Miteinander statt gegeneinander-Partnerschaftliches Problemlösen - Norbert Bertelsbeck - E-Book

Miteinander statt gegeneinander-Partnerschaftliches Problemlösen E-Book

Norbert Bertelsbeck

0,0

Beschreibung

Das Leben in Gruppen, und somit auch zwischenmenschliche Kontakte, haben für uns eine überragende Bedeutung. Und trotzdem sind wir schlecht ausgerüstet, mit Problemen von anderen, unannehmbarem Verhalten und Konflikten gut umzugehen. Wie man es besser machen kann, hat Thomas Gordon in seinen zahlreichen "Beziehungskonferenzen" zum Ausdruck gebracht. Die vorliegende Aufsatzsammlung stellt zunächst das Partnerschaftliche Beziehungskonzept in allgemeiner Weise dar. Darüber hinaus wird dieses durch handlungstheroretische Überlegungen und Elemente ergänzt. Weitere Kapitel widmen sich dem Vergleich mit anderen anwendungsorientierten Konzepten, die sich auf die Bereiche familiäre Erziehung, Schule, Paar-Beziehungen und Beruf beziehen. Jedes Kapitel beginnt mit einer ausführlichen Einleitung und endet mit einer übersichtlichen Zusammenfassung, die dem Leser die wichtigsten Erkenntnisse noch einmal vor Augen führt. Im Schlusskapitel erfolgen Ausführungen hinsichtlich der Erweiterung des Partnerschaftlichen Beziehungskonzeptes von Thomas Gordon. Das Buch wendet sich einmal an Leser, die ihr Verhalten insgesamt partnerschaftlich ausrichten möchten, und zum anderen an solche (Eltern, Erzieher, Lehrer, Vorgesetzte, Lebenspartner), die in bestimmten Beziehungsbereichen ihr Verhalten als unbefriedigend wahrnehmen und es deshalb verbessern möchten. Darüber hinaus werden Personengruppen angesprochen, die von Berufs wegen im familiären, Schul-, Berufs- oder Partnerschaftsbereich arbeiten.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 503

Veröffentlichungsjahr: 2015

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Norbert Bertelsbeck:
Miteinander statt gegeneinander -

Partnerschaftliches Problemlösen

Impressum

Miteinander statt gegeneinander –

Partnerschaftliches Problemlösen

Norbert Bertelsbeck

Copyright: © 2015 Norbert Bertelsbeck

Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin

www.epubli.de

ISBN 978-3-7375-3102-3

Inhalt

Einleitung

Das partnerschaftliche Beziehungskonzept von Thomas Gordon

Partnerschaftliches Erziehungskonzept

Ein Vortrag zu Thoma

s Gordons Familienkonferenz: Informationen zu einem partnerschaftlichen Erziehungsstil

Einige handlungstheoretische Überlegungen zu Inhalten des Gordonschen partnerschaftlichen Beziehungskonzepts mit dem Schwerpunkt

auf partnerschaftliche Erziehung

Die Einführung von handlungstheoretischen Elementen in das Gordon-Familien-Trainingsprogramm

Das Gordonsche Erziehungskonzept im Vergleich mit STEP und Triple P

Einige Überlegungen z

u Erweiterungen und Präzisierungen

des Gordonschen

Erziehungskonzepts in Bezug auf

unannehmbares Kindverhalten

Der Umgang mit unannehmbarem Verhalten in weiteren Beziehungsbereichen

Die adäquate Bewältigung von Führungsaufgaben in Organisationen

Unannehmbares Schülerverhalten, Lehrer-Schüler- und Schüler-Schüler-Konflikt: Eine Darstell

ung theoretischer Konzeptionen

verschiedener Trainingsprogramme

Verbesserung von Pa

arbeziehungen mittels Trainings

programmen

Erweiterungen des partnerschaftlichen Beziehungskonzepts von Thomas Gordon

0. Einleitung

Das partnerschaftliche Beziehungskonzept von Thomas Gordon

Das Leben in Gruppen, und somit auch zwischenmenschliche Kontakte, hat für Personen eine überragende Bedeutung. Dieses ist ein Sachverhalt, der zum einen von der Soziologie, u. a. in Gestalt der Sozialisationstheorie ( zu nennen ist hier u. a. Talcott Parsons mit seinen Beiträgen in „The Social System“, „Sozialstruktur und Persönlichkeit”, “Family, Socialization and Interaction Process”) und zum anderen aber auch von der Psychologie in Form der Entwicklungstheorie (siehe hierzu u. a. die „Entwicklungspsychologie“ von Oerter und Montada) thematisiert wird:

- Menschen werden in die Familie hineingeboren. Zunächst entsteht ein enger Kontakt zwischen einer Bezugsperson (in der Regel die Mutter) und dem Säugling. Sodann erhöht sich die Zahl der Kontaktpersonen innerhalb der Familie und der Verwandtschaft.
- Nachfolgend tritt das Kleinkind aus der Familie hinaus und besucht den Kindergarten, wo es mit altersgleichen Kindern und Kindergärtnerinnen zu tun hat.
- Schließlich löst die Schule den Kindergarten ab. Hier - und mehr noch in der Schulzeit - entstehen erste Freundschaften.

Im Laufe der ersten Lebensjahre werden, so lehrt die Entwicklungspsychologie, durch Reifung und Kontakt in Primärgruppen soziale Fertigkeiten ausgebildet, die es dem Kind immer besser ermöglichen zu interagieren.

- Die Gruppen, denen Menschen angehören, verändern sich des Weiteren mit dem Eintritt von Jugendlichen in den Ausbildungs- und nachfolgend den Berufsbereich. Schließlich gehen mit dem Erwachsenwerden Personen mit dem anderen oder ggf. auch mit dem eigenen Geschlecht langfristige Beziehungen ein, die begleitet werden von dem Großziehen der eigenen Kinder.

Verlagert sich die Betrachtung von Kontakten vom Lebens- hin zum Tagesablauf, so wird die Bedeutung von Kontakten noch einmal bestätigt. Erwachsene Menschen stehen ggfs. morgens mit einem Partner auf und gehen mit diesem auch abends zu Bett. Daneben ergeben sich Kontakte zu anderen Menschen während des gesamten Tages:

- Ist man berufstätig, so begegnet man nach dem Verlassen der Wohnung auf dem Weg zur Arbeit, bei Benutzung von öffentlichen Nahverkehrsmitteln, anderen Menschen, die gleichfalls zur Arbeit fahren.
- Am Arbeitsplatz arbeitet man mit anderen zusammen.
- Nach der Arbeit trifft man sich mit Freunden oder geht nach Hause, wo möglicherweise schon der Partner auf einen wartet etc.

Wenn Menschen mit anderen zusammen sind, so verbringen sie mit ihnen zeitweise sowohl eine harmonische als auch konfliktreiche Zeit. Letzteres begründet sich daraus, dass Menschen häufig unterschiedliche Interessen/Bedürfnisse haben. Es stellt sich dann die Frage, in welcher Weise man mit Verschiedenheit umgeht. Je nachdem, wie dies geschieht, werden Beziehungen als belastend oder bereichernd erlebt. In der Regel bekommen Personen durch ihre „Primärsozialisation“ nicht das Ausmaß an sozialer Kompetenz mit, um zwischenmenschliche Probleme konstruktiv zu lösen: Es fehlt häufig an familiären Vorbildern, und zumindest für frühere Zeiten gilt, dass die Schule hier nicht aufgrund ihrer fast ausschließlichen Wissensorientierung helfend einspringt.

Wenn nun soziale Kompetenz nicht in den unmittelbaren Lebensvollzügen im ausreichenden Ausmaß erworben werden kann, stellt sich die Frage nach alternativen Erwerbsmöglichkeiten:

- Wie man mit unannehmbarem Verhalten Dritter in geeigneter Weise umgeht ist u. a. Gegenstand von Beratung auf wissenschaftlicher Grundlage, so z. B. die Veränderung von unerwünschtem Kindverhalten auf verhaltenstherapeutischer Grundlage (vgl. z. B. Belschner, Wilfried et al: „Verhaltenstherapie in Erziehung und Unterricht“).
- Neben dem professionellen Beratungsbereich existiert jedoch auf dem Büchermarkt eine „Ratschlagsliteratur“, die sich auf verschiedene Lebensbereiche bezieht und dem Leser Möglichkeiten aufzeigen will, wie er auf unannehmbares Verhalten Dritter besser reagieren kann.
- Neben einer auf Ratschlägen basierenden Wissensvermittlung bieten bestimmte Autoren zusätzlich auch Trainingsprogramme an:Zum Beispiel liegen für den Erziehungsbereich verschiedenartige Trainingsprogramme für Eltern und Pädagogen vor, ebenfalls für Paare und für den beruflichen Bereich. Die Programme unterscheiden sich dann u. a. darin, ob eine Verhaltensänderung partnerschaftlich erfolgen soll, wie in dieser Arbeit von Thomas Gordon (aber auch von anderen Autoren) vertreten wird, oder aber nicht.

Dem Bereich der „Ratschlagsliteratur“ (einschließlich eines Anbietens von Trainingsprogrammen) zugehörig ist nun das Partnerschaftliche Beziehungskonzept von Thomas Gordon, das für unterschiedliche Lebensbereiche auf der Grundlage bestimmter Wertvorstellungen (Haltungen) partnerschaftliche Methoden des Umgangs mit unannehmbarem Verhalten Dritter anbietet.

Die nachfolgende Aufsatzsammlung hat nun das Ziel, dem Leser Vorstellungen von Thomas Gordon näherzubringen. Zugleich werden Themen im Umfeld des partnerschaftlichen Beziehungskonzepts behandelt:

Zunächst wird über das Gordonsche Beziehungskonzept in allgemeiner Weise informiert (1.). Rekurriert wird hierbei vornehmlich auf Adams/Lenz „Beziehungskonferenz“ sowie auf Thomas Gordons „neue Beziehungskonferenz“. Die Darstellung wird dabei ergänzt durch zusätzliche Informationen hinsichtlich der verschiedenen Themen, es werden zudem neue Themen hinzugefügt, und letztlich wird die Darstellung des Beziehungskonzepts durch zahlreiche eigene Beispiele angereichert.

Thomas Gordon wendet das Beziehungskonzept vornehmlich auf Beziehungen an, in denen Personen eine unterschiedliche Machtfülle haben. Dies gilt dann im einzelnen für die von ihm in Form unterschiedlicher „Konferenzen“ dargestellten Bereiche der Familie, Schule, Medizin und Beruf. Ansprechpartner sind dabei die mächtigeren Personen wie Eltern, Lehrer, Ärzte, Führungskräfte:

- Von den gerade angesprochenen Bereichen wird in dieser Arbeit überwiegend die Familie zum Gegenstand partnerschaftlichen Verhaltens gemacht (2.) Hier liegt dann auch der thematische Schwerpunkt von Gordon, nimmt man die Anzahl der Veröffentlichungen zum Indikator, die bezüglich der verschiedenen Lebensbereiche vorliegen.

Die vorliegende Arbeit, in Form eines Vortrags (2.1.), nimmt dabei auf drei zeitlich nacheinander erschienene Veröffentlichungen von Thomas Gordon Bezug, die zugleich eine Weiterentwicklung des partnerschaftlichen Konzepts in diesem Bereich widerspiegeln: „Familienkonferenz (1970)“, „Familienkonferenz in der Praxis“ (1976), „Die neue Familienkonferenz“ (1989).

Wird zunächst partnerschaftliches Verhalten in der Eltern-Kind-Beziehung thematisiert, so geht ein weiterer Beitrag der Frage nach, wie das Gordon-Konzept allgemein, und im Besonderen auf die Erziehung angewendet, aus der Sicht einer Handlungstheorie zu bewerten ist (2.2.). Die Themenwahl ist dabei Folge einer langjährigen Beschäftigung des Autors mit der vorgenannten Theorie. Letztendlich besteht das Ziel darin, Grenzen eines partnerschaftlichen Verhaltens aufzuzeigen und damit zugleich das Gordon-Konzept zu bereichern. Schlussfolgerungen in diesem Sinn werden anschließend aufgezeigt (2.2.1.).

Wird mit letztgenanntem Aufsatz partnerschaftliches Erziehungsverhalten aus der Sicht einer Handlungstheorie bewertet, so beschäftigt sich darüber hinaus ein weiterer Artikel damit, wie andere Erziehungskonzeptionen relativ zum Gordon-Konzept gestaltet sind. Es werden dabei mit STEP (u. a. Dinkmeyer Sr., Don et al: „STEP – Elternhandbuch“) und dem Triple P-Konzept (u.a. Markie-Dadds, Carol: „Das Triple P Elternarbeitsbuch“) zwei Ansätze in den Vergleich einbezogen, die sich vom hier dargestellten abheben (2.3.) Schließlich wird in einem letzten Aufsatz u. a. dargestellt, welche Schlussfolgerungen im Sinne von produktiven Ergänzungen aus dem Konzeptvergleich gezogen werden können (2.3.1.).

- Steht in den vorgenannten Aufsätzen das partnerschaftliche Erziehungskonzept im Vordergrund, so ist das bei den nachfolgend aufgeführten Arbeiten anders (3.): Es werden für die Bereiche Arbeit, Schule und Lebenspartnerschaft unterschiedliche theoretische Konzepte, so u. a. auch jene von Thomas Gordon, dargestellt und verglichen, die zugleich Personen die Gelegenheit geben, ihre soziale Kompetenz in Form von Trainingsprogrammen zu verbessern:

Die Verbesserung der sozialen Kompetenz im Arbeitsbereich richtet sich dabei auf beziehungs- und aufgabenorientierte Führung. (3.1.)

Für den schulischen Bereich werden Konzepte dargestellt, die die sozialen Fähigkeiten von Schülern verbessern, um zum einen Aggressionen vorzubeugen und zum anderen bei Konflikten zwischen Schülern vermitteln zu können. Daneben werden Arbeiten dargestellt, die Lehrer in die Lage versetzen sollen, besser mit unannehmbarem Schülerverhalten (Konflikten) umgehen zu können. (3.2.)

Schließlich werden Konzepte auf gesprächs- und verhaltenstherapeutischer Grundlage dargestellt, die Paaren helfen sollen, ihre Probleme und Konflikte besser lösen zu können. (3.3.)

Die Aufsatzsammlung wird beendet mit Schlussfolgerungen hinsichtlich möglicher Erweiterungen des partnerschaftlichen Beziehungskonzepts (4.)

Zielgruppe

Die Aufsätze thematisieren in allgemeiner Weise und hinsichtlich bestimmter Beziehungsbereiche partnerschaftliche Verhaltensweisen beim Umgang mit unangenehmem Verhalten Dritter und deren Problemen. Sie wenden sich deshalb einmal an Personen, die ihr Verhalten insgesamt partnerschaftlich ausrichten möchten und zum anderen an solche (Eltern, Erzieher, Lehrer, Vorgesetzte, Lebenspartner), die in bestimmten Beziehungsbereichen ihr Verhalten als unbefriedigend wahrnehmen und es deshalb verbessern möchten. Darüber hinaus sollen Personengruppen angesprochen werden, die von Berufs wegen (Diplom-Pädagogen, Sozialarbeiter und Sozialpädagogen) mit Personen im familiären-, Schul-, Berufs- oder Partnerschaftsbereich arbeiten.

Aufsätze

Das Partnerschaftliche Beziehungskonzept von Thomas Gordon

Ein Vortrag zu Thomas Gordons Familienkonferenz: Informationen zu einem partnerschaftlichen Erziehungsstil

Einige handlungstheoretische Überlegungen zu Inhalten des Gordonschen partnerschaftlichen Beziehungskonzepts mit dem Schwerpunkt auf partnerschaftliche Erziehung

Anhang: Die Einführung von handlungstheoretischen Elementen in das Gord

on-Familien-Trainingsprogramm

Das Gordonsche Erziehungskonzept im Vergleich mit STEP und Triple P

Einige Überlegungen zu Erweiterungen und Präzisierungen des Gordonschen Erziehungskonzepts in Bezug auf unannehmbares Kindverhalten

Die adäquate Bewältigung von Führungsaufgaben in Organisationen

Unannehmbares Schülerverhalten, Lehrer-Schüler- und Schüler-Schüler-Konflikt: Eine Darstellung theoretischer Konzeptionen verschiedener Trainingsprogramme

Verbesserung von Paarbeziehungen mittels Trainingsprogrammen

Erweiterungen des partnerschaftlichen Beziehungskonzepts von Thomas Gordon

1. Das partnerschaftliche Beziehungskonzept von Thomas Gordon

Einleitung

Betrachten Sie einmal den Ablauf eines Tages, so werden Sie feststellen, dass Sie, wenn auch jeweils in Abhängigkeit von besonderen Lebenssituationen, es häufig mit anderen Menschen zu tun haben: Mit Ihrem Ehepartner oder Lebensgefährten, Kindern, Arbeitskollegen, Nachbarn, Freunden, Bekannten, Verwandten oder sonstigen mehr oder minder fremden Personen wie den Verkäufern im Geschäft, anderen Fahrgästen im Bus oder der Bahn etc. Die Kontakte werden dabei als mehr oder minder angenehm erlebt.

So kann es sein, wenn Sie berufstätig und zugleich verheiratet sind, dass Ihr ebenfalls berufstätiger Partner sich morgens allzu lange im Badezimmer aufhält, während Sie in Eile sind. Im vollen Bus auf dem Weg zur Arbeit werden Sie, während Sie stehen, von hinten angerempelt. Im Büro raucht neuerdings ein Arbeitskollege, dem Sie gegenüber sitzen; ein anderer ist ungewohnt schweigsam. Ihr Chef hat Ihnen heute schon wieder eine Sonderarbeit verpasst, die es unmöglich macht, eine Terminarbeit zu erledigen. Kommen Sie nach Hause, so sagt Ihre Frau mit stockender Stimme, dass ihre Freundin eine Verabredung nicht eingehalten hat und möchte mit Ihnen hierüber sprechen, oder die Kinder wollen sofort mit Ihnen spielen, obgleich Sie erschöpft sind. Abends würden Sie gern mit Ihrem Partner einen Film im Kino anschauen, dieser möchte jedoch zu Hause bleiben. Ihre älteren Kinder kommen spätabends nach Hause und machen Lärm, während Sie schon schlafen und dadurch aufgeweckt werden.

Wenngleich Kontakte aufgeführt wurden, die im Allgemeinen als unangenehm angesehen werden, so hat der Alltag jedoch auch eine Vielfalt von angenehmen Begegnungen zu bieten, die das Leben lebenswert machen.

Das Essen steht schon auf dem Tisch, als Sie nach Hause kommen, obgleich Sie damit nicht gerechnet haben. Der Chef teilt Ihnen mit, dass eine Beförderung ansteht. Die Tochter sagt zu Ihnen: „Vati, ich hab’ Dich lieb“. Sie sehen sich mit Ihrem Partner einen schönen Film an. Sie haben im Stehcafé eine anregende Unterhaltung mit einer anderen Person. Sie stehen für eine ältere Dame im Bus auf, die sich daraufhin überschwänglich bedankt, worüber Sie sich freuen etc.

Wird der Beziehungsalltag also sowohl positiv wie negativ erlebt, so ist es gleichwohl von großer Bedeutung für Ihr Wohlbefinden und für die Qualität von Beziehungen, wie Sie mit Verhaltensweisen von anderen umgehen, die für Sie ein Problem darstellen. Damit sind wir beim Thema dieser Arbeit. Es wird u. a. dargestellt, wie Menschen auf Verhaltensweisen von anderen reagieren können, die sie als unangenehm erleben, ebenso wie sie sich verhalten können, wenn andere Personen über ihre Probleme erzählen. Im Grunde gibt es eine Vielzahl von Antworten auf das Vorliegen von Problemen: z. B. sich in Konflikten durchsetzen wollen oder aber nachgeben; bei Problemen andererRatschläge erteilen oder diese kritisieren.

In dieser Arbeit werden Problemlösungen vorgestellt, die

- bei unangenehmem Verhalten von anderen diesen die Entscheidung und Verantwortung für eine Verhaltensänderung überlassen,
- bei Konflikten eine Lösung im Konsens anstreben,
- bei Problemen des anderen dessen Selbstständigkeit für die Problemlösung unterstützen

Eine solche, hier mit partnerschaftlichem Beziehungsverhalten bezeichnete Problemlösungsorientierung ist mit dem Namen von Thomas Gordon verbunden und findet sich in allgemeiner Form in Adams/ Lenz’ Beziehungskonferenz und Thomas Gordons neuer Beziehungskonferenz wieder.

Wer war nun Thomas Gordon? Antworten hierzu finden sich in seiner Autobiographie ( vgl. Hg. Breuer, Karlpeter: „Das Gordon Modell“, 1998, 23-75).

Gordon wurde 1918 in einer amerikanischen Kleinstadt mit dem Namen der Weltstadt Paris geboren und verstarb im Jahr 2002. Er studierte zunächst Medizin und anschließend Psychologie. Das Studium wurde zwischenzeitlich unterbrochen durch seine Einberufung in die Armee während des Zweiten Weltkriegs. Nach dem Ende des Studiums arbeitete er zunächst einige Jahre an der Universität. Danach wurde er Unternehmensberater, zunächst als Angestellter, dann als Selbstständiger. Neben seiner unternehmensberaterischen Tätigkeit war Gordon später auch als Therapeut tätig. Unzufrieden mit seiner therapeutischen Tätigkeit, wandte er sich seit 1962 vornehmlich dem Thema zu, wie sich Beziehungen zwischen Personen auf gleichberechtigter Grundlage verbessern lassen.

Theoretische Anleihen nimmt Thomas Gordon bei Carl Rogers, dem Begründer der Gesprächspsychotherapie (vgl. z. B. Rogers, „Die klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie“), mit dem er auch einige Zeit freundschaftlich verbunden war (vgl. Hg. Karlpeter Breuer, „Das Gordon-Modell“, 1998, 23ff). Gordon führt diese Gesprächstechnik in Form des Aktiven Zuhörens bei Problemen anderer Personen in den Beziehungsalltag ein, verwendet darüber hinaus jedoch noch weitere Elemente, die sich vornehmlich auf den Umgang mit unannehmbarem Verhalten Dritter und Konflikte beziehen. Steht bei Rogers (z. B. Rogers, „Die Entwicklung der Persönlichkeit“) die Förderung der Entwicklung von Menschen im Vordergrund, so geht es Gordon um die Entwicklung von befriedigenden zwischenmenschlichen Beziehungen. Entsprechende soziale Kompetenzen zu erwerben, die derartige Beziehungen möglich machen, beinhaltet dann jedoch auch, dass Menschen sich weiterentwickeln.

Bezüglich partnerschaftlicher Beziehungen liegen unterschiedliche Veröffentlichungen in deutscher Sprache vor. Die Bücher lassen sich danach unterscheiden, ob sie in einer allgemeinen oder spezifischen Weise auf Beziehungen Bezug nehmen:

- Partnerschaftliche Beziehungen im Allgemeinen sind Gegenstand von zwei „Beziehungskonferenzen“. Die „neue Beziehungskonferenz“ stellt die partnerschaftlichen Problemlösemethoden im Gesamtzusammenhang dar, die „Beziehungskonferenz“ von Adams, der Frau von Thomas Gordon, und Lenz stellt das partnerschaftliche Beziehungskonzept explizit in den theoretischen Rahmen der Selbstverwirklichung (Adams, Lenz, „Beziehungskonferenz“, 2001, 17-44) und führt als zusätzliches Thema die effektive Planung der Verwirklichung von Bedürfnissen ein (Adams, Lenz, „Beziehungskonferenz“, 2001, 288-301).
- Aussagen über einzelne Beziehungen erfolgen in Bezug auf Familie, Schule und Beruf. Ein thematischer Schwerpunkt ist dabei die Familie.

Zunächst wurde Anfang der siebziger Jahre die „Familienkonferenz“ herausgegeben. Hier formuliert Gordon den Gedanken eines partnerschaftlichen Eltern-Kind-Umgangs miteinander und stellt dar, wie sich dies in der Praxis umsetzen lässt. Mitte der siebziger Jahre folgte die „Familienkonferenz in der Praxis“. In diesem Buch werden Erfahrungen von Eltern mit dem partnerschaftlichen Erziehungsstil ausgewertet. Dies hatte dann auch einige Änderungen des partnerschaftlichen Konzepts zur Folge. Schließlich wurde Ende der achtziger Jahre noch die „Neue Familienkonferenz“ veröffentlicht. Hier kritisiert Gordon ausführlich den machtorientierten Erziehungsstil und stellt diesen seinem partnerschaftlichen Stil gegenüber.

Ein zweiter thematischer Schwerpunkt ist der berufliche Bereich. In „Managerkonferenz“ wird partnerschaftliches Führungsverhalten Mitarbeitern gegenüber dargestellt und in „Patientenkonferenz“ ein ebensolcher Umgang von Ärzten in Bezug auf Patienten. Letztlich geht „Schülerkonferenz“ darauf ein, wie Lehrer ihren Beruf pädagogisch ausüben sollten.

Einzelne Themen der Arbeit

Mit welchen Themen setzt sich nun diese Arbeit auseinander? Hierzu ein Überblick:

- Zunächst werden metatheoretische Aussagen zum partnerschaftlichen Beziehungskonzept getätigt.

Wertvorstellungen steuern im Gordon-Modell die Auswahl von Problemlösungsmethoden. Es soll aufgezeigt werden, welche Werte von Bedeutung sind. Wie weiter oben schon gesagt, ist Gordon ein Schüler von Carl Rogers, dem Vater der Gesprächspsychotherapie. Es wird deshalb diese Psychotherapieform in Kürze mit dem partnerschaftlichen Beziehungskonzept verglichen.

- Sodann wird über die Methoden zur Lösung von Problemen informiert. Damit werden Aussagen darüber gemacht, wie in partnerschaftlichen Beziehungen gehandelt werden sollte, wenn mir das Verhalten einer anderen Person nicht gefällt, wenn Konflikte zwischen mir und dir vorliegen und wenn du mir gegenüber ein Problem äußerst, dass du mit anderen hast. Zusätzlich zu vorgenannten Gordonschen Beziehungsthemen wird darauf eingegangen, wie ich mich verhalten sollte, wenn du mir ein Problem mitteilst, dass du mit mir hast.
- Wie weiter oben schon bemerkt, fügen Adams und Lenz dem partnerschaftlichen Beziehungskonzept noch weitere Themen hinzu.
- Weisen die partnerschaftlichen Methoden den Weg zur Lösung von Problemen in verschiedensten Beziehungen, so lassen sich gleichwohl für einzelne Beziehungsarten noch zusätzliche Aussagen formulieren.
- Auf der Grundlage eines partnerschaftlichen Beziehungskonzepts liegen von Gordon Programme zum Trainieren partnerschaftlichen Verhaltens vor.

Metatheoretische Aussagen zum partnerschaftlichen Beziehungskonzept

Wertvorstellungen

Im Rahmen des Gordonschen Beziehungskonzepts geht es um Lösungen bestimmter Probleme. Es lassen sich dabei im Prinzip Lösungen (im Sinne von wünschenswerten zukünftigen Zuständen, d. h. Zielen) mittels verschiedener Handlungen (Methoden) herstellen lassen. Dieses ist ein wichtiger Grundsatz der Handlungstheorie. Es stellt sich dann die Frage, welche von den möglichen Handlungen (Methoden) ausgewählt werden soll. Auswahlkriterien können einmal Nutzen-, Kosten- und Wirksamkeitserwägungen sein:

- Verschiedene Handlungen können zwar zum gleichen Ziel führen, jedoch mit unterschiedlichen Kosten (Aufwendungen, unerwünschten Nebenwirkungen) verbunden sein.

Wenn Sie Vollzeit studieren, müssen Sie sich zeitlich weniger einschränken, als wenn Sie versuchen, einen Studienabschluss neben Ihrer Arbeit übers Fernstudium zu erhalten.

- Zudem können bestimmte Handlungen noch einen zusätzlichen Nutzen erbringen.

Um Einkäufe bei einem 3 km entfernten Discounter zu erledigen, kann ich ein Auto oder ein Fahrrad benutzen. Das Fahrrad ermöglicht mir zudem, Sport zu treiben, was für mich eine hohe Bedeutung hat.

- Möglicherweise sind verschiedene Handlungen auch in unterschiedlichem Ausmaß dazu geeignet, ein bestimmtes Ziel zu erreichen.

Die Wahrscheinlichkeit, ein Studium in Vollzeit abzuschließen, dürfte als höher einzuschätzen sein, als ein solches neben dem Beruf.

Die vorgenannten Faktoren entsprechen dabei denjenigen, die von der Wert-Erwartungstheorie generell dem Handeln von Menschen zugrunde gelegt werden (vgl. z. B. in der Soziologie Langenheders Theorie menschlicher Entscheidungshandlungen, in der Psychologie z. B. die Handlungstheorie von Kurt Lewin, u. a. Lewin, Kurt:”The Conceptual Representation and the Measurement of Psychological Force”)

Neben den genannten Auswahlkriterien lässt sich dabei eine Handlungsauswahl auch von Wertvorstellungen leiten.

Wenn ich in einem Geschäft bin, um ein begehrtes Kleidungsstück zu bekommen, so könnte ich versuchen, in einem unbeobachteten Moment dieses Teil an mich zu nehmen und damit unverzüglich das Geschäft zu verlassen. Ich entschließe mich jedoch, es zu bezahlen, da ich es wichtig finde, für eine Leistung eine Gegenleistung zu erbringen.

Hierauf weist im Rahmen der Soziologie insbesondere Talcott Parsons hin, u. a. Parsons, Talcott et al: “Toward a General Theory of Action”. In der psychologischen Handlungstheorie im Sinne der Wert- Erwartungstheorie sind Werte Bestandteil verschiedener Motivtheorien, jedoch nicht eigenständiges Element der allgemeinen Theorie (vgl. z. B. Heckhausen, „Motivation und Handeln“, 1980).

So werden Werte u. a. als wirksam angesehen beim Hilfehandeln oder aber auch beim Konsum von bestimmten Lebensmitteln in bestimmten Kulturen.

Wissenschaftliche Theorien zur Veränderung von Verhalten orientieren sich an der Wirksamkeit von Methoden (vgl. in diesem Sinne u. a. die Klassische Verhaltenstherapie, die sich u. a. orientiert an der Skinnerschen Verhaltenstheorie). Nachrangig ist dabei die Beschäftigung mit der Frage, ob bestimmte Methoden bestimmten Werten entsprechen. Im partnerschaftlichen Beziehungskonzept von Thomas Gordon hingegen hat die Begründung derMethodenauswahl durch Werte eine Priorität. Gleichwohl unterstellt er, dass seine Methoden auch wirksam sind, keine höheren Kosten als andere Interventionen verursachen und zudem ein zusätzlicher Nutzen im Sinne einer erhöhten Beziehungsqualität entsteht.

Thomas Gordon vergleicht häufig seinen partnerschaftlichen Stil der Problemlösung in Beziehungen mit einem machtorientierten und zieht bei diesem Vergleich Wirksamkeits-, Nutzen- und Kostenüberlegungen mit ein. Er kommt dabei zu dem Ergebnis, dass der partnerschaftliche Stil in allen vorgenannten Dimensionen dem machtorientierten überlegen ist (vgl. insbesondere Gordons „Neue Familienkonferenz“).

Wertaussagen macht Gordon einmal direkt in Bezug auf Problemlösungsmethoden, zum anderen lassen sich diese erschließen über die verwendeten Methoden.

So sind Werte wie Hilfsbereitschaft, Eigenständigkeit, Einfühlungsvermögen, Offenheit, Rücksichtnahme, Vertrauen, Gerechtigkeit, Toleranz, Selbstkontrolle, Gleichberechtigung, Verantwortlichkeit und Respekt Bestandteile des Beziehungskonzepts. Hierzu nun einige Präzisierungen:

- Personen sollen bei der Befriedigung ihrer Bedürfnisse auch diejenigen von anderen Personen achten.
- Probleme sollen gelöst werden unter Beachtung der Selbstbestimmung von Personen: Bereitet mir jemand ein Problem mit seinem Verhalten, so soll ich ihm die Freiheit lassen, sein Verhalten zu ändern. Im Vordergrund steht damit die Selbstkontrolle des Verhaltens im Vertrauen darauf, dass der andere schon sein Verhalten ändern wird, wenn ihm seine Bedürfnislage dies ermöglicht. Gleichzeitig gilt jedoch: So wie ich dem anderen die Freiheit lasse, sein Verhalten zu ändern, muss er mir ebenfalls zugestehen zu entscheiden, ob seine Problemlösung für mich angemessen ist. Die Selbstkontrolle des Verhaltens ist auch Thema, wenn andere ein Problem haben und ich nur dabei behilflich sein soll, dass der andere sein Problem selbst löst.
- Auch wenn das Verhalten des anderen für mich unannehmbar ist, sollte ich ihn achten. Damit scheiden bestimmte Formen der Auseinandersetzung aus wie beleidigen, beschämen, bedrohen etc. Jedoch gilt zugleich: Ist mir ein Verhalten von anderen unannehmbar, so soll ich dies in aller Offenheit mitteilen.
- Ich sollte mir und anderen gegenüber bei Problemen einfühlsam sein, d. h. mir klar darüber werden, was in mir und im anderen vorgeht.
- Hat der andere ein Problem, so sollte ich ihm helfen, sofern er es wünscht und ich zur Hilfe fähig bin.
- In Beziehungen sollten die Partner gleichberechtigt sein: Hieraus folgt dann z. B., dass zu einer Konfliktlösung die Zustimmung aller am Konflikt Beteiligten erforderlich ist.
- In Beziehungen sollte Gerechtigkeit vorherrschen. Hieraus folgt dann z. B., dass eine für alle Konfliktparteien zufriedenstellende Lösung anzustreben ist.
- In Beziehungen sollten die Partner andere Einstellungen und Werte akzeptieren. Dies hat dann zur Folge, dass bei Vorliegen von Wertkonflikten nur bestimmte Lösungsmöglichkeiten in Betracht kommen.

Einige wesentliche Wertvorstellungen von Thomas Gordon finden sich in seinem Beziehungs-Credo (siehe u. a. Gordon, „Die neue Beziehungskonferenz“, 12 f.).

Vergleich des Partnerschaftlichen Beziehungskonzepts mit der Klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie

Wie schon erwähnt ist Carl Rogers der Vater der Gesprächspsychotherapie und Thomas Gordon ein Rogers-Schüler. Es liegt deshalb nahe, die vorgenannte Therapieform mit dem partnerschaftlichen Beziehungskonzept zu vergleichen.

Gegenstand

Die Gesprächspsychotherapie ist eine Gesprächsmethode, die unter Wahrung der Selbstbestimmung des Klienten und mittels bestimmter Therapeutenhaltungen (siehe hierzu im Einzelnen weiter unten) versucht, die für eine Person als belastend angesehenen Personenmerkmale zu verändern. Erwähnt seien hier geringe Selbstachtung, ungünstiges Selbstkonzept, geringes Selbstvertrauen, Angst, Neigung zur Selbstbestrafung und starke Abhängigkeit vom Urteil anderer (vgl. u. a. Tausch, Gesprächspsychotherapie). Das partnerschaftliche Beziehungsmodell stellt schwerpunktmäßig, d. h. mit Ausnahme der Veränderung der Umwelt, Gesprächsmethoden zur Verfügung und vermittelt Haltungen, die es Personen ermöglichen sollen, unter Wahrung der Selbstbestimmung von Interaktionspartnern,

- Einfluss auf das Verhalten von Dritten zu nehmen, das als unannehmbar angesehen wird,
- wechselseitig als problematisch angesehenes Verhalten zur Zufriedenheit aller Beteiligten zu verändern,
- Dritten bei der Lösung von deren Problemen zu helfen.

Die mangelnde Selbstverwirklichung als gemeinsames Thema

Eine allgemeine Zielsetzung von Rogers ist die freie Entwicklung von Menschen. In der Sozialisation wird dieses durch Erzieher verhindert, so wenn Eltern Kindverhalten, das nicht in Übereinstimmung mit ihren Wertvorstellungen steht, missbilligen und ein nachfolgendes Elternverhalten mangelnde Empathie, Wertschätzung, Akzeptanz und ein erhebliches Ausmaß an Dirigierung aufweist. Dies führt dann dazu, dass Elternwerte vom Kind verinnerlicht werden. Auf diesem Hintergrund erfolgt dann ein Leugnen von Körper-/Sinneserfahrungen, die im Widerspruch zu elterlichen Werten stehen und damit auch eine unzureichende Bedürfnisbefriedigung zur Folge haben (vgl. hierzu Rogers, „Die klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie“). Im Rahmen des partnerschaftlichen Beziehungskonzepts machen Adams/Lenz auf den Sachverhalt aufmerksam, dass Personen sich ihrer Bedürfnisse nicht bewusst sein müssen und dass solche, die bewusst sind, ggfs. nicht befriedigt werden, weil eine motivationale Orientierung an Dritten erfolgt, u. a. im Sinne von Belohnung und Bestrafung (Adams/Lenz, „Beziehungskonferenz“, Kapitel 1-3). Auf die Beeinflussung durch Dritte mittels Belohnung und Bestrafung verweist auch Gordon (vgl. hierzu u. a. Gordons „Neue Familienkonferenz“). Derartige Machtstrategien führen dann dazu, dass Bedürfnisse des Machtunterlegenen unzureichend befriedigt werden. Wird in beiden Konzepten die mangelnde Selbstverwirklichung von Personen negativ bewertet, so ergibt sich hieraus die gemeinsame Zielsetzung, dass zu verwendende Methoden zu einer Selbstbestimmung führen sollen.

Das Herbeiführen von Veränderungen im Rahmen der klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie und des partnerschaftlichen Beziehungskonzepts

Bei der Gesprächspsychotherapie werden folgende Beratereinstellungen als notwendige und hinreichende Bedingungen für eine helfende Beziehung erachtet (u. a. Rogers, „Therapeut und Klient“):

- Echtheit/Kongruenz des Therapeuten
- Vollständiges und bedingungsloses Akzeptieren des Klienten und Wertschätzung ihm gegenüber
- Sensibles und präzise einfühlendes Verstehen des Klienten

Als Wirkungen derartiger Beratereinstellungen werden u. a. Selbstöffnung und Selbstauseinandersetzung des Klienten angeführt, die dazu führen, dass er besser mit sich und anderen leben kann (u. a. Tausch, „Gesprächspsychotherapie“). Im Rahmen des partnerschaftlichen Beziehungskonzepts soll u. a. Dritten dazu verholfen werden, ihre Probleme selbst zu lösen. Hierbei werden mit dem Passiven und Aktiven Zuhören Methoden genannt, die auf die Dimension Empathie der Gesprächspsychotherapie rekurrieren. Als primäre Methode wird dabei das Aktive Zuhören angesehen, das dem Ratsuchenden ermöglichen soll, tiefer in sein Problem einzudringen und eine eigenständige Problemlösung zu erreichen. Als eine weitere Voraussetzung für Hilfe wird genannt, dass der Berater den Ratsuchenden mit seinem Problem annimmt. Dies fördert die Selbstöffnung. Die „Annahme“ des Ratsuchenden mit seinem Problem entspricht der Dimension „Akzeptanz“ der Gesprächspsychotherapie. Im Rahmen des partnerschaftlichen Beziehungskonzepts wird eine falsche Annahme thematisiert (u. a. Gordon, „Familienkonferenz“, 2000, 33ff): Der Berater kann den Ratsuchenden mit seinem Problem nicht annehmen, signalisiert jedoch Annahme. Dieser Aspekt entspricht der Dimension (mangelnder) Echtheit von Rogers. Das partnerschaftliche Beziehungskonzept nimmt auf Ich-Botschaften Bezug, u. a. um das Eintreten eines erwünschten Verhaltens Dritter in der Zukunft sicherzustellen oder unerwünschtes Verhalten zu verändern. In diesem Zusammenhang wird darauf verwiesen, dass derartige Botschaften dem entsprechen sollen, was eine Person fühlt und denkt. Damit wird auf die o. a. Dimension Echtheit/Kongruenz Bezug genommen.

Das partnerschaftliche Beziehungskonzept

Themen

Zur Bestimmung der Themen eines partnerschaftlichen Beziehungskonzepts steht im Gordon-Modell ein Verhaltensrechteck zur Verfügung (u. a. Gordon, „Die neue Beziehungskonferenz“, 2002, 53ff; Adams, Lenz, „Beziehungskonferenz“, 2001,107ff). Dieses gibt zunächst die Sichtweise einer Person in Bezug auf das wahrgenommene Verhalten einer anderen Person wieder: Von den gesamten wahrgenommenen Verhaltensweisen wird ein Teil als annehmbar und ein anderer als unannehmbar bewertet. Annehmbar ist das Verhalten einer anderen Person, wenn es ein Bedürfnis oder einen Wert befriedigt, und unannehmbar, wenn es ein Bedürfnis oder einen Wert beeinträchtigt. Ob für eine Person ein bestimmtes Verhalten unannehmbar ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab: der eigenen Persönlichkeit, momentanen Befindlichkeit, Situation und Art der Person, die das Verhalten zeigt (Adams, Lenz: „Beziehungskonferenz“, 2001, 110ff; Gordon: Familienkonferenz, 2000, 26ff).

- So kann das lärmende Verhalten eines Kindes von dem Vater und der Mutter unterschiedlich unangenehm erlebt werden (Personenunterschiede).
- Während die Mutter Lärm ggfs. normalerweise gut ertragen kann, ist dies nicht der Fall, wenn sie Kopfschmerzen hat (Befindlichkeitsunterschiede).
- Lärm kann die Mutter tolerieren, wenn sie mit dem Kind alleine zu Hause ist, jedoch nicht bei Besuch (Situationsunterschiede).
- Lärmt ein stilles Kind einmal, dann wird dies von der Mutter vielleicht positiv bewertet, jedoch bei einem lebhafteren Kind negativ (Persönlichkeitsunterschiede von Handelnden).

Da ein Verhalten also nicht per se als unannehmbar zu bewerten ist und nur im Falle der Unannehmbarkeit hierauf reagiert werden soll, resultiert daraus ein (gewünschtes) inkonsequentes Vorgehen bei Vorliegen eines bestimmten Verhaltens. Auf der Grundlage der vorgenommenen Unterscheidung von annehmbarem und unannehmbarem Verhalten einer anderen Person wird nun im Verhaltensrechteck eine weitere Dimension, d. h. die des Problembesitzes, eingeführt (Adams, Lenz: „Beziehungskonferenz“, 2001, 114ff):

- Dass du mir etwas Bestimmtes mitteilst, ist für mich annehmbar, drückt für dich jedoch ein Problem aus.

Beispiel:

Dass du als meine Partnerin von einer Nachbarin nicht mehr gegrüßt wirst und deshalb mit mir darüber reden willst, beeinträchtigt mich nicht in meinen Bedürfnissen.

- Das Verhalten von dir ist für mich annehmbar und stellt für dich selbst auch kein Problem dar. Wir befinden uns sozusagen in einer problemfreien Zone.

Beispiel:

Du als mein Arbeitskollege arbeitest an diesem Vormittag, ohne viel Worte zu wechseln, um eine Aufgabe zu beenden. Ich selbst habe auch eine Aufgabe zu erledigen und bin froh, nicht gestört zu werden

- Das Verhalten von dir ist für mich unannehmbar, und deshalb habe ich ein Problem.

Beispiel:

Du als mein Partner kommst spät abends nach Hause und stellst das Fernsehen laut an. Dadurch wache ich aus dem ersten Schlaf auf und kann erst einmal nicht weiterschlafen, obgleich ich früh aufstehen muss.

- Das Verhalten von dir ist für mich unannehmbar, so wie für dich das Verhalten von mir unannehmbar ist, so dass wir beide ein Problem haben.

Beispiel:

Du als meine Freundin möchtest im gemeinsamen Urlaub in die Berge, ich hingegen an die See.

Das Ziel, das mittels eines partnerschaftlichen Beziehungsverhaltens verfolgt wird, besteht nun darin,

- einerseits unannehmbares Verhalten einer anderen Person und Konflikte mit dieser zu verringern
- und andererseits dieser Person dabei behilflich zu sein, ihre eigenen Probleme zu lösen.

Insgesamt geht es so um die Vergrößerung der problemfreien Zone in verschiedenartigen Beziehungen.Wie dies zu bewerkstelligen ist, ist weiterer Gegenstand dieser Arbeit und beinhaltet das Aufzeigen von Problemlösungsmethoden für unterschiedliche Problemarten. Im Einzelnen werden die folgenden Themen behandelt:

- Was kann ich machen, wenn der andere ein Problem hat? Es wird eingegangen auf das Passive und Aktive Zuhören und auf die Aufgabe einer Moderation bei der Unterstützung einer eigenständigen Problemlösung.

Was kann ich machen, wenn mehrere Personen ein Problem miteinander haben? Im Gordon-Modell wird zusätzlich auch hierauf eingegangen. Da die Lösung solcher Konflikte u. a. auf der Niederlagelosen Methode der Konfliktlösung beruht, die später thematisiert wird, soll auch die Erläuterung der Konfliktvermittlung erst dann dargestellt werden.

- Im Bereich der problemfreien Zone zwischen dir und mir kommen unterschiedliche Ich-Botschaften zum Tragen, die einerseits Ausdruck einer konfliktfreien Beziehung sind, andererseits Problemen vorbeugen sollen.
- Für den Fall, dass eine Person ein Problem mit einer anderen hat als Folge einer Bedürfnisbeeinträchtigung, werden die Konfrontierende Ich-Botschaft und das Umschalten als geeignete Methoden des Umgangs mit dem Problem angesehen.
- Probleme mit anderen lassen sich ggfs. nicht mittels vorgenannter Ich-Botschaft und nachfolgendem Umschalten lösen. Es liegt dann ein Bedürfniskonflikt vor, der mittels der Niederlagelosen Methode der Konfliktlösung bearbeitet werden soll.
- Ein Konflikt mit einer anderen Person kann auch Folge einer Wertbeeinträchtigung sein. Zur Konfliktlösung stehen dann die Methoden der Niederlagelosen Methode der Konfliktlösung, Beratung und Konfrontierenden Ich-Botschaft bereit. Wertkonflikten kann vorgebeugt werden, indem ich ein Vorbild für andere darstelle oder meine Einstellung ändere.

Der andere hat ein Problem

Personen können unterschiedliche Ereignisse als Problem ansehen:

- So hat Ihr Ehepartner die Arbeitsstelle gewechselt und erlebt vieles als fremd.
- Der Vater Ihres Arbeitskollegen ist verstorben.
- Ihr Kind hat Streit mit seinem Spielgefährten.
- Ihr Freund befürchtet, entlassen zu werden.
- Ihre Nachbarin beklagt sich über ihre Schwiegereltern.

Dass andere Probleme haben, lässt sich sofort erkennen, wenn sie darüber sprechen, wird aber auch sichtbar über Indikatoren wie Mimik, Gestik, Stimmlage, Sprechgeschwindigkeit, Lautstärke und allgemein über verändertes Verhalten (z. B. ungewöhnlich still sein bzw. sich zurückziehen statt sonst mehr lebhaft bzw. sich an Aktivitäten beteiligen; gereizt sein statt sonst ausgeglichen).Die möglichen Reaktionen auf Probleme von anderen lassen sich in hilfreiche und nicht hilfreiche unterscheiden.

(1) Nicht hilfreiche Reaktionen: Kommunikationssperren

Bestimmte Verhaltensweisen der eigenen Person auf Probleme eines anderen führen dazu, dass sich der andere seltener an einen wendet. Aus diesem Grund werden derartige Reaktionen „Kommunikationssperren“ genannt (u. a. Gordon, „Die neue Beziehungskonferenz“, 2002, 67ff). Hierzu ein Beispiel:

Herr K. kommt von der Arbeit und sagt zu seiner Frau: „Das war heute ein scheiß Tag. Der Schulze hat mich total genervt!“ Hierauf kann seine Frau in verschiedener Weise reagieren:

- etwas vorwerfen:

„Immer meckerst Du, wenn Du von der Arbeit kommst!“

- moralisieren:

„Musst Du immer fluchen!“

- kritisieren:

„Warum lässt Du Dir auch immer alles gefallen?“

- predigen:

„Wie oft habe ich Dir schon gesagt, dass Du Dir nicht alles gefallen lassen sollst!“

- beschämen, abstempeln:

„Was bist Du nur für eine feige Memme, dass Du Dir alles gefallen lässt!“

- befehlen:

„Ich kann das nicht mehr hören. Hör auf zu nörgeln!“

- drohen:

„Jetzt vermassle mir nur nicht die Stimmung, sonst gehe ich zu meiner Freundin!“

bagatellisieren:

„Das wird schon nicht so schlimm gewesen sein.“

- ablenken:

„Jetzt schau mal, was ich Dir Schönes gekauft habe.“

- einen Ratschlag geben:

„Beschwer’ Dich doch bei dem Abteilungsleiter!“

- trösten:

„Das wird schon besser werden.“

- diagnostizieren:

„Du bist zu pessimistisch.“

- belehren:

„Wenn Du immer so negativ denkst, dann versaust Du Dir die Stimmung.“

Die meisten Reaktionen lösen Ärger aus, weil man sich nicht verstanden (abgelehnt) fühlt, bei einigen erlebt man sich unzulänglich und andere lösen Schuldgefühle aus. Die Folge ist, dass man sich rechtfertigt und die Situation als unerfreulich ansieht. Dies alles führt dann letztlich dazu, dass man sich dem anderen verschließt: „Dem erzähl’ ich nichts mehr!“

(2) hilfreiche Reaktionen

Um einem anderen eine Hilfe bei der Lösung seiner Probleme zu sein, sind bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen:

- Der andere äußert den Wunsch nach Hilfe bzw. zeigt Bereitschaft, sich helfen zu lassen.

Ausgeschlossen ist so, dem anderen seine Hilfe aufzudrängen.

- Das Problem des anderen wird angenommen, d. h. es führt nicht zu einer eigenen Beeinträchtigung.

Die eigene Person soll in einem hilfreichen Gespräch versuchen, die Gedanken und Gefühle des anderen zu verstehen. Dies wird erschwert, wenn man selbst in das Problem involviert ist.

- Bereitschaft, dem anderen zu helfen

Die eigene Person hat momentan keine Vorbehalte dem anderen gegenüber und ist in das Problem auch nicht involviert.

- Zeit für ein Gespräch haben

Es gibt derzeit nichts Wichtiges zu tun.

Was sind nun hilfreiche Reaktionen? Allgemein lässt sich sagen: Hilfreich sind Reaktionen, die den anderen bei der eigenständigen Lösung seines Problems unterstützen. Welche Verhaltensweisen sind nun im Einzelnen hilfreich? (u. a. Gordon, „Die neue Beziehungskonferenz“, 2002, Kapitel 6, „Familienkonferenz“, 2000, Kapitel 3)

Gordon verweist zunächst auf das Passive Zuhören mit nachfolgenden Elementen:

- Dem anderen wird signalisiert, dass man ihm seine Aufmerksamkeit schenkt, indem man ihm den Körper zuwendet und ihn anschaut.
- Dem anderen zuhören, während dieser spricht, anstatt ihn zu unterbrechen
- Dem anderen signalisieren, dass man ihm zuhört, durch bestätigende Äußerungen wie „hm“, „wirklich“, „aha“, „ja“
- Dem anderen Möglichkeiten zum Weitersprechen anbieten mittels sogenannter „Türöffner“, wie z. B.: „Möchtest Du darüber sprechen?“

Ist Passives Zuhören schon hilfreich, weil dem anderen vermittelt wird, dass man ihn verstehen möchte, so hat es jedoch den Nachteil, dass der andere nicht weiß, ob ich ihn richtig verstanden habe. Aus diesem Grund wird eine andere Form des Gesprächs zusätzlich verwendet, das Aktive Zuhören. Beim Aktiven Zuhören teile ich dem anderen die Gedanken und Gefühle mit, die ich bei ihm aufgrund seiner Aussagen und weiterer nonverbaler Merkmale wahrgenommen habe. Der andere wiederum kann mir dann sagen, ob er sich richtig verstanden fühlt. Das Aktive Zuhören lässt sich dabei im Sinne eines formalisierten Kommunikationsprozesses wie folgt darstellen:

- Der andere hat etwas erlebt, das mit bestimmten Gefühlen einhergeht.
- Das Erleben wird von ihm in Form von Aussagen, einhergehend mit einer bestimmten Mimik, Gestik und Stimmlage, mitgeteilt.
- Ich versuche das vom anderen Mitgeteilte zu verstehen.
- Ich teile mein Verständnis in Form einer Aussage mit.
- Der andere überprüft meine Aussage dahingehend, ob sie seinem Erleben entspricht.
- Ist dies der Fall, bestätigt er dies in irgendeiner Weise („ja“, „hm“, mit Aussage fortfahren), oder aber er teilt mir mit, dass er etwas anderes gemeint hat.
- Im letzten Fall muss ich meinerseits wieder das vom anderen Gesagte entschlüsseln und ihm meine neue Interpretation mitteilen.

Wie wirkt sich nun das Aktive Zuhören aus? (u. a. Gordon, „Familienkonferenz“, 2000, 68ff)

auf den anderen

Der andere wird angeregt, sich mit seinem Problem weiter zu beschäftigen: Er erhält so mehr Einblick in sein Problem und kommt zu einer eigenständigen Problemlösung.

Indem der andere mir beunruhigende Empfindungen mitteilt, kann er sie annehmen.

Der andere gewinnt mehr Selbstvertrauen, wenn er zu eigenständigen Lösungen kommt.

Der andere ist auch bereit, mir mehr zuzuhören.

auf meine Person

Ich lerne den anderen besser kennen, so dass sich die Einstellung zu ihm verändern kann.

Ich (z. B. als Elternteil) werde entlastet, die Verantwortung für die Lösung des Problems des anderen (z. B. meines Kindes) zu übernehmen.

auf uns beide

Die Beziehung zwischen uns verbessert sich.

Nachfolgend wird ein Fallbeispiel aus dem Nachbarschaftsbereich dargestellt. Herr K. sitzt mit seiner Frau beim Abendessen.

(1) Frau K.: Mir ist heute etwas passiert. Geh’ ich doch an der Klaus im Treppenhaus vorbei und grüße. Meinst Du, die hätte zurückgegrüßt?

Herr K.: Damit hast Du nicht gerechnet, dass sie nicht gegrüßt hat.

(2) Frau K.: Aber wirklich nicht. Was bildet die sich eigentlich ein, die blöde Kuh!

Herr K.: Das macht Dich richtig wütend.

(3) Frau K.: Das nächste Mal grüße ich auch nicht.

Herr K.: Das ist dann für Dich eine Genugtuung.

(4) Frau K.: Ich überlege die ganze Zeit, warum die Klaus mich nicht gegrüßt hat.

Herr K.: Das beschäftigt Dich.

(5) Frau K.: Vielleicht liegt das daran, dass ich mit der Schulze die letzten Tage gesprochen habe.

Herr K.: Du hast eine Vermutung, warum die Klaus Dich nicht gegrüßt hat.

(6) Frau K:Du weißt ja, dass mich schon lange ärgert, dass die Klaus so unregelmäßig das Treppenhaus putzt. Ich habe zu der Schulze gesagt: Wenn die Klaus ihre Wohnung so sauber hält wie das Treppenhaus, dann gibt sich das Ungeziefer bald ein Stelldichein.

Herr K.: Du hast Deinem Ärger über die Klaus gegenüber der Schulze freien Lauf gelassen.

(7) Frau K.: Ich bin davon ausgegangen, dass die Schulze der Klaus nichts sagt.

Herr K.: Du warst Dir ziemlich sicher, dass die Klaus nichts von dem Gespräch erfährt.

(8) Frau K.: Es kann nur so sein, dass die Schulze der Klaus etwas gesagt hat.

Herr K.: Es gibt keine anderen Möglichkeiten.

(9) Frau K.: Was soll ich jetzt nur machen?

Herr K.: Du weißt nicht, wie Du mit der Situation umgehen sollst.

(10) Frau K.: Ich glaube, ich frag’ mal die Klaus, warum sie mich nicht mehr grüßt.

Herr K.: Du willst erst einmal überprüfen, ob Du mit Deiner Vermutung richtig liegst.

(11) Frau K.: Wenn die Schulze ihr das weitererzählt hat, dann erkläre ich der Klaus, warum ich das gesagt habe.

Herr K.: Du möchtest dann reinen Tisch machen.

(12) Frau K.: Ja.

(3) Erweitertes Problemlösen

Das Aktive Zuhören führt im Fallbeispiel zu einer Lösung. Das muss jedoch nicht zwangsläufig so sein. Vielmehr kann diese Gesprächsform zunächst nur den Blick für das eigentliche Problem schärfen, dem weitere Problemlösungsschritte folgen müssen (vgl. Gordon, „Die Neue Familienkonferenz“, 2000, 227ff). Um dies verständlicher zu machen sei erwähnt, dass die Problemlösung aus verschiedenen Stufen besteht:

- das Problem definieren
- alternative Lösungen entwickeln
- Lösungen bewerten
- eine Lösung auswählen
- die Ausführung der Lösung planen

Auf der Grundlage der durch Aktives Zuhören gewonnenen Problemdefinition kann eine Person eine andere durch den Problemlösungsprozess führen, indem sie Hilfen gibt im Sinne des Überleitens von einer Problemlösungsstufe zur jeweils nächsten. Die einzelnen Lösungsschritte hingegen werden von der Person bewältigt, die das Problem besitzt.

Hilfen für eine andere Person im Problemlösungsprozeß

- Übergang von der Problemdefinition zur Formulierung von Lösungsmöglichkeiten

„Jetzt wissen Sie, was Ihr Problem ist. Welche Möglichkeiten gibt es nun, Ihr Problem zu lösen.“

„Nachdem Sie nun Ihr Problem kennen, bietet es sich an, dass Sie über Lösungen nachdenken.“

- Übergang von der Kenntnis von Lösungsmöglichkeiten zu ihrer Bewertung

Sie haben sich nun Klarheit verschafft über mögliche Lösungen. Jetzt könnten Sie sich überlegen, welche Nachteile einzelne Lösungen haben.

Sie kennen nun die Nachteile einzelner Lösungen. Welche Lösungen scheiden deshalb aus?

- Übergang von der Bewertung einzelner Lösungsmöglichkeiten zur Entscheidung für eine Lösung

Sie haben nun schon einige Lösungen ausgeschieden. Welche von den verbliebenen hat die größten Vorteile und die geringsten Nachteile?

Welche von den verbliebenen Lösungen bevorzugen Sie?

- Übergang von der Entscheidung für eine Lösung zu deren Durchführung

Jetzt, wo Sie sich für eine Lösung entscheiden haben, können Sie nun überlegen, welche Schritte Sie zu beachten haben, wenn Sie die Lösung umsetzen möchten.

Was müssen Sie beachten, wenn Sie die Lösung durchführen?

Im Folgenden soll auch diese Form des Gesprächs beispielhaft dargestellt werden. Herr und Frau M. sitzen am Abendbrottisch. Während Herr M. sonst sehr gesprächig ist, ist dies heute anders. Zudem isst er nicht viel:

Frau M: Mir fällt auf, dass Du heute so schweigsam bist und keinen Hunger hast.

Herr M blickt starr vor sich hin und sagt nichts.

Frau M: Wenn Du über etwas sprechen möchtest, das Dich bedrückt, höre ich Dir gerne zu.

Herr M. zögert einen Augenblick und sagt dann:

Der Schneider hat heute im gereizten Ton zu mir gesagt: Warum ist denn die Lohnstatistik immer noch nicht erstellt? Muss ich Sie denn immer erst daran erinnern?

Frau M: Der Chef hat Dich kritisiert.

Herr M: Ja sicher, was denkt der denn, was ich zu tun habe. Ich muss auch noch andere Sachen erledigen.

Frau M: Es ist schwierig für Dich, die Statistik frühzeitig zu erstellen und dabei andere Arbeiten nicht zu vernachlässigen?

Herr M: Ja.

Frau M: Was kannst Du machen, dass Du besser mit dieser Situation umgehen kannst?

Herr M schaut erstaunt:

Wie? Was meinst Du damit, besser mit der Situation umzugehen?

Frau M: Wie kannst Du die Kritik von Deinem Chef vermeiden und gleichzeitig die anderen Dinge, die Du als notwendig ansiehst, vernünftig erledigen?

Herr M: Ich könnte Überstunden machen. Ich könnte dem Schneider auch mittels der Aufstellung der von mir zu erledigenden Aufgaben verdeutlichen, dass ich die Statistik nicht früher erstellen kann und ihn dann bitten zu entscheiden, wie ich die Aufgaben erledigen soll. Ich könnte ihn auch fragen, ob bestimmte Aufgaben erst nach der Statistik erledigt werden sollen oder ob die Staudt mir nicht einige Aufgaben abnehmen kann.

Frau M: Dir sind jetzt spontan einige Lösungen eingefallen. Welche von diesen sind mit Nachteilen verbunden?

Herr M: Wenn ich dem Chef den Vorschlag mache, dass die Staudt mir helfen soll, dann denkt der, ich bin nicht belastbar und nicht der Richtige für den Job.

Frau M.: Also fällt diese Lösung heraus?

Herr M: Ja, und ich glaube, dass es auch nicht gut ist, wenn ich dem Chef sage: „Sagen Sie mir, in welcher Reihenfolge ich Arbeiten verrichten soll.“ Dann denkt der bestimmt, der ist noch nicht einmal in der Lage, Arbeiten hinsichtlich ihrer Priorität einzuschätzen.

Frau M: Dann bleiben zwei Lösungen übrig: Du machst Überstunden oder Du machst dem Chef Vorschläge, welche Arbeiten noch warten und nach der Lohnstatistikerstellung erst erbracht werden müssen.

Herr M: Ich sehe eigentlich nicht ein, warum ich Überstunden machen soll. Ich glaube, ich geh’ erst einmal zum Schneider und frage ihn, ob die Wärmestatistik nicht nach der Lohnstatistik erstellt werden kann.

Frau M: Da ergibt sich für Dich auch eine Möglichkeit des Gesprächs?

Herr M: Morgen ist der Schneider nicht da. Ich geh’ sofort übermorgen zu Arbeitsbeginn zu ihm.

(4) Anderen bei ihren Problemen helfen: Gesamtbetrachtung

Möchte ich anderen bei ihren Problemen helfen, so muss ich eine Abfolge von Schritten beachten:

- Zunächst muss ich anhand bestimmter Anzeichen erkennen, dass eine andere Person ein Problem hat.
- Mittels eines sogenannten Türöffners („Ich habe das Gefühl, dass Du ein Problem hast. Ist das so, und möchtest Du darüber sprechen?“) bringe ich in Erfahrung, ob meine Vermutung, dass ein Problem besteht, richtig ist und ob die Person möchte, dass ich ihr helfe.
- Beginnt der andere ein Gespräch, so höre ich zunächst nur passiv zu.
- Ist die Person sehr erregt, so gehe ich über zu Aktivem Zuhören, damit sie eine Gelegenheit erhält, ihre Emotionen auszudrücken, um sich dann ihrem Problem und seiner Lösung besser zuwenden zu können. Ist die Person hingegen nicht erregt, so höre ich auch aktiv zu.
- Führt das Aktive Zuhören dazu, dass eine Person zwar ihr Problem erkennt, jedoch nicht zu einer Lösung kommt, so gehe ich dazu über, mittels Fragen die Person durch die weiteren Stufen des Problemlösungsprozesses zu führen.

Ich habe ein Problem mit einem anderen (Bedürfnisbeeinträchtigung)

In diesem Abschnitt wird dargelegt, wie man dem Verhalten von anderen, das eine Bedürfnisbeeinträchtigung zur Folge hat, mittels einer bestimmten Botschaft befriedigend begegnen kann. Da auch der Umgang mit wertbeeinträchtigendem Verhalten von Dritten Thema dieser Arbeit ist, soll deshalb zunächst der Unterschied zwischen diesen beiden Beeinträchtigungsarten verdeutlicht werden.

(1) Bedürfnis- und Wertbeeinträchtigung

Verschiedene Verhaltensweisen von anderen Personen können für Sie unannehmbar sein:

- Ihr Ehepartner hält sich morgens lange im Badezimmer auf.
- Ihr Kind dreht die Lautstärke des Fernsehens voll auf.
- Ihr Lebenspartner trägt aus Ihrer Sicht die Haare ungepflegt.
- Ihre Tochter weigert sich, mit in die Kirche zu gehen.
- Ihre Nachbarin putzt nur sehr unregelmäßig die Treppe.
- Ihr Arbeitskollege raucht neuerdings am Arbeitsplatz.
- Ihre Freundin lässt Sie bei einer Verabredung häufiger länger warten.

Haben Sie Probleme mit dem Verhalten einer anderen Person, so ist das darauf zurückzuführen, dass mit diesem Verhalten eine Bedürfnis- oder Wertbeeinträchtigung einhergeht.

Bedürfnisbeeinträchtigungen

Bei der Klassifikation von Bedürfnissen wird gemeinhin zwischen physiologischen und psychischen Bedürfnissen unterschieden. Eine solche Unterteilung findet sich u. a. sowohl in der humanistischen Psychologie von Maslow als auch in der Motivationstheorie in Form einer Handlungstheorie. Ohne die Frage beantworten zu wollen, welche psychischen Bedürfnisse es im Einzelnen gibt, seien beispielhaft einige benannt, die von Dritten beeinträchtigt werden können:

- Herr Schmitz ist gekränkt darüber, dass sein Arbeitskollege ihn morgens nicht begrüßt (Missachtung).
- Frau Weiner „tut es weh“, dass ihr Mann immer so barsch mit ihr redet (mangelnde Zuneigung).

Im Rahmen eines Gordonschen partnerschaftlichen Beziehungskonzepts spielen derartige Deprivationen keine Rolle, da es bei Gordon um spürbare Beeinträchtigungen im Sinne von konkreten, d. h. objektiv wahrnehmbaren, negativen Folgen geht. Werden die vorgenannten Beeinträchtigungen im Gordon-Konzept auch nicht unter Bedürfnisbeeinträchtigungen eingeordnet, so lassen sie sich jedoch im Sinne von Wertbeeinträchtigungen interpretieren:

- Arbeitskollegen haben sich morgens zu grüßen.
- Man sollte wertschätzend miteinander umgehen.

Was sind nun spürbare Beeinträchtigungen, die ja von Bedeutung für die Gordonsche Bedürfnisdeprivation sind? Im Folgenden werden einige Beispiele dargestellt:

- So muss die Mutter die Diele und das Wohnzimmer noch einmal durchwischen, weil ihr Sohn, vom Spielplatz kommend, mit den schmutzigen Schuhen in die Wohnung gestürmt ist. Dadurch kann sie nicht ein Buch lesen, wie sie es vorhatte (mangelnde Freizeit).
- Die Ehefrau dreht den CD-Spieler sehr laut auf, obwohl ihr Mann zu Hause noch Arbeiten fürs Büro erledigen muss und so in seiner Konzentration gestört wird. Dadurch befürchtet er, Fehler zu machen und sich eine Rüge vom Chef einzuhandeln. Zudem muss er länger an seiner Arbeit sitzen (mangelnde Freizeit, berufliche Nachteile).
- Die Mutter ist müde und muss sich überwinden, noch einmal die Diele und das Wohnzimmer zu putzen, wo ihr Sohn gerade mit schmutzigen Schuhen durch die Wohnung gelaufen ist (Anstrengung).

Die Unterscheidung von spürbaren und nicht spürbaren Folgen im Sinne von objektiv wahrnehmbaren Auswirkungen eines Verhaltens ist (möglicherweise) nicht immer eindeutig zu treffen:

- Im Falle der Mutter, die die Wohnung noch einmal zum Teil durchwischen muss, ist die Folge einer geringeren Freizeit direkt wahrnehmbar: Wenn sie noch putzen muss, kann sie nicht gleichzeitig eine Zeitung oder ein Buch lesen.
- Die Müdigkeit der Mutter und die damit einhergehende Anstrengung beim Putzen der Wohnung sind hingegen interne Personenzustände, die über andere wahrnehmbare Sachverhalte erschlossen werden (Die Mutter hat vor der Hausarbeit schon halbtags gearbeitet und sich noch nicht ausgeruht als Anzeichen für Müdigkeit; Sie keucht und seufzt beim Putzen als Anzeichen für Anstrengung).

Wie weiter unten dargelegt wird, werden Bedürfnisbeeinträchtigungen mittels einer bestimmten Botschaft mitgeteilt. Letztendlich kommt es dann darauf an, dass eine vorgetragene Beeinträchtigung für eine andere Person verständlich, d. h. nachvollziehbar ist. Und das ist in der Regel eher gegeben, wenn die Folgen in irgend einer Form (ob direkt oder indirekt) wahrnehmbar sind. Ob ein Verhalten von einer Person als Bedürfnisbeeinträchtigung erlebt wird, ist abhängig von spezifischen Faktoren (Persönlichkeit, momentane Lebenssituation, aktuelle Befindlichkeit, unterschiedliche Bewertung von Personen), auf die schon weiter oben im Zusammenhang mit der Annehmbarkeit eines Verhaltens eingegangen wurde. Ergänzend soll hier nun noch eine weitere Einflussgröße, d. h. der materielle Wohlstand, benannt werden.In Abhängigkeit von einem bestimmten Einkommen werden bestimmte Verluste als Lappalie oder als schmerzhaft angesehen .

So muss sich eine Familie, die von Hartz 4 lebt, noch mehr einschränken, wenn der Mann häufiger in die Kneipe geht. Dieses ist nicht der Fall, wenn die Eheleute berufstätig sind und jeder für sich über ein ausreichendes Einkommen verfügt.

Wertbeeinträchtigungen

Werte drücken bestimmte Einstellungen hinsichtlich Ästhetik, Geschmack, Sitten oder Meinungen aus.

- Herr Albrecht ist gläubiger Christ und lehnt Abtreibung ab.
- Frau Winter schätzt es, wenn ihre Kinder sitzen bleiben, wenn Personen am Tisch noch essen und die Kinder nicht mit vollem Mund sprechen.
- Frau Zeitler ist der Meinung, dass ein Mann nur mit Anzug ins Konzert gehen sollte.

Wertbeeinträchtigungen liegen nun dann vor, wenn Personen eine Missachtung ihrer Einstellungen erleben:

- Die Tochter von Herrn Albrecht will abtreiben.
- Die Kinder von Frau Winter springen, nachdem sie gegessen haben, vom Tisch auf.
- Der Mann von Frau Zeitler will mit Jeans ins Konzert gehen.

Unterscheiden sich Personen darin, ob ein bestimmtes Verhalten eine Bedürfnisbeeinträchtigung nach sich zieht oder nicht, so gibt es ebenfalls individuelle Unterschiede hinsichtlich dessen, was als Wertbeeinträchtigung angesehen wird.

Für Frau Winter ist es nicht akzeptabel, wenn sie morgens im Büro nicht gegrüßt wird, hingegen stört dieses Frau Sommer nicht. Frau Winter hingegen stört es nicht, wenn ihr Sohn Thomas vom Tisch aufsteht, wenn noch nicht alle mit dem Essen fertig sind. Hingegen kann Frau Sommer dieses überhaupt nicht ausstehen.

Bedürfnis- oder Wertbeeinträchtigungen

Es lässt sich nicht per se sagen, ob das Verhalten eines anderen als bedürfnis- oder wertbeeinträchtigend erlebt wird. Das belegen die folgenden Beispiele:

- Dreht der Sohn die Musikanlage laut auf, so kann es sich um eine Bedürfnisbeeinträchtigung handeln, wenn die Mutter daraufhin Kopfschmerzen bekommt, hingegen um eine Wertbeeinträchtigung, wenn sie der Meinung ist, es gehört sich nicht, so einen Lärm in der Wohnung zu machen.
- Beteiligt sich der Ehemann nicht an der Hausarbeit, so kann dieses für eine Ehefrau eine Bedürfnisbeeinträchtigung sein, sofern sie berufstätig ist und deshalb weniger Freizeit hat, hingegen eine Wertbeeinträchtigung, wenn sie nicht berufstätig ist und gleichwohl der Meinung ist, dass Männer heutzutage im Haushalt helfen sollten.
- Wenn Ihr Arbeitskollege viel privat telefoniert, stellt dieses eine Bedürfnisbeeinträchtigung dar, wenn Sie für Ihre Tätigkeit eine hohe Aufmerksamkeit benötigen und Sie durch das laute Sprechen eine längere Zeit für die Tätigkeit erübrigen müssen, so dass Sie gezwungen sind, Überstunden zu machen. Hingegen ist dieses eine Wertbeeinträchtigung, wenn Sie der Meinung sind, dass das häufige private Telefonieren am Arbeitsplatz nicht richtig ist.

Einordnung des unannehmbaren Verhaltens nach der vorliegenden Beeinträchtigung

Sieht eine Person ein Verhalten als unannehmbar an, so muss sie zunächst einmal für sich abklären, woran das liegt: Ist es deshalb der Fall, weil ein oder mehrere Bedürfnisse beeinträchtigt werden oder weil das Verhalten einer bestimmten Ästhetik, dem Geschmack, der Sitte oder Meinung widerspricht? In einigen Situationen kann ein Verhalten darüber hinaus sowohl bedürfnis- als auch wertbeeinträchtigend sein. Es stellt sich dann die Frage, wie eine Person hiermit umgehen soll: Soll sie dem anderen mitteilen, dass sie gleichzeitig sowohl in einem ihrer Bedürfnisse als auch in einem ihrer Werte beeinträchtigt worden ist, oder soll sie nur eine Art der Beeinträchtigung mitteilen? Die Frage lässt sich beantworten, wenn man sich vor Augen führt, dass im Gordon-Modell mit Bedürfnisbeeinträchtigungen anders umgegangen wird als mit Wertbeeinträchtigungen. Dieses spricht dann dafür, für sich abzuklären, welche Beeinträchtigungsart man am liebsten abstellen möchte. Letztendlich läuft es dann darauf hinaus, dass man die Art der Beeinträchtigung zum Thema macht, unter der man am stärksten leidet.

(2) Interventionen hinsichtlich unannehmbarer Verhaltensweisen als Folge von Bedürfnisbeeinträchtigungen

Beruht unannehmbares Verhalten darauf, dass entweder eine Bedürfnis- oder aber Wertbeeinträchtigung vorliegt, so soll in diesem Abschnitt auf bedürfnisbeeinträchtigende Verhaltensweisen eingegangen werden. Es werden zunächst nicht angemessene Reaktionen auf Beeinträchtigungen vorgestellt, sodann angemessene.

Nicht angemessene Verhaltensweisen

Gordon (u. a. Gordon, „Die neue Beziehungskonferenz“, 2002, 105 f.) verweist auf Du-Botschaften, die im Zusammenhang mit dem Thema „der andere hat ein Problem“ schon mit Kommunikationssperren bezeichnet wurden. Derartige Botschaften sollen (ebenfalls) beispielhaft dargestellt werden.

Situation:

Ihr Sohn kommt wiederholt mit schmutzigen Schuhen vom Spielplatz und stürmt in die Wohnung, die Sie gerade geputzt haben. Hierauf können Sie in verschiedener Weise reagieren:

Eine Lösungsbotschaft setzen

befehlen:

„Jetzt zieh’ sofort Deine Schuhe aus!“

anweisen:

„Zieh’ Dir das nächst Mal Deine Schuhe draußen aus!“

drohen:

„Wenn Du das nächste Mal Deine Schuhe nicht draußen ausziehst, dann kannst Du Dich auf etwas gefasst machen!“

zureden:

„Zieh’ bitte Deine Schuhe aus.“

zuraten:

„Zieh’ Deine Schuhe aus. Dann bleibt der Fußboden sauber.“

moralisieren:

„Du musst Deine Schuhe ausziehen, wenn Deine Mutter es Dir sagt. Sonst bist Du ein ungezogenes Kind.“

Eine herabsetzende Botschaft senden

kritisieren:

„Ich habe Dir schon so oft gesagt, dass Du Deine Schuhe ausziehen sollst. Ich mache alles für Dich, und Du kannst mir nicht einmal einen kleinen Gefallen tun. Was bist Du nur für ein undankbares Kind!“

beschuldigen:

„Du machst mich völlig fertig mit Deiner Art!“

interpretieren:

„Du willst mich mit Deinem Verhalten nur provozieren!“

belehren:

„Warum ziehst Du nicht mal Deine Schuhe aus. Dann wird der Boden auch nicht dreckig.“

Eine indirekte Botschaft senden

sarkastisch sein:

„Vielen Dank dafür, dass ich den Fußboden wieder putzen darf!“

aufziehen:

„Bist Du etwa ein Zauberer, der bei schmutzigen Schuhen keine Abdrücke hinterlässt?“

Du-Botschaften übermitteln dem anderen nur indirekt Empfindungen, die mit seinem Verhalten einhergehen: So kann hinter einer Aussage wie „Du bist so rücksichtslos“ eine Empfindung stehen wie Enttäuschung oder Traurigkeit, Hilflosigkeit, Angst etc.

Welche Wirkungen haben nun Du-Botschaften aus der Sicht des Gordon-Modells? (u. a. Gordon, „Familienkonferenz“, 2000, 121ff)

- Lösungsbotschaften schränken die Freiheit eines Menschen ein, darüber zu bestimmen, wie er sein Verhalten ändern möchte. Er wehrt sich folglich dagegen.
- Herabsetzende Botschaften drücken einen Mangel an Respekt dem anderen gegenüber aus. Sie führen zu Schuldgefühlen und zu einem Verlust an Selbstachtung, ggfs. auch dazu, sich ungerecht behandelt zu fühlen. Dies hat ebenfalls Widerstand zur Folge.
- Indirekte Botschaften drücken einen Mangel an Offenheit aus, und sie können ebenfalls Wirkungen wie bei herabsetzenden Botschaften entfalten (u. a. Gordon, „Lehrer-Schüler-Konferenz“, 2000, 119 f.)

Da Gordon Du-Botschaften ablehnt, soll nun dargestellt werden, in welcher Weise Personen im partnerschaftlichen Beziehungsmodell auf unannehmbares Verhalten von anderen reagieren können.

Angemessene Verhaltensweisen: Die Konfrontierende Ich-Botschaft

Als erstes ist zu sagen, dass auf unannehmbares Verhalten ebenfalls mit einer Botschaft reagiert werden soll. Der Inhalt einer solchen Botschaft unterscheidet sich jedoch von den gerade thematisierten Du-Botschaften. Es soll zunächst dargelegt werden, welchen Kriterien eine solche Botschaft genügen muss:

Die hier als Kriterien für eine wünschenswerte Botschaft formulierten nachfolgenden Sachverhalte werden im Gordon-Familientraining als Auswirkungen der Ich-Botschaft behandelt (vgl. Hg. Breuer, Karlpeter: „Handbuch für Kursleiterinnen und Kursleiter im Gordon-Familientraining“ 1997, V, 13.

- Sie soll zu einer Verhaltensänderung motivieren.

Befehlen und Drohen motivieren zwar auch zu einer Verhaltensänderung, dies jedoch im Sinne der Vermeidung von Bestrafung. Hingegen ist hier von Motivierung auf der Grundlage der Selbstkontrolle die Rede.

- Die Selbstachtung des anderen soll erhalten bleiben.

Dies ist nicht der Fall, wenn andere beschämt, kritisiert, moralisiert oder beschuldigt werden.

- Der andere soll die Möglichkeit erhalten, selbst zur Problemlösung beizutragen.

Dies ist nicht der Fall, wenn befohlen oder gedroht wird.

- Die Beziehung soll nicht beeinträchtigt werden.

Eine Beeinträchtigung findet statt durch unterschiedliche Formen von Du-Botschaften.

Im Gordon-Modell wird davon ausgegangen, dass eine Botschaft mit den nachfolgenden Merkmalen die zuvor genannten Kriterien erfüllt (Gordon, „Die neue Beziehungskonferenz“, 2002, 97ff; Adams, Lenz: Beziehungskonferenz, 2001, 125ff).

Zunächst wird dem anderen mitgeteilt, was mich stört. Damit wird auf das unannehmbare Verhalten Bezug genommen. Es wird unterschieden zwischen einer Verhaltensbeschreibung und Urteilen über ein Verhalten. Letzteres ist zu vermeiden. Ein Verhalten zu beschreiben beinhaltet, diesem keine weiteren Bedeutungen zuzuweisen, als das, was sich beobachten lässt. Eine Verhaltensbeschreibung lässt sich dann von einer Beurteilung dadurch abgrenzen, dass bei letzterer über die Beobachtung hinausgehende Feststellungen getroffen werden.

Ein Beispiel:

Statt dass eine Mutter zu ihrer Tochter sagt: „Ich finde Deine Wäsche in Deinem Zimmer auf dem Boden und dem Bett, im Wohnzimmer auf dem Sofa und in den Sesseln“, spricht sie zu ihr: „Du bist unordentlich.“

Unordentlich sein stellt ein Urteil dar, das aus einem Verhalten geschlussfolgert wird und das auf Widerspruch derjenigen Person stoßen kann, die so bezeichnet wird. Sie sagt dann womöglich: „Ich bin ja gar nicht unordentlich.“ Die Folge ist, dass eine Auseinandersetzung darüber stattfindet, ob nun Unordentlichkeit vorliegt oder nicht. Die Mutter dringt so mit ihrem eigentlichen Anliegen, das Verhalten der Tochter abstellen zu wollen, nicht durch: Die Tochter schaltet auf stur. Urteile beinhalten eine Etikettierung von Personen. Während Personen gegen (präzise und korrekte) Verhaltensbeschreibungen kaum etwas einwenden, ist dieses anders bei Etikettierungen: Gegen negative Eigenschaftszuschreibungen wehrt man sich zunächst, ggfs. wird eine solche Umweltzuschreibung später als Teil der eigenen Identität übernommen und fördert dann abweichendes Verhalten (vgl. in diesem Sinne Aussagen des labeling approachs, einer Kriminalitätstheorie).

Das unannehmbare Verhalten kann auch übertrieben dargestellt werden. Übertreibungen finden statt, wenn in Aussagen „nie“ und „immer“ verwendet werden.

- „Nie räumst Du Dein Zimmer auf.“
- „Immer bist Du unpünktlich.“

Statt dessen ist es besser zu sagen:

- „Die letzten zwei Wochen habe ich in Deinem Zimmer sechsmal Kleidungsstücke vom Boden aufgehoben.“
- „Von den letzten fünf Verabredungen bist Du dreimal mindestens eine viertel Stunde zu spät gekommen.“

Übertreibungen begünstigen ebenfalls eine mangelnde Bereitschaft, ein unannehmbares Verhalten abzustellen: Das weitere Gespräch wird dann hauptsächlich darum geführt, ob die Aussagen „immer“ und „nie“ tatsächlich zutreffen.

Als Zweites wird auf spürbare Beeinträchtigungen hingewiesen als Folge des Verhaltens. Spürbare negative Folgen lassen sich untergliedern in verschiedene Beeinträchtigungsarten, wovon einige beispielhaft dargestellt werden:

- Mangelnde Freizeit

Unannehmbare Verhaltensweisen Dritter führen häufig dazu, dass durch sie Tätigkeiten ausgeübt werden müssen, die zu weniger Freizeit führen.

Beispiel:

Die Wohnung muss noch einmal geputzt werden. Dadurch ist keine Zeit mehr für das Lesen eines Buchs.

- Anstrengung

Tätigkeiten, die als Folge des Auftretens einer negativ bewerteten Verhaltensweise verrichtet werden müssen, können mit Anstrengung verbunden sein oder aus anderen Gründen als unangenehm erlebt werden.

Beispiel:

Das Putzen wird als anstrengend erlebt, ebenso wie das Tragen von schweren Einkaufstaschen.

- Zerstören von Gegenständen

Bestimmte Verhaltensweisen können zur Folge haben, dass Gegenstände zerstört werden, an denen man hängt, oder, wenn diese ersetzt werden, dass dann andere Dinge, die man gerne haben würde, nicht gekauft werden können.

Beispiel:

Beim Herumrennen im Wohnzimmer stößt Sven eine wertvolle Vase um, die dadurch zerbricht. Die Vase gehörte den Eltern von Frau W., die deshalb traurig über den Verlust ist. Ein Ersatz dieser Vase führt darüber hinaus dazu, dass eine andere geplante Anschaffung erst einmal zurückgestellt werden muss.

- Körperliche Beeinträchtigung

Sehr häufig sind Verhaltensweisen unangenehm, weil sie die körperliche Befindlichkeit beeinträchtigen.

Beispiele:

Kopfschmerzen aufgrund starken Lärms von der Musikanlage des Ehemannes; ein bestimmter unausstehlicher Geruch als Folge eines verbrannten Essens der Ehefrau (Brechreiz); eine Stauchung des Knöchels als Folge des Herumliegens von Gegenständen; die Reinigung der Toilette, die der Sohn nicht sauber hinterlassen hat, erfolgt mit Ekelgefühlen (Brechreiz).

- allgemein: Verhinderung von Bedürfnisbefriedigung

Beispiel:

Die Mutter möchte ein spannendes Buch lesen und wird gestört durch laute Musik ihres Sohnes.

Sind gerade unterschiedliche spürbare negative Folgen genannt worden, so kann eine Ich-Botschaft auch Folgen enthalten, die nicht den hier angesprochenen entsprechen:

- Die ein unannehmbares Verhalten erleidende Person kündigt hierfür Bestrafung an.

Die Person geht hier nicht auf die eigene Beeinträchtigung ein, sondern benennt Konsequenzen, die sie aus dem Verhalten des anderen zieht.

Beispiel:

Die Mutter sagt zu Jürgen: „Da Du das Fernsehen so laut aufgedrehst hast, darfst Du heute nicht zum Fußballspielen gehen.“

Eine Person kann auch neben der Mitteilung über für sie spürbare negative Folgen zusätzlich Konsequenzen ankündigen:

Beispiel:

So sagt Jürgens Mutter: „Du hast das Fernsehen so laut aufgedreht, dass ich es bis in die Küche gut hören konnte. Deshalb konnte ich die Zeitung nicht lesen. Du darfst deshalb heute nicht zum Fußballspielen.“

- Eine Person verweist auf Beeinträchtigungen für andere.

Führt eine Person ein unannehmbares Verhalten aus, so kann eine andere auf Beeinträchtigungen für Dritte verweisen, anstatt eigene Folgen zu benennen.

Beispiel:

Jürgen dreht das Fernsehen so laut auf, dass seine Mutter beim Lesen gestört wird. Sie spricht dieses jedoch nicht Jürgen gegenüber an, sondern verweist auf den ebenfalls anwesenden Vater, der bei Büroarbeiten gestört würde.

Im Gordon-Beziehungsmodell soll jede Person, die sich beeinträchtigt fühlt, nur für sich selbst sprechen.

Im vorliegenden Beispiel wäre es dann an der Mutter, nur auf ihre eigene Beeinträchtigung zu verweisen. Darüber hinaus müsste der Vater selbst mit dem Sohn sprechen, wenn er sich bei seiner Büroarbeit beeinträchtigt fühlt.

- Die beeinträchtigte Person bewertet das Verhalten des anderen negativ.

Eine Person kann ein Verhalten zwar exakt beschreiben, aber der Beschreibung eine moralische Bewertung nachfolgen lassen.

Beispiel:

Die Mutter sagt zu Jürgen, wenn er das Fernsehen so laut aufdrehe, dann sei das rücksichtslos.



Tausende von E-Books und Hörbücher

Ihre Zahl wächst ständig und Sie haben eine Fixpreisgarantie.