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Wer kennt nicht das störende Unbehagen, das immer dann aufkommt, wenn sich in der Arbeit, der Familie oder dem Freundeskreis Streit anbahnt? Zu verstehen, auf welchen Ebenen sich Konflikte abspielen und welche Dynamik sie entwickeln, ermöglicht Beteiligten besagtes Unwohlsein jederzeit in ein Gefühl von Zuversicht und Chance zu verwandeln. Dieser Ratgeber wirft einen anatomischen Blick auf das Wesen zwischenmenschlicher Konflikte. Anschaulich wird erklärt, welche Sichtweisen eingenommen werden können, welche Sprache in schwierigen Situationen Abhilfe schafft und welche Wege möglich sind, um gestärkt aus Auseinandersetzung mit den Mitmenschen hervorzugehen – mit sich und miteinander im Reinen.
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Veröffentlichungsjahr: 2022
Für Anna
Vorwort
Der Eisberg und die Gummibärchen
Welche Lösungen es in der Theorie gibt und auf welchen Ebenen sich diese abspielen.
Story Stripping
Wie sehr Menschen Geschichten lieben und warum das Faktische diese Liebe nicht kennt.
Die Gleichzeitigkeit des Seins
Was echte Gefühle sind und wie sich ihre Herkunft aufschlüsseln lässt.
Genauso, nur anders
Was Werte sind und wie sie aus dem Weg geräumt werden, ohne sie zu verwerfen.
Die Erfindung der Wahrheit
Wie der Selbstwert die Wirklichkeit dominiert und warum Konflikte immer hausgemacht sind.
Wer ist wer und wenn ja, wie viele?
Welche Spieler und welche Rollen im Konflikt eine Rolle spielen.
Vom Töpfer zum Schöpfer
Warum jeder Vorwurf zu einem Teufelskreis führt und welcher Sinneswandel diesen beendet.
Die Ökonomie der Ungnade
Welche Missverständnisse vom Vergeben abhalten und weshalb es trotzdem so schwierig ist.
»Tut mir leid« ist ein Radiergummi
Wie eine Entschuldigung funktioniert und weshalb sie das Nadelöhr zum Neuanfang ist.
Der Weltfrieden, meine Eltern und ich
Wie Loslassen geht und warum es dazu eine neue Absicht braucht.
Nachwort
Eines der berühmtesten Werke der Kunstgeschichte zeigt eine Pfeife sowie die direkt darunter stehende Bildunterschrift »Das ist keine Pfeife«. Im gleichen Tenor eines Scheinwiderspruchs könnte dieses Buch mit den Worten beginnen: Das ist kein Buch über Konflikte. Der enthaltene philosophische Ansatz, sich einem Thema über sein Gegenteil anzunähern, enthält zugleich die provokante Frage, ob das eine und sein Gegenteil überhaupt voneinander getrennt werden können. So eindeutig das Gegenteil von Krieg Frieden, von Gut Böse und von Licht Dunkelheit ist, so sehr entbehrt der Begriff Konflikt seines klaren Gegenteils. Ganz technisch ausgedrückt wäre das allenfalls der Nicht-Konflikt. Doch damit ist nichts gewonnen und die begriffliche Unschärfe bleibt. Als ebenso unergiebig erweist sich der Ansatz einer positiven Definition oder zumindest einer Herleitung dessen, was mit einem Konflikt genau gemeint ist. Der Versuch erschöpft sich schnell in sperrigen theoretisch-abstrakten Beschreibungen und wird der Komplexität des Menschen kaum gerecht. Das Gespür eines jeden Einzelnen stiehlt am Ende jeder noch so prägnant geglaubten Definition die Show. Als zuverlässiger Seismograf meldet es mit beispielloser Zuverlässigkeit, wenn ein Konflikt vorliegt. Allzu oft lässt sich aber auch dann nur schwer beschreiben, worin dieser genau besteht. Denn das Gefühl ist diffus und eine Klarheit, wo es herkommt, in vielen Fällen Mangelware.
Was weder aus seinem Gegenteil ableitbar noch zweifelsfrei positiv definierbar ist, lässt sich nur durch die Beleuchtung seiner Umgebung im Moment des Auftretens erhellen. Denn nichts besteht nur aus sich heraus; das zumindest besagt die buddhistische Lehre der »nicht inhärenten Existenz«. Alles hängt demnach mit allem zusammen und ist immer auch Ergebnis von Vorangegangenem. Konflikte werden so gesehen zu einem relativ kleinen Ausschnitt des menschlichen Miteinanders. Die Gemengelage, in der sie entstehen, ist in ihrer Komplexität und ihrer Vielfältigkeit um vieles größer als sie selbst. Im Zentrum dieses Buches steht daher nicht der Konflikt an sich, sondern das unendliche Gewässer, aus dem er entsteht. Es ist nur das mit Konflikten regelmäßig einhergehende Unbehagen, welches sie in der menschlichen Wahrnehmung zu Scheinriesen anwachsen lässt. Die bedeutungsschwangeren konfliktbezogenen Selbstgespräche in den Köpfen vieler Menschen werden dadurch konterkariert, dass sie ohnehin zum Alltag zählen. Jeder löst streng genommen in jedem Moment seines Lebens einen oder mehrere zugleich. – Schreibe ich diese Zeilen jetzt noch zu Ende, oder nehme ich vorher einen Schluck Wasser? Was ziehe ich heute an? Was arbeite ich im Büro als Erstes ab? In einer pluralistischen Welt sind Konflikte allgegenwärtig.
Unabhängig davon, ob ein Mensch harmonieverliebt, streitsüchtig oder irgendwas dazwischen ist, Zoff will keiner haben. Das Hauptaugenmerk liegt daher für gewöhnlich auf der Frage, wie ein Konflikt beendet wird, oder besser noch, wie er gar nicht erst entstehen würde. Lösung und Prävention als die vorherrschenden Strategien der Menschheit, um möglichst wenige Konflikte so kurz wie möglich ertragen zu müssen. Dieses Buch bietet eine Alternative zu diesen gängigen Konfliktvermeidungsstrategien. Es bietet einen Weg, potenziellen sowie tatsächlichen Konflikten zu begegnen, ohne sie im Voraus verunmöglichen oder im Nachhinein eliminieren zu wollen. Seine jeweils eigenständigen zehn Kapitel vermitteln in ihrer Summe ein ganzheitliches Verständnis- und Kommunikationsmodell, welches die Entstehung, das Bestehen und Vergehen von Konflikten systematisch aufdröselt. Mit dem Modell im Hinterkopf sind für den Leser Konfrontationen aller Art nicht mehr so schlimm und die Frage, wie sie ausgehen mögen, weniger belastend. Weil der Betrachter gelernt hat, jede Situation als eine verstehbare und gestaltbare Aufgabe anzusehen, die in den eigenen Händen liegt. Das sonst weitverbreitete Unbehagen weicht auf diesem Wege einer Gelassenheit, dass Konflikte auf jeder Ebenen ihres Seins verstanden und verändert werden können.
Um dieses Versprechen einzulösen, wird die grundlegende Annahme getroffen, dass Menschen »funktionieren« und dass es möglich ist, diese Funktionsweise mithilfe von gesundem Menschenverstand zu erfassen und zu beschreiben. Es geht dabei aber nicht darum vorzuschreiben, wie Menschen funktionieren sollten. Allenfalls wird der Leser zu einem alternativen Blickwinkel eingeladen. In Wahrheit ist alles im Leben relativ und steht im Lichte eines gewissen Standpunktes bzw. eines gewünschten Ergebnisses. Die Frage besteht nicht darin, das eine oder das andere als besser oder schlechter abzustempeln, sondern darin, sich der menschgemachten innerpsychischen Abläufe gewahr zu werden. Dem vegetativen Nervensystem ist zu verdanken, aber auch geschuldet, dass Menschen vieles tun, ohne sich dessen bewusst zu sein. Gehen, atmen, eine Mahlzeit verdauen sind die banalsten der vielen Prozesse, die der menschliche Organismus tagein, tagaus bewerkstelligt. Auch in Konfliktsituationen sind viele Abläufe und Zusammenhänge den meisten Menschen nicht vollständig bewusst. Dabei ist aber alles Tun und Lassen Teil eines Systems, an dessen Stellschrauben gedreht werden kann. Sich der Funktionsweise des Systems gewahr zu werden, ein Schlüssel, um die Dinge des Lebens anders angehen zu können und so mit sich selbst und mit der anderen Seite ins Reine zu kommen.
Den Anfang des Buches machen die theoretischen Lösungsmodalitäten für Konflikte und die von diesen abgeleitete Unterteilung der Welt des Menschen in eine äußere und eine innere Sphäre. Nach der Verortung des Faktischen im Außen werden die an der Oberfläche zutage tretenden, jedoch aus dem Inneren kommenden Gefühle und die noch tiefer liegenden Werte nacheinander sprachlich eingeordnet und anwendbar gemacht. Am Ende des anatomischen Tauchgangs ins Innere des menschlichen Seins offenbart sich der sogenannte Selbstwert. Von diesem aus werden die psychologischen Rollen von Täter und Opfer, die Streitende in eine Konfliktspirale zwängen, aufgezeigt. Das zugrunde liegende, vom Vorwurf geprägte Konzept von Schuld wird durch die Idee einer anderen Betrachtungsweise ersetzbar gemacht. Den Schluss bereitet eine Anleitung, wie aus einem Teufelskreis der Vergeltung ausgestiegen, die Vergangenheit hinter sich gelassen und ein friedvollerer Standpunkt für die Zukunft eingenommen werden kann. Wer sich noch nicht sicher ist, ob die Anatomie des menschlichen Miteinanders erhellt werden soll, für den heißt es jetzt im Sinne von William Shakespeares »Sein oder Nichtsein« nur noch: Lesen oder nicht Lesen, das ist hier die Frage …
Menschen sind manchmal kompliziert, aber ihre Meinungen, Ansichten und Beweggründe fast immer komplex. Miteinander zu sein, ist manchmal schwer, immer im Reinen zu sein, jedoch mehr als schwierig. Die Vielschichtigkeit des menschlichen Seins macht es unmöglich, in jedem Moment den Überblick zu behalten über das, was geschieht im Innen und im Außen. Dieses Kapitel zäumt das Pferd von hinten auf und beleuchtet die theoretischen Lösungsmodalitäten eines einfachen, an der Oberfläche zutage tretenden Konfliktes. Das Ziel dabei: Herausfinden, was die unterschiedlichen Ansätze gemein haben, was sie unterscheidet und was sie über das Wesen von Konflikten verraten.
Zwei Geschwister streiten um eine Gummibärchentüte bestehend aus gelben, weißen, grünen, roten und orangen Bärchen. Sowohl die große Schwester als auch der kleine Bruder sind beide fest überzeugt, dass es nur gerecht wäre, wenn sie bzw. er allein die Tüte bekäme. Da beide so positioniert sind und es die Tüte nur einmal gibt, gibt es einen Konflikt. Für diese Situation kennt die Konflikttheorie drei verschiedene Lösungsmechanismen:
Das brutale Recht des Stärkeren
Die einfachste, um nicht zu sagen primitivste Methode, die Kuh vom Eis zu bekommen, besteht darin, die Gesetze der Macht walten zu lassen. »Macht« kann unterschiedliche Facetten haben; eine sehr nahe liegende im Geschwisterstreit wäre etwa physische Überlegenheit. Der Stärkere von beiden Streithähnen ist dann derjenige, der im Eifer des Gefechts von der Gummibärchentüte Besitz erlangt und sich diese nicht mehr streitig machen lässt. Macht könnte aber auch in anderer Gestalt zutage treten; etwa in Form von Wissen. Wissen über ein Geheimnis des Bruders oder der Schwester, das unter Androhung, dieses Geheimnis mit den Eltern zu teilen, die andere Seite schnell zur Herausgabe der Gummibärchentüte veranlassen könnte. Auch in dem Fall wäre der Streit an der Oberfläche schnell beendet.
Ganz gleich, in welcher Form sie vorliegt, Macht vermag einen Konflikt ohne Dazutun eines Dritten durch die Streitenden selbst aufzulösen. Dies gilt natürlich auch für Lebensbereiche außerhalb eines häuslichen Geschwistergerangels. Ob die in Gewalt und Gnadenlosigkeit gehüllten Machenschaften eines Mafiosos in der Unterwelt oder die mit Entscheidungsbefugnissen ausgestattete Arbeitsstelle eines Managers in einem Unternehmen: Macht ist ein sehr simples und zugleich weit verbreitetes Mittel, um Konflikte vom Tisch zu bekommen oder gar nicht erst entstehen zu lassen. Offensichtlich aber vermag sie in aller Regel nicht die Gemüter von Unterlegenen nachhaltig zu befrieden.