Midlife - Katja Bigalke - E-Book
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Midlife E-Book

Katja Bigalke

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Beschreibung

In der Mitte des Lebens verändert sich der Körper. 
In der Mitte des Lebens fühlt man sich nochmal  jung und gleichzeitig zum ersten Mal alt.
In der Mitte des Lebens denkt man über verkürzte  Arbeitszeiten nach oder startet nochmal richtig durch.
In der Mitte des Lebens brauchen die eigenen  Eltern Unterstützung, während die eigenen Kinder  erwachsen werden.
In der Mitte des Lebens hat man die ersten  Verluste erfahren.
Leben heißt Veränderung. Aber warum ist die Veränderung in der Mitte  des Lebens eine besondere?    

Basierend auf ihrem erfolgreichen Podcast und im  Gespräch mit zahlreichen Expert*innen ergründen Katja Bigalke und Marietta Schwarz die Tiefen und  Untiefen der Mitte des Lebens: Neugierig, offen und  mit einer guten Portion Selbstreflexion.

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Seitenzahl: 304

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Über das Buch

In der Mitte des Lebens verändert sich der Körper.  

In der Mitte des Lebens fühlt man sich nochmal  jung und gleichzeitig zum ersten Mal alt. 

In der Mitte des Lebens denkt man über verkürzte  Arbeitszeiten nach oder startet nochmal richtig durch. 

In der Mitte des Lebens brauchen die eigenen  Eltern Unterstützung, während die eigenen Kinder  erwachsen werden. 

In der Mitte des Lebens hat man die ersten  Verluste erfahren. 

Leben heißt Veränderung. Aber warum ist die Veränderung in der Mitte  des Lebens eine besondere?    

Basierend auf ihrem erfolgreichen Podcast und im  Gespräch mit zahlreichen Expert*innen ergründen Katja Bigalke und Marietta Schwarz die Tiefen und  Untiefen der Mitte des Lebens: Neugierig, offen und  mit einer guten Portion Selbstreflexion.

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Katja Bigalke, Marietta Schwarz

Midlife

Das Buch über die Mitte des Lebens

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Informationen zum Buch

Newsletter

In der Talsohle des Glücks — Ein Vorwort zu den mittleren Jahren

Zelltod, Meno- und Andropause — Die biologischen Fakten der Lebensmitte

Das Spüren des Verfalls

Lebensabend der Zellen

Das Auf und Ab der Wechseljahre

Hormonelle Veränderungen in der Andropause

Charlie’s Angels

Früchte und Fruchtbarkeit

Scheidentrockenheit – das letzte Tabu

Geht da noch was? — Die Suche nach dem erfüllenden Job

Vieles ist möglich, nicht alles wahrscheinlich

Agenturgründer hütet Schafe

Das beste Match

Die Akkumulation von Ungleichheiten

Der Job, in dem man gut altern kann

Kind oder Katze — What’s up in the nest?

Empty Nest Syndrom

»Wolltet ihr nie Kinder?!«

Männer-Phänomen Zweitnest

Die Uhr, die weitertickt

Cancel Menopause

Hund und Hausschwein ziehen ein

Die »Großmutter-Hypothese«

Heinz und Hannelore — Wer pflegt wen?

Ein tief sitzendes Tabu

Wie nah wollen wir uns sein?

Im Griff der Scham

Über Pflege reden

Warum wir unseren Eltern nichts schulden

»Wir brauchen mehr Gerechtigkeit in den Familien.«

Bauchfrei, Cap, Jeans mit Riss — Geht das noch?

Zwischen Selbstkasteiung und Selbstoptimierung

Ein Hoch auf modische Selbstdarstellung

Wege aus der Entfremdung

Dresscode: Machen, was man will

Middlesex — Verliebt, verspielt, verlernt

Keine Lust?

Sex: eigentlich positiv

Wenn nichts mehr läuft

Wege aus der Sex-Rezession

Sex und Gesellschaft oder Die Irrungen der Fuckability

Sexual Empowerment

Das gewohnte Programm durchbrechen

Pimp — Das Anti-Aging-Programm

In Würde altern oder: Was ist eigentlich natürlich?

Unter Druck

Zur Künstlichkeit stehen

Pump — Muskelaufbau und Muskelschwund

Sport, kein Mord

»Ich spüre Muskeln!«

Zen oder die Kunst, eine Hantel zu heben

Fit für die Selbsterfindung

Mittendrin am Ende — Warum Liebe scheitert

Wer sich jetzt nicht trennt…

Hochrisikofaktor Schweigen – warum Liebe versiegt

Silver Splitting

Auf zu neuen Paarungsstrategien

Heim und Hochbeet — Rückzug mit Pinsel und Gartenschere

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr

Biedermeierliche Fantasien

Die Ästhetik der neuen Sesshaftigkeit

Flucht aufs Land

Gärtnern mit Klasse

Haare und Härchen — Gezupft, gefärbt, neu gepflanzt

Shades of Grey

Haare sind politisch

Haare pflanzen

Wenn es überall sprießt

Eine kurze Geschichte der Körperbehaarung

Dicker als Wasser — Ein Hoch auf die Freundschaft

Neue Sehnsucht nach Verbindlichkeit

Das Wesen der Freundschaft

Die Qualität von Freundschaft im Midlife

Zufällig beste Freunde

Friends with benefits

Die »Verantwortungsgemeinschaft«

Vorsicht zerbrechlich! — Der Rausch, der Tod und das Leben

Das »problematisch Lustvolle« des Rauschs

Der fragile Körper

Der Tod und das Leben

Das Geheimnis des Rauschs

Dank

Impressum

In der Talsohle des Glücks

Ein Vorwort zu den mittleren Jahren

Eigentlich sind wir keine Fans von Altersangaben. Denn was sagt das biologische Alter schon darüber aus, wie jemand im Leben steht? Mit zwanzig wären manche gerne schon dreißig. Und wer vierzig ist, fühlt sich vielleicht wie 25 und denkt rückblickend, wie doof es war, dass sie oder er mit 25 diese Phase des Lebens nicht mehr genossen hat. Kurzum: Gefühltes Alter, gewünschtes Alter und tatsächliches Alter korrelieren häufig nicht.

Meine Mutter zum Beispiel behauptet, dass ihre Vierziger und Fünfziger die beste Zeit ihres Lebens waren und sie die Wechseljahre gar nicht gespürt hat – vergessen sind die Krankenhausaufenthalte, bei denen zu starke Blutungen durch »Ausschabungen« gestoppt werden mussten, vergessen die Angst vor einer »Totaloperation«, die im Kreis ihrer Freundinnen weit verbreitet war, vergessen die Sorge um Gewichtszunahme, Falten und Osteoporose. Mit über achtzig blickt sie auf ihre Mitte des Lebens entspannt und fröhlich zurück – auf eine Zeit, die uns Menschen im mittleren Alter (wir werden sie im Folgenden Mid-Menschen nennen, da wir uns mit Midager oder Midlifer nicht so richtig anfreunden mochten) doch gerade einige Schwierigkeiten bereitet.

Rein rechnerisch liegt diese Mitte des Lebens in Deutschland bei 40,6 Jahren – nimmt man die durchschnittliche Lebenserwartung von 81,3 Jahren als Grundlage. Mit 40,6 Jahren haben Frauen heutzutage teilweise noch Säuglinge oder kleine Kinder, sie sind größtenteils noch gebärfähig und starten beruflich vielleicht noch mal richtig durch. Für Männer gilt dasselbe – mitunter auch noch jenseits der fünfzig. Manche machen mit 40,6 Jahren alles wie ein paar Jahre früher auch schon, nur etwas routinierter und gelassener. Es ist eine gute Zeit, die man mitunter nicht ausreichend wertschätzt, weil der Alltag mit Beruf und Familie durchgetaktet ist und vieles parallel läuft. Bis erste ernsthafte Einschläge kommen, die einen innehalten oder zweifeln lassen. Für den überwiegenden Anteil der Frauen und Männer aus unserem Freundes- und Bekanntenkreis ist oder war der 40. Geburtstag kein Grund, groß über das eigene Alter nachzudenken. Und auch wir hatten die 40,6 bereits überschritten, als wir mit der Konzeption unseres »Midlife«-Podcasts und dann dieses Buches starteten. Etwas hatte sich verändert – nicht plötzlich, aber schleichend.

Wir stellten uns Fragen, über die wir vor ein paar Jahren noch nicht nachgedacht hatten. Eine Freundin erkrankte schwer. Langjährige Beziehungen gingen in die Brüche, die Suche nach neuen Lebensmodellen brachte auch sexuell eine Menge Abenteuer mit sich. Statussymbole spielten eine immer größere Rolle, von teuren Kaffeemaschinen bis zum Sofa aus dem Designermöbelladen. Manche Freund*innen waren unzufrieden in ihrem Job und kündigten. Eltern wurden pflegebedürftig oder starben. Wir lernten Feld, Wald, Wiesen lieben und den eigenen Garten, auch wenn abends nach dem Umgraben der Rücken schmerzte. Auf Partys, wenn sie überhaupt noch stattfanden, wurde schon lange nicht mehr geflirtet, aber jetzt fiel es uns auf, und in leicht angeschwipstem Zustand unterhielten wir uns stattdessen über englische Wandfarben. Im Spiegel sahen wir unsere grauen Strähnen, zupften Härchen, wo sie nicht sein sollten, und wir erwischten uns dabei, wie wir jetzt öfter über die Wechseljahre sprachen, über körperliche und hormonelle Veränderungen, von denen andere schon »betroffen« waren, wir aber noch nicht.

Wir spürten unser Alter, das war neu. Vieles fühlte sich an wie in dem Film »Gefühlt Mitte Zwanzig« (»While We’re Young«) von Noah Baumbach: Eigentlich ist man doch noch total fresh, aber im Vergleich zu den zwanzig Jahre Jüngeren … Moment, seit wann vergleichen wir uns denn mit Jüngeren?! Wir fingen an, auf unser Leben zurückzublicken, als ob es bald zu Ende ginge oder wenigstens die entscheidende, wegweisende Phase schon gelaufen wäre. Bizarr. Denn statistisch gesehen war doch erst die Hälfte vorbei!

Der Blick nach vorne allerdings sah auch nicht besonders vielversprechend aus. Ob Kinder, Karriere oder Liebe – da schienen sich zumindest für Frauen mehr Türen zu schließen, als zu öffnen. Hatten wir bis dahin ein selbstbestimmtes Leben geführt, hatten uns – scheinbar – alle Möglichkeiten offengestanden, so wirkte es jetzt, als ob unser Leben vieler dieser Möglichkeiten beraubt würde. Und natürlich fühlte sich das nicht sehr gut an.

Die Forschung liefert für dieses Unwohlsein in der Mitte des Lebens eine Erklärung: Wir befinden uns im Tal der U‑Kurve, die der britische Ökonom Andrew Oswald Anfang der neunziger Jahre entdeckte. Oswald interessierte sich für mehr als nur die Belange der Wirtschaft – er stellte die großen Fragen nach Glück und Zufriedenheit. Dabei stieß er auf eine Kurve, die im jungen Erwachsenenalter weit oben startet, dann bergab geht und nach einer Talsohle wieder Fahrt aufnimmt. Das Interessante ist, dass sich diese U‑Kurve von Glück und Zufriedenheit überall in der westlichen Welt findet und dass ihr Tiefpunkt im Alter zwischen vierzig und fünfzig liegt, mit kleinen Schwankungen im Detail. Bei Europäer*innen ist der Scheitelpunkt mit 47 erreicht. Es gibt also einen Zusammenhang zwischen Alter und Zufriedenheit, der in Studien immer wieder nachgewiesen werden konnte. Psychologen fanden auch, zugegeben, recht allgemeine Erklärungen dafür: Wir starten mit großem Optimismus in das Erwachsenenleben, sammeln fortan aber auch Enttäuschungen an. Irgendwann in der Mitte des Lebens fällt dann der Abgleich zwischen Erwartung und Realität ernüchternd aus. Das Bewusstsein für all das, was wahrscheinlich nicht mehr kommt, steigt. Viele erleben das als Krise. Die Phase zwischen vierzig und fünfzig ist also eine der harten Wahrheiten. In den darauffolgenden Jahren befähigt uns allerdings die Erkenntnis, dass die eigene Zeit endlich ist, das Glück umso stärker zu empfinden. An dieser Stelle könnten wir uns also zurücklehnen und sagen: Warum ein Buch über das Midlife schreiben, wenn man einfach abwarten kann, bis es besser wird? Erwiesen ist aber inzwischen auch, dass diese U‑Kurve ein paar Faktoren außer Acht lässt, etwa Bildung, Einkommen und Sicherheit. Und vor allem, wie sehr Reflexion in der Krise hilft.

Die U‑Kurve des Glücks ist ein starkes Bild für das Gefühl, das viele Menschen in der Mitte des Lebens einholt: Sie erreicht zwischen vierzig und fünfzig ihren Tiefpunkt. Wobei sich hier auch viele Fragen stellen: Was ist der Unterschied zwischen Glück und Zufriedenheit? Kann man sich überhaupt eine Midlife-Crisis leisten, wenn man viel existenziellere Sorgen hat? Welche Rolle spielen familiäre Zusammenhänge, Bildungshintergrund und soziale Sicherheit? Und kann ich die Talsohle auch aktiv umschiffen?

Das ist also unser Ziel: uns anzuschauen, welches die wichtigsten Auslöser dieser Talsohlen-Krise sind und ob vielleicht sogar etwas an den Stellschrauben zu drehen ist: Was wäre zum Beispiel, wenn wir, um gleich zu Beginn etwas Konkretes und Simples zu benennen, Altersangaben einfach streichen würden? Wenn das Geburtsdatum bei Bewerbungen keine Rolle spielen würde? Und auch nicht auf Dating-Plattformen oder beim Flirten. Wenn beim Smalltalk die Frage »Und wie alt bist du?« genauso uncool wäre wie die danach, was man eigentlich macht. Das ergibt natürlich nur in einem gewissen Rahmen Sinn. Aus einer rechtlichen oder auch medizinischen Perspektive ist es mitunter notwendig, darüber zu reden, wie lange wir schon auf der Welt sind. Aber das Gedankenexperiment macht Spaß: Wen sehen wir vor uns, wenn wir über das Alter eines Menschen nichts wissen? Was ist uns dann stattdessen wichtig? Und wie verändert sich dieser Eindruck, wenn über der Person auf einmal eine Zahl steht? Welche Bilder entstehen im Kopf, welche Schubladen gehen auf – alt, jung, zu alt, zu jung? Und warum eigentlich? Und was ist von diesem zweifelhaften Kompliment zu halten: »Was, du bist schon xx Jahre alt, du siehst wirklich viel jünger aus!« Klar, das ist erst mal schön, zu hören, aber warum eigentlich? Gibt es einen Altersstandard beim Aussehen? Und wie ist das für Menschen, die man älter schätzt, als sie sind? Sicher ist, es würde viel persönliches Unglück verhindern, wenn weniger Gewese um Altersangaben gemacht werden würde.

Aber es geht natürlich um mehr: Wie wir alt werden, wie unsere Eltern das tun und unsere Kinder, hängt auch von einem gesellschaftlichen Umfeld ab, das im Umbruch ist. Noch immer überstrahlt das Bild der bürgerlichen Kleinfamilie, obwohl sie so oft scheitert, jede alternative Lebensform. Selbst aufgeklärte Frauen treten – vor allem wenn Kinder im Spiel sind – bereitwillig beruflich hinter ihre Partner zurück und stellen erst im Moment der Trennung fest, dass sie finanziell völlig unterversorgt sind. Wären die erweiterte Großfamilie oder andere Gemeinschaftsformen nicht viel sinnvoller, wenn es um die Pflege der alten Eltern oder auch die Erziehung der eigenen Kinder geht? Welche Wohnformen bräuchte es dafür? Für Frauen in der zweiten Lebenshälfte entwirft unsere Gesellschaft leider nur sehr dürftige Bilder: Da fehlt die große Vision. Nachdem sie ein halbes Leben an vielen Fronten gleichzeitig gekämpft haben, fehlt es auf einmal an Beispielen neuer existenzieller Selbstentwürfe – neben dem Einrichten im eigenen Leben rücken Haus, Herd und Garten in den Vordergrund. Rückzug mit Freundinnen. Und: »Auf die inneren Werte kommt es an!«

Natürlich gibt es alternative Lebensmodelle, und zwar insbesondere in der queeren Community, die in den vergangenen Jahrzehnten große Vorarbeit geleistet hat – mit Errungenschaften, die langsam in den gesellschaftlichen Mainstream schwappen: diverse Geschlechter-Rollenbilder, Vielfalt im Ausleben von Sexualität und im äußeren Auftreten, Regenbogenfamilien, Hausgemeinschaften, gelebte Autonomie.

Sie lernen in diesem Buch uns und einen Ausschnitt aus unserem Freundeskreis kennen. Einige Namen wurden geändert, einige auch einfach weggelassen. Wir selbst, Katja Bigalke und Marietta Schwarz, tauchen mit unseren persönlichen Erfahrungen ebenfalls in diesem Buch auf, gekennzeichnet durch diese kleinen Punkte im Text: ein weißer Punkt für Katja und ein grauer für Marietta . Und wenn Sie uns mal verwechseln, macht das auch nichts, wie Sie das Buch ohnehin gut und gerne lesen können, ohne auf die Punkte zu achten. Bei der Lektüre werden Sie vielleicht hier und da denken: ganz schön privilegierte Großstadtblase, aus der die beiden da berichten. Oder: Solche Diskurse muss man sich auch erst mal leisten können! Stimmt. Wir verfügen über allerlei Privilegien und Anlässe zum Glücklichsein. Aber wir haben eben auch Ängste, die uns je nach Stimmungslage in kleinere oder größere Krisen stürzen. Kommen wir so weiter durch? Welche Chancen haben wir auf einem Arbeitsmarkt, der von befristeten Verträgen und prekären Arbeitsverhältnissen geprägt ist? Was passiert, wenn wir krank werden oder unsere Eltern pflegebedürftig? Was ist eigentlich mit der Libido in der zweiten Lebenshälfte? Hält die Beziehung, finden wir noch einmal die große Liebe, oder können wir uns das Beziehungsleben abschminken? Führen wir das »richtige Leben«? Wie werden wir alt?

Was uns bei unserer Beschäftigung mit dem Midlife aufgefallen ist: Viele vermeintlich überkommene gesellschaftliche Konventionen aus früheren Jahrzehnten stecken noch tief in uns. Und über die Abweichung von der »Norm« – ob durch tiefe Gelüste, Bedürfnisse oder Wünsche – wird auch in einer noch so aufgeklärten Gesellschaft lieber nicht gesprochen, Themen wie Sex oder Geld sind erstaunlicherweise nach wie vor schambehaftet. Aber sind wir nicht spätestens jetzt an einem Punkt im Leben, wo solche Scham uns weder vom Handeln, Denken noch Sprechen abhalten sollte?

Womit wir schon am Ende der Talsohle des U angekommen wären, also dort, wo es wieder bergauf geht. Hirnforscher konnten nachweisen, dass ältere Menschen auf positive Erlebnisse stärker reagieren als die jüngeren. Es sind die kleinen Erfolge und Glücksmomente, die zu großer Zufriedenheit führen – und zwar genau im Angesicht der eigenen Endlichkeit. Andere sprechen vom »Angekommensein«. Doch dieses Buch möchte kein Ratgeber sein. Bevor Sie ankommen also erst einmal viel Spaß beim »Unterwegssein« im Midlife.

Zelltod, Meno- und Andropause

Die biologischen Fakten der Lebensmitte

Midlife – der Begriff wird im alltäglichen Sprachgebrauch fast ebenso selbstverständlich verwendet wie der der Pubertät. Ähnlich wie dieser Zeitabschnitt, in dem körperlich und psychisch einiges passiert, werden auch der mittleren Lebensphase sowohl emotionale als auch physische Umbrüche zugeschrieben. Mit dem Potenzial, dem Kurs des Lebens noch mal eine ganz neue Richtung zu geben. Allerdings lässt sich das, was physiologisch im Midlife passiert, weniger präzise auf den Punkt bringen als die körperlichen Veränderungen in der Jugend. Das Zeitfenster, in dem bei den meisten Frauen die Menopause einsetzt, ist zum Beispiel deutlich größer als das, in dem Mädchen ihre erste Periode bekommen. Und die Andropause des Mannes – ein langer, über mehrere Jahrzehnte andauernder Prozess sinkender Testosteronwerte – lässt sich dem Midlife ohnehin nur sehr beschränkt zurechnen.

Auch was die optischen Veränderungen angeht, die Männer und Frauen im Midlife durchmachen, lässt sich zwar feststellen: Hier passiert – vergleichbar mit der Pubertät – einiges (obgleich unter anderen Vorzeichen). Aber die zunehmende Sehschwäche, die grauen Haare, der Haarausfall und auch die vielen kleineren Gebrechen, die das mittlere Alter mit sich bringt, sind individuell doch sehr unterschiedlich ausgeprägt und lassen sich nur bis zu einem gewissen Grad mit den hormon-und wachstumsbedingten Veränderungen der Pubertät vergleichen.

Das Spüren des Verfalls

Also bleibt die Frage, wovon wir bei diesem Midlife eigentlich reden, wenn die mathematische Mitte des Lebens gut elf Jahre vor dem durchschnittlichen Einsetzen der Menopause mit 52 Jahren liegt, und andere biologische Marker in dieser Zeitspanne ziemlich variabel sind. Um hier Fakten sammeln zu können, haben wir uns entschieden, ein paar Ausschläge um diese Eckdaten mitzunehmen und das Midlife zwischen 35 und 55 anzusiedeln. Einigen Begleiterscheinungen dieser Zeitspanne und auch den sozialen und emotionalen Herausforderungen haben wir eigene Kapitel gewidmet, an dieser Stelle interessiert uns aber die Biologie. Und die erste Frage wäre, gibt es im Midlife – neben der hormonellen Umstellung der Menopause – noch irgendwelche anderen physischen Ereignisse, die Krankheiten, Schwächen und das Schwächeln sowohl bei Männern als auch bei Frauen auslösen? Die Altersforschung beantwortet diese Frage mit einem klaren Nein. Der biologische Zenit des menschlichen Körpers ist in diesem Alter schon lange überschritten. Der Abstieg beginnt bereits mit zwanzig Jahren. »Wir definieren den Beginn des Alterns mit dem Abschluss der Entwicklungsphase«, erklärt Sebastian Grönke vom Max-Planck-Institut für die Biologie des Alterns. »Und die ist von Wachstum, Zellteilung und Verschaltung von Nervenzellen geprägt.« Auf die Zeit nach dem Wachstum, der Entwicklung folgt eine des relativ linearen Verfalls. Sie setzt mit um die zwanzig ein und beschleunigt sich erst im hohen Alter zu einer Abwärtskurve. Eine traurige Erkenntnis für diejenigen, die es noch nicht wussten.

Aber wie kann es dann sein, dass wir mit zwanzig nichts davon bemerken, sondern erst gut zwei Jahrzehnte später? Messen, sagt Sebastian Grönke, könne man die Veränderungen in den Zellen schon bei den Jungen, spüren hingegen kaum – außer im Spitzensport, wo Karrieren häufig schon mit Mitte dreißig zu Ende gehen. Die Performance kann dann nicht mehr gehalten werden. Eine Erfahrung, die Nicht-Profi-Sportler nur deshalb später im Leben machen, meint Sebastian Grönke, weil sie eben seltener an ihre Grenzen gehen. Man kann es auch so ausdrücken: Für Normalsterbliche leistet der verfallende Körper über viele Jahre noch genug für die eigenen (niedrigen) Ansprüche. Dass die Energiebereitstellung in den Muskeln mit dem Älterwerden irgendwann nicht mehr so gut funktioniert, fällt lange nicht auf. Im Midlife hingegen merkt der Mensch den Verfall auf einmal auch in Situationen, die keine außergewöhnlichen physischen Herausforderungen darstellen: morgens beim Aufstehen, beim Treppensteigen oder bei einer leichten Sportverletzung, mit der wir länger zu tun haben als früher. Und damit hätten wir vielleicht unseren ersten, zugegeben immer noch weichen, biologischen Marker für die Mitte des Lebens: Im Midlife spüren wir den Verfall.

Lebensabend der Zellen

Aus Sicht der Altersforschung ist Altern eine Anreicherung von Schäden. Zoomt man sich gedanklich in jede einzelne Zelle im Körper hinein, so bedeutet Verfall dort vor allem eine Schädigung des Erbgutes: Bei jeder Zellteilung werden die Chromosomenenden ein bisschen kürzer und sind irgendwann so klein, dass sie sich gar nicht mehr teilen können. Sie haben ihren Lebensabend erreicht. »Zelluläre Seneszenz« nennt man dieses Phänomen – welchen Sinn es beim Alterungsprozess hat, ist noch nicht vollständig erforscht. Lange Zeit gingen Wissenschaftler davon aus, dass die Seneszenz die Bildung von Tumoren verhindert – indem eben auch mutierte oder geschädigte Zellen die Teilung einstellen. Allerdings üben die greisen Zellen auch einen schlechten Einfluss auf ihr Umfeld aus: Sie schädigen Zellen in der Nachbarschaft, indem sie z. B. Entzündungsfaktoren abgeben. Das Dumme ist: Der Körper wird diese alten Zellen, die ihre Funktion der Teilung nicht mehr erfüllen, nicht los. Verschiedene Versuche an Mäusen haben gezeigt, dass eine Entfernung seneszenter Zellen sich wie eine Verjüngungskur auf die Tierchen auswirkt. Für den Menschen gibt es ein solches Anti-Aging-Mittel, das die alten Zellen entfernt, bislang noch nicht.

Den körperlichen Verfall nehmen wir oft zuerst an den Augen wahr. Wir beginnen Schriftstücke mit ausgestrecktem Arm von uns zu halten, wir greifen in dämmriger Umgebung zum Smartphone, um Texte auszuleuchten, und irgendwann schaffen wir uns eine Lesebrille an, die wir dann wahlweise hochziehen oder von der Nase runterschieben, um nah und fern zu sehen. Die sogenannte Altersweitsicht lässt uns im Midlife auch auf andere schlagartig älter wirken. Dabei ist das Auge ein Organ, das schon lange vor dem zwanzigsten Lebensjahr abbaut. Das fällt uns nur nicht auf, weil unsere Sehkraft so hoch ist, dass wir lange problemlos klarkommen. Erst wenn wir nicht mehr alles entziffern können, merken wir, dass etwas nicht stimmt. Während wir zu diesem Zeitpunkt oft noch denken, dass sei der erste Bote des Verfalls, sind in Wahrheit andere Organsysteme längst von Alterungsprozessen betroffen. »Alles altert«, sagt Sebastian Grönke.

Nicht nur die Wunde heilt nach Verletzungen nicht mehr so schnell, auch die Regeneration nach sportlichen Einsätzen dauert länger. »Aber das Altern ist ein dynamischer und plastischer Prozess«. Es läuft anders als bei der Entwicklung kein Programm ab, das irgendwann einfach fertig ist. Vielmehr können wir eingreifen, steuern. Das ist die gute Nachricht. Am größten Organ unseres Körpers, der Haut, fällt es besonders auf: Falten, Bindegewebsschwäche, Altersflecken, Rötungen, manches davon ist Veranlagung, aber vieles kann man vermeiden oder herauszögern, wenn man sich entsprechend verhält, zum Beispiel auf die bekannten Hautgifte Sonne, Alkohol und Tabak verzichtet und der Haut gibt, was sie verdient. Der Einfluss unserer Gene auf die Lebenszeit wird in Studien immer wieder untersucht – Wissenschaftler vergleichen im großen Maßstab Familienstammbäume oder Zwillinge. Das Ergebnis ist beeindruckend: Denn nur zu 15 Prozent ist Altern genetisch vorbestimmt, den Rest – 85 Prozent – machen Umwelteinflüsse, Ernährung, Bewegung und sportliche Aktivität aus.

Das Auf und Ab der Wechseljahre

Fest steht also: Der Körper verändert sich lange, bevor wir es in der Mitte des Lebens merken. Aber spätestens, wenn wir es spüren, sollten wir eingreifen und unsere Gewohnheiten ändern oder uns damit abfinden, dass es ab jetzt bergab geht mit uns. Irgendwie unfair von der Natur eingerichtet bleibt aber die Tatsache, dass Frauen ungefähr zeitgleich dann auch noch von der Menopause eingeholt werden. Nicht nur, dass die körperliche Fitness nachlässt, die Muskeln schneller abbauen, die Haut ihre Spannkraft verliert, der verlangsamte Stoffwechsel zur Gewichtszunahme führt, jetzt schlagen auch noch die Hormone zu. Ihr Verhältnis zueinander ändert sich manchmal ziemlich drastisch, manche Hormone werden auch kaum noch produziert, und das wirkt sich mitunter zusätzlich auf Körper und Psyche aus. Daher erleben viele Frauen das Altern wie einen plötzlichen Schlag. »Es heißt ja immer: Männer werden älter, Frauen werden alt«, zitiert unsere Freundin Andrea den Spruch, den Simone de Beauvoir prägte und in ihrem Buch »Das andere Geschlecht« noch dadurch ergänzte, dass der Frau die Weiblichkeit schlagartig genommen werde: »Noch verhältnismäßig jung verliert sie den erotischen Anreiz und die Fruchtbarkeit, aus denen sie in den Augen der Gesellschaft und in ihren eigenen Augen die Rechtfertigung ihrer Existenz und ihre Glücksmöglichkeiten ableitete: Ihrer ganzen Zukunft beraubt, hat sie etwa die Hälfte ihres Lebens als Erwachsene vor sich.«

De Beauvoirs Buch ist inzwischen über siebzig Jahre alt, und es hat sich zum Glück gesellschaftlich einiges getan. Unsere Freundin Andrea teilt weder de Beauvoirs pessimistische Sicht, noch würde sie die Auswirkungen des Klimakteriums jemals so beschreiben. Aber auch sie meint: »Tatsächlich ist es so, als ob man von einem Tag auf den anderen so eine Schwelle überschritten hätte und sich alt fühlt.« Zu diesem gefühlten Altersschock, den Andrea schon in der Perimenopause erlitten hat, also der Zeit vor der Menopause, können im Verlauf der Wechseljahre noch andere nervige neue Erfahrungen hinzukommen: Hitzewallungen, Schlaf- und Blutungsstörungen und auch eine gewisse psychische Instabilität. Katrin Schaudig, eine Endokrinologin aus Hamburg, die gemeinsam mit ihrer Kollegin Anneliese Schwenkhagen das Buch »Kompass Wechseljahre« geschrieben hat, zitiert zum Thema Stimmungsschwankungen gerne eine ihrer Patientinnen, die erschüttert davon berichtete, wie sie beim Bäcker in Tränen ausbrach, weil ihr Lieblingsbrot ausverkauft war. So etwas sei typisch für die Wechseljahre.

Die Wechseljahre, durch die jede Frau (mit Eierstöcken und Gebärmutter) in der Mitte des Lebens durchmuss, sind ein Auf und Ab, können aber (das ist die gute Nachricht) auch mehr oder weniger symptomfrei verlaufen. Die medizinische Literatur geht allgemein davon aus, dass ein Drittel der Frauen völlig problemlos durch diese Zeit kommt, ein weiteres Drittel fühlt sich leicht beeinträchtigt, und nur ein Drittel hat tatsächliche Beschwerden. In einer Untersuchung des Universitätsklinikums Dresden gaben sogar nur 21 Prozent der befragten Frauen an, unter schweren Symptomen zu leiden.

Wen es wie trifft, lässt sich nicht wirklich gut vorhersagen. Es gibt Annahmen, dass zum Beispiel Frauen, die schon in früheren Jahren unter dem prämenstruellen Syndrom litten, wahrscheinlich auch in den Wechseljahren Stimmungsschwankungen haben werden. Hitzewallungen sollen angeblich Frauen, die regelmäßig Sport treiben und in die Sauna gehen, weniger belasten als andere – aber richtig zuverlässig sind solche Aussagen nicht.

Was physiologisch passiert (und wozu es sehr viel ausführliche Literatur gibt), ist hingegen für alle Frauen ziemlich vorhersehbar: Der vierwöchige Zyklus, an den sie sich in ihrer Jugend gewöhnen mussten, gerät irgendwann ins Schwanken. Die Abfolge Menstruation, Follikelreifung, steigender Östrogenspiegel, Eisprung, zusätzlich steigender Progesteronspiegel und dann, bei ausbleibender Schwangerschaft, schlagartiger Absturz beider Hormone und neue Regelblutung – dieser Rhythmus kommt aus dem Tritt. Wenn auf die letzte natürliche Regelblutung ein Jahr lang keine Periode mehr folgt, spricht man von der Menopause. Dann ist es mit den Blutungen meist endgültig vorbei und die Phase, die Postmenopause heißt, erreicht.

Warum das alles passiert? Frauen sind mit einer endlichen Anzahl an Eizellen ausgestattet. Im Laufe des Lebens verringert sich diese Anzahl, bis irgendwann nur noch wenige übrig bleiben, die aber altersbedingt von immer schlechterer Qualität sind und nicht mehr »springen«, wie und wann sie sollen. Ist dieser Punkt erreicht – meist im Midlife –, wird der Zyklus instabiler. Dann stimmen die Relationen zwischen den Hormonen nicht mehr, meist wird erst mal weniger Progesteron gebildet. Brustspannen, Wassereinlagerungen, Gewichtszunahme und manchmal auch sehr starke Blutungen können hier die Nebenwirkungen sein. Nach dieser Phase mit relativem Östrogenüberschuss beginnt dann irgendwann auch noch der Östrogenspiegel zu sinken. Für Frauen beginnt nun eine Zeit, die gelegentlich als »Achterbahn der Hormone« bezeichnet wird. Die Blutungen werden noch unregelmäßiger. Schlafstörungen schleichen sich ein. Das Nerven- und Muskel-Netzwerk, das das Ausweiten und Zusammenziehen unserer Blutgefäße steuert, kann – von den Veränderungen des Östrogenspiegels beeinträchtigt – verwirrende Signale senden, so dass es zu den berühmten Hitzewallungen kommt.

Diese »Unzuverlässigkeit des Körpers« irritiert, sagt Andrea: »Bei mir blieb die Regel das erste Mal mit 43 weg, und zwar gleich für zwei Jahre. Und plötzlich war sie wieder da, bleibt jetzt aber immer mal aus und kommt dann wieder.« Bei ihr kommen zu dieser Unregelmäßigkeit depressive Verstimmungen hinzu, die sich anfühlen wie ein wochenlang andauerndes prämenstruelles Syndrom.

Stephanie Krüger, Psychiaterin und Leiterin der beiden Zentren für seelische Frauengesundheit am Vivantes Klinikum in Berlin, erklärt die Stimmungsschwankungen so: »Die Botenstoffe, die im Gehirn dafür zuständig sind, dass wir ausgeglichen und guter Stimmung sind, dass wir uns gut konzentrieren können, sind auf die weiblichen Geschlechtshormone angewiesen. Werden davon weniger ausgeschüttet, bemerken Frauen zum Teil sehr deutlich psychische Veränderungen an sich selbst.« Die Frauen, die in den Wechseljahren zu ihr ins Zentrum für Seelische Frauengesundheit kommen, sind oft ziemlich verzweifelt. »Das sind Patientinnen, die sagen ›Ich kann nicht mehr‹, ›Ich will wieder schlafen‹, ›Ich will als Anwältin wieder selbstbewusst mein Ding machen‹ oder ›Ich will als Lehrerin wieder vor der Klasse stehen können, ohne in Tränen auszubrechen, wenn ein Schüler mal was Komisches sagt‹.« Sind die Begleiterscheinungen der Wechseljahre stark ausgeprägt, ist der Leidensdruck vorübergehend groß. Manches renkt sich auch wieder ein, wenn sich der Körper an die veränderte Hormonlage angepasst hat.

Ein Symptom ist allerdings chronisch: die sogenannte vaginale Atrophie, die sich tendenziell erst nach der Menopause bemerkbar macht, wenn Östrogen schon eine ganze Weile nicht mehr in nennenswertem Ausmaß ausgeschüttet wurde. Eine Freundin, die diese Diagnose erhielt, war regelrecht geschockt. »Vaginale Atrophie«, rief sie entsetzt ins Telefon. Und es klang, als müsse sie miterleben, wie ihre Vagina langsam verschwindet. Was tatsächlich passiert: Die Vaginalhaut wird dünner, der pH‑Wert verändert sich von sauer zu alkalisch, die in der Scheide angesiedelten Milchsäurebakterien finden keinen Nährboden mehr. Die Folge sind Schmerzen beim Sex, häufige Entzündungen und mitunter auch Drang-Inkontinenz. Katrin Schaudig formuliert es so: »Scheide ohne Östrogene ist wie Sahelzone ohne Wasser.« Zum Glück lässt sich allerhand machen, um es gar nicht so weit kommen zu lassen (und auch dazu gibt es sehr viel gute Literatur).

Hormonelle Veränderungen in der Andropause

Im Vergleich zur Menopause, die die mittleren Jahre von Frauen stark beeinflussen kann, ist die Andropause für mittelalte Männer ein Spaziergang. »Ich hab’ mich gewundert darüber, dass die Möglichkeiten, Sex zu haben, nachlassen«, beschreibt ein Freund die Lage in etwas komplizierten Worten. Ein anderer Freund spürt, wie langsam die Kräfte nachlassen. Ein weiterer bedient sich »blöder Bilder«, wie er selbst sagt. »Der Motor springt nicht mehr so schnell an, man kocht auf kleinerer Flamme.«

Die körperlichen Veränderungen, von denen hier die Rede ist, können auch normale Alterserscheinungen sein. Nur in seltenen Fällen lassen Kraft, Lust oder Potenz bei Männern in der Mitte des Lebens tatsächlich hormonell bedingt nennenswert nach. Der Testosteronspiegel sinkt zwar bei Männern ab vierzig – allerdings nicht schlagartig, sondern ziemlich linear um ein bis zwei Prozent pro Jahr. Außerdem, betont Tobias Jäger, Facharzt für Urologie, sei der normale Testosteronspiegel bei Männern relativ breit gefasst, so dass sich das fehlende Testosteron in den mittleren Jahren nicht besonders bemerkbar machen muss. Jäger formuliert es so: »Ein junger Mann befindet sich eher im oberen Normalbereich, und wenn er dann etwa ab dem 40. Lebensjahr einen Testosteronverlust von 1–2 % jährlich erlebt, dann wird er auch mit sechzig oder siebzig Jahren noch nicht im zu niedrigen Bereich angelangt sein.«

Die Symptome eines Testosteronmangels – dazu gehören in einem früheren Stadium Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen – bekommen die meisten Männer also, wenn überhaupt, erst in höherem Alter zu spüren. Leidet ein Mann im Midlife unter Testosteronmangel, hat das oft mehr mit der Lebensführung zu tun als mit dem Alter, meint Jäger. Die häufigste Ursache sei Übergewicht: »Über die Fettzellen wird die körpereigene Produktion von Östrogen durch das Enzym Aromatase gesteigert.« Und das ist ziemlich kontraproduktiv, weil es für den Aufbau von Muskeln, die das Fett verdrängen, eigentlich mehr Testosteron bräuchte. Da das Testosteron neben seiner aufbauenden Funktion für Muskeln, Libido und Sex auch für einen gesunden Stoffwechsel und stabile Knochen sorgt, wird ein diagnostizierter Testosteronmangel in mittleren Jahren oft vorübergehend mit einer Gabe von Testosteron behandelt. »Bis sich die Konstitution wieder bessert«, so Jäger.

Charlie’s Angels

Bei Frauen in der Menopause ist es mit dem Ausgleich von Hormonen hingegen so eine Sache. Erstens ist der Hormonmangel in der Mitte des Lebens bei Frauen im Gegensatz zu dem von Männern keine pathologische Ausnahmeerscheinung, sondern eine natürliche Entwicklung. Zweitens ist die Gabe von Hormonen in den Wechseljahren seit 2002, als erste Ergebnisse aus der großen amerikanischen »Women’s Health Initiative«-Studie veröffentlicht wurden, hochumstritten. Diese stellte einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von künstlichen Hormonpräparaten und einem erhöhten Brustkrebs- und Herzinfarktrisiko fest. Die Begeisterung für Östrogene, die Frauen damals en masse gegen ihre Wechseljahresbeschwerden verschrieben bekamen und als »Jungbrunnen« gepriesen wurden, schlug um in Skepsis. Nahm vor zwanzig Jahren noch mehr als jede dritte Frau in den Wechseljahren Hormonersatzpräparate, sind es heute nur noch sechs Prozent.

Der Diskurs rund um Hormone scheint sich zuletzt aber wieder ein wenig zu drehen, und das hat – in Deutschland jedenfalls – auch mit der Gynäkologin Sheila de Liz, Autorin des Bestsellers »Women on fire«, und mit Endokrinologinnen wie Katrin Schaudig und Anneliese Schwenkhagen zu tun, alle drei bekennende Fans von Östrogenen, Progesteron und Co. Katrin Schaudig formuliert ihre Hilfestellung bei hormonellem Chaos im Unterleib so: »Der Eierstock ist völlig ausgeflippt, wie ein Computer, der nicht mehr macht, was er tun soll. Und was machen wir? Wir drücken die Reset-Taste!« Und zwar mit bioidentischen Hormonen, die Sheila de Liz in ihrem Buch auch gerne als »Charlie’s Angels« bezeichnet.

Die Betonung des »Bioidentischen« ist den drei Ärztinnen sehr wichtig, denn das ist der große Unterschied zwischen den Präparaten, die sie so gern verschreiben, und den Hormonen aus Stutenurin, die den Frauen zu Zeiten der »Women’s Health Initiative«-Studie verabreicht wurden. Bioidentische Hormone werden im Labor hergestellt, aus einem Stoff, der im Unterschied zu den alten Präparaten exakt der Struktur der Hormone aus dem Eierstock entspricht. Und die bioidentischen Hormone lassen sich – auch weil viele in Form von Gels oder Sprays daherkommen – sehr viel besser (und geringer) dosieren und vom Körper aufnehmen.

Ohne ins Detail gehen zu wollen, sei an dieser Stelle erwähnt, dass es inzwischen Studien dazu gibt, die den Einsatz dieser Hormone als nicht so problematisch bewerten wie die Präparate, die in der WHI-Studie so schlecht abschnitten. Aber: Brustkrebsrisiko wird auch bei den gängigen, bioidentischen Estradiol-Gels als mögliche Nebenwirkung auf dem Beipackzettel erwähnt.

Für Ärztinnen wie Sheila de Liz, Anneliese Schwenkhagen und Katrin Schaudig überwiegen die positiven Wirkungen der bioidentischen Hormone die Risiken aber klar. Solange Frauen keine Brustkrebs-Vorgeschichte haben oder ein Gen in sich tragen, das Eierstock- oder Brustkrebs auslösen kann, verschreiben sie die neuen Präparate gern gegen Wechseljahresbeschwerden. Wobei Sheila de Liz’ Ansatz sogar in Richtung Vorsorge vor Osteoporose, Demenz und Herzgefäßerkrankungen geht.

Die offenere Einstellung gegenüber einer Hormontherapie in den Wechseljahren, die sich inzwischen auch in den Leitlinien der deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe spiegelt, hat auch vor unserem Freundinnen- und Bekanntenkreis nicht halt gemacht. Viele Frauen, die zum Beispiel der Antibabypille gegenüber noch äußerst skeptisch waren und diese nach der Jugend schnell wieder abgesetzt haben, ziehen es durchaus in Betracht, bei Menopausen-Beschwerden Hormone zu nehmen, »so gering dosiert wie möglich«. Die meisten, die bereits bioidentische Hormone nehmen, weil die Gelenke stark schmerzten, die Hitzewallungen unerträglich waren, der Schlaf ausblieb oder die Traurigkeit nicht mehr auszuhalten war, haben nach ein paar Wochen Hormontherapie den Eindruck, dass sich ihr Zustand bessert. Es gibt aber auch viele Freundinnen, für die Hormone nie in Frage kämen. Weil sie der Pharmaindustrie nicht trauen, sich um Abhängigkeiten sorgen und Angst haben, dass in ein paar Jahren eine neue Langzeitstudie dann doch wieder einen Zusammenhang zwischen Hormonen und schweren Erkrankungen feststellt.

Es gibt natürlich auch alternative Mittel bei Wechseljahrbeschwerden. Am wirksamsten finden Katrin Schaudig und Anneliese Schwenkhagen Extrakte der Traubensilberkerze oder der Rhabarberwurzel, die gegen Hitzewallungen, Schlafstörungen und psychische Beeinträchtigungen wirken können. Auch Versuche mit Akupunktur, kognitiver Verhaltenstherapie oder Hypnose lohnten sich, meinen sie.

Früchte und Fruchtbarkeit

Bei vaginaler Atrophie hingegen – diesem Schreckgespenst, das in Beiträgen zum Thema gern mit Trockenfrüchten bebildert wird – hilft wohl tatsächlich am ehesten eine Salbe, die Estriol enthält. Sie allein kann den vaginalen Östrogenmangel ausgleichen, der sich für eine Vielzahl an Frauen irgendwann unschön bemerkbar macht. Ähnlich wie bei der Impotenz älterer Männer (aus der Welt der Früchte wird in der Werbung hier gern die nach unten zeigende Banane bemüht) wird über die vaginale Atrophie mittelalter Frauen aber viel zu wenig gesprochen. Aus Scham überlassen wir den Umgang mit dem Thema Ärzt*innen, die hoffentlich aufgeweckt genug sind, uns auf erste Anzeichen von vaginalem Östrogenmangel überhaupt hinzuweisen. Zu wünschen wäre hingegen ein Umgang mit der Atrophie, der ähnlich unverkrampft ist wie der mit der Periode: Neben Mooncups und sexy Periodenunterwäsche könnte auch die Vaginalcreme zum lieb gewonnenen Accessoire im Leben einer Frau werden. Nach dem Motto: Mag alles nerven, aber wir lassen uns davon nicht das Leben versauen. Die Freundin jedenfalls, die unter Atrophie litt, ist äußerst zufrieden mit dem Einsatz dieser Salben.

Natürlich muss hier noch einmal gesagt werden, dass physische Veränderungen im Midlife von Mensch zu Mensch verschieden sind und die Mitte des Lebens mehr oder weniger stark prägen. Für alle wahrnehmbaren Begleiterscheinungen dieses Lebensabschnitts gilt aber: Die Probleme, die das Alter von ganz allein mit sich bringt, werden durch einen unreflektierten Umgang noch verstärkt. Und was die physiologischen Eckdaten der Mitte des Lebens angeht: Es lohnt sich, die komplexen Vorgänge, die der eigene Körper zwischen 35 und 55 durchmacht, zu kennen! In diesem Zusammenhang sei auch noch mal an die magische Zahl von Sebastian Grönke erinnert. Wie wir altern, ist nur zu fünfzehn Prozent genetisch vorbestimmt, den Rest machen Umwelteinflüsse, Ernährung, Bewegung oder sportliche Aktivität aus. Die physischen Marker des Midlife lassen sich individuell verschieben oder wenigstens beeinflussen.

Scheidentrockenheit – das letzte Tabu