Moderation - Joachim Freimuth - E-Book

Moderation E-Book

Joachim Freimuth

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Beschreibung

Die Erfindung und Entwicklung verschiedener Formen der Moderation in den letzten Jahren zählt zu den wesentlichen sozialen Innovationen im Bereich der Unternehmensführung. Sie gewannen an Bedeutung in dem Maße, wie die Wichtigkeit von Kommunikation bei Entscheidungen in Gruppen erkannt wurde. Mit den verschiedenen Moderationsverfahren steht inzwischen ein differenzierter Kanon von Methoden, Verfahren und Formaten zur Verfügung, um Konflikte und Probleme in Entscheider-Gruppen im Rahmen von Workshops, Konferenzen oder Projektbesprechungen zu lösen. Darüber hinaus sind verschiedene Verfahren der Großgruppen-Moderation hinzugekommen, die Hunderte von Betroffenen an Entscheidungen zu beteiligen vermögen. Die Kenntnis all dieser Verfahren und ihrer Grundlagen gehört zur modernen Unternehmensführung, weil Entscheidungen unter dem Einfluss unterschiedlicher Stakeholder nicht zuletzt auf Konsens angewiesen sind. Der vorliegende Band gibt dem Leser einen kompakten Überblick über die psychologischen Grundlagen der Moderation und die Rolle des Moderators als Beobachter der Kommunikation in Entscheider-Gruppen. Sehr differenziert werden die verschiedenen Gestaltungsmittel der Moderation erläutert, von Fragetechniken über Visualisierung und Ergebnissicherung bis hin zur Wahl von Settings für die Gruppenarbeit. Die für den Moderator vorherrschende rhetorische Form sind Fragen. Wie er in diesem Zusammenhang vorgeht und was er damit in Gruppen bewirken kann, wird mit besonderer Aufmerksamkeit betrachtet. Darüber hinaus wird dargestellt, welche unterschiedlichen Varianten für Moderation entwickelt wurden und was alles bei der Entscheidung für eine bestimmte Form der Moderation und der Auswahl des Moderators zu beachten ist. Das Spektrum umfasst den klassischen moderierten Workshop bis hin zu Open Space.

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Veröffentlichungsjahr: 2010

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Moderation

Praxis der Personalpsychologie

Human Resource Management kompakt

Band 22

Moderation

von Prof. Dr. Joachim Freimuth

Herausgeber der Reihe:

Prof. Dr. Heinz Schuler, Dr. Rüdiger Hossiep,

Prof. Dr. Martin Kleinmann, Prof. Dr. Werner Sarges

Moderation

von

Joachim Freimuth

Prof. Dr. Joachim Freimuth, geb. 1951.

Studium der Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre und Betriebspädagogik an den Universitäten Bremen und Landau. 1981 Promotion. Mehrjährige Erfahrung in Fach- und Führungsfunktionen in der Industrie und Beratung. Seit 1996 Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Personalmanagement und Führung an der Hochschule Bremen. Freiberuflicher Berater für Unternehmensentwicklung, Change Management, Führungstrainings, Coaching und Moderation.

© 2010 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG

Göttingen · Bern · Wien · Paris · Oxford · Prag · Toronto

Cambridge, MA · Amsterdam · Kopenhagen · Stockholm

Rohnsweg 25, 37085 Göttingen

http://www.hogrefe.de

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Diese Bestimmungen gelten gegebenenfalls auch für zum E-Book gehörende Audiodateien

Umschlagabbildung: © mankale – Fotolia.com

Format: EPUB

Konvertierung: Brockhaus/Commission

EPUB-ISBN: 978-3-8444-1969-6

Inhaltsverzeichnis

1Moderation und Moderator

1.1Moderation

1.2Moderator

1.3Moderation – Abgrenzung zu ähnlichen Konzepten

1.4Der Moderator – Abgrenzung zu ähnlichen Konzepten

1.5Bedeutung für das Personalmanagement und Führung

1.5.1Moderatorische Ansätze in der betrieblichen Qualifizierung

1.5.2Phasen der Verbreitung und der Entstehung von Akzeptanz

1.6Betrieblicher Nutzen

1.6.1Der Nutzen der Moderation zur Verbesserung der Gesprächstechnik

1.6.2Der Nutzen von Moderation bei Entscheidungsprozessen in Gruppen

1.6.3Der Nutzen von Moderation zur Verbesserung von Kooperation

1.6.4Der Nutzen von Moderation und Steuerungslogik

1.6.5Grenzen der Moderation

1.6.6Kosten der Moderation

1.6.7Evaluation von Moderationen

2Theorien und Modelle der Moderation

2.1Theorien der Moderation

2.1.1Entscheidungen in Gruppen

2.1.2Konfliktmanagement und Gruppendynamik

2.1.3Komplexitätsmanagement und vernetztes Denken

2.1.4Theorien über Kommunikation

2.1.5Systemtheorie und Kybernetik

2.1.6Humanistische Psychologie

2.1.7Lernen in Organisationen und Instruktionspsychologie

2.1.8Psychologie der Wahrnehmung

2.1.9Selbstorganisation und Steuerung

2.2Modelle der Moderation

2.2.1Workshop-Moderation

2.2.2Kurzmoderation

2.2.3Konferenzmoderation

2.2.4Konfliktmoderation

2.2.5Kongresse und Messen

2.2.6Großgruppen-Moderation – Frühe Formen

2.2.7Großgruppen-Moderation – Neue Formen

3Analyse und Maßnahmenempfehlung

3.1Geeignete Themen für Moderation

3.2Kulturelle Voraussetzungen für Moderation

3.3Ziele der Moderation und der Beteiligungsspielraum der Gruppe

3.4Die Auswahl des Moderators

3.5Versuchte Lösungen

3.6Zusammensetzung der Gruppe

3.7Rahmenbedingungen für eine gelungene Moderation

3.7.1Der Raum

3.7.2Die Arbeitsmittel

3.8Planung, Vor- und Nachbereitung

3.8.1Einstieg

3.8.2Vertiefung

3.8.3Schlussteil

3.8.4Nachbereitung

3.9Contracting

4Vorgehen

4.1Grundelemente und -techniken der Moderationsmethode

4.1.1Visualisierung

4.1.2Moderatorische Fragetechniken

4.1.3Moderatorische Frageformen

4.1.4Ergebnissicherung

4.2Moderatorische Settings und Gruppenarbeitsformen

4.2.1Gruppenarbeitsformen

4.2.2Settings in der Moderation

4.3Die Dramaturgie einer moderatorischen Sequenz

4.3.1Einstieg

4.3.2Vertiefungsphase

4.3.3Abschluss und Ergebnissicherung

4.3.4Prinzipielles zur Anmoderation

4.3.5Dramaturgische Fehler oder Brüche

4.4Reflexion

4.4.1Themen-, Ziel- und Ergebnisreflexion

4.4.2Prozessreflexion

4.4.3Imaginative und szenische Formen der Reflexion

5Fallbeispiele aus der betrieblichen Praxis

5.1Beispiel 1

5.2Beispiel 2

6Weiterführende Literatur

7Literatur

Karten:

Checkliste für die Auswahl eines Moderators, eines geeigneten Raums und des notwendigen Materials

Leitfragen für die Vertragsvereinbarung (Contracting)

1 Moderation und Moderator

1.1 Moderation

Die Begriffe Moderation bzw. Moderator gehören mittlerweile zum geläufigen Wortschatz, werden aber in vielfältiger und zuweilen verwirrender Weise verwendet. Manager sollen ihre Teams moderatorisch führen, Assessments zur Personalauswahl werden von Moderatoren geleitet, in Organisationen finden zahllose moderierte Workshops statt, bei größeren Problemen greift man auf einen Konfliktmoderator zurück. Auch Lehrer und Professoren werden angehalten, durch moderatorische Verfahren Schüler bzw. Studenten zum aktiven Lernen zu bringen. Und schließlich, Moderatoren führen durch Unterhaltungssendungen, offenbar sind sie auch manchmal in der Rolle des Entertainers.

Moderation: modal und moderat

Eine einheitliche und klärende Definition von Moderation erscheint angesichts dieser hier angedeuteten Vielfalt moderatorischer Tätigkeitsfelder nicht ganz einfach. Ein Blick auf die Wortursprünge hilft möglicherweise weiter. Der Begriff Moderation hängt mit den lateinischen Wörtern „Modus“ bzw. „modal“ und „moderat“ zusammen. Modus könnte man sinngemäß übersetzen mit „Art und Weise des Geschehens“. Der Aspekt „modal“ bezieht sich dabei auf die methodische Seite der Moderation, „modus procedendi“ bedeutet „die Art und Weise des Verfahrens“. „Moderat“ umfasst darüber hinaus den mäßigenden bzw. Ausgleich suchenden Aspekt moderatorischer Verfahren, unter „modus vivendi“ verstehen wir eine verträgliche Übereinkunft (Ziegler, 1993).

Unbefriedigende Sitzungen

Dieser Blick auf die Wortursprünge deutet auf die beiden wichtigen Wirkungen, die man von Moderation erwarten kann. Sie ist auf der einen Seite ein methodisches Suchverfahren der systematischen und kreativen Problemlösung, letztlich um zu plausiblen Entscheidungen zu gelangen. Zugleich handelt es sich auch um einen Ansatz der Konfliktlösung und des Ausgleichs von Interessen der von Entscheidungen betroffenen Akteure. Moderation ermöglicht also Lösungsprozesse und Einigungsprozesse in Gruppen und macht sie gemeinsam handlungsfähig. Dabei werden Verfahren zur Strukturierung der Problemlösung eingesetzt, ebenso wie Konzepte zur Einigung und Verständigung. Beides kann aus eigenen Kräften in der Gruppe offenbar nicht oder nur unvollkommen bewerkstelligt werden, in der Regel, weil die Akteure zu sehr mit den Inhalten bzw. mit sich selbst beschäftigt und somit nicht in der Situation sind, auf ihren Prozess der Problemlösung und Einigung selbst zu schauen und ihn zu steuern. Diesen sowohl Lösung als auch Konsens stiftenden Impuls auf unentschiedene Probleme und Konflikte in Gruppen von Entscheidern erwartet man von einer Moderation.

Tatsächlich verlaufen unzählige Sitzungen in Organisationen aller Art in Sackgassen und ohne befriedigende Ergebnisse. In Projekten sitzen qualifizierte Experten und haben Schwierigkeiten, sich zu verständigen, Management-Teams versuchen, ihre strategischen Ziele zu formulieren, es dominieren aber mikropolitische Interessen. Wir haben es dort ständig mit Gruppen von Entscheidern zu tun, die anspruchsvolle, komplexe und konfliktreiche Probleme lösen müssen und daher auf Dialog, Einigungsfähigkeit und Konsens angewiesen sind, um handlungsfähig zu werden. Sie stoßen dabei auf Probleme ihrer Kooperation und Kommunikation, die sie oft nicht erkennen und noch seltener selber lösen können. Mehr noch, die Probleme verschärfen sich häufig sogar noch, etwa durch den Ruf nach starker Führung, deren Lösungen aber später von den Betroffenen nicht getragen werden.

Entscheidungen

Vereinfacht gesagt, besteht die Rolle von Führung in Organisationen darin, das kollektive Handeln ihrer Mitglieder so auszurichten, dass die organisatorischen Ziele mit den verfügbaren Mitteln erreicht werden. „Führung ist zielbezogene Einflussnahme“ (Rosenstiel, 2003, S. 4). Das ist nur möglich, wenn kohärente Signale an die Mitglieder gesendet werden. Grundlage dafür sind letztendlich immer Entscheidungen. Organisationen sind aus dieser Sicht kommunikative Prozesse, in denen Entscheidungen, also operative Ereignisse, fortwährend verknüpft werden und die Differenz zur Umwelt immer wieder hergestellt wird (Jung & Wimmer, 2009, S. 108). Allen organisatorischen Handlungen auf allen Ebenen gehen Entscheidungen voraus. Sie sind der Auswahlprozess, der zur Handlung führt (Simon, 1981, S. 47). Das sind immer weniger „einsame Entscheidungen“, sondern Entscheidungen in Gruppen, in denen die Mitglieder über verschiedene Sichten und Interessen verfügen. Es sind auch keine rationale Entscheidungen, da die ihr zugrunde liegende Komplexität nicht beschrieben werden kann, mehr noch, je komplexer ein zu lösendes Problem ist, desto weniger rational kann es bearbeitet werden (Schimank, 2005 und 2009). Darüber hinaus müssen Konflikte gelöst und widersprüchliche Interessen gegeneinander abgefedert werden (March, 1990, S. 9). Wie daher Malik (2008, S. 291 f.) betont, werden Entscheidungen in den vorgesehenen offiziellen Gremien eher abgesegnet, selten wirklich getroffen. Entscheidungen werden ihnen zugerechnet und das muss auch so sein, aber sie kristallisieren sich bereits weit vorher in zahlreichen, mehr oder weniger unsichtbaren und ungesteuerten Abstimmungsprozessen in Organisationen „in einer Art Entscheidungschemie“ (Luhmann, 2000, S. 140) heraus.

Moderation könnte man dann als ein Verfahren sehen, diese sich selbst regulierenden Vorgänge in Organisationen gleichsam in Raum und Zeit zu bündeln, etwa in dem die für die Entscheidung relevanten Akteure in einem Workshop gemeinsam nach Lösung und Einigung suchen. Die Rolle des Moderators besteht lediglich darin, diese Fähigkeit zur Selbstorganisation innerhalb dieser Veranstaltung durch Fragen und gezielte Interventionen anzuregen.

Kommunikation

Die Voraussetzung solcher Vorgehensweisen zur Entscheidungsfindung ist – das war die Entdeckung der sozialwissenschaftlich orientierten Management- und Organisationsberatung in den 60er- und 70er-Jahren – gelingende Kommunikation (Trist & Murray, 1990). Kommunikation wurde dort zum zentralen Konzept, „die nicht mehr nur als Mittel zum Zweck genommen wird, sondern zum Mittel ihrer selbst gemacht wird, zum Zweck der Gewinnung größerer Spielräume, höherer Beweglichkeiten, intelligenterer Variation, bereitwilligerer Disposition über vermeintliche Sicherheiten“ (Baecker, 2003, S. 21).

Diese Verlagerung der Aufmerksamkeit auf die Kommunikation in Gruppen von Entscheidern ist aus zwei Gründen wichtig:

Komplexität

Die Entscheider müssen mit zunehmender

Komplexität

umgehen. Die Fähigkeit dazu hängt von der systematischen und kreativen Vernetzung des Wissens und der Erfahrungen aller Beteiligten ab (Moderation als modus procedendi). Die Realität an sich ist nicht komplex, „sie ist, was sie ist“ (Baecker 1998, S. 24), Komplexität hat etwas mit der Fähigkeit sozialer Systeme zu tun, Dinge miteinander zu verknüpfen und Beziehungen herzustellen, was nur durch Kommunikation zu bewerkstelligen ist. Eine gute Entscheidung, die keinesfalls jeden Anspruch an Vernunft aufgeben muss, beruht auf der Kompetenz, die unterschiedlichen Perspektiven und Problemdeutungen aller Entscheidungsbeteiligten und -betroffenen aufzunehmen (Schimank, 2009, S. 58).

Konflikte

Zweitens sind bei Entscheidungen immer Interessen und

Konflikte

im Spiel, die die Einigung in der Gruppe erschweren. Man muss davon ausgehen, dass Akteure in Organisationen ihre Ressourcen, inklusive ihrer Informationskontrolle, als Mittel zur Verfolgung ihrer eigenen Interessen nutzen (March, 1990, S. 7) Hier kommt es darauf an, gleichwohl einen Dialog sicherzustellen und Eskalationen von Konflikten zu verhindern (Moderation als modus vivendi).

Mehrdimensionale Organisationen

Die klassischen Formen der Aufbau- und Ablauforganisation reduzieren Komplexität und Konflikte durch Normen, Strukturen, Regeln und Routinen. Sie gehen davon aus, dass an jeder Stelle die richtige Information verfügbar und die passende Kompetenz vorhanden ist, um die dort vorgesehenen individuellen Entscheidungen zu treffen. Je komplexer jedoch die Ausgangslagen werden und je mehr Interessen berührt sind, umso deutlicher zeigen sich die Beschränkungen dieses Modells. Entsprechend haben sich organisatorische Strukturen intern ausdifferenziert und die Außengrenzen von Organisationen sind durchlässiger (Picot, Reichwald & Wigand, 1996). Entscheidungen werden zu Gruppenprozessen, in Führungsteams, Matrix-Strukturen oder Projektteams. Gruppen in den verschiedensten Konstellationen werden als konstitutive Faktoren in Organisationen gesehen, um zu plausiblen Entscheidungen zu kommen. Sie schaffen jene Orte, „wo für individuelle Interessenslagen geworben werden kann und zugleich die Chance entsteht, sich zugunsten einer fürs Gesamte besseren Lösung vom ursprünglichen Standpunkt zu lösen“ (Wimmer, 1998, S. 121). Sie sind auf Dialog und Reflexion angewiesen und darauf, diese Kompetenz stetig weiter zu entwickeln. Das Ziel dieser offeneren und auf Verständigung ausgerichteten Strukturen besteht letztlich darin‚ die Integrität des Entscheidungsprozesses zu bewahren (Prahalad, 1988, S. 115).

Wahrnehmungen

Dieses Ziel stößt jedoch auf eine immanente Schwierigkeit, weil die notwendige kommunikative Kompetenz und ihre stetige Entwicklung in Kategorien wahrgenommen werden muss, die zugleich ihre Verstrickungen hervorbringt und Lösungsdialoge erschwert. Benötigt wird daher ein kritisches Verfahren, das die Fähigkeit der Entscheider, die Unterschiedlichkeit der versammelten Wahrnehmungen zu beobachten, ihre Kommunikation darüber zu reflektieren und zu entwickeln, nachhaltig anregt. Das ist der Kern von Moderation. Mehr kann sie letztlich aber auch nicht leisten, weil sie sich selbst im Rahmen eines Referenzsystems bewegt (Müller, Nagel & Zirkler, 2006), dass keinen bevorzugten Anspruch auf Geltung anmelden kann (Simon, 2002, S. 145). Anregende Rückkopplungen und Impulse aus der Moderation beruhen gleichermaßen nur auf begrenzten Selektionen und subjektiven Beobachtungen. Alles was dort passiert, so könnte man lapidar zusammenfassen, ist vorläufig. Jede derartig getroffene Entscheidung kommuniziert damit zugleich auch die Kritik an sich selber, d. h., es hätte auch anders kommen können (Luhmann, 2000, S. 142). Darin liegt aber zugleich die Aufforderung und die Chance, im Dialog zu bleiben und nicht aufzugeben, Sichtweisen zu verändern und neue Perspektiven einzuholen.

Fasst man die Grundgedanken dieser Skizze zusammen, kristallisieren sich für das Verständnis von Moderation folgende Konstrukte heraus, die für das Verfahren grundlegend sind:

Konstrukte für das Verständnis von Moderation

Entscheidung – Ein inkrementaler Prozess der Verständigung über bzw. der Aushandlung und Auswahl zwischen HandlungsoptionenKomplexität – Verknüpfungsfähigkeit und Beziehungen zwischen den Elementen eines SystemsKonflikt – Die Wahrnehmung der Unvereinbarkeit von Interessen in InteraktionenKommunikation – Wiederkehrende Muster im sozialen Austausch zwischen Individuen oder GruppenWahrnehmung – Die jeweiligen Beobachterperspektiven der Mitglieder sozialer Systeme

Durch die Zusammenführung dieser verschiedenen Aspekte ergibt sich der folgende Vorschlag für eine mögliche Definition von Moderation:

Moderation ist die Beobachtung und die Anregung zur Entwicklung der Kommunikation sowie der Reflexion über die Wahrnehmungsformen und Interaktionen in Gruppen von Entscheidern, um die dort vorhandenen Ressourcen zur Bewältigung von Komplexität zu nutzen sowie auftretende Konflikte zu regeln, mit dem Ziel, gemeinsame und sachgerechte Entscheidungen zu treffen und kollektive Handlungsfähigkeit herzustellen.

Problemlösungszyklus

Die Entfaltung und Reduktion der Problemkomplexität, um zu einer sachdienlichen Lösung zu kommen, lässt sich idealtypisch analog der klassischen Phasen eines Problemlösungsprozesses begreifen, wobei die lineare Darstellung nicht suggerieren soll, dass es sich um eine logische Schrittfolge handelt. Es gibt solche Sichten (Vetter, 1999a), die primär aus der technischen bzw. betriebswirtschaftlichen Problemlösung stammen (vgl. Adam, 1997). Sie simplifizieren jedoch die reale Dynamik, die eher als ein inkrementaler Versuchs- und Irrtumsprozess zu begreifen ist (Gomez & Probst, 1995, S. 13). Besser kann man kollektive Problemlösung als „konsensuelle Validierung“, als einen Konstruktionsprozess begreifen, deren „Rohmaterial mehrdeutige Informationen“ sind, mit dem Ziel sie zu einem „Grad der Eindeutigkeit umzuformen, mit dem gearbeitet werden kann“ (Weick, 1985, S. 15 f.). Er ist allerdings auch nicht völlig chaotisch. Entscheider werden nicht darum herumkommen, sich früher oder später ein gemeinsames Bild der vorliegenden Problematik sowie der unterschiedlichen Ziele bzw. Zielkonflikte zu machen, sich über mögliche Optionen zu verständigen, diese zu bewerten und schließlich zu einer letzten Entscheidung zu kommen.

Modell von Tuckman

Den Verlauf der Konfliktlösung in der Gruppe kann man sich in erster Annäherung anhand des bekannten Modells von Tuckman (1965) vorstellen, das ursprünglich aus Therapieansätzen und Verhaltenstrainings stammt (Simon, 2003). Analog wird man sagen können, dass Gruppen in offenen Entscheidungen anfänglich immer nach ersten Orientierungen (Forming) suchen, früher oder später Konflikte auftreten (Storming), bei einer gelungenen Moderation kooperative Spielregeln entwickeln (Norming) und schließlich am Ende ihrer Zusammenkunft in irgendeiner Form auch Handlungsfähigkeit hergestellt (Performing) haben (ausführlichere Informationen bei Stahl, 2002 sowie Sencar, 2004). Das ist gleichfalls kein sequenzieller Prozess. Konflikte lösen immer Emotionen aus und führen leicht zu Handlungen, die von anderen Akteuren als nachteilig für sie wahrgenommen werden (Mayer, 2007, S. 21 f.), was die Einigung nicht eben erleichtert.

Abbildung 1 fasst diese ersten Überlegungen zusammen und deutet an, dass Moderation nicht im verengten Sinne als simple Workshop-Technik oder gar als „Kärtchen-Methode“ begriffen werden kann, sondern im Kontext eines elaborierten Modells von Steuerung, Führung bzw. Entscheidung (Trebesch, 1996). Es ist der Versuch, wachsender Komplexität und Konflikten in Entscheidungen neu zu begegnen. Ihre Vorläufigkeit und Fragilität wird dabei eingerechnet. Erforderlich ist daher ein offener und transparenter Prozess des gemeinsamen Ringens in der Gruppe der Betroffenen (Meyersen, 1992), der von den Beteiligten zugleich immer hinterfragt werden kann und muss. Gerade daraus erhält die Entscheidung letztlich die notwendige Geltung und Legitimität. Es ist ein Vorgang, der zuweilen „quälend langsam zu sein scheint und oft frustrierend auf bestimmte Managementgruppen wirkt“ (Prahalad, 1988, S. 116). Es geht schließlich dabei nicht um rationale oder „richtige“ Entscheidungen, sie erscheinen den Beteiligten eher plausibel und tragfähig. Letztlich müssen sie innerhalb der Erlebenswelt der Betroffenen Sinn machen und dabei unterstützen, dass sie in pragmatischer Weise ihre Ziele erreichen (Glasersfeld, 2002).

Abbildung 1:

Moderation von Entscheidungsprozessen

Emergenz und Kontingenz

Moderation entstand aus dem Erleben der Unfruchtbarkeit unvermittelter Positionen und der Beobachtung des Scheiterns ausgefeilter Rhetoriken und starrer Grammatiken, die nur auf machtvolle Durchsetzung zielten (Freimuth, 1991), nicht auf Öffnung oder Konsens. Die vorherrschende rhetorische Figur der Moderation ist daher das Stellen von Fragen und das In Frage stellen (Dickson & Hargie, 2006) sowie die Reflexion in der Gruppe darüber was genau daraufhin passiert (Dickson, 2006). Moderation bewegt sich daher an den dialogischen Grenzen zwischen hermetischen Systemen und schaffen dort Zwischenräume für einen erweiterten Horizont und neuen Austausch. Eingeschlossen ist Fragilität und mögliches Scheitern, das neue Gelingen ist keinesfalls ausgemacht. Für eine fruchtbare Moderation ist diese Spannung wichtig. Sie hält die Gruppe in ihren konstruktiven Suchbewegungen. Grenzgänge bilden die Bedingung der Möglichkeit, dass Moderation gelingen kann, weil dort die kreativen Spannungen für emergente Prozesse erwachsen, sich bislang Unverbundenes verbindet und neuartige Muster generiert werden. Das bedeutet auch, dass die Ergebnisse kontingent sind, also anders hätten ausfallen können. Ihre Legitimität entsteht aus dem gemeinsamen Prozess, den der Moderator beobachtet und durch Fragen und Feedback in einer sich selbst organisierenden Bewegung hält.

1.2 Moderator

Entwicklung des Begriffs Moderator