Mond der Ewigkeit - Kim Landers - E-Book

Mond der Ewigkeit E-Book

Kim Landers

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Beschreibung

Monde der Finsternis Band 3 Um nach ihrem Vater zu suchen, beschließt Amber, nach England zu reisen. Dort begegnet sie Charles, ihrer ersten Liebe. Aidan kann nicht gegen seine Eifersucht an, und es kommt unausweichlich zu einer Trennung. Doch ohne Amber erscheint Aidan das Dasein sinnlos, so beschließt er, Revenant zu folgen. Als Amber nach Gealach zurückgerufen wird, wo Hermit ihr das Versprechen abringt, die Wächterin des Schattentores zu werden, ereignet sich Unheilvolles. Alle Zeichen deuten darauf hin, dass jemand das Schattentor geöffnet hat. Um das Schlimmste zu verhindern, begibt sich Amber in die Schattenwelt und gerät in die Gewalt Lord Revenants. Nur einer kann sie befreien, doch ist die Liebe stärker als der Ruf der Dunkelheit? Hinweis: Dieser Roman erschien zuvor unter dem Namen Elke Meyer!

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Kurzbeschreibung:

Monde der Finsternis Teil 3

Um nach ihrem Vater zu suchen, beschließt Amber, nach England zu reisen. Dort begegnet sie Charles, ihrer ersten Liebe. Aidan kann nicht gegen seine Eifersucht an, und es kommt unausweichlich zu einer Trennung. Doch ohne Amber erscheint Aidan das Dasein sinnlos, so beschließt er, Revenant zu folgen. Als Amber nach Gealach zurückgerufen wird, wo Hermit ihr das Versprechen abringt, die Wächterin des Schattentores zu werden, ereignet sich Unheilvolles. Alle Zeichen deuten darauf hin, dass jemand das Schattentor geöffnet hat. Um das Schlimmste zu verhindern, begibt sich Amber in die Schattenwelt und gerät in die Gewalt Lord Revenants. Nur einer kann sie befreien, doch ist die Liebe stärker als der Ruf der Dunkelheit?

Hinweis: Dieser Roman erschien zuvor unter dem Namen Elke Meyer!

Kim Landers

Mond der Ewigkeit

Monde der Finsternis 3

Edel Elements

Edel Elements

Ein Verlag der Edel Germany GmbH

© 2019 Edel Germany GmbHNeumühlen 17, 22763 Hamburg

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Copyright © 2011 by Elke Meyer

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Agentur Kossack

Covergestaltung: Marie Wölk, Wolkenart Design

Konvertierung: Datagrafix

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des jeweiligen Rechteinhabers wiedergegeben werden.

ISBN: 978-3-96215-326-7

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Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Epilog

Die Autorin

~ 1 ~

Der Mini raste die feucht glänzende Straße hinauf, die zur Kuppe eines bewaldeten Hügels führte. In jeder Kurve quietschten die Bremsen, das Wagenheck brach aus und verfehlte nur knapp die Leitplanke. Im letzten Moment gelang es dem Fahrer immer wieder, den Mini abzufangen, bevor er die nächste, noch spitzere Kehre im Höllentempo nahm. Mary zitterte. Sie presste sich in den Sitz und kniff die Augen zu. Dieser Irre brachte sie noch um. Was war nur in ihn gefahren? In Edinburgh war er noch der Alte, aber mit jeder Meile, die sie sich Gealach näherten, erschien er angespannter, aggressiver. Da lag ein Glitzern in seinen Augen, das ihr Angst einflößte. Mit einer Hand umklammerte sie den Türgriff, während ihr Herz wie ein Presslufthammer wummerte.

„Da vorn ist eine Nebelwand! Bist du wahnsinnig? Halt endlich an und lass mich aussteigen! Wenn du dir unbedingt den Hals abfahren willst, ist das deine Sache!“, rief sie und hoffte inständig, ihr Begleiter möge ein Einsehen zeigen.

„Halts Maul“, blaffte er und trat das Gaspedal durch.

Jetzt blitzte Wahnsinn in seinen Augen. Das war nicht mehr ihr Chef, sondern ein Fremder. Mary wurde vor Aufregung übel und sie würgte. „Halt an! Sofort!“ Ihre Stimme überschlug sich. Tränen rollten über ihre Wangen. Sie wollte nicht sterben. Nicht hier durch diesen Wahnsinnigen.

Blind und dumm war sie gewesen, sich von ihm überreden zu lassen, sie nach Hause zu fahren. Nach den stundenlangen Proben hatte sie den Bus verpasst und hätte, finanziell ausgebrannt, wie sie war, die Nacht auf einer Bank verbringen müssen. Umso verlockender erschien sein Angebot.

Plötzlich fing er lauthals an zu lachen. Sie zuckte zusammen. Er war übergeschnappt, und sie befand sich in der Gewalt dieses Irren. Eiskalte Schauder liefen ihren Rücken hinab. Der Vollmond spiegelte sich in der Fensterscheibe. Seit dem Tod Gordon MacFarlanes ereigneten sich bei Nebel mysteriöse Dinge in Gealach. Die Angst ging um, Revenant würde mit ihm zurückkehren, um Rache zu üben. Auch heute waberte das Weiß über die Hügel. Schäfer Duncans Schafe drehten jedes Mal durch. Keiner wollte mehr bei Nebel einen Fuß vor die Tür setzen. Trug der Nebel auch die Schuld für das Handeln ihres Begleiters?

Er drosselte zu ihrer Erleichterung das Tempo und steuerte den Mini auf einen Parkplatz. Das Bremsen war so abrupt, dass der Kies zu beiden Seiten hochspritzte. Mary riss die Beifahrertür auf, doch die Hand ihres Fahrers schnellte vor und packte ihren Unterarm.

„Nicht so schnell. Ich hab noch was mit dir vor“, sagte er und lachte leise.

Mary schluckte hart. Sie musste fliehen und zwar schnell. „Was soll das? Lass mich los!“

Ein anzügliches Grinsen umspielte seine Lippen, als sein Blick wie ein Scanner über ihren Körper fuhr. Mary fühlte sich nackt in der dünnen Bluse, unter der sie keinen BH trug. Sie presste die Knie zusammen. Ihr kurzer Rock war während der Schleuderfahrt hochgerutscht und sein lüsternes Grinsen verriet, dass er mehr gesehen hatte, als ihr lieb war.

Verzweifelt versuchte sie, sich seinem Griff zu entwinden, aber er hielt sie eisern fest. Ihr Blick flog umher in der Hoffnung auf Rettung durch ein nahendes Auto. Wenn sie sich nicht fügte, würde er über sie herfallen, das war gewiss. Er war ihr körperlich bei Weitem überlegen.

„Bitte, lass mich gehen“, flehte sie und kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen. Sein Griff verstärkte sich. Sie schrie, als sich seine Fingernägel in ihre Haut bohrten.

„Erst wenn du nett zu mir gewesen bist.“

Mit der freien Hand öffnete er den Gürtel seiner Hose und zog den Reißverschluss auf. Ihr wurde speiübel.

Er zog sie mit einem Ruck näher. „Stell dich nicht so an. Bist doch sonst nicht so zimperlich.“

Sie stemmte eine Hand gegen seinen Brustkorb, während sich ihre Gedanken um Flucht überschlugen. „Niemals!“ Es gelang ihr, sich loszureißen. Mary versuchte erneut, die Tür zu öffnen. „Machs dir doch selbst“, zischte sie und bereute ihre Worte, denn er zerrte sie an den Haaren und drückte ihren Kopf zu seinem Schritt hinunter.

Sie schluchzte und drückte ihre Unterarme auf seine Oberschenkel, um sich dem Druck zu widersetzen. Wie konnte sie nur glauben, eine Chance gegen ihn zu haben? In Panik versuchte sie vergeblich, ihn in den Oberschenkel zu beißen. Immer wieder gelang es ihm, die Attacken abzuwehren. Ihre Hoffnung, zu entkommen, zerschlug sich mit jeder verstreichenden Sekunde.

„Du wirst tun, was ich von dir verlange, oder du bist morgen deinen Job los. Alles klar?“

Er riss ihren Kopf höher. Mary schrie auf und fühlte nur noch Ekel und Angst. „Also?“, fragte er und zog erneut an ihren Haaren, bis sie wimmernd nickte.

Sie fügte sich in ihr Schicksal und betete, besinnungslos zu werden.

„Warum nicht gleich so?“

Er ließ ihr Haar los. Sofort ergriff sie die Chance, wandte den Kopf und biss mit aller Kraft in seine Hand. Er brüllte vor Schmerz und gab sie frei. Blitzschnell sprang sie aus dem Wagen und flüchtete auf den Waldrand zu. Sie wagte nicht, sich umzudrehen, sondern rannte ziellos geradeaus. Nur fort von ihrem Peiniger, so weit wie möglich. Äste peitschten ihr ins Gesicht, sie schmeckte Blut auf den Lippen. Irgendwann hielt sie keuchend an und lauschte in die dunkle Stille. Keine Schritte, kein Atmen, nicht mal das Knacken eines Astes. Nichts. Gott, war sie froh.

Ein Motor startete in der Ferne. Es war der Mini, sie kannte das Geräusch. Als er davonfuhr, lachte sie vor Erleichterung.

Doch das euphorische Gefühl währte nicht lange, als ihr bewusst wurde, dass sie die Orientierung verloren hatte. Sie wohnte in einem Nachbardorf von Gealach, und nach all den Horrorgeschichten hatte auch sie diesen verfluchten Ort stets gemieden. Das Mondlicht durchdrang nur spärlich die dichten Baumkronen, sodass sie nur Silhouetten erkannte. Na klasse. Da hatte sie sich in eine neue Misere hineinmanövriert. Jetzt, wo er weggefahren war, überlegte sie, zum Parkplatz zurückzulaufen, um auf einen Wagen zu warten. Doch sie verwarf diesen Gedanken. Schließlich konnte sie seine Rückkehr nicht ausschließen. Sie wusste, dass ein Weg durch Wald und Moor nach Gealach führte, aber gegangen war sie ihn nie, sondern kannte ihn nur aus den Beschreibungen einer Freundin. Der Parkplatz, wo sie aus dem Mini gesprungen war, lag in der Nähe von Gealach Castle, nur einen Katzensprung vom Dorf entfernt. Dieser Wald trennte Clava Cairn von Gealach Castle, denn sie erinnerte sich, vorhin oben auf der Kuppe des Hügels die Silhouette des Menhirs entdeckt zu haben. Im Schloss wohnte Amber Stern, der sie hin und wieder bei den Proben begegnete. Bei ihr wäre sie in Sicherheit. Aber welche Richtung musste sie wählen? Woher war sie gekommen? Wenn sie doch nur besser sehen könnte. In der Nähe lag das Moor, vor dem sie gewaltigen Respekt besaß. Die Schauergeschichten hatten sich ihr eingeprägt, von blutrünstigen Wölfen und dunklen Druiden, die Menschenopfer brachten. Mary war abergläubisch und schüttelte sich bei der Vorstellung. Zur Hölle, welche Richtung war die Richtige? Sie drehte sich um ihre eigene Achse, als könnte ihr das die Entscheidung erleichtern. Dabei sah sie jetzt, wo sich Wolken vor den Mond geschoben hatten, nicht einmal die Hand vor Augen.

Schließlich lief sie ihrem Gefühl nachgebend nach links. Schimmerte dort ein Licht durch das dichte Laub? Das konnte, nein das musste Gealach Castle sein. Die Hoffnung verlieh ihr Mut. Sie stolperte blind in der Dunkelheit über Baumwurzeln und schlug sich durch dichtes Buschwerk, dessen dornige Zweige ihre Bluse zerrissen und in ihre Haut schnitten. Die Kratzer brannten höllisch. Sie kam nur langsam voran. In dem Tempo würde sie nie das Schloss erreichen. Und wenn sie die ganze Zeit im Kreis lief? War das nicht die gleiche Silhouette wie eben? Die drei windschiefen Bäume? Da gab es keinen Zweifel. Sie startete einen weiteren Versuch und landete zu ihrem Entsetzen an derselben Stelle. Angst fuhr eiskalt in ihre Glieder. Mary fluchte laut, bevor sie heulend auf den feuchten, moosigen Boden sank. Ihre Waden krampften von der Aufregung und Anstrengung. Sie fühlte sich hundeelend wie lange nicht mehr, fror entsetzlich und ihre Zunge klebte vor Durst am Gaumen. Sie musste aus diesem verfluchten Wald raus. Sie biss die Zähne zusammen und rappelte sich auf. Jeder Schritt war mühsam, ihre Beine schwer wie Blei.

Neben sich hörte sie Blätter rascheln und hielt erschrocken inne. Bestimmt ein Tier, oder existierten doch diese blutrünstigen Monster? Ihr Herzschlag dröhnte in den Ohren. Quatsch, Monster gab es nur in Märchen. Ein wilder Wolf? Hatten nicht Leute neulich einen Wolf gesehen? Aber der war ausgebrochen und von Jägern erlegt worden. Es existierten keine frei lebenden Wölfe in Schottland. Basta. Alles ließ sich rational erklären. Ihr Puls beruhigte sich und sie fasste neuen Mut. Tapfer schritt sie voran und stolperte über eine Baumwurzel. Sie konnte sich gerade noch abfangen. Etwas surrte durch die Luft wie eine Frisbee-Scheibe. Sie spürte den Luftzug dicht an ihrem Ohr. Mary tippte auf einen Vogel, den sie aufgeschreckt hatte und setzte den Weg fort. Sie war nur wenige Schritte gegangen, als plötzlich etwas ihren Knöchel umschlang und sie zu Fall brachte. Es fühlte sich wie die Ranke einer Pflanze an, die in rasantem Tempo ihre Wade emporkletterte. Mary ruderte mit den Armen, bevor sie mit dem Oberkörper auf den wurzelbehafteten Boden schlug. Der Schmerz in ihrem Brustkorb erstickte jeden Schrei. Noch ehe sie einen Gedanken fassen konnte, wurde sie bäuchlings von der Ranke rückwärts gezogen. Das konnte doch keine Pflanze sein! Sie strampelte vergeblich. Je heftiger sie sich wehrte, desto fester umschlang die Ranke ihr Bein. Mary tastete danach, um sie abzuziehen, aber als sie sie berührte, brannte ihre Hand wie Feuer. Die Pflanze sonderte einen klebrigen Saft ab, der durch die Haut drang. Ob er giftig war? In Panik krallte sie die Finger tief ins morastige Erdreich, das mit jedem Zentimeter glitschiger wurde und sie keinen Halt finden ließ. Sie musste den falschen Weg eingeschlagen haben und ins Moor geraten sein. Sie rief um Hilfe, aber alles, was ihr antwortete, war die Stille. Die Ranke wickelte sich bereits um ihre Taille und eroberte ihr zweites Bein. Mary schrie und weinte. Irgendjemand musste sie doch hören. Als Dornen sich ins Fleisch bohrten, versagte ihre Stimme und ihre Glieder waren auf einen Schlag gelähmt. Gift. Wenn sie niemand hier fand, würde sie sterben. Unaufhörlich rannen Tränen über ihr Gesicht. Wie eine Fliege im Spinnennetz gefangen, wartete sie auf ihr Ende. Der Pflanzentrieb durchstieß ihren Körper, kroch in ihrem Inneren empor und wickelte sich um ihre Organe. Immer tiefer versank ihr Leib im moorigen Untergrund. Ihre Gegenwehr erlahmte, der Tod war ihr gewiss. Alles war vorbei. Endgültig und unabänderlich. Immer tiefer zog die Ranke sie in die schwarze Feuchte, bis ihre Brüste bedeckt waren. Ihre Arme glitten schlaff über den Boden. Nur ihr verdammter Verstand funktionierte noch. All ihre Stoßgebete wurden nicht erhört. Sie spürte, wie die Ranke ihren Nacken durchbohrte und den Hals umschlang. Sie rang nach Atem. Immer dichter umschloss das Pflanzengeflecht sie, nicht bereit, sie herzugeben. Als sie keine Luft mehr bekam, versank ihr Geist endlich in erlösender Dunkelheit.

~ 2 ~

Amber löschte die E-Mail zum x-ten Mal. Herrgott, es konnte doch nicht so schwer sein, an ihre Freundin Carole zu schreiben.

Kaum hatte sie ein Wort getippt, schweiften ihre Gedanken wieder zu dem Zeitungsaufruf im Gealacher Tageblatt. Seit zwei Wochen wurde Mary Jane Ryan vermisst, eine junge Schauspielerin, die Amber flüchtig von den Proben in Edinburgh kannte. Eine sympathische Frau mit unzähligen Sommersprossen im Gesicht und immer guter Laune. Die Suche verlief bislang ergebnislos. Ihre Eltern hatten einen Aufruf gestartet, um Zeugen zu finden. Ein seltsames Gefühl beschlich Amber. Sie glaubte nicht, dass Mary noch am Leben war, im Gegensatz zu anderen, die ihr unterstellten, wegen ihrer finanziellen Sorgen ins Ausland gegangen zu sein. Amber hatte nur wenige Male mit ihr gesprochen, aber sie schätzte Mary anders ein. Ihr Verschwinden berührte Amber mehr als angenommen und raubte ihr die Konzentration. Dabei war der Brief an Carole längst überfällig.

Sie stöhnte und stützte den Kopf in die Hände. Wie sollte sie beginnen? Vielleicht so: Liebe Carole, ich würde mich sehr über deinen Besuch freuen, aber ich muss dich vor meinem Freund warnen, er ist ein Vampir. Aber keine Sorge, er ist nicht bissig. Amber schmunzelte, sie konnte sich Caroles entsetztes Gesicht vorstellen. Sie hätte sicher genauso reagiert vor ihrer Zeit in Gealach.

Sie sah durchs Fenster hinaus in die Dämmerung. Die Standuhr im Flur schlug sechs Uhr. Das gleiche Datum, die gleiche Uhrzeit wie damals, als sie das erste Mal vor diesem Schloss gestanden hatte. Nur zu genau erinnerte sie sich an die finstere Aura, die die Mauern umgab und die sie das Fürchten gelehrt hatte. Carole war sensibel genug, das ebenfalls zu spüren. Sie würde gleich bemerken, dass mit Aidan etwas nicht stimmte. Nein, es war besser, nach London zu fahren und der Freundin einen Besuch abzustatten, anstelle einer Einladung nach Gealach. Außerdem reizte sie der Gedanke, Gealach zu entfliehen. Und Aidan, der von Tag zu Tag mürrischer wurde.

Schon mit vierzehn hatten Carole und sie sich alles anvertraut, die Kümmernisse in der Schule, in wen sie verliebt waren oder wenn sie Streit mit den Eltern hatten. Doch zu Ambers Bedauern herrschte nach ihrem Umzug nach Gealach oft wochenlang Funkstille. Aidan und ihre Ausbildung zur Druidin beanspruchten fast ihre gesamte Zeit.

Ihr Londoner Leben war ganz anders gewesen, viel unbeschwerter und fröhlicher. Wenn sie nur an ihre gemeinsamen Kinobesuche dachte. Was hatten sie gelacht. Nachdenklich knabberte Amber am Stift. Dad hatte Carole gemocht. Sie seufzte. Dad! Da war sie wieder, die längst vertraute Bitterkeit, die jedes Mal aufstieg, wenn sie durch eine Kleinigkeit an ihn erinnert wurde. Finlay Stern war nicht ihr richtiger Vater gewesen, auch wenn er es in ihrem Herzen immer bleiben würde. Sein Tod lag über ein Jahr zurück, aber der Schmerz über den Verlust verebbte nicht. Er war ihr Fels in der Brandung gewesen, ihr bester Freund, der für sie da war, wenn sie ihn brauchte. Sein Tod hatte eine tiefe Kluft hinterlassen, die selbst Aidan nicht füllen konnte. Umso mehr hatte es sie schockiert, zu erfahren, dass er nicht der war, für den sie ihn jahrelang gehalten hatte. Sie war noch immer sauer auf Mom, die ihr dieses wichtige Detail verschwiegen hatte. In letzter Zeit ertappte sie sich öfter, dass sie über ihren leiblichen Vater nachgrübelte. Wie sah er aus? Was war er für ein Mensch? Ob sie ihre Gaben ihm zu verdanken hatte? Dass er nichts von einer Tochter wusste, hatte Mom bestätigt. Aber weshalb hatte er nie nach ihrer Mutter gesucht?

„Lass endlich die Vergangenheit ruhen.“ Mit diesen Worten beendete ihre Mutter jedes Gespräch. Irgendwann gab Amber das Fragen auf. Das Mysterium um ihren Vater stachelte sie nur noch mehr an, Nachforschungen anzustellen. Heimlich, denn Mutter verbat sich, in ihrer Vergangenheit herumzustochern, wie sie es nannte.

Leider waren Ambers Informationen mager. Sein Vorname Ian gehörte zu den häufigsten in Großbritannien. Sicher hieß die Hälfte der männlichen Einwohner Glastonburys so. Sein Besuch der Aufführung von Shakespeares ‚Ein Sommernachtstraum‘, bei der er ihre Mutter kennengelernt hatte, half auch nicht weiter. Wer könnte sich nach über zwanzig Jahren noch an jeden Besucher des Festivals erinnern? Das war wie das Suchen der Stecknadel im Heuhaufen. Aber Amber gab nie schnell auf und hoffte auf einen glücklichen Zufall.

Sie stellte sich vor, wie es damals gewesen sein könnte. Die laue Sommernacht mit dem Sternenhimmel, unter dem ein Liebespaar eng umschlungen im Gras lag.

Das Liebespaar könnten auch Aidan und sie sein. Wie gern hätte sie ihn bei ihrem Besuch in Glastonbury an ihrer Seite gewusst. Aber seit er sich in einen Vampir verwandelt hatte, bewegten ihn keine zehn Pferde mehr aus Gealach. Mit einer fadenscheinigen Ausrede, er müsse sich um die Brennerei kümmern, lehnte er stets ihre Bitte ab. Dabei ließ er sich nur selten in der Destillerie blicken, noch weniger, seit er Kyle Forbes als Geschäftsführer eingestellt hatte.

In der letzten Zeit erfüllte Aidans Verhalten sie mit Sorge. Wenn er aus der Starre erwachte, reagierte er auf jede Kleinigkeit aggressiv wie ein Raubtier im Käfig, das mit einem Stock provoziert wird. Revenant besaß noch immer Macht über ihn, das spürte sie, obwohl Aidan versicherte, die Schattenwelt während der Starre gemieden zu haben. Dabei mied er ihren Blick, und Amber ahnte, dass er log. Die Zweifel wuchsen, dass Aidan es je schaffen würde, das Band zum Vampirlord für immer zu kappen.

Also würde sie allein nach Glastonbury reisen, sobald ihr das Theater in der nächsten Woche die Gage ausgezahlt hatte. Ihre Recherchereise wollte sie mit einem Besuch bei Carole verbinden.

Amber hoffte sehr, dass sich jemand an den gut aussehenden Mann erinnern konnte, der in der ungewöhnlichen Verkleidung als Elfenkönig Oberon zur Aufführung erschienen war. Und wenn sie ganz Glastonbury befragen müsste. Sie griff nach der Fibel, dem Abschiedsgeschenk ihres Vaters an ihre Mutter. Die Runen hatten ihr prophezeit, sie würde ihren Vater finden, und sie vertraute dem Orakel.

Als sie die E-Mail mit der Ankündigung ihres Besuches bei Carol absendete, fühlte sie sich beschwingt. Es gab wieder etwas, auf das sie sich freuen konnte nach all den Erlebnissen, die hinter ihr lagen. London! Das Leben dort lag in weiter Ferne, als gehörte es einem anderen Leben an. Sie konnte es kaum erwarten, dorthin zu reisen. Amber sah zum Fenster. In der Scheibe spiegelte sich die Kerze, die neben ihr auf dem Sekretär brannte. Natürlich hätte sie auch die Schreibtischleuchte anknipsen können, aber Kerzenlicht vermittelte ein Gefühl von Behaglichkeit.

Plötzlich flackerte die Flamme unruhig, obwohl Zugluft nicht infrage kam. Sicher war Aidan zurückgekehrt. Sie würde sich nie an die schnelle und lautlose Rückkehr eines Vampirs gewöhnen.

Als sie sich umdrehte, war Aidan jedoch nicht da.

Jemand flüsterte ihren Namen. Fing das etwa schon wieder an? Amber bemerkte, wie es hinter ihrer Stirn schmerzhaft zu pochen begann. Diese Stimmen machten sie noch wahnsinnig und lösten jedes Mal Migräne aus. Hermit hatte sie gewarnt, sich in Geisterbeschwörungen zu vertiefen, weil sie das Risiko bargen, unerwünschte Seelen herbeizurufen. Sie konnte sich nicht erinnern, beim letzten Mal etwas falsch gemacht zu haben.

Amber sprang vom Stuhl auf und lief zur Tür, um die Herkunft der Stimmen zu lokalisieren. Sie kamen aus dem Flur. Sie öffnete die Tür und streckte den Kopf hinaus. Wie auf Knopfdruck verstummte das Geflüster. Die Ahnen der MacFarlanes auf den Gemälden schienen sie boshaft anzugrinsen.

„Was glotzt ihr so?“ Sie streckte den strengen Mienen die Zunge hinaus. Fast glaubte sie, sich alles nur eingebildet zu haben. Als sie die Tür schließen wollte, begann der Spuk von vorn, lauter, sodass sie alles deutlich verstand. Die Flüsterstimmen kamen aus jeder Richtung. In letzter Zeit geschahen viele merkwürdige Dinge. Schattenranken, die sich um die Häuser wanden, blutende Steine, verirrte Schafe und jetzt auch noch dieses nervende Geflüster.

„Jetzt reicht’s!“ Sie trat in den Flur und versank bis zu den Knöcheln im Flor des Orientteppichs. Sofort kribbelte es in ihren Füßen, als stünde der Teppich unter Strom.

„Amber.“

Revenant! Er steckte dahinter. Ihr Puls schnellte in die Höhe. Die Stimme schallte von der Galerie herüber, wo sein Gemälde hing.

„Amber, bald werden wir vereint sein.“

Sie spürte zwar seine Nähe, aber nicht die Kälte, die ihn sonst begleitete. „Das könnte dir so passen“, stieß sie zwischen zusammengepressten Zähnen hervor, während ihr Blick den Flur abtastete und ihre Sinne vergeblich versuchten, einen Hauch seiner düsteren Aura einzufangen. Langsam näherte sie sich seinem Gemälde am Ende der Galerie und betrachtete es voller Argwohn und Abneigung. Hatten sich die Augen nicht eben bewegt? Blödsinn, sie durfte sich nicht in die Irre führen lassen.

„Amber, komm zu mir.“

Das Flüstern ertönte jetzt von unten. Sie beugte sich über das Geländer und erkannte die vergoldete Ecke des Spiegelrahmens, der im Keller neben der Treppe hing. Das konnte nur eines bedeuten: Revenant kehrte zurück. Ihr wurde bei der Vorstellung schlecht. Kaum war sie ein paar Schritte auf die Treppe zugelaufen, schwoll seine Stimme so stark an, dass es in ihrem Schädel dröhnte. Sie presste die Hände auf die Ohren und zuckte zusammen, als im selben Moment ihre Zimmertür zuknallte.

Stille.

Falls sie gehofft hatte, es wäre zu Ende, wurde sie eines Besseren belehrt. Erschrocken wirbelte sie herum. Hinter ihrer Tür tobte ein Sturm. Blätterrascheln, etwas knallte gegen Holz. Spielte hier alles verrückt? Hatte sie vielleicht bei den Séancen einen Poltergeist beschworen? Sie drückte die Klinke nieder, doch die gab nicht einen Deut nach, als hielte jemand auf der anderen Seite dagegen. Amber zerrte mit aller Gewalt. Es gab einen Ruck und sie hielt die Klinke in der Hand. Na, wunderbar. Hinter der Tür tobte der Sturm weiter, Metall klirrte, dann Kampfschreie.

„Der Untergang ist nah. Kämpft bis in den Tod!“

Amber glaubte, sich verhört zu haben. In ihrem Zimmer tobte jetzt auch noch eine Schlacht. Sie musste halluzinieren, anders konnte sie sich das nicht erklären. Mit der Faust hämmerte sie gegen die Tür. Die Zeit des Untergangs? Das war kein gutes Omen. Sie starrte grübelnd vor sich hin und schrak zusammen, als sich zwei Hände auf ihre Schultern legten, deren Kälte ihre Kleidung durchdrang und eine Gänsehaut bewirkte.

„Mein Gott, Aidan, musst du mich so erschrecken?“ Sie konnte sich nicht an sein geräuschloses Kommen und Gehen gewöhnen. Vermutlich würde es nie der Fall sein. Der Spuk hatte sie zu sehr abgelenkt.

„Entschuldige, aber ich dachte, du hättest meine Anwesenheit gespürt“, flüsterte er dicht an ihrem Ohr.

Sein eisiger Atem ließ sie erschaudern und gleichzeitig löste er ein sehnsüchtiges Prickeln aus.

„Nein, ich…“

„Wo rohe Kräfte sinnlos walten“, neckte er sie, nahm ihr die Klinke aus der Hand und schwenkte sie vor ihrer Nase. „Bin nicht eigentlich eher ich für Kraftakte zuständig?“ Sein tiefes, sinnliches Lachen brachte ihren Oberkörper zum Vibrieren. Amber stöhnte auf und sein Lachen erstarb. „Was ist los?“, fragte er ernst.

In knappen Sätzen erzählte sie ihm, was ihr widerfahren war. „Ich habe das Gefühl, jemand versucht, das Schattentor wieder zu öffnen. Ich kann es nicht begründen, aber es lässt mich nicht mehr los, dass Mary Janes Verschwinden etwas damit zu tun hat. Ich habe vorhin auch ihre Stimme gehört.“

Aidans Stirn zog sich in Falten. „Hermit wacht darüber wie Zerberus.“

„Ja, schon, aber er ist alt und krank. Vielleicht hat er es nicht gemerkt.“

„Er würde jede Erschütterung spüren. Revenant wird nicht zurückkommen. Vielleicht hattest du wieder eine Halluzination?“

Sie wusste, worauf er anspielte und wollte nur ungern daran erinnert werden. Nach ihrem ersten Versuch, Kontakt mit Toten aufzunehmen, hatte sie Stimmen gehört, sich von ihnen tagelang verfolgt gefühlt. Doch heute waren es keine Halluzinationen dieser Art, sondern das Omen drohenden Unheils durch Revenant.

„Ich weiß, was ich gehört habe. Glaub mir, nichts ist vorbei. Revenant wird nicht eher ruhen, bis er eine Möglichkeit gefunden hat, in unsere Welt zurückzukehren.“

Aidans Augenbrauen schossen nach oben. Er hob an, etwas zu erwidern, aber Amber kam ihm zuvor.

„Auch wenn du es nicht glauben magst, aber ich habe ihn vor einiger Zeit im Spiegel gesehen. Als kleinen Jungen.“ Sie bemerkte, wie Aidan bemüht war, ein Grinsen zu verkneifen.

„Revenant? Ein kleiner Junge? Also wirklich, das macht doch keinen Sinn.“

Er hielt sie für übergeschnappt. Insgeheim musste Amber widerwillig zugeben, dass sie sich selbst für überspannt halten würde. Es ergab auch für sie keinen Sinn, Revenant als Kind zu erleben. Drehte sie durch?

Sie wusste leider von Samuel zu wenig über die Vergangenheit des Spiegels, nur so viel, dass er im 19. Jahrhundert hergestellt wurde und sich seitdem in seinem Familienbesitz befand. Vom ersten Moment an war ihr bewusst gewesen, dass es sich um keinen gewöhnlichen Spiegel handelte. Nachdem Revenants Geist durch Samuels Tod wieder in die Schattenwelt verbannt worden war, unterschied ihn nichts von einem normalen Spiegel. Bis jetzt.

„Hast du vorhin nicht Revenants Gegenwart gespürt?“ Keiner konnte die Gegenwart des Vampirlords besser wahrnehmen als Aidan.

„Nein.“ Es klang ehrlich.

„Ich möchte jetzt ins Schlafzimmer sehen.“ Sie wollte Gewissheit haben und gleichzeitig Aidan beweisen, dass es keine Halluzinationen gewesen waren.

„Willst du einen Schlosser anrufen oder die Tür aufbrechen? “ Er drehte die Klinke zwischen seinen Fingern.

„Mir gefällt die Idee mit dem Aufbrechen. Aber das machst du.“ Sie tippte mit dem Finger an seine Brust und lächelte.

„Ich verstehe. Aber diese Tür mit ihren Intarsien ist viel zu wertvoll, um sie zu zerstören.“

Aidan drückte ihr die Klinke in die Hand, bevor er sich abwandte und für ein menschliches Auge so schnell verschwand, als hätte er sich in Luft aufgelöst. Nur einen Atemzug später hörte sie Schritte auf dem Dach, danach ein Knarren, das Geräusch eines sich öffnenden Fensters und feste Schritte. Die Tür öffnete sich und mit einer Verbeugung bedeutete Aidan ihr, einzutreten.

„Voilà, Madame.“

„Als Lakai würdest du auch eine gute Figur abgeben, fehlt nur noch die Uniform“, antwortete sie und stürmte an ihm vorbei. Mit einem Blick erfasste sie, dass alles noch genauso aussah, wie sie das Zimmer verlassen hatte. „Ich verstehe das nicht.“ Sie stützte die Hände in die Hüften und ließ ihren Blick ein weiteres Mal durch den Raum schweifen. Das Poltern und das Schlachtgeschrei klangen noch in ihren Ohren. „Selbst Geister lassen Spuren zurück.“

„Hey, vielleicht bist du einem Dämon aufgesessen.“ Aidan wollte sie beruhigen.

„Die haben sich nie so lautstark bemerkbar gemacht.“ Sie trat rückwärts und lehnte sich gegen Aidans stählerne Brust. In ihrem Kopf herrschte Durcheinander und sie fühlte sich erschöpft. Es tat gut, ihn zu spüren. Alles trat in den Hintergrund und erschien bedeutungslos, wenn sie in seinen Armen lag. Dann vergaß sie sogar für eine Weile Revenant und seine Schattenwelt. Aidan legte die Arme um ihre Taille und beugte sich zu ihr herab. Sein eisiger Atem streifte ihre Halsbeuge. Sie empfand die Kälte nicht mehr als unangenehm, im Gegenteil, sie erregte sie. Er presste seinen harten Körper an sie, sodass sie seine Erektion am Hintern fühlte. Begehren wallte auf.

„Ich werde dich alles vergessen lassen“, flüsterte er und spielte mit der Zunge an ihrem Ohrläppchen.

Amber erschauerte. Diesem Versprechen konnte sie nicht widerstehen. „Dann bin ich aber mal gespannt.“ Sie lachte leise und bewegte aufreizend ihre Hüften.

„Du machst nicht nur Vampire heiß, sondern auch alle anderen Geister“, raunte er.

Aidan küsste sanft ihren Nacken, zog mit den Lippen die Linie der feinen Härchen nach und wanderte weiter zu ihrer Wange. Er drehte sie zu sich um und hob mit dem Finger ihr Kinn an. Wenn sie ihm in die Augen sah und das Begehren darin erkannte, kribbelte es in ihrem Bauch noch immer wie von einer Armee Ameisen. Jedes Mal war wie das erste. Solche Momente der Innigkeit waren seltener geworden. Obwohl sie ihn wie keinen anderen liebte, gestaltete sich das Zusammenleben schwierig. Es verlangte mehr Toleranz und Einfühlungsvermögen ab als bei einem Sterblichen. Nicht allein wegen seines Jagdtriebs und seines Blutdursts. Aidan war sehr eifersüchtig. Er benahm sich wie ein Raubtier, das jeden zerreißen würde, der es nur wagte, sich ihr zu nähern. Wenn sie einen Mann anlächelte, rastete er aus. Neulich hatte er von ihr verlangt, nach den Proben darauf zu verzichten, mit den anderen Schauspielern auf einen Drink in den Pub zu gehen. Seine ständigen Kontrollanrufe und dass er ihr heimlich folgte, machten ihr das Leben zur Hölle. Sein besitzergreifendes Verhalten erdrückte sie. Sie stritten und sie liebten sich, quälten sich und konnten doch nicht voneinander lassen.

Auch jetzt, als Aidan sie behutsam küsste, durchzuckte es sie wie ein Blitz. Schnell wurde sein Kuss fordernder und sie erwiderte ihn mit der gleichen Intensität.

„Ich habe dich vermisst“, flüsterte sie an seinen Lippen. So ging es ihr noch immer jede Nacht, wenn ihn der Ruf der Dunkelheit nach draußen trieb. Wenigstens hatte sie gelernt, ihm zu vertrauen. Doch die Einsamkeit in den Stunden seiner Abwesenheit ließ sich nicht vertreiben, selbst wenn sie noch so sehr dagegen ankämpfte. Was jammerte sie, sie hatte gewusst, dass es kein normales Leben mit einem Vampir geben konnte. Ihre Träume von einer glücklichen Familie würden nie in Erfüllung gehen, genauso wenig wie sie ein Kind von Aidan bekommen könnte. Bis jetzt war es ihr gelungen, die Gedanken, die sie immer wieder heimsuchten, erfolgreich zu verbergen.

Sie senkte den Blick und zwang sich zu einem unbeschwerten Lächeln, damit er keinen Verdacht schöpfte. Aidan besaß eine Antenne für ihre Gefühle, was es erschwerte, ihm etwas vorzumachen.

„Ich habe dich auch vermisst“, antwortete er und küsste sie auf die Nasenspitze.

Als sie wieder zu ihm aufsah, stellte sie erleichtert fest, dass ihm ihre Missstimmung anscheinend entgangen war. Stattdessen ertrank sie im warmen Glanz seiner Augen.

„Ich muss dich überall spüren, liebkosen. Jetzt. Sofort.“

Er hob sie auf die Arme und trug sie zum Bett. Sie legte ihr Gesicht an seine Schulter und sog den vertraut würzigen Duft nach Tannengrün und Moos ein, der an ihm haftete, wenn er von seinen Streifzügen durch Moor und Wald zurückkehrte. Behutsam legte er sie aufs Bett. Sie schlang die Arme um seinen Nacken und zog ihn auf sich. Seine Lippen senkten sich auf ihre. Fordernd stieß seine Zunge in ihren Mund. Ambers Finger fuhren durch sein dichtes Haar, das sich wie Seide anfühlte. Ihr Körper glühte und sie konnte es nicht abwarten, ihn endlich nackt zu spüren. Ihre Hände wanderten seinen Rücken hinab, fassten unter sein Sweatshirt und schoben es hoch. Manchmal war es, als wenn sich seine kalte Haut unter ihren Händen erwärmte, es gaukelte ihr vor, seinen toten Körper noch einmal mit Leben zu füllen. Doch leider währte diese Empfindung nur einen Augenblick, und wenn er sie das nächste Mal berührte, war er wieder kalt.

Aidan streifte hastig sein Shirt ab und zerrte bereits an ihrem. „Zieh dich aus“, raunte er, während sein Blick sich vor Begierde verschleierte.

Amber entledigte sich hastig des störenden Stoffes. Voller Ungeduld riss er mit einem Ruck den BH entzwei und legte seine Hände auf ihre Brüste, um sie sanft zu kneten. Seine Daumen fuhren über ihre harten Knospen. Bei jeder Berührung durchfuhr es sie wie ein Stromstoß, der sich in einem Feuerwerk zwischen ihren Schenkeln entlud. Aidan löste sich von ihren Lippen und saugte eine ihrer Brustwarzen ein. Amber drückte den Rücken durch und keuchte.

„Ich kann nicht genug von dir kriegen“, flüsterte er. Er ließ von ihrer Brust ab, um sich der anderen zuzuwenden. Währenddessen fingerte er am Reißverschluss ihrer Jeans.

„Warte.“ Ambers Hände stoppten ihn. Aidan schien zu verstehen, denn er rollte sich von ihr, stand auf und stieg aus seiner Hose. Sie war so erregt, als sie seine Erektion sah, dass ihre Hände zitterten, während sie sich ihrer Jeans und des Slips entledigte. Aidans menschlicher Körper war attraktiv und sexy gewesen, aber als Vampir hatten sich die Konturen vervollkommnet. Amber streckte sich wieder auf dem Bett aus und spreizte die Beine. Sie beobachtete jede Regung an ihm. Es zuckte um seine Mundwinkel, sein Brustkorb hob und senkte sich in schnellerem Rhythmus, während er sie ausgiebig betrachtete. Sie winkte ihn mit dem Finger näher. „Wie lange willst du mich eigentlich noch warten lassen?“

Er schob seine Hände unter ihren Körper und drehte Amber auf den Bauch. Dann zog er sanft ihre Oberschenkel auseinander, bevor er sich dazwischen kniete. Amber stützte sich auf die Ellbogen und hob leicht ihren Hintern. Heiße Wellen der Erregung jagten über ihren Körper. Wie quälend war es doch, auf den erlösenden Moment zu warten, der sie auf den Gipfel der Lust tragen würde. Aidan stöhnte, umfasste ihre Hüften und drang in sie ein. Sie genoss die himmlische Hitze ihrer vereinten Körper. Als sein harter Phallus sie ausfüllte, konzentrierte sie sich nur noch auf den nahenden Höhepunkt und gab sich dem Rhythmus seiner Beckenstöße hin. Aidan stöhnte und flüsterte an ihrem Ohr immer wieder ihren Namen.

Auf ihrer Haut prickelte es, als wäre sie elektrisch geladen. Sie krallte die Finger ins Bettlaken und schrie auf. Der Orgasmus überrollte sie wie eine Woge. Amber durchströmte ein Glücksgefühl, das sich mit jedem Mal steigerte. Aidan tauchte noch einmal tief in sie ein, bevor auch er seinen Höhepunkt erreichte. Er küsste sanft jede Stelle ihres Rückens.

„Ich liebe dich, Amber.“

Eng aneinandergeschmiegt lagen sie eine lange Zeit auf dem Bett.

„Ich werde Carole in Kürze besuchen.“

Kaum hatte sie es ausgesprochen, versteifte sich Aidan. „Du willst nach London? Wann?“

Seine Stimme klang gepresst und Nuancen tiefer, wie immer, wenn ihm etwas missfiel. Es schmerzte mehr als alles andere, dass er ihr nicht genügend vertraute. So konnte das nicht weitergehen. Aidan musste lernen, sich auf sie zu verlassen. Sie hatte ihm oft genug bewiesen, dass sie ihn liebte. Nur ihn.

„Ich fahre nächste Woche, sobald mir das Theater die Gage ausgezahlt hat.“ Sie spürte, wie sich jeder Muskel in Aidans Körper anspannte. Sie erwartete eine heftige Reaktion, doch er schwieg. Natürlich hätte sie auch unter einem Vorwand nach London fahren können, aber Offenheit war ihr wichtig, auch wenn sie seine Verstimmung wie Nadelstiche spürte. „Hey, nur für ein paar Tage.“ Sie stieß ihn sanft mit dem Ellbogen an.

„Meinetwegen. Aber sollte dir etwas geschehen … “ Aidan runzelte die Stirn. Besorgnis lag in seinem Blick.

„Keine Sorge, ich kann auf mich aufpassen“, unterbrach sie ihn lächelnd. Ihre Worte schienen ihn nicht zu beruhigen, denn er lag noch immer verkrampft da. Er kniff die Augen zusammen. Hatte er bereits insgeheim beschlossen, ihr hinterherzuspionieren?

Aidan hatte immer geahnt, dass Amber irgendwann dem Wunsch nachgehen würde, Gealach zu entfliehen. Er konnte sie verstehen. Immer wenn sie mit Carole telefonierte oder etwas über London erfuhr, verschwanden die Sorgenfalten auf ihrer Stirn und sie sprühte vor Lebensfreude. Wie damals, als sie sich kennengelernt hatten. Oft genug spürte er, wie sehr sie sich nach einem normalen Leben sehnte, an der Seite eines Mannes, der sie ausführte, ihr Kinder schenkte … Die Vorstellung, ein anderer könnte sie glücklich machen, war unerträglich. Sicher trauerte sie ihrem Londoner Leben nach. Erst gestern hatte sie wieder mit ihrer Mutter über ihre Erlebnisse im Theater geplaudert. Und von diesem Charles. Schon zu Beginn des Gesprächs hatte er gewusst, dass der Kerl nicht nur ein x-beliebiger Bekannter sein konnte, sondern mehr war. Kevins Worte hatten schließlich seine Ahnung bestätigt. „Charles ist voll cool. Ich habe nie verstanden, weshalb du dich von ihm getrennt hast, Amber.“ Kevin schwärmte von Charles’ Reichtum und Reisen, Dinge, die Aidan ihr nicht bieten konnte. Gut, die Destillerie seines Vaters war umsatzkräftig und warf Profit ab. Aber das Schloss verschlang Unsummen für Restaurierungen. Als Vampir hatte er das Reisen aufgegeben. Du bist der Warrior, dein Revier ist hier, forderte etwas tief in seinem Inneren.

Selbst in Dana Sterns Miene spiegelte sich Entzücken, wenn sie über Charles’ Attraktivität und seine schauspielerische Leistung sprach. Als Amber bestätigend nickte und ein Leuchten in ihre Augen trat, wäre er am liebsten vom Tisch aufgesprungen und aus dem Salon gerannt. Sie sprachen alle über diesen Kerl als wäre er Superman. Reiste Amber etwa nicht wegen Carole, sondern wegen Charles nach London und Glastonbury?

Aidan hätte vor Eifersucht platzen können. Wenn der Kerl sich Amber auch nur ein einziges Mal näherte, würde er ihm den Hals umdrehen.

Im Gegensatz zu dir kann dieser Charles ihr das Leben bieten, nach dem sie sich sehnt, höhnte die Stimme in seinem Inneren und spülte die verdrängten Zweifel seiner menschlichen Seite erneut an die Oberfläche. Bist du ein Jammerlappen oder ein Vampir? Was bedeutet schon eine Sterbliche für einen Warrior?, konterte die Stimme seines vampirischen Ichs. Der Mensch in ihm riet, Amber die Freiheit zu gewähren, sie reisen zu lassen, wenn er sie nicht verlieren wollte. Schließlich konnte er sie nicht einsperren, selbst wenn er es noch so gern mochte.

Aber der Warrior war besitzergreifend und verlangte ihre Unterwerfung. Er würde ihr heimlich folgen. Und falls sie seine Gegenwart fühlte? Ambers Sinne waren, besonders was seine Person betraf, geschärft. Es würde schwer werden, sie zu überlisten. Aber er konnte auch nicht nur rumsitzen und vor Eifersucht in den Wahnsinn abdriften. Wenn er nur an Typen wie Forbes dachte, kochte der Zorn. Bei jeder Begrüßung hielt sein Verwalter Ambers Hand länger als die der anderen. Einmal strich sein Daumen über ihren Handrücken. So ganz zufällig, aber Aidans Augen entging nichts. Fast wäre er dem Kerl an die Gurgel gesprungen, wenn ihn nicht Ambers warnender Blick zurückgehalten hätte. Warum zum Teufel wies sie Forbes nicht sofort in seine Schranken? Und all die anderen? Den Kioskbesitzer, der sie ins Kino einlud oder Munro, der sie nach den Proben immer abpasste und sie zu einem Drink im Pub überredete? Er hasste sie alle.

Aidan wurde von seinen Gedanken durch Amber abgelenkt, die ihr Gesicht an seinen Hals schmiegte und ihn küsste. Ein wohliger Schauder lief seinen Rücken hinab und bewirkte ein Aufrichten seiner Männlichkeit. Er liebte und begehrte sie, dass es schmerzte. Der Gedanke, sie könnte mit einem anderen Mann Zärtlichkeiten austauschen, machte ihn rasend.

Mit einem unterdrückten Aufschrei drückte er sie rückwärts aufs Bett und legte sich über sie. Warrior, du bist ihr Herr und Gebieter, sie hat dir zu gehorchen, meldete sich sein Vampir-Ich zurück, weshalb sich in seinen Kuss nicht nur Leidenschaft, sondern auch der Wunsch nach Bestrafung mischte, weil sie ihn verließ. Sei es auch nur für eine kurze Zeit.

Amber erkannte an seinem wechselnden Mienenspiel seine innere Zerrissenheit, seine warme menschliche Seite rang mit seiner vampirischen, deren Kälte immer öfter an die Oberfläche drang. Wenn sie sich jetzt gegen seinen Kuss wehrte, würde das seinen Jagdtrieb wecken und ihn gegen sie aufbringen. Eine Auseinandersetzung war das Letzte, was sie anstrebte. Mit jedem Streit wurde er unbeherrschter.

Oft hatte sie sich gefragt, ob ihre Beziehung harmonischer verlaufen würde, wenn sie sich von ihm in einen Vampir wandeln ließe. Vielleicht würde es ihre Probleme lösen. Im gleichen Atemzug verwarf sie diesen Plan. Niemals wollte sie sich Revenant unterwerfen und ein Leben in ewiger Finsternis führen.

Neulich hatte Aidan sich mit seinem Degen durch eine kleine Unachtsamkeit eine Schnittwunde zugefügt. Sie hatte gebannt auf das dunkle Blut gestarrt, das aus der Wunde quoll. Als sich ihre Blicke begegneten, spürte sie seine Gedanken und eine unerträgliche Spannung lag in der Luft.

„Mach mich nie zu einem Vampir. Das könnte ich dir nie verzeihen“, hatte sie gesagt und es schmerzlich in seinen Augen aufblitzen sehen. Eher würde sie sterben, als dem Ruf der Schattenwelt zu folgen.

Oft wünschte sie sich, Aidans Verwandlung rückgängig machen zu können. Jedes Opfer hätte sie dafür gebracht. Aber was nützte es, sich dieser Utopie hinzugeben? Es gab kein Zurück. Sie musste darauf vertrauen, dass ihre Liebe stark genug war, den Rest Menschlichkeit in ihm zu bewahren.

Seine Kuss wurde immer ungezügelter, grob. Seine Hand umspannte eisern ihren Nacken und machte jegliche Kopfdrehung unmöglich. Selbst als sie ihre Hände gegen seine Brust stemmte, gab er nicht nach.

Ein kurzer, brennender Schmerz durchzuckte ihre Lippe. Sie fuhr zusammen und stöhnte, schmeckte Blut. Als er seinen Griff lockerte, gelang es ihr, ihn von sich zu stoßen.

„Warum hast du mich gebissen? Wenn du Blut brauchst, sag vorher wenigstens Bescheid und fall nicht einfach über mich her.“ Sie betupfte die schmerzende Stelle mit dem Finger und suchte im Nachttisch nach einem Taschentuch.

Seine Augen weiteten sich vor Gier, als sein Blick auf ihren blutenden Mund fiel. Er leckte sich über die Lippen und seine Nasenflügel blähten sich. Amber spürte, wie sehr er um die Beherrschung rang, nicht mehr von ihrem Blut zu kosten. Hastig wandte sie sich ab, um ihm den Anblick zu ersparen und presste das Taschentuch auf die Wunde. Was war geschehen? Er hatte sich sonst immer unter Kontrolle. Außerdem wollte er nie wieder von ihrem Blut trinken, trotz ihres Angebots.

Ich will dein Blut nicht. Was ist, wenn ich nicht mehr aufhören kann oder ich dich verwandele?, hörte sie noch deutlich seine Worte in den Ohren klingen. Aidan wusste, dass sie nicht zu Revenants Gefolge gehören wollte. Selbst wenn sie sich noch so sehr danach sehnte, die Ewigkeit an seiner Seite zu verbringen, ein Geschöpf der Finsternis wollte und konnte sie nicht sein.

Aber du bist eine Sterbliche, die altert und stirbt, während er jung bleibt und auf ihn das ewige Leben wartet. Willst du diese Chance wirklich aufgeben? Amber ignorierte die Stimme in ihrem Inneren. Niemals war sie gewillt, Unsterblichkeit gegen eine ewig währende Gefangenschaft einzutauschen. Auch nicht aus Liebe. Die Menschen brauchten sie zu ihrem Schutz.

„Es tut mir leid, aber als ich dein Blut gesehen habe … Ich wollte dir nicht wehtun“, stieß er heiser hervor.

Sie war erleichtert, weil der Mensch in ihm gewonnen hatte.

„Hast du aber.“ Sie drehte sich wieder zu ihm um. Er war ein Vampir und damit ein unberechenbares Raubtier. So würde es immer sein. Doch er musste lernen, sich zu zügeln. Er nahm ihre Hand und küsste jeden einzelnen Finger. „Mein Angebot steht noch immer. Überleg es dir.“

„Nein, es wird nicht wieder vorkommen.“

Sie erwiderte nichts, aber sie erkannte, dass er gefasster war. Auf den Ellbogen gestützt, beugte sie sich zu ihm. Eine widerspenstige Haarsträhne fiel in seine Stirn. Amber wickelte sie sich um den Finger. „Ich liebe dich, Aidan. Daran wird sich nie etwas ändern. Auch meine Reise nach London nicht.“

Seine Miene drückte noch immer Skepsis aus, aber er zog sie an sich, um sie zu küssen. Sie würde ihn immer lieben.

~ 3 ~

Als die Runen vor Ambers Augen verschwammen, stiegÜbelkeit in ihr auf. Gefahr und Tod! Irgendjemand, der ihr viel bedeutete, würde bald sterben. Ihr Herz schlug dumpf und schwer in der Brust. Ein weiteres Mal sammelte sie die schicksalsweisenden Hölzchen auf, um sie orakeln zu lassen.