir geschworen, dass sie mit mir nichts mehr zu tun haben wolle, sie stehe auf echte Männer. Und so einen würde sie sich jetzt suchen. Das war unsere letzte Begegnung. Zum Glück.
Ihr fragt euch vielleicht, ob ich jetzt endlich mal daraus gelernt habe und mich nicht mehr ans Bett fesseln lasse, nach dem Vorfall mit Amanda und Haru. Nope, habe ich nicht. Aber immerhin hatte ich seitdem keine längerfristige Affäre mehr. Ich entwickle mich weiter.
«Habt ihr eigentlich schon von dieser Bekloppten gehört?», holt Paul mich zurück in die Realität. Ich schüttle den Kopf, während ich vom ‘Rondoner trinke. «Die hat heute im Radio angerufen und ein Gewinnspiel dafür genutzt, um zu behaupten, sie habe Superkräfte.» Er lacht auf und Carl stimmt mit ein, wobei er sich mit dem Finger an die Stirn tippt.
«Völlig gaga, wenn ihr mich fragt.»
Langsam drehe ich meinen Kopf zu Cora, die mich bereits anstarrt. Wir ahnen beide, dass diese Frau vermutlich nicht ganz so gaga ist. Das behalten wir aber für uns und zwingen uns stattdessen mitzulachen. Ich frage mich allerdings, wenn diese Frau wirklich eine Genträgerin ist, warum sie den Codex bricht und damit an die Öffentlichkeit geht. Denn im Radio ein Gewinnspiel als Vorwand zu nutzen, um von seinen Kräften zu berichten, klingt mir alles andere als nach einem Zufall.
Am nächsten Tag stehe ich vollkommen übermüdet und mit riesigen Augenringen vor Coras Tür. Die Sporttasche über die Schulter gehängt und auf jeden Fall noch Alkohol intus. Heute ist Samstag. Wir haben uns fest vorgenommen heute im Fight Club zu trainieren. Leider hat der aber samstags nicht lange geöffnet. Eigentlich war das eine mega blöde Idee von uns, wo wir doch wussten, dass wir vorher feiern sind. Ich sinke auf eine Bank vor ihrer Haustür und gähne herzhaft und lange. Da ich wieder mal vergessen habe, die Hand vor den Mund zu halten, schaut mich eine Mutter mit ihrem Kind angewidert an. Keine Ahnung, wo ihr Problem liegt. Wenn es ihr nicht gefällt, soll sie halt weg schauen. Ist ja also wohl nicht mein Problem. Die Haustür mir gegenüber öffnet sich und eine völlig fertig aussehende Cora kommt heraus. Bei ihrem Anblick zucken meine Mundwinkel.
«Du siehst scheiße aus», grüße ich sie.
«Selber, Arschloch», schmunzelt sie zurück. Sie lässt sich neben mir auf die Bank fallen und ihre Sporttasche auf den Boden. Ihren Kopf legt sie an meine Schulter. «Sicher, dass wir heute zum Sport wollen?», fragt sie gähnend. Im Gegensatz zu mir hält sie die Hand davor.
«Du sprichst mir aus der Seele», antworte ich. «Kaffee?»
«Unbedingt!» Und schon ist sie wieder aufgesprungen. Die Sporttasche ist schneller wieder auf ihren Schultern, als ich reagieren kann. Etwas lahmarschig mache ich es ihr nach und stehe auf.
«Man muss es mit dem Sport ja auch nicht übertreiben», erklärt sie. Mit einem Nicken stimme ich ihr zu, während sie sich bei mir einhakt. Müde schlurfen wir in Richtung des Stiles’. Wir müssen richtig beschissen aussehen. Wenn uns heute jemand für Penner oder Alkis hält, hätte ich sogar vollstes Verständnis dafür. Zumindest was mich angeht. Cora ist so schlau und hat eine Sonnenbrille dabei, die sie sich gerade auf die Nase setzt. Das lässt sie gleich viel fitter aussehen. Weil man ihre Augenringe nicht mehr sieht.
«Ich sag’ mal eben Jeremy ab», verkündet sie, während sie ihr Smartphone heraus holt und auf den Touch Display einhackt. «Hast du nochmal über die Sache gestern nachgedacht?», fragt sie schließlich. Fragend schaue ich sie an. «Das mit der Frau, die angeblich Superkräfte hat», erklärt sie mir. Ach ja. Das hatte ich schon wieder vergessen. Oder besser gesagt verdrängt. «Glaubst du, das stimmt? Oder ist sie wirklich bekloppt?»
«Kein Plan, mann», antworte ich resigniert. «Scheint mir aber `ne bewusste Aktion gewesen zu sein. Wegen der Art und Weise, wie sie’s an die Öffentlichkeit zu tragen versucht.»
«Ja, über sowas hab ich auch schon nachgedacht», stimmt Cora mir zu. «Ob wir sie kennen?»
«Ich glaub nich’. Die, die wir kannten, sind fast alle tot und waren absolute Geheimniswahrer, was diese Gensache angeht.»
Erinnert ihr euch? Wir hatten uns damals mit fünf übrig Gebliebenen getroffen, die einer ehemaligen Vereinigung von Genträger angehörten. Darunter allem voran natürlich Wendy. Dann die ehemalige Leaderin der Gammas, Ruby. So wie den kleinen, muskulösen Marten, der Laktose beherrschen konnte und Ronan. Der große hagere, ruhige Kerl mit unglaublichen Hulk Kräften. Ruby und Marten sind damals leider im Kampf gegen den Gnom umgekommen.
«Ich find’s ja irgendwie ganz cool, dass da nochmal was kommt. Ich mein, das war ja irgendwie schon spannend mit deinen Superkräften. Manchmal vermisse ich es ein bisschen, dass du nicht mehr plötzlich nackt bist.» Grinsend blickt sie zu mir herüber und ich hebe einen Mundwinkel an. Dann lege ich meinen Arm um ihre Schulter und ziehe sie an mich heran.
«Du weißt doch, du brauchst nur mit dem Finger zu schnipsen und ich mach mich für dich nackig.» Wie nicht anders zu erwarten schnipst sie. Grinsend schüttle ich den Kopf. «Ich hätt’s ahnen müssen, was?»
«Klaro. Und jetzt zieh dich aus.»
Was soll ich sagen? Ich habe es ihr versprochen. Da ich aber nicht wieder verhaftet werden will und es außerdem arschkalt draußen ist, verschwinden wir im nächsten Klamottenladen und suchen uns eine Kabine. Die sind hier zwar eng, aber umso näher sind wir uns. Ohne lange zu zögern ziehe ich mich aus und nehme Cora ordentlich ran, nachdem sie zumindest ihre Hose unten hat.
Ich muss zugeben: In den letzten Monaten haben unsere sexuellen Aktivitäten miteinander etwas zugenommen. Früher hatten wir einmal im halben Jahr Sex. Jetzt ist es schon einmal im Quartal. Manchmal auch zwei. Diesen Monat sogar das dritte Mal. Aber das ist eine Ausnahme. Wir wollen es ja nicht übertreiben, sonst wird unser Sexleben schnell langweilig, wenn wir ständig den gleichen Partner haben. Auch wenn Cora eine absolute Bombe im Bett ist. Oder an der Kabinenwand.
Wir sind gerade voll in Fahrt. Ich spiele mit meiner Zunge an Coras Zungenpiercing herum und ihre kleinen, perfekten Brüste wackeln vor mir auf und ab. Ich hab ihr Shirt hoch gezogen. BHs trägt sie bei ihrer Größe nie. Jedenfalls sind wir gerade voll in Fahrt und ich spüre, wie ich kurz vorm Höhepunkt bin, da drückt mir Cora ihre Hand ins Gesicht.
«Jasper», zischt sie mich an, als hätte sie es schon mehrmals getan. Ich öffne meine Augen und schaue sie fragend an. Dass sie aber auch ausgerechnet jetzt unterbrechen muss. Sie deutet mir mit ihrem Blick an, nach rechts zu schauen, während sie versucht, mich von sich zu schieben. Ich brauche aber nicht mal den Kopf zu drehen. Was ich jetzt in den Augenwinkeln wahrnehme, reicht schon, um zu verstehen. Cora löst ihre Beine von meiner Hüfte und zappelt etwas, vermutlich weil sie zurück auf den Boden will. Denn aktuell drücke ich sie über dem Boden an die Kabinenwand. Aber ihre Bewegung ist zu viel für mich. Ich bin schon so kurz vor dem Höhepunkt, dass dies die letzte Bewegung war, die noch gefehlt hat, um abzuspritzen. Stöhnend drücke ich mich gegen sie, sie vergräbt kopfschüttelnd ihre Hände in meinen Locken und ich spüre, wie mein Sack unentwegt zuckt, während ich mich unaufhaltsam in ihr entlade.
«Fuck», murmle ich und lasse Cora endlich runter. Die zieht nun endlich ihr Shirt wieder runter und so schnell es geht ihre Hosen hoch. Ich hingegen bewege meinen Kopf nun endlich schwer atmend nach rechts. Dort steht ein kleines Kind mit seiner Mutter und einer anderen Frau. Vielleicht die zweite Mutter. Jedenfalls starren mich alle drei mit offenen Mündern an.
«Ups», grinse ich etwas schief und ziehe eine Schulter hoch. Die müssen uns wohl gehört und den Vorhang beiseite gezogen haben. Spanner!
Nicht, dass mir das peinlich wäre. Die Kinder werden sowas später noch oft genug zu sehen bekommen und das Mutterpärchen kann mir nicht erzählen, dass sie noch nie einen Porno geschaut haben. Denn etwas anderes ist das hier nicht. Halt nur live. Allerdings weiß ich, dass viele Leute da Probleme haben und weil ich keinen Bock habe, gleich von der Ladensecurity hinaus oder von der Polizei ins Präsidium begleitet zu werden, versuche ich so etwas wie Reue zu zeigen. Eine Art Entschuldigung, in dem ich gucke, als würde es mir leid tun. Bevor ich allerdings noch ein «Sorry» hinzufügen kann, hab ich schon eine sitzen. Das war die Mutter, die links vom Kind steht. Kurze rote Haare und ein rotes Gesicht. Die zwei Rottöne beißen sich ganz schön.
«Wow», murmle ich und reibe mir die Wange, die vermutlich gleich genauso rot sein wird, wie das Gesicht der Frau. «Guter Schlag.»
«Mama guck mal! Der Mann hat einen Pullermann auf seiner Brust.» Das Kind kichert hinter hervor gehaltener Hand und zeigt mit der anderen auf mein Pimmel-Tattoo. Die bisher Ruhigere der beiden Frauen hält dem Kind schnell eine Hand vor die Augen.
«Sie Widerling! In einem Geschäft! Vor dem Kind! Und dann können Sie sich nicht mal zusammenreißen und müssen auch noch- auch noch-» Das ist wieder die, die mir eine geknallt hat. Sie fängt an zu stottern.
«Abspritzen?», helfe ich nach. Jetzt rastet sie aus, kreischt herum und holt nochmal aus. Dieses Mal bin ich allerdings vorbereitet und ducke mich weg. So schnell ich kann, kralle ich meine Klamotten und die Sporttasche, die allesamt am Boden liegen, und ergreife die Flucht. Cora tut es mir gleich und wir rennen so schnell wir können raus. Cora fast angezogen, bis auf Jacke und Schuhe, ich komplett nackt, bis auf die Socken.
Kaum haben wir den Laden verlassen, höre ich wie jemand etwas brüllt und ich ahne, dass das die Ladensecurity sein muss, die uns folgt. Ich gebe zu: In Momenten wie diesen vermisse ich meine Teleportationsfähigkeiten.
So schnell uns unsere Beine tragen, sprinten wir durch die Straßen. Sobald ich eine Seitengasse entdecke, biege ich ab. Fehlt mir noch, dass ich gleich wieder wegen Exhibitionismus verhaftet werde. Ist mir bisher zum Glück erst einmal passiert, aber es ging gleich durch die Nachrichten und jeder der mich kannte, hatte sie natürlich gesehen. Damals bin ich gerade zum dritten Mal aus Versehen teleportiert. Das war meine Superkraft, meine Fähigkeit, bevor ich sie im Kampf gegen meinen Erzfeind, den Gnom, verloren habe. Nur wenige Wochen vor dem großen Kampf hatte ich noch keine Ahnung, dass es Superkraftgene überhaupt gibt und schon gar nicht, dass ich einer der wenigen Menschen war, die eines besitzen. Demnach konnte ich sie nicht kontrollieren und landete hin und wieder plötzlich irgendwo splitterfasernackt. Und einmal war ich so weit von zu Hause weg, dass ich ohne Klamotten und Geld mehrere Blocks nach Hause laufen musste. Und prompt wurde ich wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses von der Polizei einkassiert. Vielleicht erinnert sich der ein oder andere von euch daran.
«Da rein», keucht Cora hinter mir. Da ich nicht sehe wo sie hin zeigt, renne ich prompt dran vorbei und mache kehrt, als sie mich an der Schulter packt und zurückzieht. «Hier!», zischt sie und schon verschwinden wir durch das Loch einer kaputten Tür. Wir ziehen uns in den Schatten zurück und spähen aus der Öffnung hinaus. Dann hören wir Fußgetrappel und sehen die schwarzen Schuhe der Security vorbei laufen.
«Puh», seufzt Cora erleichtert aus und lehnt sich gegen mich. Dann auf einmal fängt sie an zu lachen und als die Anspannung auch von mir abfällt, stimme ich mit ein. «Ups», lacht sie. «Du bist echt so bescheuert manchmal. Mein Mikroheld.» Sie wischt sich eine Träne aus dem Auge, die sich gerade eben gebildet hat und sieht mich an. Mit der Faust boxt sie mir kopfschüttelnd gegen die Schulter. «Mit dir macht man aber auch immer was mit.»
«Mit mir? Du wolltest doch, dass ich mich ausziehe», wehre ich mich feixend. Cora wischt sich nur nochmal über das feuchte Auge, immer noch ein bisschen lachend. Nun, da das ganze Adrenalin verpufft ist, steigt mit einem Mal eisige Kälte in mir auf. Kein Wunder. Ich bin ja noch immer nackt. Und das mitten im Februar. Während Cora sich ihren Mantel wieder überstreift, schlüpfe ich so schnell ich kann in meine Klamotten. Als ich fertig angezogen bin, ist gefühlt mein ganzer Körper blau. Cora will schon wieder raus krabbeln, aber ich halte sie noch zurück.
«Warte lieber. Nich’, dass der Kerl auf demselben Weg wieder zurückkommt.» Noch ist hier niemand wieder vorbei gekommen.
«Oh mann, ich hoffe wir sind nicht auf den Kameras zu erkennen», stöhnt Cora und lehnt sich gegen die kaputte Wand. Alles hier drin ist kaputt. Nicht nur Wand und Haustür. Beim näheren Betrachten stell ich das erst fest. Wie es aussieht, sind wir in irgendeinem alten Lagerhaus gelandet. Denn hinter uns entdecke ich durch die nächste kaputte Tür einen riesigen, leeren Raum. «Vielleicht haben sie dich auch als der Pudding-Typ aus der Werbung erkannt oder lassen Phantombilder zeichnen», sagt Cora nachdenklich. Meine Mundwinkel kräuseln sich und ich schaue wieder zu ihr.
«Das mit dem Karamelpudding Spot ist doch mittlerweile wieder über ein Jahr her. Und ich glaub nicht, dass die sich extra die Mühe und Kosten für solche Bilder machen. Du kennst doch unsere Polizei. Wir dürfen halt nur nie wieder in diesen Laden. Falls sie uns dann wieder erkennen.»
Cora winkt ab. «Ach, damit kann ich leben. Was die da verkaufen, ist eh nicht mein Fall.» Mein Kopf fährt herum, als Schritte von draußen herein dringen. Schwarze Schuhe schieben sich in unser Sichtfeld und bleiben stehen.
«Fuck», murmle ich fast tonlos und schiebe Cora und mich so leise wie möglich zurück in den Schatten. Gleich darauf erscheint ein Gesicht vor der Öffnung der kaputten Eingangstür. Eindeutig der Security. Er hat tatsächlich den gleichen Weg zurück genommen. Ganz schön hartnäckig, dass er hier sogar nochmal rein blickt. Als sein Blick mich trifft, bleibt mein Herz fast stehen. Nach gefühlten Minuten zieht er sich jedoch fluchend zurück und verschwindet wieder.
«Was war das?», flüstert Cora nach einer kleinen Weile. «Hat er dich nicht gesehen?»
Ich zucke mit den Schultern. «Vermutlich. Muss zu dunkel sein hier drin.» Zur Sicherheit warten wir noch fünf Minuten, ehe wir uns endlich wieder hinaus wagen. Von dem Security-Typen ist weit und breit nichts mehr zu sehen. Also hängen wir unsere Taschen um und setzen uns wieder in Bewegung.
«Von wegen heute kein Sport», grinst Cora. «Jetzt brauch ich aber meinen Kaffee!»
Zwanzig Minuten später sitzen wir mit heiß dampfenden Latte Macchiatos, je einem Kaffee und unseren Extrawurst-Cookies im Stiles’. Unser Stamm-Café seit der 10. Klasse. In den letzten zwei Jahren hat sich der Laden zwar modernisiert, aber im Grunde kaum verändert. Der große Raum ist für Nichtraucher, den kleinen für Raucher qualmen Cora und ich fast jeden Tag voll. Ganz früher, als ich noch ein halbes Kind war, ist das mal anders herum gewesen mit der Raucherraumaufteilung. Bis das Gesetz der rauchfreien Zonen in Cafés und Restaurants eingeführt wurde. Getrennt werden die Räume allerdings nur durch zwei halbe Plexiglasscheiben und einer Stufe.
Bis auf eine Bedienung sind es noch dieselben wie schon immer. Deshalb bekommen wir auch immer noch unseren Cookie, statt der Amaretti. Neu ist jedoch, dass die Theke vor einem Jahr einen neuen, dunkelgrünen Anstrich bekommen hat, da die Farbe schon schon ziemlich abgeblättert war und seit ein paar Monaten hängt in beiden Räumen ein Fernseher in einer Ecke. Gerade läuft die Wiederholung eines Satire-Magazins mit Janis Böhm. Im Hintergrund höre ich wie er sich gerade über die Parondoner Polizei lustig macht. Im Übrigen haben die es bis heute nicht geschafft, im Fall Killer die Wahrheit aufzudecken. Man hat es – wie von mir erhofft – als Unfall abgetan, dass die Gasleitung undicht war und es eine große Tragödie gewesen sei, dass sich zu der Zeit Menschen darin aufgehalten haben.
Killer, das war das Striplokal, in dem damals der große Kampf mit dem Gnom stattgefunden hat und das ich im Affekt angezündet habe, nachdem Cora mir erzählt hatte, dass die zwei letzten, überlebenden, gefesselten Irren dort drinnen versucht hatten, zusätzlich zu all ihren Morden, auch noch sie umzubringen.
«Tausend Danke übrigens nochmal, dass du mir diesen Foto-Job beim Set besorgt hast», bedankt sich Cora zum gefühlt fünften Mal, seit sie ihn bekommen hat und reißt mich damit wieder aus den Gedanken.
«Nicht dafür, weißte doch.» Ich winke ab und nehme die Hand mit meiner Kippe vom Tisch, als eine der Bedienungen unser Essen bringt. Nach einer durchzechten Nacht braucht es ein ordentliches Frühstück. Wir haben Eier mit Speck bestellt, zwei Schnitzelbrötchen und als Dessert Kuchen und Donuts. Als die Kellnerin wieder geht, fügt Cora hinzu: «Trotzdem, echt jetzt. Carl meinte, er fand das Arbeiten mit mir so smart, dass er mich direkt für sein nächstes Projekt empfohlen hat. Zwar meinte er, ich hätte den Job dank ihm so gut wie sicher, aber trotzdem: Jetzt heißt’s Daumen drücken.» Grinsend drückt sie ihre Daumen, während ihre Kippe zwischen ihren Lippen steckt. Dann ascht sie ab.
«Aye. Daumen drücken», erwidere ich nickend und drücke meine ebenfalls. So, dass sie es auf jeden Fall sehen kann. Grinsend macht sie ihre Kippe aus und wünscht mir einen guten Appetit. Ich tue es ihr gleich. Jetzt ist mir Essen wichtiger als Rauchen. Ich hab verdammt nochmal einen mords Kohldampf. Während wir stillschweigend das Essen ins uns hinein schaufeln, berieseln uns die Gespräche der anderen Gäste und das Gerede von Janis Böhm.
«Ja und die Parondoner Polizei, meine Damen und Herren, ist ja bekanntlich völlig überfordert. Mit den Drogendealern in der Stadt und den illegalen Massenpartys, den prügelnden Rowdys, Banküberfällen und wer weiß was noch», er lacht kurz sarkastisch auf, «aber jetzt, passen Sie auf, hat das alles ein Ende. Die Lösung ist da. Denn angeblich wimmelt es in der Stadt ja nur so vor Superhelden, die der Polizei bald so richtig kräftig unter die Arme greifen werden.» Er grinst wieder.. Aber kein dümmliches Grinsen. Eher eins von der sympathischen Sorte. «Die haben sich nämlich gestern zu Wort gemeldet. Zumindest ihre Anführerin.» Wieder lacht er, was mich irgendwie auch zum Schmunzeln bringt. Auch wenn ich um den Wahrheitsgehalt der Geschichte wohl Bescheid weiß. «Hier. Hören Sie mal rein.» Dann wird ein Ausschnitt der Radiosendung von Donnerstagabend abgespielt, von der uns Paul bereits berichtet hat. Wir hören eine sehr sicher klingende Frauenstimme, die den Radiomoderator mit seiner Gewinnspielfrage abwürgt.
«Ich möchte gar nichts gewinnen. Mein einziges Anliegen ist es, der Welt mitzuteilen, dass es uns gibt.»
«Aber das-», mischt sich der Moderator ein, doch die Frau unterbricht ihn wieder.
«Superhelden.» Jetzt versucht er nicht, das Wort zu ergreifen. Er scheint zu perplex zu sein. Diese Stille nutzt die Frau sofort, um weiter zu reden. Cora und ich werfen uns kauend Blicke zu und ich sehe, dass sie genauso gespannt zuhört wie ich. Dann hefte ich meinen Blick auf den Fernseher. Doch man sieht nur Janis Böhm, der sich grinsend, seitlich auf den Zeigefinger beißt, während das Tonband weiter läuft. «Wir sind hier draußen. Wir sind überall. Meine lieben Heldenfreunde, traut euch endlich und geht den Schritt, den ich jetzt gehe: Zeigt euch. Zeigt den Menschen da draußen, dass wir da sind. Dass wir die Parondoner Polizei unterstützen und für Ordnung und Gerechtigkeit sorgen werden. Vergesst die Abmachung und helft den Menschen!»
«Ich muss an dieser Stelle jetzt doch mal unterbrechen. Wir haben einen strikten Sendeplan und-», setzt der Moderator, der offensichtlich seine Stimme wiedergefunden hat, erneut an. Doch wieder lässt sie ihn nicht ausreden.
«Meldet euch, Heldenkollegen. Zeigt euch. Wir können so viel Gutes tun!»
«Wir-», versucht es der Moderator erneut. Doch er wird dieses Mal von einem Tuten unterbrochen. Die Frau hat schon selbst aufgelegt.
Dann ist der Beitrag zu Ende und Böhm grinst in die Kamera. «Ja, Sie haben es gehört, meine Damen und Herren. Die Polizei bekommt endlich, endlich die Unterstützung, die sie schon immer gebraucht hat. Da kann es ja nur noch bergauf gehen, nicht wahr? Apropos bergauf-» An dieser Stelle schalte ich ab, denn Cora stupst mich unterm Tisch mit dem Fuß an.
«Hast du sie erkannt?», fragt sie und ich kann nicht ganz deuten, ob sie ein Feixen unterdrückt oder ob es ihr nicht gut geht. Ich schüttle den Kopf. Es fällt mir schwer, Menschen nur anhand der Stimme zu erkennen. Vor allem dann nicht, wenn sie über Tonband im Fernsehen abgespielt wird, der leise im Hintergrund läuft. «Das war Wendy. Ganz sicher.»
«Bitte was?», lache ich ungläubig. «Sicher, dass du dir sicher bist?« Ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Die ach so bedachte Wendy bricht den Genträger-Codex, sich vor den normalen Bürgern nicht zu verraten? Lachhaft.
Für diejenigen, die sich nur schwer an sie erinnern können: Sie ist eins der wenig verbliebenen Mitglieder der bereits genannten einstigen, geheimen Superhelden Verbindung Namens Sigma Gamma Beta. Das steht übrigens für Superhelden Geheim Bund. Als Cora damals Informationen zum Gnom gesucht hat, ist sie zufällig auf Wendy gestoßen und damit über die Verbindung gestolpert. Sie konnten immerhin ganze fünf ehemalige Mitglieder zusammen trommeln, ohne die der Gnom mich getötet hätte. Ich verdanke den Gammas also mein Leben. Und Cora, ganz genau betrachtet, auch. Wendy konnten wir beide allerdings von Anfang an nicht sonderlich gut leiden. Sie ist ein endvierziger Nerd, der anscheinend nichts anderes im Kopf hat als Serien, Filme, Superhelden und Klugscheißen. Die Geschichte über den Vater des Gnoms, den Piraten, hatte sie einst als Superhelden-Fanfiction verfasst und in ein Forum gestellt. Angeblich war alles frei erfunden. Zum Glück wussten wir es damals besser, sodass uns sofort klar war, mit wem wir es da wirklich zu tun hatten: Einer mutmaßlichen Genträgerin. Wie wir später heraus fanden, kann sie Feuerbälle schießen und löscht ihre Brände danach ganz artig selbst wieder. Mit Wasserflaschen. Da ist sie ganz penibel. Und alles besser wissen tut sie auch.
«Absolut sicher. Diese Art und Weise zu sprechen, erkenne ich unter Tausenden wieder. Das hat mich damals so verrückt gemacht.» Cora verdreht ihre Augen, ich hebe meine Mundwinkel etwas schief an.
«Mich auch.»
«Außerdem würde das doch passen.«
«Ach ja? Ich dachte immer sie sei so auf super geheim und wir dürften nichts verraten. Echte Superhelden agieren verdeckt und verlangen keinen Dank dafür. Bla.»
«Jetzt interpretierst du aber», mahnt mich meine beste Freundin. «Immerhin kennen wir sie kaum. Vergiss außerdem nicht, dass sie diese Fanfiction geschrieben hat, die eigentlich wirklich geschehen ist. Ich glaube ja, dass das ihre Art war, Aufmerksamkeit für das zu erzielen, was sie getan haben. Nämlich Superhelden spielen. Ihr Gelaber von wegen wir sind da, um was Gutes zu tun, war doch sicher nur Masche, weil sie nicht wollte, dass du das Killer an-»
«Hey, immer sachte!», unterbreche ich sie zischend mit erhobenen Händen. Fehlt mir noch, dass sie hier munter heraus plaudert, dass ich das Killer angezündet habe. Cora wird augenblicklich rot und stopft sich ihren Donut in den Mund.
«Schorry», nuschelt sie hinter diesem hervor. Ich lasse mir ihre Worte durch den Kopf gehen und muss zugeben, dass ihre Theorie gar nicht so weit hergeholt klingt. Dann zucke ich aber mit den Schultern.
«Soll sie sich doch für irre erklären lassen. Wenn sie unbedingt darauf besteht. Wir haben mit der ganzen Sache nix am Hut.»
Entweder weiß Cora nicht, was sie darauf erwidern soll oder sie erinnert sich daran, dass ich mit diesem ganzen Gen-Zeugs nichts mehr zu tun haben will. Jedenfalls schweigt sie jetzt zu dem Thema und isst ihren Donut auf.
«Wollen wir doch noch in den Fight Club?» Fragend schaut sie mich an, nachdem ihr Mund wieder leer ist. Unentschlossen schaue ich auf die große Uhr über der Eingangstür und druckse herum.
«Hm. Weiß nich‘. Vielleicht. Hm... Aye. Okay. Ja.» Ich hab heute eh nichts anderes zu tun. «Lass uns gehen. Eine Stunde hat er ja noch auf.»
«Okay, ich schreib Jeremy mal, dass wir doch kommen.» Und schon hat Cora ihr Handy wieder gezückt.
«Ihr könnt euch auch nicht entscheiden, was?», grüßt Jeremy uns lachend. Cora kriegt eine herzliche Umarmung, ich eine männliche. Die aber nicht weniger herzlich ist. Seit ich wieder hier trainiere, verstehen Jeremy und ich uns richtig gut. Schon im alten Club hat es bei uns freundschaftlich gefunkt. Aber hier hat es sich erst so richtig intensiviert. Wie die Jugend vielleicht sagen würde: Das geht so richtig deep.
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