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In der Öffentlichkeit wird die private Sicherheitswirtschaft oft nicht vorurteilsfrei wahrgenommen und demzufolge schnell ignoriert. Es ist höchste Zeit, das dadurch entstandene Zerrbild durch ein Gesamtbild zu ersetzen, das die Branche mit all ihren wirklichen Höhen und Tiefen zeigt. Denn es gibt vieles Verborgenes, das sich zu entdecken lohnt.
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Seitenzahl: 206
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Vorbemerkung
Kapitel:
VORURTEILE UND WAHRHEITEN
Hierarchische Strukturen?
Dumm, dümmer, am Dümmsten, Wachleute?
Viel Fleiß, kleiner Preis?
Eine kleine Auswahl von dem, was leider auch passiert ist
Kapitel:
WIR SIND ÜBERALL
Noch einmal auf die Schulbank
Allgemeines zu den Empfangsdiensten
Im Jobcenter und in der Bundesarbeitsagentur
Genereller Einsatz in anderen Behörden und Objekten
Auf dem Bau
In Museen und Galerien
Konzerthäuser, Theater, Festivals und Stadien
Auf Messen
Flughäfen und öffentlicher Nahverkehr
In sozialen Brennpunkten
Feste feiern und feste arbeiten
Kapitel:
ZWISCHENMENSCHLICHES
Hinter den Kulissen
Achtung
Wachleute sehen anders
Frauen im hiesigen
Wach- und Sicherheitsgewerbe
Von Möchtegern-Chefs, echten Chefs und Dienstplänen
Langeweile, Übungen und Havarien
Steht das gesamte Land still…
Von der Firma Horch & Guck
Es geht auch anders
Rassismus und Sexismus in der Kollegschaft
Der alltägliche Umgang im kollegialen Kreis
Geschriebene und ungeschriebene Regeln
Wale und Bullen im privaten und staatlichen Wachgewerbe?
Kapitel:
CORONA, CORONA, CORONA
Den Schalter umlegen
Home-Office, Kurzarbeit & Co
Neue und alte Gefahrenlagen
Geschlossene Wohnanlagen
Von Mauern, Villen, Zäunen und ihren Helfershelfenden
Die Kundschaft ist Königin
Gesundheit
Die 3-G-Regeln und die Parkplätze
Kapitel:
PRIVATE SICHERHEIT WELTWEIT
Wir sind privilegiert
Das Gruselkabinett der weltweiten privaten Sicherheitsindustrie
Horrorgeschichten?
Männliche Machtspiele gegen Sicherheitsfrauen
Kapitel:
GEDANKEN ZUR ZUKUNFT
Wohin geht die Reise?
Vermutungen
Über technische Möglichkeiten und denkbare Folgen
Anhang:
Schlussbemerkung
Kurz zu mir
Vielen Dank
Zu den Quellen
Elivator Pitch
Um es gleich vorneweg zu sagen: alle geschilderten Fälle, die in diesem Buch Erwähnung finden, sind meistens echt. Zum Schutz aller jetzigen und früheren Kolleginnen und Kollegen habe ich alle Namen und Orte, zuweilen auch das Geschlecht geändert und ebenso keinen Firmennamen genannt. Manches habe ich von durchaus glaubwürdigen Personen erfahren, vieles habe ich selbst erlebt oder erlebe es immer noch, manches ist erdacht, könnte im Guten wie im Schlechten aber auch wahr sein. Das ist zum einen so gewollt, um die Anonymität der im Buch aufgeführten Menschen zu erhöhen. Zudem ist es mir völlig egal, ob sie mir bekannt oder unbekannt, sympathisch oder unsympathisch sind. Wichtig ist ihre Geschichte. Übrigens: auch Max Schreiber ist ein Pseudonym.
Außerdem gibt es viele Fragen. Stimmt es, dass in der Wach- und Sicherheitsbranche nur Deppen arbeiten? Machen die Sicherheitsleute, die z.B. in den Pforten aller möglichen Objekte tätig sind, während ihrer Dienstzeit nur Urlaub?! Steht der Ruf unserer Berufsgruppe, zu recht nicht zum Besten? Scheint das nicht nur hierzulande, sondern weltweit der Fall zu sein? Wie sieht es in puncto Einhaltung der Menschenrechte außerhalb unserer Landesgrenzen aus?
Dabei geht es nicht allein um Fragen, die einer Antwort harren, sondern auch um knallharte Vorurteile, die nicht nur bei uns bestehen. Sind vor allem letztere berechtigt oder eher nicht? Wo steht ein Gewerbe, das gerade in heutiger Zeit mehr denn je nachgefragt wird, wie sieht es mit Anerkennung, der Wertschätzung sowie mit der Bezahlung und der Neudeutsch Work-Life-Balance aus?
Spannende Fragen, wie ich finde. In diesem Buch möchte ich versuchen, all diese und vielleicht noch mehr zu beantworten. Aber genug der Vorrede. Begeben wir uns in die Höhen und Tiefen einer für die meisten meistens nur oberflächlich bekannten und deshalb doch eher unbekannten Welt!
Bekannterweise wohnen wir in einer Männerwelt. Das ist auch in unserem Gewerbe nicht anders. Diejenigen, die Unternehmen leiten, sind männlich und nach meinen Erfahrungen immer hellhäutig. Anders kenne ich es nicht. Allein wegen dieser zwei Merkmale sind sie meines Wissens quasi von Geburt an privilegiert und in der Mehrzahl. Gibt es wenigstens eine Frau, der ein Sicherheitsunternehmen gehört? Ich komme darauf zurück.
Die hierarchische Struktur ist – typisch männlich – klar geregelt; hier jedoch nur grob dargestellt und nicht unbedingt lückenlos. Da ist zuerst der Eigentümer, ihm folgt der Regional- bzw. Bezirksleiter, danach kommt der Einsatzleiter der an die Reihe.
Es folgen Bereichsleiter, Personalchef, Objektleiter und hiernach kommt erst mal nichts und wieder nichts, bis dann das Fußvolk zu sehen ist, die Sicherheitsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, kurz SMA, also wir. – In Museen stehen noch die Oberaufsichten über uns, wir selbst werden dort als „Aufsichten“ bezeichnet.
Was zu tun oder zu lassen ist, regelt die Dienstanweisung und das in einem sagen wir mal oftmals gewöhnungsbedürftigem Deutsch sprich, Bürokratendeutsch. Dabei ist in jedem Wort, in jeder Zeile förmlich zu spüren, wer die Hosen an und was zu sagen hat und wer eben nur (Dienst)rock oder -hose trägt. Sprache als Machtinstrument, das locker von oben herab nicht nur angewendet werden kann. Wer hier „Augenhöhe“ sucht, sucht diese vergeblich, obwohl sie stets propagiert wird. Aber vielleicht geht das hierzulande auch gar nicht. Trotzdem: können Dienstanweisungen nicht in einem bestimmtfreundlichem Ton verfasst werden? Aber dass wäre dann wohl nicht mehr „typisch Deutsch.“
Wer die Anweisungen durchliest, kann jedoch auch aus anderen Gründen oftmals nur mit dem Kopf schütteln, sind es doch Selbstverständlichkeiten, die dort angegeben werden. Dass das Konsumieren von Drogen jeglicher Art, wobei die Volksdroge Alkohol noch extra Erwähnung findet, im Dienst verboten ist, sollte eigentlich klar sein. Dasselbe gilt natürlich ebenso für Freundlichkeit im Umgang mit Menschen, beispielsweise am Empfangstresen. Aber ist das immer der Fall?
Muss ich noch erwähnen, dass in den Dienstanweisungen stets die männliche Form Anwendung findet? Immerhin existiert in allen standardisierten Dienstanweisungen der Hinweis, dass sich auch die Damenwelt angesprochen fühlen soll. Es ist schon ein Kreuz mit unserer Sprache.
Was ich annehme ist, dass die männlichhierarchischen Strukturen im illegalen Wach- und Sicherheitsgewerbe noch deutlicher zutage treten als in den legalen Unternehmen. Was da abläuft, möchte ich lieber gar nicht wissen. - Trotzdem sei die Frage erlaubt, woran es denn liegt, dass zumindest halbseidene Sicherheitsfirmen existieren? Soweit mir bekannt ist arbeiten dort die gesellschaftlich abgehängten Schulabbrecher ohne irgendeinem Ausbildungsabschluss oder diejenigen, die lediglich einen Hauptschulabschluss in der Tasche haben. Menschen mit oder ohne Immigrationshintergrund, die oftmals, so heißt es, im Türsteher Milieu arbeiten. Damit möchte ich solches Verhalten mitnichten entschuldigen. Es ist lediglich eine Erklärung, um zu verstehen, warum es solche Auswüchse in unserer Gesellschaft gibt.
Das Bild, dass wir in den Medien und somit in der Öffentlichkeit haben, ist meines Erachtens nicht immer das Allerbeste. Mit großer Vorliebe wird über Sicherheitsleute ausschließlich männlicher Natur, berichtet, die sich nonverbal auszudrücken pflegen, da spricht die Faust, nicht das Wort. Und ja, Rechtsextreme sind beileibe ein Problem in unserem Gewerbe, mehr dazu später.
Die Sicherheits- und Wachbranche war und ist auch aber nicht nur ein Auffangbecken für Menschen, die eher oder gänzlich auf der Schattenseite des Lebens stehen.
Auch in der legalen Sicherheitsbranche haben wir einerseits diejenigen, die zwar einem Schulabschluss erlangten, aber keine Ausbildung abgeschlossen haben oder ohne irgendeinen Abschluss da stehen. Andererseits bilden diese Gruppen nach meinen Erfahrungen eine Minderheit. Viele von uns haben wie ich eine „einfache“ handwerkliche Ausbildung in der Tasche.
Ist letztgenanntes für viele der Bessergestellten ein Graus an sich? Mag sein, dass es vielen von denen, die nicht zur angeblich „ach so feinen Gesellschaft“ gehören, an gewissen Verhaltensregeln, die „da oben“ üblich sind, mangelt. Das ist jedoch kein Kriterium um sagen zu können, ob jemand dumm ist oder nicht. Hier frage ich, ob die Wahrheit eine andere ist. Hatten sie eventuell weniger Chancen im Leben als die Begüterten? In meinen Augen ist letztendlich gerade hierzulande durchgängig entscheidend, in welcher Gesellschaftsschicht ein Mensch hineingeboren wird. Natürlich gibt es auch die Kolleginnen und Kollegen, die merklich aus der angeblichen „Unterschicht“ kommen, die vom gesamten Verhalten unangenehm auffallen. Rein vom Gefühl her möchte ich da zuweilen sagen, dass solche Menschen „dumm“ sind. Aber das ist weder sachlich, noch steht mir eine solche Äußerung im Geringsten zu!
Im Wach- und Sicherheitsgewerbe arbeiten Leute aus allen sozialen Schichten und Berufen miteinander: von der Hilfskraft bis zu denen mit akademischem Abschluss ist alles dabei. Und was „die Dummen“ angeht: oftmals erntet die dümmste Bäuerin die dicksten Kartoffeln!...
Letztlich ist es so wie in anderen Branchen auch: wir Sicherheitsleute bilden einen bunten, gemischten Haufen. Das mit der Dummheit haben wir geklärt. Über Geld, wird nicht geredet? Warum eigentlich nicht?...
Es ist noch keine 20 Jahre her, als die Stundenlöhne für die Beschäftigten im Wachgewerbe noch vornehmlich im Osten der Republik noch bei 5 Euro brutto pro Stunde lagen, teilweise sogar noch darunter. 240, in Worten, Zweihundertundvierzig Arbeitsstunden und mehr waren keine Seltenheit, sondern die Regel und das Monat für Monat in 12-Stunden-Schichten. Tag und Nacht, rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr, Wochenend- und Feiertagsdienste inklusive, selbstverständlich selten frei und das alles für nicht mehr als `nen Appel und `n Ei. Oftmals bekamen wir nur eins von beidem!..
Aber wir haben es gemacht. In Fabriken, Ämtern, sozialen Einrichtungen oder auf Baustellen sowie in Einkaufszentren, praktisch überall. Ob heute oder wie bei mir seit 2008. Zuschläge für Wochenend- und Feiertagsarbeit existierten auch damals schon. Selbstredend nicht viel, aber es gab sie. Viele Sicherheitsleute mussten auch rechnen, wenn sie ihren Lohnzettel bekamen, denn es kam vor, dass sich Lohnbuchhaltungen verrechneten und weniger bezahlten als tatsächlich gearbeitet wurde. Das passierte seinerzeit und passiert auch heutzutage meistens versehentlich, und das ist nur allzu menschlich.
Frauen und Männer werden für gleiche Arbeit gleich bezahlt. Equal pay ist in unserem Gewerbe Wirklichkeit. Auf den unteren Ebenen jedenfalls, das kann ich bestätigen.
Kommen wir zu den Lohnsteigerungen der letzten Jahre und welche Rolle die Wirtschaft bei dieser Entwicklung spielt. Sie hat diese mit zugelassen aber, so meine ich, sicherlich ganz und gar nicht ohne Hintergedanken. Es ist eine Tatsache, dass die Lohnhöhe sowie die Arbeitsplatzsicherheit zum überwiegenden Teil auch an der Qualifikationshöhe gemessen wird. Eine Binsenweisheit. Und weil das Sicherheits- und Wachgewerbe keine Insel der Seeligen ist, gilt das selbstredend auch für uns.
Viele Sicherheitsmitarbeitende haben lediglich einen drei bis sechs Monate dauernden Kurs mit einer allerdings staatlich anerkannten Sachkunde-Prüfung absolviert, die jedoch nach meinem Kenntnisstand keinerlei Ausbildungsstatus beinhaltet. Wer will, kann eine vom Staat anerkannte Ausbildung absolvieren, selbstverständlich mit einer Abschlussprüfung. Wer will, kann meines Wissens Meisterin oder Meister werden, selbst Studiengänge sind in unserer Branche möglich.
Die Unternehmen haben aus ihrer Sicht allein im Zeitraum von 2008 bis 2022 eine enorme Personalkostensteigerung hinnehmen müssen. Im Jahr 2008 standen auf meinem Lohnzettel für einfache Objektbewachung 4,35 Euro brutto pro Stunde. 2015 wurde, wie uns allen bekannt ist, der Mindestlohn eingeführt, der seitdem immer wieder anstieg, zuletzt im Oktober 2022. am Ende des Buches komme ich darauf zurück. Pläne, um diese
Entwicklung zu stoppen dürften, so denke ich, längst in vielen Schubladen vieler Unternehmen bereit liegen. Genau deshalb akzeptieren sie die steigenden Lohnkosten.
In wenigen Jahren werden wir „einfachen“ Sicherheitskräfte peu à peu durch den „Kollegen Rechner“ ersetzt, davon bin ich trotz unbestreitbarer Systemrelevanz der privaten Sicherheitsbranche mehr als überzeugt. Wie sieht es mit den Zutrittskontrollen beispielsweise bei Konzertveranstaltungen aus? Das können Computer genauso gut wie Wachleute erledigen, wahrscheinlich sogar schneller und besser. Deswegen dürfte es auch für Pforten- und Empfangsdienste mittelfristig eng werden.
Denn so ein Rechner braucht weder freie Tage noch Pausen oder gar Urlaub und jegliche Personalkosten entfallen. Herrlich! Vom Arbeitnehmerschutzgesetz ganz zu schweigen, den braucht die Metallkiste nicht. Für uns „kleine“ Wachfrauen und -männer ist der Rechner eine ernstzunehmende Konkurrenz, die in den kommenden Jahren nicht nur hierzulande immer mehr zunehmen wird.
Außerdem muss bedacht werden, dass meines Wissens das Gros der im Wachgewerbe arbeitenden Menschen Mitte Dreißig plus ist, was in unserer alternden Gesellschaft eigentlich nicht wirklich verwundert. Ich denke, ein Großteil des „Fußvolkes“ wird das bleiben, was es für das Sicherheitsgewerbe ist: eine Sicherheitsfachkraft mit einer bestandenen Industrie und Handelskammer-Prüfung, die trotzdem nur den Status einer Hilfskraft besitzt und nicht als Ausbildung anerkannt ist.
Darunter kommen nur noch diejenigen mit Unterrichtung, einem einwöchigem Kurs, der mit einem Zertifikat ohne vorheriger Prüfung abschließt in dem die Teilnahme desselben schriftlich bestätigt wird. Soweit, wie ich es mitbekomme, werden auch heutzutage noch entsprechende Kolleginnen und Kollegen eingestellt. Jetzt geht es aber weiter mit viel Fleiß und wie gesehen nicht mehr ganz so kleinem Preis und meinen ganz persönlichen Erfahrungen auf diesem Gebiet.
Ja, fleißig sind sie, die früher als Apothekerin, Zimmerer oder was auch immer tätig waren. Die meisten von ihnen bekommen Arbeitsverträge in die Hand, die eine monatliche Arbeitszeit in Vollzeit von 172 Monatsstunden beinhalten. Nicht selten habe ich persönlich mit älteren Arbeitnehmerinnen und -nehmern jenseits der 50 gesprochen, die nach eigenen Angaben diese Stundenanzahl sogar noch überboten haben. Sogar mit über 60- und teilweise über 70jährigen habe ich mich unterhalten, die mir glaubhaft berichteten, dass sie bis zu 228 Stunden monatlich arbeiten. Fast immer, weil die Rente nicht reicht, teilweise aber auch, weil ihnen die Arbeit auch Freude macht.
Noch heute höre ich von meiner Kollegschaft, dass immer noch ein nicht unerheblicher Teil von ihnen bis zu 228 Stunden monatlich arbeitet, mehr ist seit 2016 nicht mehr erlaubt. Vor wenigen Jahren galt das Arbeitszeitschutzgesetz zumindest praktisch in vielen Wachbetrieben noch als Fremdwort. Das habe nicht nur ich persönlich noch so erlebt.
Hier wird kein Blatt vor den Mund genommen, denn um das ganze Bild zu zeigen, müssen natürlich auch Fakten benannt werden, die zum Fremdschämen einladen. Weil sie sich tatsächlich zugetragen haben. Selbstverständlich sind, wie bereits erwähnt, alle Personen- und Ortsnamen geändert.
Auf einer Großbaustelle in München: ein Wachmann, nennen ihn Sepp H, sitzt allein in „seinem“ Container. Er hat Nachtdienst und wird müde, was verständlich ist und um so mehr gilt, wenn Tages- und Nachtschichten geleistet werden müssen. Helfen würde ihm jetzt Frischluftzufuhr oder ein starker Kaffee, in Ausnahmefällen auch ein so genannter „Enegry-Drink.“ Auch aufstehen und im Container hin und herlaufen wäre eine Option, denn kein Mensch schläft wie ein Pferd im Stehen.
Was aber macht unser Sepp, der Depp? Er bequemt sich dazu, vom Schreibtischstuhl aufzustehen, um sich auf den nackten Betonboden zu legen und schläft ein. Als sein Kollege zum Tagesdienst kommt, sieht er ihn schlafen, weckt ihn und ruft die Einsatzleitung an, um den Vorfall zu melden. Das hat nichts mit petzen zu tun. Entscheidend ist das vorsätzliche Verhalten des Wachmannes, dem zu recht fristlos gekündigt wird, weil sein Verhalten den Bewachungsauftrag und damit alle daran hängenden Arbeitsplätze gefährdet.
In einem Warenlager in Dresden: Fred Z ist der Kollegschaft als mürrischer Zeitgenosse bekannt, der zuweilen auch mal laut werden kann. Fred wird im besagten Amt an der Pforte eingesetzt, er sieht sich mehr als Sicherheits- denn als Pfortenkraft und schon gar nicht als Dienstleister.
Fred hat diesmal Tagesdienst und nickt ein. Ein Mann kommt zu ihm an den Schalter, spricht ihn an und fragt ihn, warum er während der Dienstzeit schläft. Selbstverständlich ist jetzt eine Entschuldigung vonnöten verbunden mit dem Versprechen, dass das nicht ein zweites Mal passiert. Nicht so Fred. Er brüllt sein Gegenüber an, was ihm einfiele, ihn zu wecken?!...Dumm nur, dass der Angeschriene nicht irgendwer, sondern ein „hohes Tier“ des Lagers ist. Fred wird daraufhin nicht nur von dort entfernt.
Bereichsleitende haben in unserem Gewerbe sehr lange Arbeitstage und wären froh, wenn sie „nur“ 228 Stunden pro Monat arbeiten müssten. Hinzu kommt ein hoher Leistungsdruck, verbunden mit einer sehr hohen Verantwortung. Gerd P aus Köln scheint nicht nur mit letzterem überfordert zu sein, gehört aber wohl den Menschen, die sich das nicht eingestehen können und sucht Hilfe im Alkohol. Er hofft, dass es niemand merkt. Die ihm unterstellten bekommen es aber trotzdem mit, denn es ist zu riechen.
Es geschieht in einem Fabriklager in Rostock. Thomas J ist ein sehr beleibter Sicherheitsmitarbeiter und versieht seinen Nachtdienst an einem der Empfangsschalter. Auf einmal überkommt ihm sagen wir mal ein allzu menschliches Bedürfnis, das er besser unter Kontrolle gehalten und privat ausgelebt hätte. Was aber nutzt ein williger Geist, wenn das Fleisch schwach ist?
Der junge Mann hat auf der rechten Seite des Tisches eine Dose Hundefutter und auf der linken, bezeichnen wir es mal als ein „Heft für Erwachsene.“ Von einer korrekten Sitzhaltung kann hier keine Rede sein und eine seiner Hände befindet sich etwas unterhalb der Gürtellinie!...Dämlich nur, dass Herr K kurz vor Dienstschluss vorbei kommt. Der ist sein Chef. Thomas darf sofort seinen Hut nehmen. Ob er in einem anderen Unternehmen eine neue Anstellung bekommen und aus diesem Vorfall gelernt hat, ist nicht bekannt.
Reiner L ist neu in einem Amt in Speyer und hat noch selten Nachtdienste in der Nebenpforte des Hauses gemacht. Eines Tages ist es wieder soweit. Seine Schicht beginnt um 18:00 Uhr und endet um 6:00 Uhr früh. Alle zwei Stunden muss Reiner erst eine Außenrunde um das Gebäude und danach eine Runde im Objekt machen. Ist kein Graffiti an einer Hauswand angebracht? Sind alle Fenster zu oder scheint vielleicht noch irgendwo ein Licht in die Dunkelheit hinaus?
Ist im Gebäude keine Tür, die verschlossen sein muss, vergessen worden? Hat Reiner jeden Kontrollpunkt mit seinem Datenlesegerät erfasst? Gegen Mitternacht ist es wieder soweit, Reiner will sich wieder „auf Runde“ begeben und ruft um Bescheid zu sagen in der Hauptpforte an. Die ist nachts mit zwei Kollegen besetzt, diesmal sind es Heidi T und Sören N, der nun zur Nebenpforte kommt, weil die kleine, wie auch die große Pforte, immer besetzt sein muss. Sören ist Mitte zwanzig und hat seine gleichaltrige Freundin Vera R, die als Reinigungskraft in derselben Behörde arbeitet, im Schlepptau.
Dem Pärchen ist klar, dass Reiner das nicht ganz unkomplizierte Gebäude noch nicht so gut kennen kann und für seinen Kontrollgang länger als die Alteingesessenen braucht. Umgedreht ist ihm, der doppelt so alt wie die beiden ist, durchaus bewusst, dass sie in der Nebenpforte nicht nur Händchen halten werden. Zudem hat Vera längst Feierabend und hat somit nichts mehr im Gebäude zu suchen. Aber was soll der Neue machen? Er lässt sie gewähren, es bleibt ihm nichts anderes übrig.
Niko B ist Anfang zwanzig, stammt aus der so genannten Oberschicht und ist der einzige Sohn. Groß geworden in einem noblen Vorort in Hamburg, fängt er direkt nach der bestandenen 34a-Sachkunde-Prüfung in der Hansestadt in einer Druckerei als Wachmann an. Das er aus den wie er meint „besseren Kreisen“ stammt und sich „selbstverständlich für etwas besseres hält,“ lässt Niko die Kollegschaft nur allzu gern spüren und nicht nur das.
Mit Vorliebe ruft er bei der Einsatzleitung an um Meldung zu machen, wenn jemand zu spät zum Dienst erscheint. Warum dem so ist, ist dabei völlig Wurscht. Außerdem trägt er Quarzsandhandschuhe, die aufgrund ihrer verstärkenden Schlagkraft verboten sind. Sie sehen auf den ersten Blick wie normale Lederhandschuhe aus, erst auf den zweiten Blick ist ihre Gefährlichkeit als Waffe zu erkennen. Eines Tages ist Niko nicht mehr in der Druckerei und die Sicherheitsfirma gibt ihm trotz der Vorfälle noch eine Chance, sich in einem anderen Einsatzort zu bewähren. Als er es auch dort nicht schafft, sein Verhalten zu ändern, wird er entlassen.
Diese kleine Auswahl soll erst einmal genügen, denn all solche Vorfälle sind es, die den Ruf der Sicherheitsdienste in den Schmutz ziehen. Das gilt erst recht, wenn noch schlimmere Fälle medial an die Öffentlichkeit gelangen. Denn Wachpersonal, das dunkelhäutige Menschen diskriminiert oder gar verprügelt, benimmt sich absolut daneben und lädt nicht nur zum Fremdschämen ein. Es passt ganz einfach nicht in unser Gewerbe hinein.
Fehlerhaftes Verhalten gibt es nicht nur beim Sicherheitspersonal. Getreu nach dem Motto, „die Wachleute werden schon nicht aufmucken“ kann es durchaus vorkommen, dass der Betriebsrat statt die Interessen der Arbeitnehmenden die der Arbeitgebenden unterstützt.
Sabrina K arbeitet auf einer Großbaustelle in Bochum. Der Bereichsleiter ist mit ihrer Arbeit zufrieden, es stört ihn nicht, dass Sabrina auf dem rechten Ohr fast taub ist, also auf dem linken Ohr „praktisch nur in Mono“ hören kann, wie es ihr ein Hörakustiker ihr gegenüber einst gesagt hat.
Der Objektleiter sieht das ganz anders. Was ist, wenn die Kollegin beispielsweise einen herannahenden Bagger nicht rechtzeitig hören kann oder ihr ein Balken auf den behelmten Kopf fällt, weil sie zu spät das von der Decke kommende Krachen wahrnimmt? Der Betriebsrat teilt seine Bedenken und stimmt einer Vertragsauflösung inklusive Abfindung zu.
Dem Geschehen ist so gesehen erst einmal kein Vorwurf zu machen. Das Leben und die Gesundheit von Sabrina stehen für den Objektleiter wie für den Betriebsrat an erster Stelle. Ist also wirklich alles in bester Ordnung?
Bei der Abfindung handelt es sich um eine angemessene Summe, mit der Sabrina einen weiterführenden Lehrgang teilweise aus eigener Tasche zahlen kann, den Rest steuert ihr Ehemann bei. Als sie sich fünf Monate später bei derselben Wach- und Sicherheitsfirma um eine Empfangsstelle in einem Krankenhaus bewerben will wird ihr mitgeteilt, dass sie wegen der angenommenen Abfindung für drei Jahre gesperrt ist.
Pikant bei diesem Vorfall ist, dass Sabrina wegen ihrer geminderten Hörfähigkeit zu 50 Prozent Schwerbehindert ist und der Betriebsrat davon Kenntnis hatte. Dieser hat sie in puncto Sperrung schlichtweg fallen lassen anstatt sie unterstützend zu informieren und zu beraten. Zudem handelt es sich bei der Sicherheitsfirma um ein europaweit agierendes Unternehmen. Das die Großbaustelle in den Augen der Verantwortlichen zu riskant war, ist nicht der Punkt.
Die Frage ist, ob wirklich kein geeigneter Arbeitsplatz für Sabrina K zu bewerkstelligen war. Auch da hat der Betriebsrat schlichtweg versagt.
Fangen wir mal ganz von vorne an. Wer vor dem 1. März 1996 im privaten Sicherheits- und Wachgewerbe arbeitet, braucht sich meines Wissens um eine Weiterbildung prinzipiell keinen großen Kopf zu machen. Sie oder er hat genug Berufserfahrung, weiß also, wo der Hase lang läuft. Für alle anderen, die dort anfangen möchten heißt es: noch einmal rauf auf die Schulbank. Die dazu gehörende Zugangsvoraussetzung ist allerdings ein grundsätzlich sauberes Führungszeugnis.
Abgesehen von den Jüngeren, deren reguläre Schulzeit fast noch gestern war, ist es für die Mehrheit oftmals schwierig, wieder zur Schule zu gehen, was wie schon erwähnt an der Alterung unserer Gesellschaft liegt. Soweit ich weiß kommt Das Gros entweder von der Agentur für Arbeit oder vom Jobcenter und bereitet sich auf die „Sachkundeprüfung gemäß Paragraph 34a Absatz 1 Satz 5 der Gewerbeordnung“ vor, um sich nach bestandener Prüfung Sicherheitsfachkraft nennen zu dürfen und fremdes Eigentum bewachen darf.
Die Prüfungen, die von den Industrie- und Handelskammern abgenommen werden, haben es in sich. Es geht um das Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, Unfallverhütungsvorschriften für unser Gewerbe, den Umgang mit Menschen vor allem in Gefahren- und Konfliktlagen und das Erlernen von Deeskalationstechniken. Damit nicht genug. Denn Passagen aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und schließlich Ausschnitte aus dem Straf- und Strafverfahrensrecht inklusive Waffenumgang sowie Grundzüge der Sicherheitstechnik runden das Ganze ab.
Puh, das hört sich alles ziemlich trocken an, ist es teilweise auch. Hier kommt es insbesondere darauf an, wie der Stoff von den Lehrkräften herübergebracht wird. Gute Schulungsstätten sind das eine, den angebotenen Stoff auch aufnehmen zu wollen ist das andere.
In der Lehrstätte, in der ich damals meinen 34a-Sachkundeschein gemacht habe, waren einige dabei, die den Unterricht mehr oder weniger massiv störten, weil sie gar keine Lust hatten, Sicherheitskraft zu werden. Alles, nur nicht in dieser Branche tätig werden, in denen sie nicht nur nachts, sondern auch an Wochenenden und Feiertagen arbeiten müssten. Dazu der ihrer Meinung nach auch noch viel zu geringe Verdienst, nein, bitte nicht, auf gar keinen Fall.
Damals haben mir einige berichtet, dass sie vom Jobcenter kämen und ihnen die staatliche Unterstützung gestrichen würde, wenn sie sich widersetzten. Ob das stimmt oder nicht, kann ich nicht beweisen, schon gar nicht im Einzelfall. Jedoch halte ich all das nicht für gänzlich aus der Luft gegriffen. Letztlich aber haben die Störenfriede diejenigen, die lernen und weiterkommen wollten, auch hier wieder mehr oder weniger daran gehindert.Übrigens: manche, die die entsprechende finanzielle Möglichkeit haben, zahlen sämtliche Gebühren auch selbst.
Das war nicht nur bei mir so. Über dem 34a-Lehrgang steht in der Lehrgangs- und Ausbildungshierarchie die Geprüfte Schutz- und Sicherheitskraft (GSSK) als eine vom Staat anerkannte Ausbildung, die eine hervorragende Job-Garantie beinhaltet. Jedoch nicht ganz ohne Probleme, wie der folgende Fall zeigt.
Kommen wir zu Annette aus Pirmasens. Nachdem sie viele Jahre als „gewöhnliche Wach- und Sicherheitskraft“ gearbeitet hat, geht die heute 51jährige nochmals auf die Schulbank, um sich zur
GSSK weiterzubilden. Die Wachfrau besteht sie die Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer mit Bravour. Ein neuer Job lässt nicht lange auf sich warten, zusammen mit ihrem Mann, der jedoch nur den 34a-Sachkundeschein besitzt, fängt sie in einem Pirmasenser Wachbetrieb an zu arbeiten.