Model zu haben ? - Martin M. Falken - E-Book

Model zu haben ? E-Book

Martin M. Falken

3,0

Beschreibung

'Seit Monaten keinen Sex mehr gehabt!', denkt sich der Student Fabian, der mit seinen beiden Freunden Jamal und Saskia eine 'Queer-Wohngemeinschaft' in Köln teilt. Von einer Beziehung wagt der frustrierte Fabian erst gar nicht zu träumen. Kaum erfährt Fabian von dem Einzug eines neuen Nachbarn, sammelt er Infos über den Neuzugang, der den außergewöhnlichen Namen Jakob Clayton trägt, Ende zwanzig ist und nebenberuflich als Model arbeitete.An einem sehr heißen Sonntagmorgen begegnet Fabian erstmals Jakob und verliebt sich Hals über Kopf in ihn. Seine Erwartungen werden weit übertroffen, denn der neue Nachbar versteht mit seinen Reizen zu spielen. Während Saskia und Jamal ihre Ferienreise vorbereiten, versucht Fabian sich dem neuen Nachbarn anzu-nähern und bietet trotz seiner zwei linken Hände seine Hilfe bei den anstehenden Renovierungsarbeiten an. Dabei erfährt Fabian, dass Jakob auch schwul ist und lädt ihn auf ihren bevorstehenden, kleinen Trip Richtung Norddeutschland ein. Eine heitere und spritzige Sommerreise beginnt, auf der der schüchterne Fabian Jakob mit jedem Tag näher zu kommen versucht, sei es im Auto, im Zug, auf der Raststätte oder im Freizeitpark. Er versucht sich mehr vergeblich als erfolgreich in der Kunst des Flirtens. Die Nähe Jakobs, seine leichte Bekleidung und sein Charme treiben den verliebten Fabian fast in den Wahnsinn. Peinliche Situationen sind die Folge und auch Saskia und Jamal machen ihrem Mitbewohner die Eroberung Jakobs schwer, indem sie Fabian allzu gerne in Gegenwart seines Lovers bloßstellen. Er ist aber fest entschlossen, dem attraktiven Mann seine Liebe zu gestehen, wäre da nicht die große Angst vor dem entscheidenden Schritt ...

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Martin M. Falken

Model zu haben ?

Von Martin M. Falken bisher erschienen:

Zusammenstöße ISBN print 9783863611729

Unter Beobachtung ISBN print 9783863612696

Schatten eines Engels ISBN print 9783863612818

Himmelstürmer Verlag, Kirchenweg 12, 20099 Hamburg,

Himmelstürmer is part of Production House GmbH

www.himmelstuermer.de

E-mail: [email protected], September 2013

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages

Rechtschreibung nach Duden, 24. Auflage

Coverfoto: Coverfoto:© istock.de

Das Model auf dem Coverfoto steht in keinen Zusammenhang mit dem Inhalt des Buches und der Inhalt des Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Models aus.

Umschlaggestaltung: Olaf Welling, Grafik-Designer AGD, Hamburg.www.olafwelling.deISBN print 978-3-86361-328-0 ISBN epub 978-3-86361-329-7 ISBN pdf: 978-3-86361-330-3

Die Handlung und alle Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten mit realen Personen wären rein zufällig.

Beim Streicheln einer Paprika

Freitagnachmittag und Semesterferien! Endlich! Kaum war ich nach meinem letzten Seminar in meiner Wohnung angekommen, verstaute ich meinen Rucksack unter meinem Bett. Da ich gut gelaunt war, wollte ich für meinen tunesischen Mitbewohner Jamal kochen. Und natürlich auch für Saskia. Wo war sie eigentlich? Sie müsste längst hier sein. Jamal müsste wegen seines Blockseminars am späten Nachmittag wieder da sein. Schon seltsam, dachte ich, dass der Student für Kommunikationswissenschaften so viele Blockseminare an Freitagen hatte … Oft erwischte ich mich dabei, dass ich ihm insgeheim unterstellte, dass er in den jungen rothaarigen, temperamentvollen Dozenten, der seine Promotion noch nicht abgeschlossen hatte, verliebt war. Auffällig genug war es, dass er nunmehr sechs Seminare bei ihm besucht hatte, obgleich es genügend Alternativen mit weiblichen Lehrenden gab.

Ach, Unsinn war das, ich durfte nicht immer von mir auf andere schließen. Ich gehörte zu den Studenten der Literaturwissenschaften, die sich immer die Seminare mit den jüngsten männlichen Dozenten aussuchten. Nicht alle von ihnen erfüllten das Klischee, eine Designer-Brille zu tragen. Aber an dem Gerücht, dass sie mit dicken Romanen unterm Arm rumlaufen, die mit hunderten von kleinen Klebezetteln zwischen den Seiten bunt bespickt sind, stimmt schon. Na ja, bislang fand ich nur einen Junior-Professor süß. Was wollte ich jetzt machen? Kochen. Ich entschied mich, etwas Asiatisches zu kochen, süß-sauer.

Ich, Fabian, genoss die Abende, an denen ich mit meinem Mitbewohner Jamal in Ruhe plaudern konnte, selten genug waren sie, da wir eigentlich immer was zu tun hatten. Und Jamal war auch was fürs Auge, zwar nicht mein Typ, aber attraktiv. Er wusste, wie man Männer erobert - und wie man ihr Herz bricht.

Ich begann Hähnchenschnitzel zu zerkleinern und ließ es zischend in die Pfanne gleiten. Ich holte eine rote Paprika aus dem Vorratsregal und gedankenverloren schaute ich eine Weile aus dem Fenster und sah einen jungen Jogger mit nacktem, verschwitztem Oberkörper in einer engen kurzen Hose vorbeilaufen. Wow! Zum Anbeißen! Ich begann, die Paprika sanft zu streicheln, stellte mir vor, dass sie der stramme Hintern des Joggers wäre. Ein leises Ziehen in meinem Unterleib folgte, ich wurde leicht erregt. Ich streichelte die Paprika mit meiner linken Hand, während meine rechte unter meine Hose in meinen Schritt fuhr und meinen Penis stimulierte.

„Was machst du da?”, hörte ich eine weibliche Stimme hinter mir. Saskia! Schnell zog ich meine Hand aus meiner Hose und ließ die Paprika ins Spülbecken poltern.

„Nichts! Hallo, Saskia!”, sagte ich verlegen.

Sie warf ihr langes, schwarzes Haar zurück und musterte mich skeptisch: „Du wichst doch nicht in der Küche?”

„Ne, ich doch nicht!”

„Du wolltest aber … Du hast die Paprika gestreichelt, geht’s noch? Du musst es verdammt nötig haben!”

Wie nett, dass sie mich daran erinnerte! Ich hatte seit mehr als einem halben Jahr keinen Sex, geschweige denn einen Freund. Ja, nicht mal eine Verabredung, die im letzten Moment abgesagt wurde. Saskia meinte, ich wäre zu anspruchsvoll geworden, Jamal hingegen sagte, dass ich jemanden bekommen werde, wenn ich gereift bin. Nun ja, ich war sechsundzwanzig und seit fast fünfzehn Jahren sexuell reif. Welche Reife meinte er denn bloß?

„Ich besorg dir einen Lover!”, sagte Saskia.

„Ja, das versprichst du mir seit Monaten und nichts kommt”, erwiderte ich. Irgendwie war es blöd von mir, meine Hoffnungen in Saskia zu setzen.

„Ich sehe, dass es eilt”, meinte Saskia. „Wenn du schon beim Betasten einer Paprika sexuelle Phantasien hast und unser Essen in Mitleidenschaft ziehst, dann wird es höchste, nein, allerhöchste Zeit.”

Bevor ich die Paprika wieder aus dem Waschbecken holen wollte, stieß Saskia mich zur Seite. Sie sagte, dass sie sich darum kümmern wolle, sie habe saubere Hände und ich solle mir gefälligst meine Hände waschen, bevor ich mich weiter ums Essen kümmere. Und abspritzen solle ich im Bad bei der Gelegenheit auch.

„Geht nicht mehr, hab dich jetzt gesehen!”, sagte ich und streckte ihr die Zunge raus.

„Kleines Arsch!”, bemerkte sie und schnitt das Paprikaherz brutal in zwei Hälften.

In unserem Wohngemeinschaftsraum deckte ich den Tisch, das Essen war so gut wie fertig. Gleich musste auch Jamal wieder da sein. An besonderen Anlässen, wie den Anfang der Semesterferien, bevorzugten wir immer abends gemeinsam in diesem Raum zu essen. Saskia faltete Servietten mit Sonnenblumen-Motiven und stellte einen meiner Plastikelche vom Esstisch.

„Überall diese Elchfiguren!”, empörte sie sich. „Auf jeder Fensterbank zwischen den Blumen, auf der Ablage, am Esstisch! Überall hinterlässt du die Spuren deiner Obsession. Elche aus Plastik, Elche aus Keramik und der ach so wertvolle Glas-Elch!”

Ja, der war wirklich wertvoll, da brauchte sie gar nicht so ironisch zu werden. Den hatte ich einst von einem Glasbläser geschenkt bekommen. Noch heute fällt es mir schwer vorzustellen, wie dem Bläser das schaufelförmige Geweih des Tieres gelungen ist. Und anfassen durfte es stets nur ich. Saskia und Jamal durften ihn sich anschauen, wann immer sie wollten. Deshalb stand er auch im Wohnzimmer, in meinem Zimmer wäre er gar nicht zur Geltung gekommen. Immer wenn ich den Elch abstaubte, hatte ich ihn behutsam am Rumpf angefasst. Dieses wertvolle Gebilde aus Glas faszinierte mich wie es da so aufunserem Bücherregal stand, eine wirkliche Zierde. Manchmal befürchtete ich, dass der Glas-Elch schon vom bloßen Hinsehen zerbrechen würde. Jamal wollte ihn einmal spaßeshalber am Geweih anfassen, doch ich hielt ihn mit einem panischen Aufschrei davon ab.

Leider hatten wir einen Flachbildschirmfernseher, keinen Röhrenfernseher, sonst stünden da auch noch Elche drauf. Saskia meinte mal, sie komme sich langsam wie in Skandinavien vor und dass sie sich eine Vogelspinne anschaffen würde, wenn ich noch mehr Elche hier platziere. Umso besser, dass unser Mietvertrag solche „Haustiere” verbietet. Als Biologie-Studentin sollte Saskia ohnehin dagegen sein, exotische Tiere in einer Wohnung zu halten.

„Hey, schön hast du gedeckt!”, sagte ich zu Saskia. Ja, manchmal musste man ihr einfach Komplimente machen.

„Oh, der Herr macht mir Komplimente. Den Tag streiche ich mir rot im Kalender an. Du pflegst ja sonst nur Männern Komplimente zu machen.”

„Ja und? Als ob eine lesbische Frau Komplimente eines schwulen Mannes schön findet. Ihr mögt doch gar nicht, wenn man euch Honig um den Mund schmiert”, erwiderte ich.

„Wie bitte? Ich bin eine normale Frau und kein Stück Holz. Auf das Feedback schwuler Männer gebe ich viel, wie du weißt.” Und das meinte sie ernst. Mein stereotypes Bild einer lesbischen Frau war wohl so fest in meinem Hirn verankert, dass es schwer war, dagegen anzugehen. Doch einige seiner Vorurteile hatte sie bereits mit Erfolg vernichtet.

Als Jamal wiederkam, konnte ich seine Augen funkeln sehen. Er hatte mir mal von den großen Feiern seiner Familie erzählt, zu der jedes Verwandtschaftsmitglied eingeladen wird. In der Tat war unser Tisch selten so feierlich gedeckt wie an diesem Tag. Und das in einer WG! Da musste ich mir auch selbst mal auf die Schulter klopfen und unseren guten Geschmack loben, wäre da nicht das Problem im Bad: Frauenhaare im Waschbecken, im Abfluss. Ich hatte Saskia mal gesagt, dass ich mir lieber einen Hund anschaffen würde, haarende Frauen widerstrebten mir.Auch wenn ich es nicht ganz so ernst gemeint hatte, war Saskia zwei Tage lang so beleidigt, dass sie drohte, auszuziehen.

So, nun faltete ich noch die Servietten zu einer Art Pfauenrad.

„Besprechen wir heute unsere Route?”, fragte Jamal und setzte sich schon an den gedeckten Tisch.

Jamal war zunächst wenig begeistert, dass wir nur im Inland Ferien machen wollten, doch ich fragte ihn, ob er je im Taunus war, ob er den Westerwald, wo ich ursprünglich herkomme, kenne, oder je einen Spaziergang durch die Lüneburger Heide gemacht hatte. Und ich fragte, welche schönen Städte er außer Köln in Deutschland noch kannte. Jamal wuchs im Ruhrgebiet auf. Seine Eltern zogen hierher, als er zwei Jahre alt war. An seine tunesische Geburtsstadt kann er sich nicht mehr erinnern.

Mir gegenüber musste er zugeben, dass er außer Wuppertal, Duisburg und Köln keine nennenswerten Städte gesehen hatte. Allerdings erwähnte Jamal Miami und Ottawa, zwei Weltstädte, in denen er mit seiner Familie einst die Sommerferien verbracht hatte. Ich winkte ab und sagte, dass das nicht zähle. Die ganze Welt, aber nicht sein eigenes Land kennen. Ich setzte hinzu, dass er sich wohl zu fein sei, um mit dem Auto zu reisen. Dagegen wehrte er sich energisch und im Grunde sprach nichts gegen einen Trip durch Deutschland, immerhin komme es ja auf die Mitreisenden an.

Der Gedanke, dass das womöglich unsere letzten gemeinsamen Semesterferien im Sommer waren, machte mich traurig. Nicht vorstellen wollte ich mir, dass diese Wohngemeinschaft in einem Jahr wohl nicht mehr existierte. So bemühte ich mich, im Hier und Jetzt zu leben und die Zeit mit beiden zu genießen. Es wäre auch zu lächerlich gewesen, wenn wir uns wegen eines Reiseziels gestritten hätten. Dazu war unsere gemeinsame Zeit zu kostbar. Na ja, wir hatten uns ja auch schon wegen lactosefreien Joghurt gestritten, den Saskia zu Jamals Leidwesen verputzt hatte. Deshalb hatten wir uns darauf geeinigt, dass jeder den Buchstaben seines Vornamens mit einem Edding auf dem Becher hinterlässt.

„So, wie sieht’s aus mit dem Trip? Haben wir schon eine Route?”, fragte Jamal, nachdem ich das Abendessen für uns serviert hatte.

„Ja, sicher!”, antwortete ich. „Wir fahren erstmal Richtung Norden. Lüneburger Heide, Nordsee, braungebrannte Surfer beobachten.”

„Jeder zweite Satz dreht sich heute bei ihm um Männer!”, warf Saskia genervt ein. „Auf dem Trip suchen wir dir einen Freund.” Saskia schien schnell gereizt, wenn ich dauernd von Kerlen sprach, die ich ihrer Ansicht nach ohnehin nie bekommen würde. Mir war das egal, ich fand es unterhaltsam und ich ließ mir den Mund nicht verbieten.

„Und womit fahren wir?”, fragte Jamal.

„Mit dem Auto meines Vaters”, antwortete Fabian. „Ich habe ihn so gut wie überredet, dass wir es bekommen können. Ein nagelneuer Mercedes.”

Der seltsame Geschmack der Paprikastückchen lenkte mich plötzlich ab. Unauffällig sortierte ich die roten Stückchen mit der Gabel aus und legte sie an den Tellerrand.

„Wisst ihr was?”, sagte Jamal. „Ich habe eben im Hausflur unseren Verwalter getroffen. Wir bekommen morgen einen neuen Nachbarn, offenbar jemand, der an der Uni arbeitet.”

„Wie alt?”, fragte ich sofort. Saskia verdrehte ihre Augen.

„Keine Ahnung…”, antwortete Jamal.

„Aber männlich?” Ich war unermüdlich.

„Ja, der Verwalter sprach von einem ,Er’. Jakob Clayton oder so. Den Nachnamen habe ich behalten.”

Kaum griff ich zu meinem Smartphone, fasste mich Saskia am Arm: „Den kannst du später googeln, lass uns jetzt bitte in Ruhe essen!”

Ich wollte keinen Stress und verstaute mein Smartphone wieder in seiner Hosentasche. Mit einem kühlen Blick musterte ich sie noch eine ganze Weile und stach dann wütend in ein Stück Fleisch.

Neue Gesprächsthemen kamen auf, das Thema Ferienreise war abgeschlossen und ich traute mich nicht mehr, den NamenJakob auszusprechen.

Rätsel

Saskia, Jamal und ich rätselten, wer unser neuer Nachbar werden würde. Vor zwei Wochen war unsere alte Nachbarin gestorben, ein dürres Wesen mit nur noch wenigen grauen Haaren, die unsere „Queer-Wohngemeinschaft” lediglich duldete. Wir grüßten sie, aber sie grüßte nie zurück, sondern schaute uns stets nur abschätzig an. Als Jamal ihr einmal ihre Einkäufe, zwei Tüten voller Dosenfraß, abnehmen wollte, meinte sie, dass sie noch nie einen schwulen Tunesier gesehen habe. „Ausländer und dann auch noch schwul!”, zischte sie durch ihr Gebiss und hievte ihre schweren Tüten in ihre Wohnung. Am gleichen Abend klingelte sie bei uns. Ich sah durch den Spion und überwandt mich. Da stand die Alte vor mir, war bemüht trotz ihren vierundachtzig Jahren ein mädchenhaftes Lächeln aufzulegen, was angesichts ihrer Furchen hoffnungslos war.

„Ich war heute etwas unfreundlich zu Ihrem Freund.”

„Er ist nicht mein Freund”, erwiderte ich trocken. „Er ist ein Freund!”

Sie nickte und tat so, als ob sie diese sprachliche Nuance verstand.

„Ich brauche einen Dosenöffner, meiner ist mir gerade entzwei gegangen.” Die alte Frau Maurer war sichtlich verlegen.

„Aha, einen Dosenöffner brauchen Sie?” Nun wollte ich mit ihr spielen ...

„Ja, wenn Sie so freundlich wären! Es tut mir auch leid, was ich heute zu diesem Tunesier gesagt habe.”

„So, so! Wieso kommen Sie denn wegen eines Dosenöffners zu uns und gehen nicht zu den heterosexuellen Bewohnern des Hauses?”, fragte ich.

„Die Treppen machen mir zu schaffen und der Fahrstuhl streikt mal wieder.”

Kurzerhand schlug ich ihr die Tür vor der Nase zu und den ganzen Abend hatte ich die Hoffnung, dass sie morgen früh bereits zu einem Skelett verhungert in ihrer Wohnung lag. Dieses Szenario traf nicht ein, aber ein ähnliches. Eine Woche später, so sagte man im Haus, sei sie an einem Metallteil erstickt. Offenbar habe sich ein spitzes Metallteil ihres Vorkriegs-Dosenöffners in ihrem Dosengulasch verirrt, welches ihr dann buchstäblich im Halse steckenblieb. Als Arzt, Polizei und Leichenbestatter die Tür der Wohnung offenstehen ließen und alles, einschließlich der blassen Frau Maurer, untersuchten, fiel Saskia, Jamal und mir ein übler Geruch im Treppenhaus auf. Entweder handelte es sich dabei um das Gulasch, das sie wohl immer kalt aus der Dose zu essen pflegte, oder um sie selbst.

Durch den Spion betrachtete ich zwei heitere Polizisten, die die Wohnung verließen. Einer von beiden sagte etwas von einem „uralten Dosenöffner”, bevor der andere in schallendes Gelächter ausbrach. Dann kam der Arzt mit sämtlichen Papieren aus der Wohnung, daneben unser Hausverwalter. Ich konnte hören, dass beide über das Fußballspiel Schalke gegen Bayern München plauderten. Und zuletzt kamen die zwei Leichenbestatter, die einen dunkelgrauen Sarg aus der Wohnung transportierten.

„Das war’s dann wohl!”, sagte ich und verließ die Position hinter der Haustür. Da knallte es laut. Ich ging zurück zur Tür und diesmal öffnete ich sie. Ein Leichenbestatter lag am Boden, der Sarg auf der Seite, der Deckel war jedoch nicht runtergefallen.

„Meine Bandscheibe, meine Bandscheibe!”, klagte der sichtlich korpulentere Bestatter mit schmerzverzerrtem Gesicht und krümmte sich am Boden des Treppenhauses

„Ich hab dir schon mehrfach gesagt, dass du zum Arzt gehen sollst!”, schimpfte sein Kollege, der wütend gegen den Sarg trat. „So, spätestens jetzt ist ihr hässliches Gebiss auch rausgefallen.” Und der Metallsplitter wohl auch, dachte ich, hielt mich aber zurück und ging wieder in die Wohnung.

Der Name Jakob Clayton beschäftigte mich nun. Ich stellte mireinen hübschen Mann vor, einen Surfertypen mit braunem Haar, gebleicht von der Sonne. Ich erwartete den ganzen Tag, ihn irgendwie zu Gesicht zu bekommen, wollte unbedingt wissen, um was für einen Typ Mann es sich handelte. Jakob Clayton. Den Namen ließ ich mehrmals auf meiner Zunge zergehen wie ein Stück Vollmilchschokolade. Er klang geheimnisvoll und ich konnte mich nicht gegen den Gedanken wehren, dass er in meiner Zukunft eine wichtige Rolle spielen würde. Na ja, Wunschvorstellungen eben. Ein Optimist, wie ich mich zu bezeichnen pflege, sagte, dass sich hinter Jakob ein schwuler, alleinstehender Mann kurz vor seinem 30. Geburtstag befand. Der Pessimist, wie ihn Saskia verkörpert, behauptete, dass es sich um einen homophoben Idioten handeln könnte, der jeden Samstagnachmittag palettenweise Bierdosen kauft, um mit seinen Fußballkumpels sein Resthirn wegzusaufen. Der Realist Jamal würde hingegen denken, dass Jakob einfach nur der nette Kerl von nebenan und mit einer hübschen Freundin liiert ist.

So ging ich an diesem Samstag mehrmals zum Briefkasten im Treppenhaus, auch nachdem die Post schon da war. Ich wollte dem Neuen begegnen.

Aus Rücksicht auf Saskia erwähnte ich Jakob den ganzen Tag nicht, aber durch meine Briefkastengänge machte ich sie nervös. Da Saskias Zimmer direkt neben der Haustür war, musste sie dauernd hören, wie ich die Tür ins Schloss fallen ließ. Ich sah, wie sie in Jamals Zimmer lief, das am anderen Ende des Flurs war. Ich legte mein Ohr an die Tür.

„Probleme?”, fragte Jamal, der wahrscheinlich eifrig seinem Nebenjob als Dolmetscher nachging.

„Ja! Fabian ist das Problem! Er scheint von jemandem besessen zu sein, den er noch gar nicht kennt! Er hat noch nicht mal ein Bild von ihm gesehen!”

Ich hasste diese Lästertante in solchen Momenten! Als ob ich besessen wäre! Das bedeutete ja, dass ich sie nicht mehr alle hatte und verrückt war.

„Jamal, du weißt ja, dass ich den Menschen vor mir stehenhaben muss, um mich zu verlieben. So war das auch mit der brünetten Floristin, der ich begegnet war, als ich Blumen für meine Mama zum Muttertag besorgt hatte. Sie hatte eine blaue Brille auf ihrer Stupsnase, zarte Hände, so geschmeidige Finger!”

Aha, Saskia konnte also auch ins Schwärmen kommen.

„Wie gekonnt sie den Strauß zusammenband! Ein Traum!“

Ohne es zu wollen, starrte ich kurz in ihren Ausschnitt, doch sie merkte nichts.

„Das ist jetzt zwei Jahre her, aber der Eindruck ist geblieben. Und dennoch behellige ich meine Mitmenschen nicht mit meinen Schwärmereien, meine Gedanken genügen mir.”

Ja, Saskia, ist klar! Und warum beschreibst du Jamal alles bis ins Detail?

„ Aber warum auch soll ich meinen beiden schwulen Mitbewohnern von einer Frau vorschwärmen?”

Ja, es genügt mir! Und Jamal bestimmt auch, nur traute er sich nie, Saskia zu unterbrechen. Jamal behielt seine Männergeschichten meistens für sich und wenn er von jemandem schwärmt, dann streute er das subtil ein, ohne jedes einzelne Barthaar des hübschen Typen zu beschreiben. Zugegeben, ich war im Schwärmen unermüdlich! Und jetzt plante ich das Empfangskomitee für Jakob Clayton.

„Du hättest nichts von diesem Kerl erzählen dürfen!”, hörte ich Saskia zu Jamal sagen.

„Meinst du den neuen Nachbarn?”

„Ja! Wen denn sonst?! Fabian läuft im Minutentakt ins Treppenhaus, um ihn zu mustern.”

Stundentakt, liebe Saskia, wir wollen doch nicht übertreiben.

„Musterung! Das würde Fabian wohl gerne machen. Wer weiß, vielleicht ist dieser Clayton ja wirklich eine Schnitte. Am Ende verliebe ich mich noch.”

Was Jamal so von mir dachte …

„Ja, von mir aus!”, sagte Saskia. „Würde ich dir ja gönnen! Du würdest nicht so einen Aufstand wie Fabian machen und nicht Tag und Nacht von deiner großen Liebe plappern.”

Ja, Jamal war in der Tat jemand, der einen kleinen Flirt oderOne-Night-Stand für sich behielt. Immer wenn wir ihn morgens unter der DuscheIt’s a beautiful Daypfeifen hörten, wussten wir, dass er letzte Nacht Besuch gehabt hatte. Weitere Indizien für einen nächtlichen Besuch fanden wir dann im Bad, meistens in der Form von Haaren, die wir eindeutig als blond identifizierten, denn wir drei hatten keine blonden Haare. Oder eine vierte Zahnbürste, die vergessen wurde. Aus seinen Lovern machte er auch insofern ein Geheimnis, als er sie uns nie vorstellte. „Geheimnisse machen das Leben spannend!” - ein Aufkleber auf Jamals Tür. Ich mutmaßte, dass er längst vergeben war und irgendwo in Köln oder Umgebung einen attraktiven Lover hatte.

„Kann ich in deinem Bett ein wenig lernen?”, fragte Saskia. „In meinem Zimmer werde ich wahnsinnig, höre dauernd Fabians Schritte.”

„Von mir aus!”

„Ich sag dir eines: Wenn ich übermorgen in der Zoologie-Klausur ne Frage über Elche bekomme, raste ich aus!”

Dieses Biest! Auch dieser Hieb war gegen mich. Ich hörte Saskias Schritte und verschwand schnell ins Wohnzimmer, wo ich eine erschreckende Entdeckung machte: Einem meiner Elche fehlte das Geweih!

Mit einer bewusst düster blickenden Miene stürzte ich mit dem kaputten Elch in Jamals Zimmer.

„Was hast du?”, fragte er. „Ist Jakob nicht so schön, wie du ihn dir ausgemalt hast?”

„Der ist noch gar nicht da!”, zischte ich. In meiner Hand hielt ich den Elch aus Plastik, dem ein Geweih fehlte.

„Jemand von euch beiden hat mir das Geweih des Elches abgebrochen, den ich mir im Advent vor drei Jahren auf dem Weihnachtsmarkt gekauft hatte. Wer war das?”

„Ich war es”, sagte Jamal direkt.

„Warum erachtest du es nicht für nötig, mich darüber zu informieren?” Immer wenn ich sauer war, wurde ich förmlich.

„Fabian, ich bitte dich! Das ist ein Elch aus Plastik!” Kurz musste er tatsächlich lachen, doch da blickte ich ihn nochfinsterer an.

„Entschuldigung, er ist mir beim Staubsaugen auf den Boden gefallen und dann bin ich aus Versehen draufgetreten. Ich kaufe dir einen Neuen!”

„Den gleichen Elch kann man auch nicht mehr kaufen! Das war ein Unikat!”

„Okay, ich nehme dir für die nächsten zwei Monate das Badezimmer ab. Ich putze es täglich, auch das Klo.”

Dass Jamal so einsichtig war, zeigte nur, dass er mich loswerden wollte. Er hatte einen ordentlichen Stapel an Übersetzungspapieren vor sich.

„Die Tage, in denen wir unterwegs sind, müssen wir aber abziehen”, stellte ich klar.

„Ist okay! Ich denke dran.”

„Übernimmst du auch meinen Spüldienst?”, fragte ich.

„Ja, wenn es sein muss. Jetzt ist aber gut, immerhin ist es nur ein Geweih.”

Ich verließ sein Zimmer wortlos. Nachdem ich sein Zimmer verlassen hatte, konnte ich ihn schmunzeln sehen, weil ich mich so anstellte. Vielleicht hatte Saskia ja recht und ich war wirklich besessen.

Am gleichen Tag würdigte ich Jamal keines Blickes mehr, er redete aber auch nicht mehr mit mir. Saskia meinte, ich wäre nicht nur wegen des Plastik-Elches verärgert, sondern auch, weil ich Jakob nicht begegnet war. Außerdem sei ich hoffnungslos notgeil. So etwas plauderte sie tatsächlich in meiner Gegenwart aus. Immerhin sagte sie die Wahrheit.

Das Model-Foto

Es war aussichtslos, ich konnte dem armen Elch das Geweih nicht mehr ankleben, war wohl doch billiges Plastik. Und der Weihnachtsmarkthändler mit seiner dunkelgrünen Strickmütze behauptete, dass es sich um ein Unikat handelte. Den gleichenElch würde ich bestimmt in einem Spielwarenladen wiederfinden. Trotzdem war es ärgerlich, dass Jamal den Elch kaputt gemacht hatte.

Ich sah aus dem Fenster, schaute wie ein Waschweib auf die Straße und wartete auf den neuen Nachbarn. Doch ab und zu fuhr ein Auto vorbei, keines hielt. Ich warf den lädierten Elch in den Papierkorb und begann für meine Klausur morgen zu lernen. Hunderte Kopien Sekundärliteratur über zeitgenössische Fantasy-Literatur lag verteilt auf meinem Schreibtisch, alle durcheinander. Hätte ich doch mal ein paar Cent in Büroklammern investiert … So setzte ich mich hin, befasste mich mit den Fantasy-Elementen in Cornelias FunkesTintenwelt. Ein schönes Thema, aber das war dann aber wirklich die letzte Prüfung vorerst. Dann geht’s auf unseren Roadtrip!

Mir gelang es jedoch nicht, meine Aufmerksamkeit auf die wissenschaftlichen Texte zu lenken. Ich kippte mein Fenster, um Jakob Claytons Ankunft zu hören, wenn er mit seinem Auto hier vorfährt. Absolute Stille in meinem Zimmer, nur Saskias Stimme drang durch den Wohnraum. Sie telefonierte wohl. Ich verzichtete aber darauf, sie aufzufordern, ein wenig leiser zu sprechen. Ohnehin war sie seit wenigen Tagen etwas allergisch auf mich. Warum sie so war, konnte ich lediglich erahnen, sei es, weil ich für ihren Geschmack zu viel über Männer redete oder weil ihr mein Elchtick auf die Nerven ging. Warum auch sollte ich keine Elche sammeln, solange sie aus Plastik, Keramik oder Glas waren …

Als es dämmerte, fuhr ein Auto mit Dieselmotor vor, das vor meinem Fenster hielt! Vorsichtig trat ich hinter meine Gardine und sah einen roten Golf, der nur wenige Jahre alt war. Ich schätzte, er war so vier bis fünf Jahre alt. Das würde zu einem Mann Ende zwanzig passen … Leider dämmerte es schon und ich war überrascht, wie schnell die Zeit beim Lesen vergangen war. Ich wurde ungeduldig, da der Kerl nicht ausstieg, sofern er es überhaupt war, das konnte ich ja nur erahnen. Ausgerechnet in diesem Moment musste ich dringend auf Toilette. Wegen meiner langwierigen Blasenentzündung, die ich im letzten Frühjahr hatte,riet mir mein Hausarzt, dass ich sie immer möglichst schnell entlasten sollte. Ich wartete noch eine Minute, der Typ stieg nicht aus, der Druck wurde stärker. So stark meine Neugier auch war, meine Blase war schlimmer und ich lief ins Bad, um sie zu entlasten. Ich beeilte mich, pinkelte und wusch mir rasch meine Hände.

Als ich aus dem Bad in den Flur trat, kam Jamal zur Haustür herein.

„Hast du ihn schon gesehen?”, fragte Jamal und ich wusste sofort, wen er meinte.

„Nein, sag bloß, du bist ihm eben begegnet?” Ich war verblüfft und zugleich verärgert, weil Jamal ihn zuerst gesehen hatte.

„Ja, sicher! Ein einfacher Typ mit Geheimratsecken und Hornbrille wie sie 90-jährige heute tragen. Wirkte sehr konservativ angezogen. Seine Freundin ist auch dabei.”

Seine Beschreibung vernichtete meine Träume. Einerseits war es gut, dass es sich nicht um einen Adonis handelte, der neben uns einzieht, denn ich konnte mir mein Nachstellen von nun an sparen und brauchte auch nicht um ihn werben. Andererseits wäre es schön gewesen, wenn ich in diesem Kerl einen potenziellen Partner für mich gesehen hätte.

„Okay, dann hat es sich erledigt”, sagte ich resignierend.

„Hey, warte mal!”, sagte Jamal. „Der Typ ist alles andere als spießig.”

Ich drehte mich zu Jamal um und lächelte breit.

„Grins nicht so blöd! Im Ernst, unser neuer Nachbar ist echt ansehnlich, eine Schnitte. Habe ein paar Wörter mit ihm gewechselt.”

Da fiel mir ein, dass ich den Typ noch immer nicht im Internet gesucht hatte. Doch das brauchte ich ja jetzt nicht mehr.

„Wie sieht er aus?”, fragte ich.

„Zum Anbeißen”, antwortete Jamal und zwinkerte mir zu. „Geh mal in den Hausflur, er schleppt gerade ein paar Umzugskartons rein, hilf ihm ruhig!”

Ich spürte buchstäblich, wie meine Augen funkelten. DemNeuen beim Umzug helfen … „Nein, er könnte das als dreiste Anmache auffassen, Jamal. Ich lerne lieber noch etwas!” Na ja, er wäre bestimmt froh, wenn man ihm beim Schleppen von Kisten helfen würde. Ehrlich gesagt, ich war einfach zu feige und zu schüchtern.

„Wie du meinst…”, sagte Jamal.

Ich verschwand wieder in meinem Zimmer. Vielleicht war es auch besser, dass ich dem Neuen nicht geholfen hatte, da ich mich in solchen Situationen immer etwas blöd anstellte. Nun war es draußen finster, es war sehr spät. Ich schaltete meine Schreibtischlampe aus, die ich üblicherweise den ganzen Tag brennen ließ, eine weitere Macke von mir. Wieder positionierte ich mich hinter dem Vorhang und hatte dank der Straßenlampen eine gute Sicht auf das Auto, dessen Kofferraum noch geöffnet war. Er musste also gleich wieder aus dem Haus kommen und … Da kam er! Und wie! Mit dynamischen Schritten kamen ein athletisch gebauter Mann mit dunklem, bis zu den Schultern reichendem Haar und einem markanten Gesicht in mein Blickfeld. Er hatte einen Drei-Tage-Bart und erst jetzt sah ich, dass er ein Venec-Shirt trug, das seine Brust eindrucksvoll betonte. Eine normale Jeans betonte seine Lässigkeit. Mehr Details konnte ich nicht ausmachen. Dennoch, ich glaubte mich bereits in diesen Typ verliebt zu haben, obwohl ich wusste, dass ich mich stets zu schnell verliebte. Aber dieser hier hatte etwas, etwas, das mein Herz schnell pochen ließ. Da kam eine blonde junge Frau aus dem Haus und nahm unserem neuen Nachbar eine Grünpflanze ab … Also hatte er doch eine Freundin oder gar Frau … Und wieder war ein großer Traum zerstört. Warum musste er hetero sein? Vielleicht täuschte ich mich auch, vielleicht war es einfach nur eine Freundin …

Sichtlich gelangweilt zappte Saskia durchs Samstagabendprogramm, das im Sommer noch schlimmer als im Winter war. Wiederholungen, belanglose Shows, einfach immer das Gleiche. Heute wirkte sie genervt, als spüre sie meine Spannung. Ja, ich verbreitete Hektik, war jede Sekunde wachsam, da Jakob Claytonkommen könnte.

Jamal kam in unseren Wohnraum und brachte eine Tüte Chips und zwei Flaschen Bier mit.

„Auf dass ich fett werde!”, sagte ich und bediente mich.

„Sexuell frustrierte Männer essen immer dieses Fettzeug”, bemerkte Saskia. „Und merken nicht, dass sie innerhalb eines Monats zehn Kilo zulegen und sich dann wundern, dass sie keinen Typen abbekommen.”

„Halt doch deine Klappe!”, murmelte ich mit vollem Mund.

„Habe gerade Jakob Clayton zu Gesicht bekommen”, sagte Jamal grinsend.

„Und?”, fragte ich ungeduldig. „Erzähl!”

„Ich wollte damit nur sagen, dass der Mythos ein Gesicht hat.”

„Meine Güte! Ihr beiden nervt mit diesem Jakob! Ist es so etwas Besonderes, wenn nebenan ein neuer Nachbar einzieht? Wir kriegen doch sonst auch nicht mit, wer hier ein- oder auszieht.” Saskia stellte den Ton des Fernsehers lauter.

„Ich muss zugeben, meine Knie wurden weich, als er mich im Hausflur begrüßte”, sagte Jamal auf seine süffisante Art. „Mein Typ ist es aber dennoch nicht.”

„Das muss ja ein Prachtexemplar sein. Fabian hat ihn bereits in den Himmel gehoben, bevor er ihn überhaupt gesehen hat und du bekommst nach einer kurzen Begegnung zwischen Tür und Angel weiche Knie. Was ist nur mit euch Jungs los? Seid ihr jetzt beide notgeil? Ich will hier jedenfalls kein Dreiecksbeziehungsdrama erleben!”

Jamal schüttelte den Kopf, was mich sehr beruhigte. „Ich will nichts von dem Typen. Ich bin versorgt, glaubt mir.”

Gut, Jamal hatte also wirklich einen Mann für gewisse Stunden, den wir nicht persönlich kannten. Ich liebte Jamals Geheimniskrämerei.

Ich stand auf und verließ das Wohnzimmer, um Jakob Clayton endlich mal zu googeln.

Mit erhitztem Kopf kam ich nach einer halben Stunde wieder insWohnzimmer zurück, wo Saskia und Jamal aus Langeweile einen schwarz-weiß Film schauten.

„Dieser Jakob Clayton ist voll die geile Schnitte!”, sagte ich und quetschte mich zwischen die beiden aufs Sofa.

Jamal reichte mir seine Flasche Bier: „Du brauchst Abkühlung.”

Wie wahr! Ich trank und setzte die Flasche nicht ab, bis sie leer war.

Jamal bedankte sich. „Reicht man ihm die Hand …”

„Fabian”, sagte Saskia, „deine Ausdrucksweise habe ich zuletzt in der Mittelstufe benutzt. Kein Mensch sagt in deinem Alter ,voll die geile Schnitte’! Und kein Mensch deines Alters verhält sich so wie ein weiblicher Teenager, der sich zum ersten Mal verliebt.”

Ich streckte ihr nur meine Zunge raus. „Du, dieser Jakob ist so ein toller Mann. Ich schätze ihn so Ende Zwanzig, er sieht genial aus.” Ich zog ein ausgedrucktes Foto aus meiner Hosentasche heraus. Darauf war ein Mann in sommerlicher Kleidung auf einem Laufsteg abgebildet.

„Was ist denn das für ne Mode?“, fragte Saskia. „Türkisfarbene Sommerschal? Weiter V-Ausschnitt? Kurze Hose und braune Stiefel? Diese angeblich modischen Zusammenstellungen, die man an jungen Männern ausprobiert, werde ich nach wie vor nicht nachvollziehen können. Ich habe in der Stadt noch niemand gesehen, der wie so ein männliches Model über den Laufsteg gejagt wird, nicht einmal in Köln und nicht mal am Christopher-Street-Day.”