Mitternacht in Manhattan - Sarah Morgan - E-Book
SONDERANGEBOT

Mitternacht in Manhattan E-Book

Sarah Morgan

0,0
1,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Wie alles begann... Die Vorgeschichte zu Sarah Morgans Manhattan-Serie. Tagsüber ist Matilda eine schüchterne Kellnerin. Nachts erfindet sie Geschichten über eine mutige Frau, die ihren Traum lebt. Matilda dagegen scheint nichts zu gelingen. Nachdem sie ein Dutzend Partygäste versehentlich mit Champagner bespritzt hat, wird sie zu ihrer Verzweiflung auch noch entlassen. Doch als sie auf den charmanten Millionär Chase Adams trifft, sieht sie ihre Chance gekommen: Sie schlüpft in die Rolle ihrer Romanheldin und verbringt eine traumhafte Nacht an seiner Seite. Kann ein mitternächtlicher Ausflug zu Tiffany's ihren größten Traum vielleicht wahr werden lassen?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 134

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



MIRA® TASCHENBUCH

Copyright © 2017 by MIRA Taschenbuch in der HarperCollins Germany GmbH

Titel der englischen Originalausgabe: Midnight at Tiffany's Copyright © 2015 by Sarah Morgan

Covergestaltung: büropecher, Köln Coverabbildung: Harlequin Books S.A., DRogatnev / Shutterstock Redaktion: Eva Wallbaum

ISBN E-Book 9783955767822

www.harpercollins.de Werden Sie Fan von MIRA Taschenbuch auf Facebook!

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

1. KAPITEL

„Ein Glas Champagner?“

Matilda bahnte sich einen Weg durch die glamouröse Menge, während sie versuchte, ihr Tablett gerade zu halten. Dabei ermahnte sie sich, nicht zu der funkelnden Skyline von Manhattan hinüberzuschauen. Es würde sie ablenken, und sie durfte sich nicht ablenken lassen. Das Letzte, was sie heute Abend gebrauchen konnte, war ein weiterer Gast, der sich Champagner von der teuren Kleidung wischen musste. Ihre Chefin hatte sie schon nach dem letzten Missgeschick scharf ermahnt. Und obwohl dieses Desaster – rein technisch gesehen – nicht ihre Schuld gewesen war, würde sie beim nächsten Vorfall dieser Art gefeuert werden, so viel war klar. Also hatte beschlossen, jetzt genau das zu tun, was ihr gesagt wurde: sich völlig unauffällig zu verhalten. Was ihr nicht weiter schwerfallen sollte, schließlich war es ihre große Spezialität.

In einer Welt, in der extrovertiertes Verhalten geschätzt wurde, war sie schon immer introvertiert gewesen. Ihr gesamtes Leben hatte sie damit verbracht, sich möglichst unsichtbar zu machen. Zuerst auf dem Schulhof, wo sie sich hinter Büchern versteckt hatte, die von anderen verfasst worden waren. Und später auf dem College, wo sie begonnen hatte, selbst zu schreiben. Sobald sie sich eine Geschichte ausdachte, verschwand sie in ihrer Fantasiewelt, wurde eins mit ihren Heldinnen, denen sie immer die allerbesten Eigenschaften verlieh. Genauer gesagt: Sie verlieh ihnen exakt die Eigenschaften, die sie selbst so gern besessen hätte. Ihre Heldinnen waren mutig. Sie konnten problemlos mit fremden Menschen reden. Und vor allem besaßen sie ein ganz hervorragendes Koordinationsvermögen.

Ihre neueste Erfindung war Lara Striker. Lara stammte aus einer Kleinstadt, in die sie nun endlich zurückkehren würde. Bei den Bewohnern des Städtchens sorgte das allerdings für einige Aufregung. Denn Lara eilte der Ruf voraus, ein Bad Girl zu sein.

Matilda starrte auf die Gäste des Events, ohne sie wirklich wahrzunehmen. Ihre Gedanken gingen sich in eine ganz andere Richtung.

Wie es sich wohl anfühlte, ein Bad Girl zu sein? Eine Frau, die Abenteuer liebte, wilde Affären mit Männern hatte und die exotischsten Länder kannte? Eine Frau zu sein, die nur den Raum betreten musste, damit alle flüsterten: „Das ist sie.“

„Matilda?! Matilda!“

Sie blinzelte und kehrte unsanft in die Realität zurück.

Es gab nur eine Person, die in einem so ätzenden Tonfall mit anderen Menschen sprach. Cynthia. Ihre Chefin in der Event-Agentur.

Die Frau, die ihr das Leben zur Hölle machte.

Matilda umklammerte das Tablett fester.

Über Cynthias Schulter hinweg konnte sie ihre Kollegin Eva erkennen, die eine Grimasse zog und mit den Händen eine Haifischflosse imitierte. Matilda fühlte sich sofort ein wenig aufgeheitert.

Sie richtete den Blick zurück auf Cynthia. Ihre Chefin hatte wieder das berüchtigte Lächeln aufgesetzt, das sie bei jedem Event zur Schau trug – gemeinsam mit ihrem Business-Kostüm. Das Lächeln saß auf Cynthias Gesicht wie ein Fremdkörper und erreichte niemals ihre Augen.

Das hier, schoss es Matilda durch den Kopf, war die Realität. Das echte Leben, in dem sie leider kein Bad Girl war. Ja, okay – ab und zu dachte sie ein paar sehr böse Dinge über Cynthia. Aber das war auch schon alles.

„Konzentriere dich“, zischte ihr Cynthia zwischen zusammengebissenen Zähnen zu. „Du bist hier, um zu arbeiten. Ich bezahle dich nicht dafür, dass du herumstehst und in der Gegend herumstarrst.“

Lara Striker hätte jetzt ausgeholt und Cynthia mit einem linken Haken das falsche Lächeln aus dem Gesicht geschlagen. Dann hätte Lara sich abgewandt, stolz darauf, der langen Liste ihrer Verbrechen ein weiteres hinzugefügt zu haben.

Matilda dagegen nickte nur stumm.

In der Welt der Fantasie war es möglich, der eigenen Chefin einen linken Haken zu verpassen und damit durchzukommen.

Im echten Leben führte so eine Aktion leider dazu, dass man den Job verlor. Was bedeutete, dass man sich sieben Tage pro Woche von Tütensuppen ernähren musste, anstatt nur vier Tage. Das waren eben die Fakten, dachte Matilda. Und wenigstens erlaubte ihr dieser Job, weiterhin Geschichten zu schreiben.

Ihre Kollegin Eva stand noch immer hinter Cynthia. Jetzt formte sie einige Worte mit den Lippen. Matilda konnte nicht erkennen, was genau Eva sagte. Aber es war tröstlich zu wissen, dass jemand ihr beistand.

Abgesehen von Cynthia war das ganze Team von Star Events großartig. Das war ein weiteres Argument dafür, dass diese Idee mit dem linken Haken vielleicht doch nicht so gut war. Sie liebte es, mit Eva, Frankie und Paige, der Leiterin ihres Teams, zusammenzuarbeiten. Deshalb durfte sie ihren Job nicht aufs Spiel setzen. Sobald Cynthia die Agentur verließ, hatten sie sehr viel Spaß. Vor allem aber hatte Matilda zum ersten Mal im Leben das Gefühl wirklich dazuzugehören. Nicht zu der Agentur, aber zu der Gruppe von Frauen, die ihre Kolleginnen waren. Und ihre Freundinnen, rief sie sich ins Gedächtnis. Es fiel ihr schwer, auf andere Menschen zuzugehen – gerade deshalb war diese Freundschaft kostbarer für sie als alle Juwelen, die hier auf dem Event zu sehen waren.

„Mir ist klar, dass heute Abend einige sehr berühmte Persönlichkeiten anwesend sind.“ Cynthia schaffte es zu sprechen und gleichzeitig weiterzulächeln. „Aber damit musst du umgehen können – und zwar auf professionelle Weise. Ich habe dich nicht mitgenommen, damit du mit offenem Mund herumstehst wie ein Goldfisch.“

Lara Striker hätte Cynthia erklärt, wohin sie sich ihren Goldfisch stecken konnte.

Matilda jedoch nickte nur, ohne irgendetwas zu erwidern. Die Erfahrung hatte sie gelehrt, dass man einer Chefin wie ihrer einfach schweigend zustimmen musste – ganz egal, was sie mal wieder sagte. Denn es gab nur eine Methode, die sicherstellte, dass man den Job bei Star Events nicht verlor. Und diese Methode bestand darin, unterhalb von Cynthias Radar zu fliegen. Was gar kein schlechtes Bild war, dachte Matilda. Vielleicht konnte sie daraus sogar eine neue Geschichte entwickeln. Vor ihrem inneren Auge erschien ein Bild von ihr selbst: Unbemerkt von allen anderen flog sie in einem Tarnkappenflugzeug durch das Leben. Schade war nur, dass sie dabei brav auf dem Passagiersitz saß. Denn Lara Striker wäre natürlich die Pilotin gewesen und hätte das Flugzeug höchstpersönlich gesteuert – mit enormer Ruhe und Konzentration.

„Ich bin stehengeblieben, weil ich dann das Tablett gerade halten kann, Cynthia.“ Ihre motorischen Probleme qualifizierten sie nicht wirklich für den Job als Kellnerin, den sie bei diesem Event ausübte. Trotzdem hatte sie sich sofort bereiterklärt, die Aufgabe zu übernehmen. Denn dadurch konnte sie die Menschen beobachten, die heute Abend hier versammelt waren – und zwar völlig ungestört. Verborgen hinter einem Schutzwall aus Champagnergläsern konnte sie alles genau verfolgen, ohne sich direkt ins Geschehen einmischen zu müssen.

Wer waren diese Leute? Welche Geheimnisse lauerten unter den Seidenhemden, den Samtkleidern und den vielen teuren Juwelen? Was geschah, wenn diese perfekt gestylten Menschen irgendwann nach Hause kamen und die Masken absetzten, die sie bei gesellschaftlichen Anlässen trugen?

Matilda liebte es, über solche Fragen nachzudenken. Das war der Grund, warum sie diesen Job angenommen hatte.

Das, und die Tatsache, dass sie dadurch Zutritt zu der geheimnisvollen Welt der New Yorker High Society bekam. Ihre Arbeit führte sie an Orte, die sie sonst niemals kennengelernt hätte.

Wie zum Beispiel heute Abend.

Die Dachterrasse, auf der das Event stattfand, bot einen atemberaubenden Blick über Manhattan. Von hier oben aus betrachtet, waren die breiten Straßen nur noch schmale, glitzernde Bänder. Der Lärm der Stadt hatte sich in ein leises Rauschen verwandelt. Selbst die schwüle New Yorker Sommerhitze, die in wenigen Wochen ihren Höhepunkt erreichen würde, wurde durch eine leichte Brise äußerst erträglich gemacht. Überall auf der Terrasse waren winzige Lichter angebracht. Das Funkeln erinnerte an die Schaufenster bei Tiffany’s – auch wenn es weitaus intensiver war. Leuchtende Schnüre schlängelten sich durch die Pflanzen, die das Dach in einen Garten verwandelten. Über ihnen am Himmel waren die Sterne zu sehen, die aber fast ein wenig matt im Vergleich zu dem Lichtermeer unter ihnen wirkten. Nachts glich New York einer einzigen großen Party. Die Stadt der Träume.

Es waren die Träume anderer Menschen, die hier wahr wurden. Aber das störte Matilda nicht. Ihr eigenes Leben bestand vor allem aus viel harter Arbeit, für die sie selten irgendeine Art von Lob erhielt. Doch das war nun mal die Realität, daran ließ sich nichts ändern. Sie hatte auch gar nicht das Bedürfnis, das zu tun. Schließlich lebte sie sowieso die meiste Zeit in ihrer Fantasiewelt.

Sie unterdrückte ein Seufzen. Am liebsten wäre sie noch stundenlang ganz still hier stehengeblieben und hätte diesen Anblick in sich aufgesogen. Aber vermutlich würde das Cynthia nicht gefallen. Wenn sie ihren Job nicht verlieren wollte, musste sie sich schleunigst wieder in Bewegung setzen.

Bevor sie den Arbeitsvertrag unterschrieben hatte, war sie gewarnt worden, dass Star Events als sehr rücksichtslose Firma galt – vor allem, was den Umgang mit den eigenen Angestellten betraf. Inzwischen wusste sie, dass das stimmte. Dazu kamen noch die schwierige ökonomische Situation und die Tatsache, dass es viele Frauen gab, die davon träumten, in einer erfolgreichen Event-Agentur zu arbeiten. Alles in allem stand sie deshalb vor der Wahl: Entweder sie erfüllte sämtliche Forderungen, die Cynthia an sie stellte. Oder sie fand sich auf der Straße wieder.

Und wenn es eines gab, was sie sich definitiv nicht leisten konnte, dann war es, ihren Job zu verlieren.

Unwillkürlich drückte Matilda bei diesem Gedanken ihr Tablett enger an sich.

„Ich gebe mein Bestes. Wirklich, Cynthia.“

„Das möchte ich doch schwer hoffen! Der heutige Abend ist sehr wichtig für Star Events. Es ist bereits die zweite Veranstaltung, die wir für die Adams Construction Group ausrichten. Das katapultiert uns in eine neue Liga. Wir müssen den Kunden begeistern! Er muss absolut hingerissen von uns sein. Denn Erfolg führt zu mehr Erfolg. Und dieser Klient wird in einem Jahr mehr wert sein, als all unsere anderen Kunden zusammen. Außerdem werde ich Chase Adams heute Abend zum ersten Mal persönlich gegenübertreten. Hast du den Artikel im Forbes Magazine über ihn gelesen? ‚Der Mann, der alles hat.‘ Er ist reicher als König Midas.“ Cynthia senkte ehrfurchtsvoll die Stimme. „Und er befindet sich irgendwo hier. Mitten unter uns.“

Vermutlich hatte er sich hinter einem Vorhang versteckt, um in Ruhe seine Millionen zu zählen, dachte Matilda spöttisch. Ob Cynthia wohl wusste, dass die Geschichte von Midas ein tragisches Ende genommen hatte? Denn alles, was er berührt hatte, war zu Gold geworden. Nur hatte Midas dann leider feststellen müssen, dass man Gold nicht essen konnte. Hoffentlich erging es Chase Adams nicht ebenso.

Sie erzählte Cynthia nicht, dass sie ebenfalls plante, heute mit dem Millionär zu sprechen. Wobei sie etwas ganz anderes mit ihm bereden wollte als ihre Chefin.

Chase Adams sammelte Bücher – wertvolle Erstausgaben, um genau zu sein. Er besaß sogar eine eigene Bibliothek in einem seiner Häuser. Sie hatte die Fotos im Internet gesehen und die Regale aus dunklem Eichenholz bewundert, in denen sich Buchrücken an Buchrücken reihte. Und hinter jedem davon verbarg sich eine neue, unentdeckte Geschichte. Es musste wunderbar sein, so viele Bücher zu besitzen!

Sie selbst war von einer eigenen Bibliothek leider meilenweit entfernt. Sobald sie auch nur zwei neue Taschenbücher in ihre winzige Wohnung mitbrachte, musste sie etwas anderes wegwerfen, um Raum zu schaffen.

Aber, egal. Der Grund, warum sie heute Abend Chase Adams treffen wollte, war sowieso nicht seine Bibliothek. Worum es ging, war sein Bruder. Brett Adams leitete einen kleinen, erfolgreichen Verlag. Schon seit Jahren träumte Matilda davon, eines ihrer Bücher dort zu veröffentlichen. Der bloße Gedanke an ihr Vorhaben brachte sie zum Zittern. Aber inzwischen war sie verzweifelt genug, um ihre Scheu vor fremden Menschen soweit zu bekämpfen, dass sie Chase Adams heute Abend ansprechen konnte. Jedenfalls hoffte sie das.

Um sich Mut zu machen, dachte sie an ihre Mutter.

Lass nie zu, dass die Angst dich von deinen Träumen abhält.

Matilda hob den Kopf und reckte das Kinn vor.

Sie hatte einen USB-Stick in der Tasche. Zudem befand sich eine ausgedruckte Version ihres Manuskripts in der Tüte, die sie in der Umkleide verstaut hatte.

„Ich hoffe, dass du ihn findest, Cynthia. Und dass er Star Events weiterhin viele Aufträge gibt.“ Fast hätte sie noch hinzugefügt, dass es vielleicht nicht besonders klug war, die Zukunft der Agentur von einem einzigen Kunden abhängig zu machen. Aber sie verbiss sich die Bemerkung im letzten Moment.

Lara Striker hätte das natürlich niemals getan. Sie hätte Cynthia völlig unverblümt die Meinung gesagt. Aber Lara hatte vor nichts und niemand Angst. Nicht einmal vor einem Mann, der so reich war, dass er eine eigene Bibliothek besaß.

Matildas Gedanken begannen, sich selbständig zu machen: Lara gehörte zu ihren absoluten Lieblingsfiguren. Aber vielleicht sollte sie sie noch weiter ausarbeiten? Wie wäre es, wenn Lara beispielsweise ein paar übernatürliche Fähigkeiten hätte? Oder – ganz im Gegenteil – wenn sie noch einige Schwächen hätte, die sie menschlicher wirken ließen? Zum Beispiel könnte sie etwas tollpatschig sein. Nein, korrigierte Matilda sich im nächsten Moment. Tollpatschigkeit gehörte zu jenen Eigenschaften, die sie nicht mal ihrer schlimmsten Feindin andichten würde.

Apropos schlimmste Feindin: Sie blickte auf und bemerkte, dass Cynthia sie mit gerunzelter Stirn betrachtete. „Stimmt etwas nicht?“, fragte sie nervös.

„Dein Rock! Was zum Teufel ist mit deinem Rock passiert?“

Alarmiert blickte Matilda an sich hinab. Aber ihr Rock sah noch immer genauso aus wie vor ein paar Stunden, als sie ihn in ihrem beengten Apartment übergestreift hatte. Star Events schrieb den Mitarbeiterinnen vor, was sie bei offiziellen Anlässen zu tragen hatten. Aber der Vorteil dieser ‚Uniform‘ bestand darin, dass sie komplett schwarz war. In ihrer schwarzen Bluse und dem schwarzen Rock unterschied sich Matilda daher nicht von den Kellnerinnen, die heute Abend für das Wohl der Gäste zu sorgen hatten. Na ja – abgesehen von der Tatsache, dass sie etwas größer und ungeschickter als ihre Kolleginnen war.

„Was ist denn mit meinem Rock?“

„Er ist wesentlich kürzer als vorgeschrieben. Du weißt doch, dass es verboten ist, den Rock hochzuziehen.“

Dieselbe Szene hatte sich schon hundertmal in ihrem Leben abgespielt. Aber das machte es auch nicht angenehmer.

Da sie mit beiden Händen das Tablett festhalten musste, konnte Matilda nicht mal den Saum herunterziehen. „Der Rock hat die vorgeschriebene Länge, Cynthia. Es ist nur so, dass ich sehr lange Beine habe. Normalerweise trage ich deswegen flachere Absätze. Das gleicht es dann wieder aus.“

In der Schule hatten die anderen sie ‚Giraffe‘ genannt. Irgendwann hatte sie daher begonnen, sich hinzusetzen, wann immer es möglich war, um nicht durch ihre bloße Größe den Spott auf sich zu ziehen. Sobald sie dann saß, hatte sie eilig nach einem Buch gegriffen und sich darin vertieft. Denn in Büchern kamen nie die Dinge vor, die schüchternen, schlaksigen Teenager-Mädchen im echten Leben zustießen.

„Das ist ja kaum noch anständig zu nennen. Du musst sofort etwas dagegen tun.“

„Gegen meine Beine?“ Matilda war ehrlich verblüfft. „Die sind … ähm … leider an mir festgewachsen.“

Lara Striker hätte gewusst, wozu man lange Beine verwenden konnte. Sie hätte nämlich eines dieser Beine angehoben und Cynthia einen Tritt verpasst – und zwar nach allerfeinster Kampfsportart. Bevor Cynthia auch nur den Hauch einer Chance gehabt hätte, ihr Gleichgewicht wiederzuerlangen, hätte Lara sie gegen die nächste Wand gepresst und ihr nachdrücklich erläutert, dass sie in Zukunft nie wieder Kritik an den Körpern fremder Menschen üben würde.

Matilda entschied sich für einen anderen Lösungsweg. Sie versuchte, sich kleiner zu machen, indem sie sich zusammenkrümmte. Die Haltung war sehr unvorteilhaft, das war ihr klar. Denn dadurch musste sie ihren Po herausstrecken. Aber was sollte sie sonst tun?

In ihren Geschichten hatten die Heldinnen immer eine ganz normale Größe. Und zierlich waren sie auch. Daher kannten sie solche Probleme nicht.

Cynthias Lächeln verschwand für einen Moment. „Beim nächsten Event trägst du gefälligst einen längeren Rock. Und wenn du heute Abend Chase Adams über den Weg läufst, dann sprich ihn nicht an. Verstanden? Außerdem möchte ich dir nicht raten, Champagner über ihn zu schütten. Okay, du wirst dich jetzt unauffällig nach ihm umsehen, und sobald du ihn entdeckt hast, gibst du mir ein Zeichen.“ Cynthia wandte sich ab und stolzierte davon.