Moppelchens Chaosbande - die Kolumne im mamiweb - Sylvia Koppermann - E-Book

Moppelchens Chaosbande - die Kolumne im mamiweb E-Book

Sylvia Koppermann

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Beschreibung

Moppelchens Chaosbande, bekannt aus der Kolumne: Chaosbande, im www.mamiweb.de, erstmalig und exklusiv, jetzt auch als Buch. Inspiriert durch die kleinen alltäglichen Katastrophen in ihrer Großfamilie, beschreibt die Autorin auf humorvolle und nicht immer ganz ernst zu nehmende Weise Geschichten, die zum Schmunzeln einladen und in denen man sich wiederfinden kann. Ob nun von Grenzen auslotenden Teenagern, verrückten Haustieren, bis hin zu kreativen, selbstbewussten Kleinkindern, die schon früh heraus finden, wie sie den Vater, mit seiner eigenen Nachgiebigkeit in die Verzweiflung treiben können, garantieren diese kurzweiligen Erzählungen Lesespaß von der ersten, bis zur letzten Seite. Moppelchens Chaosbande – die Kolumne im mamiweb, ist der Beginn einer Reihe von Sammlungen an heiteren Kurzgeschichten über eine Großfamilie, basierend auf dem wahren Leben.

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Seitenzahl: 198

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Sylvia Koppermann

Index

Vita

Vorwort

Schicksal oder schadenfroher Plan?

Die Zahnfee kommt nicht auf den Spielplatz

So schnell wird man Oma

Terrorzwerge

Mein Mann, der Schwangerschaftstest

Von Slips und anderer Mode

Schwiegerelternrituale

Busenpanzer blockiert Waschmaschine

Wir lieben Scotch

Ritter Valentin

Damenhygiene

Darf ich vorstellen: Ruby Raptor

Wenn Windeln tief fliegen, ist mit nassen Betten zu rechnen!

Der Lügendetektor

Joe Astaire

Immer in Gedanken

Oh, Tannenbaum

Advent, Advent, die Katze brennt

Rudi soll leben!

Einkaufsmarathon für das Festmenü

Kidnapping im Schnäppchenmarkt

Der heilige Chaosabend

Schaukampf

Da wird der Hund in der Wanne verrückt

Von Eiern und kleinen Putzteufeln

Werbung

Kostümfrage

Frauen träumen anders als Männer

Bei mir piepts

Doro, In Extremo und das Moppelchen

Der Liebestest

Urlaub? Wie geht das?

Vita

Moppelchens

Chaosbande

Für meine wunderbare,

Impressum:

Texte: © Copyright by Sylvia Koppermann

Umschlaggestaltung:

© Copyright by Sylvia Koppermann & Thorsten Wolske

Erscheinungsjahr: 2019

Autor und Verlag:

Sylvia Koppermann

Impressum-Service:

Sylvia Koppermann

Sylvia Koppermann

Moppelchens

Chaosbande

Vorwort

Wir sind eine große Patchworkfamilie, laut, fröhlich, vielleicht ein bisschen verrückt und gestritten wird bei uns wohl nicht mehr oder weniger, als in den meisten anderen Familien. Vor allem aber, sind wir glücklich, selbst wenn auch wir in unserem Leben eigene Hürden bewältigen mussten. Aber genau das, hat uns auch geformt, stärker gemacht und zusammen geschweißt. Und dazu gehört auch, dass wir versuchen, das Leben von der humorvollen, manchmal sarkastischen Seite zu betrachten, denn mit einem Lachen erscheinen all die kleinen Alltagsdramen plötzlich so gar nicht mehr dramatisch. Uns kennen zu lernen, bedeutet vielleicht auch ein wenig Mut zu haben, denn ein uns anhaftender, trockener Humor und Selbstironie, kann anfangs verwirrend sein. Wir sind eben, wer wir sind, unkonventionell und locker. Inspiriert vom täglichen Wahnsinn in meiner Großfamilie, beschloss ich irgendwann, vieles, das ich ohnehin schon versuchte mit Humor zu nehmen, aufzuschreiben. So entwickelten sich zahlreiche Geschichten der Chaosbande, um die alltäglichen Abenteuer, die zum Schmunzeln anregen, aber auch, sich selbst vielleicht gelegentlich wieder zu finden. Und jene Erzählungen führten schließlich auch zum Angebot der „Kolumne: Chaosbande“, im Magazin der Mütter-Community www.mamiweb.de, wo ich mich dereinst, unter dem Namen Moppelchen71, anmeldete. Daher war es eigentlich nur die naheliegende Schlussfolgerung, auch für die Zukunft mit der Bezeichnung Moppelchens Chaosbande, Lesern einen Wiedererkennungswert zu bieten.

Alle in der Kolumne veröffentlichten Artikel, wurden in diesem ersten Buch zusammen gefasst und läuten den Start einer Reihe Bücher ein, in der weitere, zumeist humorvolle und größtenteils unveröffentlichte Erzählungen, rund um das Familienleben, geschildert werden. Lernen Sie die Chaosbande kennen und begleiten Mutter Silia, Vater Joe, die Kinder Jemma, Till, Malte, Elly, Ruby, Yanic und Tara, sowie die Enkel Zita und Luis auf humorvollen kleinen Alltagsabenteuern.

Schicksal oder schadenfroher Plan?

Ich liebe meine Kinder, keine Frage, aber stellenweise grüble ich darüber nach, ob sie nicht Sendboten des Chaos sind. Da haben Jahrtausende Götter in allen Kulturen, die Menschen zum Zittern gebracht, bis sie an Macht verloren, weil man aufhörte an sie zu glauben. Zerknirscht zogen sie sich in eine Sphäre zurück, die man vielleicht als Götter-Seniorenresidenz bezeichnen könnte und sitzen nun missmutig da, um sich gegenseitig jeden Tag aufs Neue vorzuhalten, wie undankbar diese Menschheit doch ist.

Ändern können sie es nicht mehr, aber boykottieren.

Also schicken sie uns diese kleinen, zuckersüß anzusehenden Mini-Monster, die wir unsere Kinder nennen und über alles lieben, womit auch immer sie unser Nervenkostüm auf die Zerreißprobe stellen.

Mit großen Kulleraugen schielen sie uns an, wirken hilflos und sind es tatsächlich auch in allen wichtigen Belangen. Nur nicht dort, wo es darum geht, uns an den Rand des Wahnsinns zu treiben!

Habt Ihr Euch einmal überlegt, wie es kommt, dass ein zweijähriges Kind noch immer mindestens 1/3 des Löffelinhalts auf dem Weg zum Mund über Tisch, Stuhl und Kleidung verteilt, aber mit der Präzision eines Feininstrumentes Hundefutter in den Besteckkorb des Geschirrspülers schaufelt?

Oder wie es sein kann, dass die Kleinen kaum den Stift halten, geschweige denn den Malblock treffen, um dann mit wilden, weit ausholenden Strichen Löcher ins Papier, samt Tisch zu kratzen, dagegen aber millimetergenau all die Möbelstücke und Einrichtungsgegenstände mit nicht entfernbaren Kunstwerken verzieren, die einem lieb und teuer sind und natürlich genau im Sichtfeld eines jeden Besuchers liegen, als habe ein Innendekorateur genau diese Stellen in tagelangen Raumbegehungen und Einbeziehung der Lichtverhältnisse sämtlicher Tageszeiten, als perfekten Ort für das Kratzbild erwählt?

Wie schafft es ein Kleinkind, mit der Motorik einer Winkerkrabbe, so gezielt und zufällig all die Gegenstände mit Dingen, die man nicht wirft, von ihren Plätzen zu schießen?

Und warum wachen und schlafen sie nie dann, wenn sie es gerade sollen?

Ich sitze seit halb 6 am Morgen hier und habe mir fest vorgenommen heute diejenige zu sein, die ein aufgesetzt fröhliches - in Wirklichkeit aber schadenfrohes - Lächeln zeigt, wenn die kleinen Kröten zu einer unmenschlichen Zeit aus dem Bett kriechen und dabei eine Laune haben, wie der frisch ins Land ziehende Frühling.

Diesmal würde ich Erste sein und ihnen den Triumph nehmen, noch vor 6:00 Uhr zu wecken!

Es wurde 6:00 Uhr, halb 7,... halb 8,...

Und endlich, gegen halb 9, kommen sie auch noch völlig verschlafen und ungewohnt stumm, aus den Höhlen gekrochen.

Wo bitte schön ist denn da die Gerechtigkeit?

Bettelt und fleht man am Wochenende, sie mögen wenigstens EINMAL bis 7:00 Uhr im Bett bleiben, stehen sie garantiert spätestens um 5:00 Uhr vorm Elternbett und brüllen ein infernalisches: „Ich habe Hunger!“.

Aber wappnet man sich, steht früh auf, bereitet vor, ist gerüstet, wir die kleine Brut von einer plötzlichen Narkolepsie mit anschließender Appetitlosigkeit befallen!

Ist das fair?

Und bleibe ich morgen länger liegen, stelle mir den Wecker auf Viertel nach 6, dann steht garantiert um 10 vor 5 das erste meiner beiden kleinsten Fabelwesen vor meinem Bett, reißt meine Augenlider hoch, zieht sie mir wie eine Kapuze über den Kopf und kreischt gespielt erstaunt: „Mama, Du bist ja schon wach!“

Und in der Götter-Seniorenresidenz donnern die Wände vom Lachen und unsterbliche Götterpranken werden gegeneinander geschlagen.

Wotan dröhnt laut lachend: „Zeus, give me five! Und dann mobilisier mal die Kollegen. Wir haben heute noch ein paar Spaßmacher zur Erde zu schicken!“

Die Zahnfee kommt nicht auf den Spielplatz

Es war Sommer, die Ferien hatten gerade begonnen und Malte fieberte seiner Einschulung entgegen.

Passend dazu hatte er seinen ersten Wackelzahn von dem er inbrünstig hoffte, dieser würde noch rechtzeitig zum Schulbeginn ausfallen, denn "echte Schulkinder haben doch eine Zahnlücke".

So fummelte Malte bei jeder Gelegenheit in seinem Mund herum und mehr als einmal musste ich ihn bitten, wenigstens beim Essen die Finger aus der Schnute zu nehmen.Jemma und Till, bereits Wackelzahn erfahren, taten alles, um dem kleinen Bruder Tipps zu geben. Meist kam dabei der obligatorische Bindfaden zur Sprache und nachdem bereits eine Türklinke locker war, schritt ich schon in der Planung ein, als mein Toaster ins Gespräch kam. Ob man denn ersatzweise das Bügeleisen....

Auch als Till mit der großen Rohrzange auf seinen kleinen Bruder zu steuerte, sprang ich dazwischen und wurde von Malte mit einem strafenden Blick bedacht.

"Mama, wenn wir nichts machen dürfen, dann ist das völlig uncool!"

"Mein Sohn, statt meine Haushaltsgeräte zu werfen, könnten wir doch zum Zahnarzt gehen", war mein Argument als zaghafter Versuch den Hausstand zu retten.

"Nee," warf Till ein "das ist ja fast wie mogeln! So ein Zahn muss altmodisch gezogen werden!"Was immer er damit meinte, es machte mir Angst, denn meine Kinder schäumten in ihrer Kreativität gerade zu über. Schließlich löste sich das Problem doch noch von allein, wenn auch anders und spektakulärer, als ich dachte.Wie fast jeden Tag, marschierten meine Kinder am Vormittag zum Spielplatz an der Ecke. Bereits eine halbe Stunde später, schreckte mich ein infernalisches Gebrüll auf und ließ mich zur Haustür stürzen. Gerade schob Till den kreischenden Malte die Treppe hinauf, der immer nur herausbrachte: "Mein Zahn ist raus, ... mein Zahn ist raus!"Ich dachte, mein Kleiner stehe unter Schock, ist doch gerade das Ausfallen des ersten Zahns immer auch mit einem kleinen Schrecken verbunden.

Also redete ich auf ihn ein, dass wir nun einen Grund zum Feiern hätten, er auf den Schreck ein großes Eis verdient hätte und überhaupt, die ganze Familie nun in Partystimmung sei.Malte brüllte noch lauter und nun verstand ich nicht einmal mehr seine gestammelten Worte.

Till übernahm die Rolle des Übersetzers: "Mama, darum geht es doch gar nicht! Das war Maltes erster Zahn und jedes Baby weiß doch, dass die Zahnfee beim ersten Zahn mehr springen lässt. Glaubst Du, die kommt jetzt auf den Spielplatz und legt das Geld in den Sandkasten?"

Maltes Gebrüll steigerte sich um weitere schrille Nuancen.

So blieb mir nur das Gespräch mit seinem Unterhändler, dem großen Bruder, fortzusetzen. "Abgesehen davon, dass ich mir vorstellen könnte, die Zahnfee würde sicher auch mal eine Ausnahme machen. Mhm, wenn nicht, könnten wir ja einen kleine Notlüge anwenden und einen von Euren alten Milchzähnen unters Kissen legen."

Wie gut, dass Malte weiter brüllte, so kamen meine beiden Großen gar nicht auf die Idee nachzufragen, wie ich in den Besitz ihrer Milchzähne gelangte, die doch von der Zahnfee abgeholt worden waren.Jedenfalls wurde mein Vorschlag mit einem skeptischen Blick abgewehrt. Das ging ja gar nicht, denn die Zahnfee wüsste doch schließlich, dass das nicht Maltes Zahn sei und am Ende würde sie ihn vielleicht noch wegen Betruges anzeigen.

Ich gab auf, meine Söhne packten sich ein Marschpaket, sammelten sich Grabwerkzeug zusammen und verließen das Haus, mit dem feierlichen Schwur, nicht eher wieder nach Hause zu kommen, bis sie den Zahn wieder gefunden hätten oder der Hunger sie zurück, gen Heimat trieb.

In den folgenden Stunden schickte ich Jemma immer wieder zum Spielplatz, um unauffällig den Stand der Dinge auszukundschaften. Abgesehen davon, dass die Brüder mittlerweile herausgefunden hatten, der Sandkasten sei sicher einen halben Meter tief und man den Hauch einer Klondike-Romantik verspürte, wenn man die beiden Jungs dort hocken und Sand sieben sah, gab es nichts Neues.Dann, es war gegen späten Nachmittag, hörte ich erneut Geschrei. Zuerst dachte ich, die Marschverpflegung sei aufgebraucht und meine Söhne schrien nach Futter, doch sie rannten die Straße entlang, wie zwei Läufer mit dem olympischen Feuer. Nur, dass sie keine Fackel trugen, sondern etwas anderes, kleineres, das in die Höhe gehalten wurde.

Es war ein Zahn!Jubelnd sprangen sie um mich herum und berichteten von all dem Schweiß, den es sie gekostet hatte, doch dann lag er endlich im Sieb, schmutzig, Sand verklebt, aber er war da: der Zahn.

Ein wenig skeptisch schaute ich das weiße Krümelchen an. Ob sie denn sicher waren, dass dies tatsächlich Maltes Zahn sei, wagte ich kurz zu bezweifeln.Empört baute Till sich vor mir auf."Mama, für wie dumm hältst Du uns eigentlich? Natürlich haben wir den Zahn zuerst in Maltes Lücke gehalten und er hat gepasst!"

Mich durchlief ein Schauer und ich sträubte mich vor dem Bild, wie Till Malte diesen Sand verklebten, möglicherweise sogar fremden Zahn in die Lücke stopfte, um eine optischen Vergleich zu haben.Als er dann, beim Hinausgehen, noch nuschelte: "Wenn wir so dumm wären, hätten wir den anderen ja mitgebracht, der nicht gepasst hat!", wurde mir endgültig ganz anders und ich befahl Malte, sich gründlich die Zähne, samt den gesamten Mundraum zu putzen.

Mein kleiner Zahnsucher war glücklich und behielt das Zähnchen, bis zum Schlafengehen, bei sich.Es muss wohl nicht gesondert erwähnt werden, dass die Zahnfee in dieser Nacht besonders großzügig war.

Beim Frühstück spielte Malte gedankenverloren mit seinen zwei Euro. Ich fragte ihn, ob er seinen Zahn vermisst, weil er so grübelte. Malte seufzte.

"Nee, Mama, den Zahn vermisse ich nicht. Aber Till meinte, die Zahnfee bringt für die Zähne doch immer fünfzig Cent. Für den Zahn habe ich gleich so viel mehr bekommen, dass ich gerade überlege, wo ich den nächsten verlieren muss, damit die Zahnfee weiter so großzügig bei mir ist."Innerlich verabschiedete ich mich von meinem Bügeleisen.Ich hasste es sowieso und ein Neues käme, langfristig gesehen, nicht teurer als der Spektakuläritätsbonus für Maltes Zahnungsorte.

So schnell wird man Oma

Als aus meinem besten Freund mein Partner wurde, stand fest, wir wollten ein gemeinsames Baby. Ich hatte bereits drei Kinder, er eines, somit war klar: wir sind fruchtbar, dem Kind steht nichts im Weg.

Doch so recht wollte es nicht klappen, der Storch flog über ein Jahr eine Umleitung um unser Haus.

Naja, eigentlich nicht ganz, wie sich an einem kalten Morgen, Anfang Dezember, herausstellte.

Meine älteste Tochter, knapp 17 Jahre alt, nuschelte einen kurzen Gruß und huschte aus der Tür, Richtung Schule.

Morgenmuffel!

Dann fand ich den Zettel: "Mama, ich weiß nicht, wie ich Dir das sagen soll, aber ich bin total durcheinander, denn ich glaube, ich bin schwanger!"

Mein Kaffeepott landete unsanft auf dem Tisch, die Kinnlade ruhte irgendwo auf meiner Brust und irgendwann beschwerten sich meine Lungenflügel, weil sie gerade nichts zu tun hatten.

In meinem Kopf arbeitete nichts mehr, mein Körper handelte mechanisch und griff zum Telefon.

Wie in Trance wählte ich die Nummer meiner Tochter und zitierte sie mit einer langen Rede - "Egal, wo Du jetzt bist, es wird umgehend der Rückwärtsgang eingelegt und das heimische Schloss angesteuert!" - nach Hause.

Zehn Minuten später saß sie auf der Couch.

Sie kaute keine Nägel, nein, ihr Arm war bis zum Ellenbogen weg.

Innerlich versuchte ich mir eine Checkliste zurecht zu legen, nach der ich Jemma nun, so ruhig es mir möglich war, ausfragte. Ich war mir völlig sicher, sie hatte nur eine leicht verschobene Periode, die eben ein paar Tage später kommt.

"Wann hättest Du denn Deine Tage kriegen sollen?" schmunzelte ich sie noch siegessicher an.

"Ähm... also, ganz genau weiß ich das jetzt nicht... Ich würde sagen... so vor zwei oder drei... Monaten!"

Ein Moment für die Geschichtsbücher: Ich war komplett sprachlos und saß mit weit nach unten geklappten Kiefer da.

Der nächste mechanische Griff folgte zum Portemonnaie, ich zog irgend einen Geldschein raus, warf ihn Jemma hin und orderte die sofortige Beschaffung eines Schwangerschaftstest aus der Apotheke an.

Zwischenzeitlich rief ich meine Schwester an, um ihr zu erklären, dass wir uns gleich bei ihr treffen würden, um gemeinsam einen Schwangerschaftstest zu machen, bei dem sie entweder Jemma erste Hilfe, wegen Erleichterungsohnmacht oder selbige bei mir, wegen völligem Nervenzusammenbruch leisten müsse.

Der rosa Streifen für positiv erschien schon, während Jemma den Test noch in den Dämpfen ihrer Pipiprobe schweben ließ!

Meine Schwester fand das alles lustig, gratulierte mir, dass ich dann ja bereits mit 36 Jahren Oma sein würde und vor mir lief mein ganzes Leben, wie ein Film ab, während meine Schwester und Jemma die Frauenärztin anriefen, um möglichst gleich einen Termin zu bekommen.

O M A !

Ich, in der Blüte meines Lebens!

Mitten im festen Vorsatz, mich noch weiter fortzupflanzen, gewillt, mich jung und frisch zu fühlen, sah mich in Faltenrock und Häkelstola, Kopf wackelnd im Schaukelstuhl kauernd und Strümpfe stricken.

Meine Tochter nahm mich in den Arm und sagte nur: "Mama, das kriegen wir schon hin!"

STOPP!

Das war doch mein Part, oder nicht?

Mit einem Ruck schubste ich das zittrige, strickende Mütterchen aus dem Schaukelstuhl, setzte mich aufrecht hin, schaute meine Große an und meinte, so cool ich eben konnte: "Klar, warum sollten wir das denn nicht hinkriegen!"

Eine Stunde später, lag meine Tochter auf der Pritsche der Frauenärztin, die mit dem Ultraschall begann.

Ich plauderte noch locker vor mich hin, fragte naiv, ob man denn überhaupt so einigermaßen berechnen könnte, ob denn Jemma nun im 2. oder 3. Monat schwanger sei. Den Augenblick genoss die Ärztin.

Ich werde nie ihr hämisches Grinsen vergessen, als ich noch bewundernd meinte, sie habe ein tolles Ultraschallgerät, das einen so winzigen Krümel so groß zeigte.

"Och, so viel vergrößert das Gerät gar nicht!" schmunzelte sie "Wir haben sogar Glück, dass wir noch fast den gesamten Körper auf' das Bild kriegen. Aber das ist ja im 5. Monat normal."

Meine Kinnlade saß aber auch locker in den Angeln!

Mein Countdown lief, ich hatte nur noch 5 Monate, die Haare ergrauen zu lassen und Dutt wickeln zu üben.

Die wenigen Tage bis Weihnachten verbrachte ich tagsüber damit, Pläne mit meiner Tochter zu schmieden, wie wir alles mit Kind managen können und nachts, mir darüber bewusst zu werden, welcher neue Lebensabschnitt für mich beginnen würde.

Zu Silvester stand für mich fest, dass ich nun zum letzten Mal auf meine Regel warten würde, um dann nie wieder daran zu denken, selbst noch einmal schwanger zu werden. Schließlich würde ich ja bald Oma sein.

Fünf Tage später hielt ich erschüttert einen Schwangerschaftstest in der Hand und meine Große sprang wild um mich herum.

"Mama, das ist so klasse! Mensch, super, jetzt kriegen wir gleichzeitig ein Baby!"

Und mein Kinnlade ruhte am neuen Stammplatz, auf meiner Brust.

Meinen Mann erwartete nun eine schwere Zeit, denn er hatte zwei Hormonbomben um sich, die sich nichts schenkten und für keine Marotte zu schade waren.

Den ganzen Tag liefen Baby-Dokus und wollte man zu uns vordringen, hatte man erst über Berge von Babykatalogen zu klettern.

Der Erzeuge meiner Enkelin, erst noch ganz euphorisch, besann sich zwei Monate später seiner Jugend, faselte noch etwas von "Freunde bleiben" und ward dann nur noch selten gesehen.

Vier Monate nach dem Enkelchen, sollte unser Baby kommen, aber aus Sympathie trugen Jemma und ich bereits im April den gleichen Bauchumfang.

Alles war auf die Geburt meiner Enkelin vorbereitet, bis auf Jemma und ich, denn die gemeinsam schwangere Zeit gefiel uns und schien viel zu kurz.

Genau eine Woche nach errechnetem Entbindungstermin, stand Jemma morgens gegen 08:00 Uhr vor mir und meinte, sie habe die halbe Nacht auf die Kleine eingeredet, dass sie nun mal langsam rauskommen sollte, aber das renitente Kind habe nur angefangen, ablehnend zu randalieren, da sie nun Rücken- und Unterleibsschmerzen hätte, die sich gar nicht gut anfühlten.

A L A R M !

Wir fuhren sofort zu unserem Gynäkologen fahren, der dann lächelnd feststellte, die Wehen hätten eingesetzt. Er wollte keine Prognose stellen, meinte, es könnte durchaus noch einen oder zwei Tage dauern, bis die Wehen kräftig genug sind, allerdings könnte es auch stündlich stärker werden und wir sollten doch dann lieber in die Klinik fahren. Innerhalb von zwei Stunden wurden die Wehenabstände kürzer und meine Tochter schnaufte bereits bei jeder Kontraktion wütend: "Und das alles nur wegen einem einzigen Apfel! Diese Eva hätte sich mal lieber ne Scheibe Brot schmieren sollen!"

Das war das Zeichen, auf das ich gewartet hatte.

Während die Tasche, samt Jemma Richtung Auto schlurften, rief ich den Erzeuger meiner Enkelin, in der Schule an.

"Holen Dich in 10 Minuten ab! Kind kommt!"

Er sollte dabei sein, um wenigstens das Wunder der Geburt seines ersten Kindes mitzuerleben.

So fuhren wir nun in die Klinik und Jemma wiederholte immer wieder ihre Flüche auf die biblische Stammmutter.

Selten sah ich mein Kind so religiös, wie an dem Tag.

Der Empfang war bescheiden.

Eine äußerst unsympathische Hebamme nahm Jemma, mich und den Erzeuger, in Empfang, kriegte kaum die Zähne zur Begrüßung auseinander und wurde ungehalten, als Jemma, in einer Wehe, in die Knie ging und schnaufte, statt ihr zu antworten.

Zwei oder drei der Unfreundlichkeiten hörte ich mir noch an, als die Hebamme dann jedoch schon zu einer Moralpredigt ausholte, die das Alter meiner Tochter betraf und sie anzischte, sie solle sich nicht so anstellen, gefolgt vom Satz: "Wie es rein kommt, kommt es eben nicht wieder raus, da hätten Sie dran denken sollen, als es noch Spaß machte!", platzte mir dezent der Kragen.

"Wenn Sie jetzt noch ein einziges, respektloses Wort zu meiner Tochter sagen, dann gehen wir beide, Sie und ich, kurz nach draußen und führen ein Gespräch, darauf können Sie sich verlassen. Für anmaßende Predigten gibt es hier keine Prämien und wenn sie jemanden brauchen, an dem sie ihren persönlichen Frust ablassen möchten, stelle ich mich Ihnen gern zur Verfügung. Ich wette, ich kann Ihnen noch etwas beibringen, wenn es darum geht, jemanden herunter putzt!"

Die offene Kinnlade schien in dem Jahr eine Modeerscheinung gewesen zu sein, denn genau so starrte mich nun die Hebamme an.

Fünf Minuten später tänzelte sie fröhlich wieder ins Zimmer, ein paar Flaschen Wasser unter dem Arm, drei Gläser und säuselte, wir sollten ja alle keinen Durst haben müssen. Zu spät für einen Sinneswandel ihrer Laune, DIE würde meine Tochter nicht von meiner Enkelin entbinden!

Eineinhalb Stunden, bis zum Schichtwechsel, schleppten wir Jemma durch den Krankenhauspark.

Dann ging nichts mehr, sie wollte zurück.

Eine liebe Hebamme empfing uns, stellte sich als Nicole vor und fragte Jemma, ob sie vielleicht in die Badewanne möchte.

Das Wasser lief ein und wir holten alle Sachen im Gänsemarsch aus dem Kreißsaalzimmer, um sie zur Wanne zu tragen. Vier Mann über den Flur, zwei wieder zurück. Zwei Mann wieder zur Wanne, Mama wieder zurück.

Lautes Quieken aus dem Wasser: "Mamamamamamamama!"

Mama Rückwärtsgang und zurück, Klamotten in die Ecke geworfen, Jemma getätschelt. Die Wehen wurden innerhalb von Minuten stärker, aber Jemma erklärte tapfer, sie bliebe in der Wanne, eine PDA käme nicht in Frage.

Zwei Minuten später schrie sie den Kindsvater an, er solle den Anästhesisten kidnappen, denn genau jetzt sei es an der Zeit, doch eine PDA zu legen.

Der Ärmste hockte rechts von ihr, im Schwitzkasten meiner Ältesten und so zog ich los, die Hebamme davon zu unterrichten, dass wir nun die PDA doch bräuchten.

Halb im Zimmer mit der Wanne, halb vor der Hebamme stehend, die nur lächelnd meinte: "Dachte ich mir doch! Ich rufe ihn gleich!"

Währenddessen hatte ein kleiner Positionswechsel stattgefunden. Der Vater saß plötzlich links neben der Wanne, meine Tochter war weg.

Er war bleich.

"Sie hat mich gepackt und irgendwie landete ich hier. Ist das alles normal?"

Ein Fuß kam winkend aus dem Wasser, nun wusste ich zumindest, wo meine Tochter war.

"Egal, wo Du sitzt, aber zieh sie mal aus dem Wasser, sie hat schließlich keine Kiemen!" Prustend kam Jemma an die Oberfläche und schimpfte, das würde weh tun und sie plane sich nun zu ertränken, was nur Schuld des lahmen Anästhesisten wäre, der sich nicht schnell genug zu uns bewegt.

Gemeinsam zogen wir sie aus der Wanne und schleppten sie in den Kreißsaal zurück. Dort warf sie sich aufs Bett, verlangte, dass man sie mit dem Kissen ersticke und setzte einen panischen Blick auf, als die Hebamme meinte, der Anästhesist bliebe bei ihr arbeitslos, da der Muttermund vollständig eröffnet wäre und sie nun schieben sollte.

"Na toll!" fluchte Jemma "Wie denn?"

Wie ein Drill-Sergeant gab ich dem Erzeuger mit meinen Blicken Zeichen.

Wir zogen Jemma an den Schultern nach vorn, ich sagte ihr, sie sollte das Kinn auf die Brust drücken und dann einfach nur pressen.

Nach jeder Presswehe, ließen wir sie ein Stück nach hinten, um sie erneut nach vorn zu stützen, wenn die nächste Kontraktion begann.

Die Hebamme wischte und tupfte zwischen den Beinen herum und ich dachte noch, sie hätte irgendeinen Lappen in meine Tochter geschoben, der nun herauskam, so merkwürdig sah das alles aus, als ich feststellen musste, der Lappen war bereits das Köpfchen meiner Enkelin, das sich, mit seinen verklebten Haaren gerade heraus schob.

Völlig gebannt, von dem Anblick, wie da Stück für Stück die Kleine zur Welt kam, vergaß ich fast, Jemma in den Pausen zum Liegen kommen zu lassen.

Zita war bis über die Schultern geboren, da schrie Jemma, dass sie nun keine Lust mehr hätte, nicht einmal mehr pressen wolle und jetzt sofort nach Hause ginge.