Mit Teamgeist führen - Heinz Becker - E-Book

Mit Teamgeist führen E-Book

Heinz Becker

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Beschreibung

Viele essenzielle Changeprozesse scheitern an fehlenden gemeinsamen Zielen und Motiven der Beteiligten. Wollen Menschen gemeinsam etwas bewirken, dann müssen sie sich einig sein, aber neben unterschiedlichen Motiven spielen auch Egoismen, Antipathien, Eitelkeit, Disziplinlosigkeit, Angst und Missmut aller Art eine Rolle - der Kummerkasten der Psychodynamik. Das Buch präsentiert ein Diskursmodell in fünf Schritten, das die psychodynamischen Probleme in der Teamarbeit aufdeckt, verstehen lässt und löst. Eine Führungskraft, die diese Schrittfolge beherrscht, kann ihre Steuerungsfähigkeit auch in heiklen Situationen bewahren, die Kräfte des Teams bündeln und so das Engagement der Beteiligten aktivieren. Führungskräften, Beratern, Coachs und Trainern bietet das Buch eine Hilfestellung für das Changemanagement. Es rät davon ab, chaotische Diskussionen »glattzumoderieren«. Stattdessen leitet es an, die atmosphärischen Phänomene zu erkennen und zu nutzen. Es erklärt den Gebrauch des »Kulminationspunktes« in Diskussionen und nimmt die Menschen so wie sie sind, ohne ihnen agile Werte wie Offenheit und Mut vorzuschreiben.   - Destruktive Reaktionsmuster im Team verstehen - Ergebnisse im Team, trotz Chaos und Apathie - Durchsetzungsfähigkeit entwickeln - Der Mensch im Mittelpunkt der agilen Arbeitswelt  Dieses Buch wurde bei getAbstract im "getAbstract der Woche" empfohlen.

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[9]Inhaltsverzeichnis

Hinweis zum UrheberrechtImpressumWozu dieses Buch?1 Jeder gegen jeden – Die Bewältigung einer Krise des Betriebsklimas2 Erster Schritt: Die Themensetzung – Wie Sie die Mannschaft auf Ihr Thema konzentrieren2.1 Erstes Merkmal: Die Themensetzung ist sorgfältig vorbereitet2.2 Zweites Merkmal: Die Themensetzung beteiligt die Mitarbeiter am Problem2.3 Drittes Merkmal: Die Themensetzung steckt die Claims ab2.4 Viertes Merkmal: Die Themensetzung stimuliert2.5 Fünftes Merkmal: Die Themensetzung hilft, Zumutungen zu ertragen2.6 Sechstes Merkmal: Die Themensetzung zeigt Zusammenhänge auf2.7 Siebtes Merkmal: Die Themensetzung fragt nach Lösungen3 Zweiter Schritt: Diskutieren – Wie Sie trotz Chaos und Apathie Ergebnisse erzielen3.1 Diskussionen haben zwei Phasen3.2 Ertragen Sie geduldig den zaudernden Beginn3.3 Bleiben Sie im Hintergrund3.4 Lassen Sie das Chaos zu und ernten Sie viele Ideen3.5 Nehmen Sie sich Zeit3.6 Diskutieren Sie ergebnisoffen3.7 Können persönliche Angriffe auch zu weit gehen?4 Dritter Schritt: Der Magische Moment – Wie Sie im Magischen Moment den Sack zumachen4.1 Erste Variante: »Die Luft ist raus«4.2 Zweite Variante: »So kommen wir doch nicht weiter!«4.3 Dritte Variante: »Die Lösung steht im Raum«4.4 Vierte Variante: »Ich hab’s!«4.5 Fünfte Variante: »Es ist alles gesagt. Aber wie entscheiden wir nun?«4.6 Sechste Variante: »Und was jetzt?«4.7 Die überragende Bedeutung der Softfacts5 Vierter Schritt: Entscheiden – Wie Sie gemeinsame Entschlüsse herbeiführen5.1 Die überragende Kraft des guten Willens5.2 Wie wächst der gute Wille?5.3 Der Entschluss braucht einen Spielraum5.4 Nicht jeder kann gewinnen5.5 Das Wir-Gefühl kommt auf5.6 Wenn die Kräfte unentschieden bleiben – was dann?5.7 Extreme Verhärtungen aufweichen6 Fünfter Schritt: Umsetzen – Wie Sie das »Machen« sicherstellen6.1 Die vier Ziele der Teamsitzung6.2 Das rollierende Protokoll ersetzt die Tagesordnung6.3 Die »Neuigkeiten-und-Probleme-Runde«6.4 Sieben Regeln zur Teamsitzung7 Sich durchsetzen – Wie Sie mit schwierigen Kandidaten fertigwerden7.1 Den Dauerredner mäßigen7.2 Die Schweigsamen aktivieren7.3 Die Starrsinnigen auflockern7.4 Die Unwilligen einbinden7.5 Mit Rivalität umgehen7.6 Die eigene Durchsetzungsfähigkeit entwickelnLiteraturverzeichnisStichwortverzeichnisDer Autor
[1]

Hinweis zum Urheberrecht

Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft - Steuern - Recht GmbH

[4]Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de/ abrufbar.

Print:

ISBN 978-3-7910-5143-7

Bestell-Nr. 10594-0001

ePub:

ISBN 978-3-7910-5144-5

Bestell-Nr. 10594-0100

ePDF:

ISBN 978-3-7910-5145-1

Bestell-Nr. 10594-0150

Heinz Becker

Mit Teamgeist führen

1. Auflage, November 2020

© 2020 Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH

www.schaeffer-poeschel.de

[email protected]

Bildnachweis (Cover): © leszekglasner, Adobe Stock

Produktmanagement: Dr. Frank Baumgärtner

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, des auszugsweisen Nachdrucks, der Übersetzung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, vorbehalten. Alle Angaben/Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.

Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart

Ein Unternehmen der Haufe Group

[5]Wozu dieses Buch?

Wenn ich auf meine 25-jährige Praxis als Managementberater zurückblicke, ging es fast immer nur um dieses Thema: die Bildung des WIR. Wie findet die Mannschaft angesichts der anstehenden Veränderungen zu einer gemeinsamen Ausrichtung – und zwar in Wort und Tat? Wie gelingt die neue gemeinsame Situation? Wie muss die Führung zugreifen, damit sich alle für eine Lösung engagieren – und zwar für die beste? Die in meiner Beratungspraxis hierzu gesammelte Expertise lege ich in diesem Buch vor. Es verkündet keine neue Management-Mode. Nein, es schöpft aus der sorgfältigen Beobachtung der alltäglichen Bemühungen von Menschen, gemeinsam erfolgreich zu sein.

Sportteams demonstrieren immer wieder, wie sehr Erfolge und Misserfolge vom Teamgeist abhängen und welche überragende Bedeutung der Integration aller Kräfte zukommt. Gemeinsam sind wir stark. Gegenseitig stacheln sich die Spieler an und fordern sich alles ab. Das ist die Magie des Wir-Gefühls: freudige Vitalität und Mitverantwortlichkeit.

In der Praxis sieht es oft anders aus. Da empfinden die Beteiligten das ganze Gruppenprozedere als lähmend. Da ist die Rede von Frustrationen, Emotionen und Blockaden, von Einzelkämpfern, die sich profilieren wollen, von Konkurrenzkämpfen, die der Sache schaden, von faulen Kompromissen, von Zeitvergeudung, halbherzigen Zustimmungen, von schleppenden Prozessen, die nicht selten einfach versanden. Wegen des Mangels an gemeinsamer Ausrichtung scheitern viele Changeprozesse, die in unseren Zeiten der Digitalisierung und des schnellen technologischen, politischen und gesellschaftlichen Wandels überlebenswichtig sind.

Wie aber die gemeinsame Ausrichtung finden?

Man kann es nicht befehlen.

Teams müssen sich zusammenraufen. Das vorliegende Buch zeigt, wie Leadership solches Zusammenraufen initiiert und in seinem Verlauf führt, sodass am Ende alle an einem Strang ziehen. Wohl dem, der die Dynamik dieses Verlaufs versteht und zu nutzen weiß. Denn jede Phase einer Transformation hat eine andere Dynamik und erfordert spezifische Maßnahmen. Indem die Führung in diesem Spiel der Kräfte zielführend navigiert und steuert, fordert sie die Beteiligten zu selbstverantwortlichem Engagement heraus.

Ausgangspunkt ist stets eine Problemsituation und ein vielstimmiger Chor verschiedenster Ideen, Meinungen und Interessen. Das führt zu Konflikten und widersprüchlichen Zielen. Dann gilt es, in einer produktiven Kontroverse eine gemeinsame Absicht [6]zu definieren. Erst diskursive Entscheidungsprozesse ermöglichen, den Entscheidungsgegenstand aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, die Vielfalt der Ideen zu nutzen und gute Entscheidungen zu treffen, die von allen mitgetragen werden.

Der Schlüssel zum Erfolg der westlichen Kultur ist die freie Diskussion mit ihrer kritischen Prüfung aller Ideen, Meinungen und Interessen.

Die Beschreibung des Einigungsprozesses wird zeigen: Wenn die Diskussion in Gruppen zum Konsens führen soll, geht es – entgegen der landläufigen Meinung – nicht herrschaftsfrei zu. Ganz und gar nicht. Die Biologie lehrt uns: Alle Wirbeltiere bilden Hierarchien – und jeder ernst zu nehmende Mensch hat eine Wirbelsäule. Was bedeutet diese unabweisbare Tatsache in Zeiten des Abbaus von Hierarchien, der »New Work«-Ansätze, der allseits geforderten gleichen Augenhöhe und der »agilen« Führung? Wer sorgt für Disziplin? Wie passt das alles zusammen?

Führung ist als Ordnungsfaktor des Geschehens unverzichtbar. Elitäre, kooperative und autoritäre Stilelemente sind innerhalb eines Prozesses gleichermaßen wichtig. Aber immer zur rechten Zeit und in geeigneter Dosierung.

Konstruktive Streitkultur zu initiieren und zu führen, ist keine leichte Aufgabe. Wer die Kräfte bündeln will, muss im Team Streitbarkeit in der Sache mit dem Geist gegenseitiger Unterstützung verbinden können. Um zu zeigen, wie das geht, bedient sich das Buch eines Prozessmodells mit fünf Schritten. Dieses Prozessmodell dient als Leitfaden auf dem Weg vom Problem bis zur Umsetzung der Lösung sowie deren Monitoring. Mithilfe dieses Modells fällt es der Führung leichter, sich im Gesamtverlauf zu orientieren, Situationen präzise einzuordnen, gezielt zu intervenieren und Wichtiges nicht zu versäumen. Dies ist ein Kursbuch zum WIR.

Die in diesem Buch geschilderten Beispiele entstammen fast ausnahmslos der Arbeitswelt. Das Prozessmodell lässt sich aber überall anwenden, wo Menschen sich um gemeinsames Handeln bemühen.

Wohin fahren wir in den Ferien? Mit welcher Strategie spielen wir gegen Bayern München? Welches Programm wollen wir im Wahlkampf vertreten? Wie schaffen wir mehr Arbeitsplätze? Die Bemühung um Einigung widerstreitender Lager ist das aktuelle Zeitgeistthema: Die oft vergeblichen Bemühungen um einheitliches Handeln der EU, Auflösungserscheinungen des westlichen Bündnisses, die Spaltungen Amerikas, der Türkei, des gesamten arabischen Raumes, Großbritanniens und nicht zuletzt auch Deutschlands, um nur einige Beispiele zu nennen, wecken die Sehnsucht nach integrierten gemeinsamen Lösungen.

[7]Im anschließenden 1. Kapitel werde ich einen Beratungsfall schildern, in dem die Krise eines Teams überwunden wurde. Diese Schilderung stellt das Prozessmodell im Gesamtverlauf der fünf Schritte dar. Die dann folgenden Kapitel untersuchen jeden Schritt des Prozesses tiefer und helfen, die auftauchende Psychodynamik zu verstehen und damit fertigzuwerden.

Das Schlusskapitel widmet sich schließlich den »schwierigen Mitmenschen« und nimmt Stellung zu den Fragen nach Rivalität und Hierarchie.

[11]1Jeder gegen jeden – Die Bewältigung einer Krise des Betriebsklimas

Dr. Gottfried Sellingstroh. Der junge Mann galt als Hoffnungsträger. Ende 30, promoviert, mit gepflegten Umgangsformen, freundlich zu den Menschen und klar in seinen Worten, ehrgeizig, aber ohne jeden Anflug von Überheblichkeit. Vor acht Jahren kam er mit solider Erfahrung im Online-Marketing in dieses süddeutsche Elektronikunternehmen. In zwei Funktionen hatte er sich bereits bestens bewährt. Sein Mentor war der Vorstandsvorsitzende höchstselbst. Nun sollte er die Hauptabteilung »Logistik« übernehmen. Der Erfolg war Herrn Sellingstroh auf die Stirn geschrieben. Aber es sollte erst einmal ganz anders kommen.

Denn die Aufgabe war heikel. Der Logistikbereich mit 70 Mitarbeitern hatte in nur fünf Jahren vier Direktoren verschlissen. Alle waren gescheitert. Es herrschte ein Klima gnadenlosen Ehrgeizes. Jeder wollte der Beste sein, gern auch auf Kosten der anderen. Die miserable Organisation der Prozesse schürte das Gegeneinander zusätzlich. Alle Ellenbogen waren ausgefahren. Herr Sellingstroh erfuhr, dass fünf seiner elf Abteilungsleiter sein Posten in Aussicht gestellt worden war. Fünfen! Wie war das möglich? Und nun die Besetzung von außen, mit einem Mann ausgerechnet aus dem Vertrieb? Einem Herrn Doktor, aber ohne jede Logistikerfahrung? Unmöglich! Neid schlug ihm zur Begrüßung entgegen.

Es dauerte nicht lange, bis Herr Sellingstroh die Intrigen bemerkte: Hinter seinem Rücken verbreiteten sich Unwahrheiten. Er nehme Geschenke von Lieferanten an. Er missbrauche Dienstreisen zu Lustzwecken. Spott mit seinem Namen kam ihm zu Ohren: »Dumm wie Dr. Bohnenstroh.« Mitarbeiter verschwiegen ihm wichtige Informationen, sodass er immer wieder im Dunkeln tappte. Konflikte zwischen den Abteilungen zu schlichten, daran war unter diesen Umständen nicht zu denken. Schon gar nicht an eine Verbesserung der Organisation. Seine Teammitglieder pflegten die internen Verhärtungen geradezu, um ihm seine Hilflosigkeit vor Augen zu führen. Kein Zweifel, man wollte ihm Böses. Jedes Wort, jede seiner Gesten, jeder Händedruck wurde interpretiert, gedeutet und missdeutet. Alle seine Bemühungen, an das Team anzukoppeln, stießen auf Widerstand.

Das alles sprach sich natürlich herum, und der Vorstand stellte schon Überlegungen an, ihn wieder aus dem Amt zu nehmen. Nach einem halben Jahr fühlte sich Herr Sellingstroh von der eigenen Mannschaft abgelehnt und wundgerieben. Den Zustand seines Teams empfand er als zerrüttet, und er selbst steckte in der tiefsten Krise seines Lebens. [12]Immerhin entdeckte er gravierende organisatorische und prozessuale Mängel des Bereichs. In den letzten zehn Jahren war das Unternehmen rasant gewachsen. Den ebenso gewachsenen Logistikproblemen konnte der Bereich von Herrn Sellingstroh längst nicht mehr begegnen. Statt die Organisation grundsätzlich den Erfordernissen anzupassen, hatten seine Vorgänger nur Flickwerk betrieben. Mit Improvisationen hatten sie versucht, das Tagesgeschäft mehr schlecht als recht zu bewältigen. Das hatte zu einem verwirrenden Durcheinander von Zuständigkeiten geführt. Die Organisation der Hauptabteilung litt unter ihren zahlreichen Überschneidungen und machte es damit schier unmöglich, alle Aktionen aufeinander abzustimmen.

Die Verantwortlichkeiten des gesamten Bereichs bedurften, so sah es Herr Sellingstroh, einer grundsätzlichen Neuordnung. Er entwickelte eigene Vorstellungen von der Organisation und den Prozessen. Wollte er diese Ideen umsetzen, dann bräuchte er dafür weniger Abteilungsleiter und einige Teamleiter müssten sich bisherigen Kollegen unterordnen. »Um Gottes willen! Machen die das mit? Kann das überhaupt gelingen und wann wäre der richtige Zeitpunkt dafür? Und wie kann ich mit einer solch tiefgreifenden Veränderung durchkommen, wenn alle gegen mich sind?« Solche Gedanken quälten Herrn Sellingstroh.

Ganz klar, dieses heiße Eisen anzupacken, wäre die richtige Antwort auf den Kostendruck, der sowieso schon auf ihm lastete. »Aber habe ich dafür noch den Vorstand hinter mir? Ich stehe doch auf Messers Schneide.« Wie sollte er angesichts der Zerrüttungen in seinem Bereich Handlungsfähigkeit erlangen? Die Angst saß ihm im Nacken. Jeden Abend nahm er neue Sorgen mit nach Hause, wo seine Frau auf ihn wartete, hochschwanger mit dem dritten Kind. Als sie ihm sagte, es beginne zu ziehen und dafür sei es eigentlich noch viel zu früh, läuteten bei ihm alle Alarmglocken.

Und dann – seine Gegenspieler hätten die Dramaturgie nicht besser arrangieren können – entdeckte jemand in seinem Postfach eine Spam-Mail mit fragwürdigem Inhalt. Es ging dabei um einen scheinbar geschenkten Segeltörn im Mittelmeer, einen »Hauptgewinn«. Dieser »Jemand« schwärzte ihn beim Vorstand an. »Kommen Sie morgen um 11:00 Uhr zu mir, es geht um eine ernste Angelegenheit. Auch der Produktionsvorstand wird dabei sein«, sagte der Personalvorstand. Kein weiterer Hinweis, worum es sich handeln würde. Schweiß lief Herrn Sellingstroh den Rücken herunter. Er wähnte sich am Ende. Wieder eine schlaflose Nacht. Innerlich völlig aufgewühlt, äußerlich scheinbar gefasst, traf er am nächsten Tag die beiden Vorstände. Er konnte kaum glauben, was man ihm da vorhielt. Es fiel ihm leicht, die Vorwürfe zu entkräften, aber nach langer Zeit gab es für ihn auch einen Lichtblick: Dem Gespräch konnte er entnehmen, dass sein Vorgesetzter immer noch zu ihm hielt. Noch. Höchste Zeit, eine erfolgreiche Unternehmung abzuliefern.

[13]Aber wie? Herr Sellingstroh hatte keinen Plan. Vor allem, was wäre der erste Schritt? Er stand völlig ratlos da. Er saß in der Tinte. Alle waren gegen ihn. Nur sein Chef stand noch auf seiner Seite. Ideen für eine Verbesserung von Organisation und Prozessen lagen bereit. Er war entschlossen, mit der Umsetzung dieser Ideen einen Befreiungsschlag zu wagen. Wenn schon untergehen, dann mit aufrechtem Gang und fliegenden Fahnen: »Ich bin bereit zu verlieren, aber verschenkt wird nichts.« Sein Vorgesetzter riet ihm, das Projekt mit einem Berater durchzusprechen.

Da kam ihm ein weiterer Umstand zu Hilfe: Das jährliche Führungsfeedback stand an. Natürlich erwartete er davon nichts Gutes, aber er wurde überrascht. Hauptsächlich richteten seine Abteilungsleiter den Wunsch an ihn, er möge sie stärker an den Entscheidungen des Bereichs beteiligen. Das sollten sie bekommen. Aber das hatten sie sich ganz anders vorgestellt.

Herr Sellingstroh suchte sich einen Coach, dem er seine Situation schilderte. In dieser Beratung erhielt er die Anregung, die Reorganisation gemeinsam mit den Betroffenen in einem Workshop zu konzipieren. Er solle die Ziele, die er erreichen wolle, genau vorgeben und seine Abteilungsleiter auffordern, Vorschläge zu erarbeiten, wie diese Ziele zu erreichen seien. Die Vorschläge sollten die Organisationsstruktur ebenso betreffen wie die Prozesse. Sodann solle er sich in einer offenen Diskussion gemeinsam mit seinen Abteilungsleitern für die beste Lösung entscheiden.

Herr Sellingstroh war überrascht. Er hatte schon manche Reorganisation miterlebt und vieles darüber gelesen. Stets ging es von oben nach unten per Ansage vom Chef. »Die Idee ist einfach und sie fasziniert, aber so hat das ja noch niemand gemacht«, entfuhr es ihm. »Dann sind Sie der erste, der das so macht«, bekam er zur Antwort. »Ich erkläre meine Mitarbeiter für so mündig, dass ich sie mitsteuern lasse.« Das schon, aber: »Die Ziele geben Sie vor. Allerdings müssen sie plausibel sein und unmittelbar einleuchten. Sonst ernten Sie Widerspruch.«

So ging es an die Vorbereitung der Themensetzung. Die Ziele des Workshops mussten so konkret und geschickt formuliert werden, dass jeder, der nicht mitmacht, sich von selbst disqualifiziert. Für Herrn Sellingstroh war dies eine ganz neue Art, Struktur und Prozesse zu verändern. Seine Themensetzung formulierte er so:

Wie verändern wir unsere Aufbauorganisation und unsere Prozesse, um diese Ziele zu erreichen?

Unsere Organisation soll ein Spiegelbild eindeutiger Verantwortlichkeiten sein.Unsere Organisation vermeidet Überschneidungen, wo immer es möglich ist.Unsere Organisation und unsere Prozesse arbeiten am Ende schneller.

[14]Alle