Mythos Macht - Heinz Becker - E-Book

Mythos Macht E-Book

Heinz Becker

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Beschreibung

Sind die altbekannten Muster der Machtausübung noch wirksam? Oder geht es heute vielmehr darum, Prozesse lenken zu können – in Zeiten von eigenverantwortlichen Mitarbeitern, demokratischen Entscheidungsstrukturen und Netzwerken? Heinz Becker zeigt, dass Macht aus einer neuen Perspektive betrachtet werden muss: Eine Führungskraft hat dann wirkungsvollen Einfluss, wenn sie erkennt, was die Antriebskräfte und Motivation der einzelnen Mitarbeiter sind und wenn sie diese hin zu einem strategischen Gesamtziel lenken kann. Das Buch zeigt an konkreten Beispielen, wie dieser Prozess initiiert wird und was in welchen Phasen zu berücksichtigen ist.

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Seitenzahl: 173

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Heinz Becker

Mythos Macht

Heinz Becker

Mythos Macht

Wie ist wirksamer Einfluss möglich?

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:[email protected]

Nachdruck 2012 © 2005 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH Nymphenburger Straße 86 D-80636 München Tel.: 089 651285-0 Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Satz und Gestaltung: Beate Soltész, Redline Wien Druck: Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN Print 978-3-86881-370-8 ISBN E-Book (PDF) 978-3-86414-058-7

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.redline-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unterwww.muenchner-verlagsgruppe.de

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Die »Macht der Situation«

Einführung

Wie kann dieses Buch nützen?

Hindernisse auf dem Weg zu integriertem Handeln

Lösungsversuche zu diesem Problem

Wie fallen schwierige Entscheidungen?

Schwierige Entscheidungen müssen gären

Teamentscheidungen sind »gefühlsträchtig«

Vorsicht: Entscheidungsautismus!

Wie entsteht Entscheidungsautismus?

Zehn Warnsignale

Konsens, Commitment, Kompromiss oder Kommando?

Sich zusammenraufen

Beispiele aus der Literatur

Spannungsbogen und Kulminationspunkt einer Diskussion

Der Fahrplan zu einheitlichem Handeln

Die Themensetzung

Führen heißt »Themen setzen«

Wer gehört zur Zielgruppe?

Zum Inhalt des Themas

Die Stimulanz des Themas

Einige weitere Beispiele gelungener Themensetzungen

Beispiel: Eine neue Hauptabteilung findet ihre Einheit – 1.Teil

Die Aktionsphase

Beispiel: Eine neue Hauptabteilung findet ihre Einheit – 2. Teil

Der Kulminationspunkt und die »leibliche Umstimmung«

Die leibliche Umstimmung

Das WANN und das WIE

Die Integrationsphase

Beispiel: Eine neue Hauptabteilung findet ihre Einheit – 3. Teil

Die Umsetzungsphase

Der Fahrplan – kurz zusammengefasst

Persönliche Anforderungen an die Führungskraft

Beispiel: Verwahrlosungstendenzen im Managementteam

Klippen im Prozessverlauf

Über den Umgang mit Rivalität

Über den Umgang mit Starrsinn

Über den Umgang mit Unwilligkeit

Über die Klärung von Beziehungen

Leitfaden zum Klärungsgespräch

Die Teamsitzung

Sieben Regeln zur Teamsitzung

Sitzungsablauf

Starthilfe für den Transfer in die Praxis

Abstandnahme vor der Themenwahl

Angst vor Kontrollverlust

Steuerung organisationsübergreifender Veränderungsprozesse

Beispiel: Führungswechsel – ankoppeln und integrieren

Beispiel: Von der Überwindung einer Unternehmenskrise

Epilog

Literaturverzeichnis

Anmerkungen

Prolog

Macht? Was ist das eigentlich? Gibt es eine allgemeingültige Definition für dieses Wort? Die Antwort lautet: Nein.

Wenn wir die Bedeutungen untersuchen, die dieser Begriff in unserem Alltagsverständnis und in seiner wissenschaftlichen Verwendung hat, dann finden wir kein klares Bild. Der Gegenstand »Macht« ist schillernd.

Diese Erkenntnis gewann auch Walter K.H. Hoffmann1, als er 41 Personen in Machtpositionen zu diesem Thema befragte. In seinem Buch Macht im Management referiert er die Antworten aus seinen Interviews: Es fallen Begriffe wie Gestaltung, Lust, Autorität, Expansion, Ethik, Selbstbereicherung, Status, Eitelkeit, Verantwortung, Tabuisierung, Täuschung, Überzeugungskraft, Durchsetzung des eigenen Willens, Demut, Befehlsgewalt, Büroausstattung ... Dieses ist nur eine kleine Auswahl der von Hoffmann aufgefundenen Definitionsversuche, die Macht – aus der Sicht der Befragten – kennzeichnen würden. Hoffmanns Absicht, ein differenziertes und fundiertes Bild zu zeichnen, scheiterte. Was er fand, war ein Flickenteppich.

Wenn es um Macht geht, greifen Sozialwissenschaftler gern auf Max Weber2 zurück, der 1920 definierte: »Macht ist die Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht.« Das klingt nach Gewalt oder heimtückischem Überwältigen. Die Weber’sche Machtdefinition stammt allerdings aus einer Zeit, in der Herrschaft, Macht und Gewalt enger und selbstverständlicher miteinander verbunden waren als heute.

Aber selbst im gegenwärtigen Alltagsverständnis wird Macht fast immer mit negativen Vorstellungen verbunden. Schließlich leben wir auch heute keineswegs in einer gewaltfreien Welt. Und die Lebenserfahrung bestätigt es immer wieder: Alles Erzwungene produziert Widerstand, oft sogar Vergeltung. Wer versucht, den vitalen Antrieb der Beteiligten zu ignorieren, zieht auf Dauer den Kürzeren. Und jeder weiß, dass übers Knie gebrochene Lösungen aus der Not geboren sind und nicht lange halten.

Die Einwände gegen gewaltsam erzwungene Entscheidungen und Handlungen liegen auf der Hand: In einer Zeit wachsender Bildung der Menschen und Demokratisierung von Entscheidungen, in einer Zeit in der jeder aufgefordert ist, eigenverantwortlich zu handeln und in der die Mitarbeiter von Unternehmen mehr und mehr an den Gestaltungsprozessen beteiligt werden, kann nicht gleichzeitig das Prinzip Befehl und Gehorsam gelten. Machtausübung in diesem Sinne ist nicht zeitgemäß.

Zudem arbeiten Führungskräfte in einem Netz von Abhängigkeiten. Um ihre Ziele zu erreichen, benötigen sie die Unterstützung von Personen, die ihrem direkten hierarchischen Zugriff nicht unterliegen. Sie sind also abhängig von Anderen, die sie nicht mit Sanktionen unter Druck setzen können. Machtausübung mit Drohgebärden versprechen in dieser Situation wenig Erfolg.

Wenn von Macht die Rede ist, richtet sich der Blick fast immer auf den »Machthaber« und darauf, wie er es versteht, sich durchzusetzen, wie er Widerstände überwindet und als gestaltender Akteur »gegen alle anderen« die Szene beherrscht. Das imponiert – einerseits – und stößt gleichzeitig ab.

Diesem Zwiespalt begegnen wir auch, wenn Hierarchen Macht gegen uns gebrauchen, insbesondere wenn dies unseren Ambitionen zuwiderläuft. Darin sehen wir ein Übel. Sofern wir jedoch Macht selbst einsetzen können, betrachten wir sie als eine heilsame Kraft, von der wir gern mehr besäßen. Wer hat sich nicht schon mal gewünscht, die Mitarbeiter mögen doch nach kurzer Instruktion die Logik eines dargelegten Plans schlagartig verstehen und eins zu eins umsetzen? Aber haben Sie das schon mal erlebt?

Und überhaupt: Sind es nicht gerade die scheinbar besonders Mächtigen, jene außerordentlich schneidig auftretenden Führungspersonen, die so oft über ihre Ohnmacht klagen und an ihrem Umfeld verzweifeln?

Führungskräfte erhoffen sich von der Durcharbeitung des Machtthemas erfolgversprechenden Machtgewinn: »Wenn ich weiß, was Macht ist und wie sie »funktioniert«, dann kann ich das Geschehen richtig steuern, dann weiß ich, wie ich es anstelle, dass alle so handeln, wie ich es mir wünsche.« Sie sind deswegen keinesfalls machtbesessen, sie meinen es gut. Macht wird im unreflektierten Alltagsverständnis vieler Führungskräfte als »unwiderstehliche« Einflussnahme verstanden, der es gelingt, auch gegen den Willen der Beteiligten gefügiges, aber gleichwohl freudig engagiertes Handeln zu erzwingen. Es sei ein besonderes Talent, über diese »Kunst« der Beeinflussung zu verfügen, und eine Führungskraft solle dieses Talent besitzen. Es handelt sich also um den Versuch, der Weber’schen Definition zu folgen, dies aber die Mitarbeiter nicht merken zu lassen. Derartige Manipulationsversuche scheitern an ihrer Durchschaubarkeit. Wer dieser Vorstellung folgt, wird kaum Erfolg haben, weil er mit der Dummheit der anderen rechnet. Damit erzürnt er die Teammitglieder, denn er verletzt ihre Würde. Er muss Angst haben, dabei ertappt zu werden. Meistens wird er tatsächlich ertappt und das rächt sich.

Ja, was ist denn nun Macht? Man könnte verzweifeln. Bei der Betrachtung des Gegenstandes »Macht« kommt uns derselbe buchstäblich abhanden. Mal entpuppt er sich als nicht zeitgemäß, mal als unbrauchbar, dann wieder als zwiespältige Heimlichtuerei und schließlich als falsche Vorstellung – als ein Mythos.

Der Machtbegriff erweist sich demzufolge als untauglich, die Einfluss nehmende Tätigkeit einer Führungskraft unserer Zeit treffend zu beschreiben. Gleichwohl wird es nicht gelingen, das Wort Macht zukünftig zu meiden. Zu sehr ist es in unserer Sprache verwurzelt. Aber treffender wäre ein anderer Begriff: Steuerungsfähigkeit3.

Und ganz im Sinne dieses Begriffes werde ich die Frage beantworten, die nach wie vor im Raum steht: Wie ist wirksamer Einfluss möglich? Jetzt können wir diese Frage allerdings weiter präzisieren: Wie kann ich meinen Einfluss in schwierigen Veränderungssituationen vergrößern, ohne illusionären Vorstellungen anheim zu fallen oder unreflektiert auf Gewalt zurückzugreifen? Auf der Suche nach einer Antwort müssen wir das »Phänomen Macht« jedoch zunächst tiefer untersuchen und neu definieren.

Die »Macht der Situation«

Macht ist keine Persönlichkeitseigenschaft, kein Merkmal einer Person. Den Blick hauptsächlich auf die Führungsperson zu richten, greift deshalb zu kurz. Macht ist ein Relationsgeschehen, ein Einflussgefälle zwischen Einzelpersonen bzw. in Gruppen. Die Absicht, Einfluss zu nehmen, ist keineswegs auf die Person des Managers beschränkt, der angeblich alles zu bestimmen hat.

Skizze 1

Tatsächlich gehen Führungskräfte sehr oft davon aus, sie seien die Einzigen, die wüssten, wohin die Reise gehen muss. Ihnen gegenüber stünde eine amorphe, auf Orientierung wartende Masse (siehe Skizze 1). Doch hier irren sie gewaltig.

Faktisch steht ihnen nämlich ein Kräftefeld gegenüber, in dem Kräftevektoren – die Intentionen aller Beteiligten – in unterschiedliche Richtungen weisen. Die Führungskraft selbst ist zwar ein wichtiger, aber nur einer dieser Vektoren. Zudem streben die Absichten von Menschen oft gleichzeitig in verschiedene Richtungen, und manchmal finden sich die Widersprüche sogar in den Personen selbst: »Zwei Seelen wohnen – ach – in meiner Brust.« Überdies stehen Sacherfordernisse und persönliche Interessen nicht selten miteinander im Konflikt.

In gemeinsamen Situationen wirkt der Antrieb aller Beteiligten zusammen. Das Wollen aller Beteiligten ist »Die Macht«. Dazu gehört Gesagtes und nicht Gesagtes. Das nicht Gesagte, das ängstlich Verschwiegene, ist gewöhnlich für den Betreffenden selbst sogar das Wichtigste. Die Führungskraft steht einem mehr oder weniger diffusen Einflussfeld gegenüber, das schwer zu durchschauen ist, das sie dennoch nicht ignorieren darf (siehe Skizze 2).

Ist die gemeinsame Situation problembeladen, will sie durch Explikation geklärt werden. Menschen haben in gemeinsamen Problemsituationen einen Bedarf an explorierendem, also aufdeckendem Diskurs. Kommt dieser Diskurs nicht zustande, entsteht peinliche Verlegenheit. Wichtiges wird nicht mehr in den offiziellen Gremien geäußert, sondern einander auf den Fluren zugeraunt. Die Menschen verschaffen sich Erleichterung, indem sie ihren Mitteilungsdrang abreagieren, allerdings am falschen Ort. Für die Führung geht es darum, die Unklarheit der Situation zu überwinden und die Beteiligten anzuregen, ihre Gedanken offiziell einzubringen. Das erfordert Mut, denn niemand weiß im Voraus, was zur Sprache kommen wird, aber erst Ausdruck, Aussprache, Auseinandersetzung und Bündelung auf ein Ziel führen zur Bewältigung der Situation. Glücklicherweise gibt es ein gemeinsames Bewältigungsinteresse, denn die Situation als solche übt mit ihrer anfänglichen Undurchschaubarkeit Druck aus, Sachverhalte und Probleme anzusprechen.

Skizze 2

Die Macht an sich zu ziehen, beruht auf der Fähigkeit, das Unausgesprochene hervorzuholen. Dazu ist eine zielgerichtete Debatte zu entfachen und – wenn das Ergebnis der Auseinandersetzung vorliegt – diese Debatte abzufangen. Es muss mit Geschick das Gemeinsame gefunden werden, die Resultante aller Kräftevektoren (siehe Skizze 3), denn nur so ist die Gemeinsamkeit der Situation zu bewahren. Die kluge Führungskraft nutzt diese »Macht der Situation«, statt mit Gewalt gegen sie vorzugehen.

Skizze 3

Überraschenderweise resultiert wirksame Einflussnahme demnach nicht aus bestimmendem Druck oder charismatischer Beschwörung. Stattdessen beruht sie auf Einfühlung, gutem Zuhören und geschicktem Umgang mit den Gegebenheiten.

Die Führungskraft muss ihren Einfluss mit der Absicht ausüben, die Macht der Situation zu entfesseln. Wer machtvoll handeln will, muss die vorhandenen Kräfte bündeln können, denn die Macht der Situation entfaltet ihre Wirkung, wenn es gelingt, für die anstehenden Probleme gemeinsam eine Lösung zu identifizieren, die sich nach gründlicher Diskussion unter den aufgefundenen Alternativen als die Beste erweist.

Derjenige, der diesen Entscheidungsprozess anleitet, wird gewöhnlich als »der Mächtige« gesehen. Dazu braucht er Durchsetzungsfähigkeit, was nicht heißt, autoritär seine Idee durchzusetzen. Es geht darum, den Diskurs durchzusetzen, also Anwalt und Ordnungsfaktor der Auseinandersetzung zu sein. Mit Durchsetzungsfähigkeit ist hier die Fähigkeit gemeint, diesen Prozess zu initiieren und im Verlauf der Ereignisse das Heft in der Hand zu behalten, das heißt den Dreh- und Angelpunkt des Geschehens zu besetzen. Um die Aufmerksamkeit anderer in dieser Weise auf sich zu zentrieren, braucht man Mut, denn es besteht immer das Risiko, sich zu blamieren oder überwältigt zu werden.

Und schließlich: Der Mächtige muss als Mensch und Person erreichbar sein und bleiben. Verliert er den Kontakt zu den ihm anvertrauten Menschen und isoliert sich, dann tritt eine Schrittfolge in Kraft, der wir fast täglich in Medienberichten aus Politik und Sportgeschehen begegnen: Am Anfang steht die Isolation der Führungskraft, aus ihr folgt das Misslingen der offenen Kommunikation. Zwangsläufig entstehen dann Fehlentscheidungen, in deren Folge die gemeinsame Situation erodiert. Die gegenseitige Unterstützung reißt ab. Signale des Scheiterns treten immer häufiger auf, der Erfolg bleibt aus. Am Ende dieser Zuspitzung steht der Wechsel der Führungsperson.

Der Mächtige soll zwar die Sache in die Hand nehmen, aber er muss die Macht auch teilen. Er muss beides können, mal die Zügel aus der Hand geben, dann wieder zugreifen. Wenn Klarheit herrscht, sollte er in den Hintergrund treten und sich »unters Volk« mischen. Sonst werden Machthaber zu einsamen Menschen.

Einführung

Wie kann dieses Buch nützen?

Das Buch wird zeigen, wie eine Führungskraft, die eine problembeladene Situation durch Veränderung meistern will, wirksamen Einfluss entfalten kann. Es legt dar, welche Schritte zu gehen sind, um »die Macht der Situation« zur Wirkung zu bringen. Insbesondere wird es aufzeigen, wie die Entscheidungsdiskussion zu führen ist, wenn am Ende alle als Einheit handeln sollen.

Dass die Mehrzahl aller Veränderungsvorhaben scheitern, unterwegs stecken bleiben oder halbfertig versanden, ist kein Geheimnis. »Wir haben nie Zeit, es richtig zu machen, aber viel Zeit, es doppelt zu machen«, ist eine vielerorts geäußerte Managerklage. In Zeiten gesteigerter Komplexität, beschleunigten Wandels und erhöhten Entscheidungsdrucks ist das Problem der Führung mehr denn je: Wie gelingt es, in Teams und Organisationen die Kräfte zu bündeln und auf ein strategisches Ziel auszurichten?

Sportteams demonstrieren immer wieder, wie sehr Erfolge ebenso wie Misserfolge aus der Teamqualität resultieren und welche überragende Bedeutung der Integration aller Kräfte zukommt. »Der Ferrari-Erfolg ist eindeutig ein Management-Erfolg. Da sind eine Hand voll Personen am Werk, die ideal miteinander arbeiten, da gibt es keine internen Scharmützel, da werden alle Kräfte gebündelt für ein Ziel.« So erklärte der Formel 1-Rennfahrer Ralf Schumacher in einem Spiegel-Interview4 den mehrjährigen Erfolg seines Bruders. Dies gilt in gleichem Maße auch für Teams und Organisationen der Arbeitswelt.

Unternehmensführungen unserer Tage sind mit einer erdrückenden Vielfalt von Schwierigkeiten konfrontiert, die nicht selten zur Frage des Überlebens werden: Wer neue Technologien nicht frühzeitig erkennt und unverzüglich verwertet, gerät gegenüber der Konkurrenz ins Hintertreffen. Unternehmen, die die Möglichkeiten der Globalisierung in Produktion und Vermarktung nicht nutzen, riskieren ihre Wettbewerbsfähigkeit. Es gilt, die Angebote des Internets auszuschlachten. Übernahmen und Fusionen erfordern eine Vielzahl schwieriger Veränderungsprozesse, wenn sie nicht desaströs ausgehen sollen. Deregulierung verlangt rasche Anpassung an veränderte Marktbedingungen. Neue Strategien sind auszuarbeiten und umzusetzen, Prozesse und Arbeitsmethoden bedürfen der Erneuerung, oder die Struktur der Organisation muss gewandelten Gegebenheiten angepasst werden. Geht es um die Veränderung des Selbstverständnisses oder gar der Kultur eines ganzen Unternehmens? Zwingt ein Generationswechsel in der Führung der Organisation eine grundsätzliche Neuorientierung auf? Oder soll »nur« ein Projektteam zielgerichtetes, aufeinander abgestimmtes Vorgehen praktizieren? Alle Vorhaben benötigen eine breite Unterstützung durch die Beteiligten: Konsens in Wort und Tat.

Aber in welcher Weise kann die Führungskraft Einfluss ausüben, so dass die Mitarbeiter einheitlich handeln, an einem Strang ziehen? Wie finden Teams eine neue gemeinsame Ausrichtung, Ein-Mütigkeit im Problemverständnis, in der Problemlösung und im zielstrebigen Handeln?

Die Antwort muss zwei Ziele im Blick behalten:

Zunächst muss um die richtige Lösung gerungen werden! Es gilt, die beste Idee zu finden. Keinesfalls genügt der kleinste gemeinsame Nenner, der niemandem weh tut.Dafür ist eine breite Unterstützung durch die Mitspieler in Wort und Tat sicherzustellen. Lethargisches Abwarten und wohlfeile Lippenbekenntnisse reichen nicht aus.

Und das ist noch nicht alles: Um diese Ziele zu erreichen, sind über die Sachzusammenhänge hinaus auch zwischenmenschliche Bezüge zu klären sowie persönliche Interessen abzuwägen, die ja auch auf dem Spiel stehen. Keine leichte Aufgabe! Sie ist aber lösbar, wenn die Arbeitsfragen der Führung systematisch beantwortet werden.

Dies sind die Arbeitsfragen der Führung:

Wie finden wir für unsere Problemsituation das richtige Handlungskonzept?

Wie findet dieses Konzept breite Unterstützung?

Wie gewährleiste ich die engagierte Umsetzung in die Praxis?

Wie leite ich den Entscheidungsprozess im Team/in der Organisation an?

Wie handhabe ich aggressive und lethargische Phasen?

Wie diagnostiziere ich Blockaden im Prozess, und wie kann ich sie lösen?

Wie bilde ich neue, vitale Gemeinschaften?

Wie passt diese Führungsaufgabe zu mir als Mensch und Person?

Das Buch beantwortet diese Fragen und bedient sich dazu eines vierphasigen Prozessmodells. Es hat den Charakter eines Leitfadens. Er führt von der Problemsituation, wo erstmals deutlich wird, dass etwas geändert werden muss, über die gemeinsam zu treffende Entscheidung, wie das Problem gelöst werden soll, bis hin zur fertigen Umsetzung des Vorhabens in die Praxis. Somit dient Ihnen dieses Modell als ein Fahrplan zu einvernehmlichem Handeln.

Das Modell verlangt von der Führungskraft kein künstlich »aufgesetztes« Verhalten. Ganz im Gegenteil sind hier authentisches und situationsgerechtes Reden und Handeln gefragt. Das Modell ist keine »erfundene« Methode oder »raffinierte« Technik. Denn es entstand aus der Beobachtung der ganz natürlichen und alltäglichen Bemühungen von Menschen um Konsens. Diese Beobachtungen offenbarten immer wieder die gleichen Strukturelemente, was schließlich zur Entwicklung des vorliegenden Prozessmodells führte. Mit Hilfe dieses Prozessmodells ist es der Führungskraft leichter möglich, sich im Gesamtverlauf zu orientieren, Situationen präziser einzuordnen, gezielter zu intervenieren und Wichtiges rechtzeitig zu erkennen. So wird ihre Einflussnahme wirkungsvoller.

Die Beschreibung des Einigungsprozesses wird zeigen: Wenn der Diskurs in Gruppen zum Konsens führen soll, muss die Führungskraft ihre Rolle wahrnehmen. Der immer wieder anzutreffenden Vorstellung, Teamarbeit funktioniere auch ohne klare Leitung, wird hier entschieden widersprochen: Die Leitung ist als Ordnungsfaktor des Geschehens unverzichtbar. Dabei sind elitäre, kooperative und autoritäre Stilelemente innerhalb eines Prozesses gleichermaßen wichtig, wie die Beschreibung des Prozessmodells zeigen wird.

Der in diesem Buch beschriebene Weg des Führens erhöht den Einfluss der Führungskraft durch die systematische Einbindung der Betroffenen. So wird die Macht der gemeinsamen Situation geweckt und genutzt. Man macht die Rechnung mit dem Wirt. Allerdings: Wer die Kräfte bündeln will, muss streiten lernen – und lehren.

Hindernisse auf dem Weg zu integriertem Handeln

Alle Führungskräfte wünschen sich den Idealfall: eine kooperative, unterstützungsbereite Gemeinschaft, die solidarisch zusammenhält und tatkräftig zu Werke geht. Eine derartige Gemeinschaft bildet sich aber nicht durch eine von oben angeordnete Strategie, sondern durch gemeinsam erarbeitete Konzepte. Denn keiner will den autoritären Hierarchen, wenn die Alternative eine motivierte Mannschaft gleichberechtigter und gleichverantwortlicher Teammitglieder ist. Teamarbeit gilt heutzutage als modern. Teams versprechen die Lösung zahlreicher organisatorischer Probleme, stehen für eine neue Ära, für andere Formen der Zusammenarbeit und für die Ablösung überkommener, nicht mehr effizienter Strukturen. Wer könnte sich den überzeugenden Argumenten der Befürworter von Gruppenprozessen verschließen? Ohne Zweifel steigt die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Vorhabens gewaltig, wenn jeder mitzieht. Die Idee, einheitlich zu handeln, ist unbestreitbar gut.

Aber in der Realität erleben die Leiterinnen und Leiter von Teams und Führungsgremien andere Geschichten. Geschichten, die weniger positiv klingen, weniger euphorisch. Wenn sie von der Arbeit in Gruppen erzählen, ist die Rede von Frustrationen, Emotionen und Blockaden; von Einzelkämpfern, die sich profilieren wollen, von Konkurrenzkämpfen, die der Sache schaden, von mühsam gefundenen Kompromissen, von Zeitverzögerungen, halbherzigen Vereinbarungen und schleppenden Prozessen, die nicht selten unterwegs versanden.

Führungskräfte zeigen sich in solchen Fällen häufig hilflos und ratlos. Sie gehen beispielsweise davon aus, dass es genügt, die »richtige Idee« zu verkünden und flugs werde sich die ganze Organisation diese Idee zu eigen machen und selbstverständlich danach handeln. Insbesondere die »charismatischen Führer« lassen sich von den bewundernden Blicken ihrer Mitarbeiter täuschen und gehen davon aus, ihre suggestive Ansprache bewirke tatsächlich entsprechende Handlungen. Leider hat die Richtigkeit einer Idee und ihre eindringliche Darbietung nur selten die Kraft, Menschen aus dem vertrauten Trott zu reißen und sie auf neue Wege zu führen. Und, woher soll diese Idee kommen? Wer entwickelt sie? Und darf sie den Beteiligten einfach vorgesetzt werden?

Natürlich, das Team soll die Entscheidung gemeinsam erarbeiten! Aber was tun, wenn niemand in die Diskussion einsteigt, wenn die Teammitglieder apathisch schweigen, scheinbar teilnahmslos in ihre Unterlagen starren, äußerlich gleichgültig, innerlich voller Angst: »Was handle ich mir hier ein, wenn ich meinen Standpunkt vertrete?« Oder angesichts eines wortgewandten Rivalen denken: »Ich kann mich nicht so gut ausdrücken, aber Recht hab ich trotzdem!« Wie kann die Führungskraft eine lebendige Diskussion entfachen?

Das ist nicht die einzige Schwierigkeit. Erschwerend kommt hinzu, dass in der Praxis oft Auseinandersetzungen zu beobachten sind, die nur scheinbar der Sache gelten. Tatsächlich werden allenfalls höflich Argumente ausgetauscht. Und statt Meinungsverschiedenheiten gründlich auszuräumen, begnügen sich alle Beteiligten damit, mehr oder weniger schnell einen halbwegs brauchbaren Kompromiss zu finden, um dann scheinbar zufrieden auseinander zu gehen. Aber – sind alle Argumente offen diskutiert worden? Warum bricht dann trotz der vermeintlich gemeinsam gefundenen Lösung in der Phase der Durchführung der getroffenen Beschlüsse die Uneinigkeit der Gruppe wieder auf? Weshalb gibt es plötzlich Pannen und Schuldzuweisungen?

Allzu oft steht für die Bemühungen um eine wirkliche Konsensbildung unter den Teammitgliedern viel zu wenig Zeit zur Verfügung. Der Meinungsaustausch wird infolgedessen zu früh gestoppt; und dann nimmt der Prozess folgenden Verlauf: Zunächst erlebt man eine chaotische Diskussion, es kommt zur Eskalation der Emotionen, daraufhin erfolgt der Abbruch der Diskussion und die Entscheidung per Machtwort des Teamleiters, anschließend machen sich Lethargie, Pannen, Verdruss und Sabotage bei der Umsetzung breit. Statt der erhofften Verbesserungen arbeitet die Organisation im Krisen-Modus: Feuerwehraktionen zur Lösung der drängendsten Probleme des Alltagsgeschäfts bestimmen das Bild.

Die vermeintliche Nichtbeherrschbarkeit von Einigungsprozessen in Teams verleitet viele Führungskräfte dazu, sogar weitreichende Entscheidungen unter großem Zeitdruck und deshalb unzureichend zu treffen. Eines der unausgesprochenen Gesetze in der Welt des Managements lautet: »Es gibt nie genug Zeit!« So gilt ein Manager als tüchtig, wenn er nach kurzer Kenntnisnahme eines komplexen Sachverhalts schnell und schneidig eine Entscheidung trifft und – zack – ist das Problem »vom Tisch«. Doch später, in der Phase der Umsetzung, wird ein Vielfaches der »eingesparten« Zeit für Flickwerk und Improvisation in Krisenaktionen verschwendet.

Der Versuch, die auftretenden Probleme auszublenden, zu vertagen oder per Beschluss zu eliminieren, muss scheitern. Unternehmen und Teams brauchen eine konstruktive Streitkultur. Nur auf diese Weise können gegensätzliche Interessen und sämtliche Aspekte eines schwierigen Sachverhalts berücksichtigt werden, so dass alle Überlegungen in eine einmütige Auffassung einmünden und entsprechend wohlerwogene Beschlüsse erfolgen. Eine Führungskraft sollte den Prozess des »Sich-Zusammen-Raufens« im Team genau kennen, um diesen Prozess gezielt steuern zu können. Damit hilft sie der Mannschaft, die Klippen auf dem Weg zur internen Einigung erfolgreich zu umschiffen.

Denn nach der erfolgreichen Bewältigung einer konflikt- oder gar krisenhaften Veränderungssituation zeigt sich am Ende ein Paradoxon: Es boten gerade die Konflikte und gemeinsamen Problemsituationen die Chance, durch vereint getragene Lösungen die Mannschaft zu integrieren und ihren Stolz wieder herzustellen. In der Rückschau gewinnen die Schwierigkeiten, die zu überwinden waren, eine völlig neue Bedeutung: Was schwer erkämpft wurde, hat besonderen Wert. Diese Erfahrung stärkt das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten und festigt die Zuversicht in die Zukunft.

Lösungsversuche zu diesem Problem

Wie kann eine Führungskraft die Mitglieder der Organisation zu einheitlichem, zielgerichteten Handeln bewegen? Dies ist eine alte Frage der Menschheit, auf die schon eine Vielzahl von Antworten gegeben wurde. Im folgenden Abschnitt will ich diese Antworten sichten und ihre Vor- und Nachteile beleuchten.

Die bisher zu diesem Problem vorliegenden Lösungsansätze lassen sich grob in drei Kategorien einteilen: Es handelt sich um

–elitäre,–funktionale und–psychologisch-pädagogische Bemühungen.

Zum elitären Ansatz