Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Moppelchens Chaosbande ...Jugend frei! Inspiriert durch die kleinen alltäglichen Katastrophen in ihrer Großfamilie, beschreibt die Autorin auf humorvolle und nicht immer ganz ernst zu nehmende Weise Geschichten, die zum Schmunzeln einladen und in denen man sich wiederfinden kann. Ob nun von Grenzen auslotenden Teenagern, verrückten Haustieren, bis hin zu kreativen, selbstbewussten Kleinkindern, die schon früh heraus finden, wie sie den Vater, mit seiner eigenen Nachgiebigkeit in die Verzweiflung treiben können, garantieren diese kurzweiligen Erzählungen Lesespaß von der ersten, bis zur letzten Seite. Moppelchens Chaosbande ...Jugend frei!, ist Teil einer Reihe von Sammlungen an heiteren Kurzgeschichten über eine Großfamilie, basierend auf dem wahren Leben. In diesem Band geht es um die Jugend, frei, ausgelassen und mit einer unangefochtenen Begabung, Eltern und Umfeld, an die Grenzen ihrer Geduld zu bringen. Während diese sich hoffnungsvoll an die Aussicht klammern, dass jedes PuberTier einmal erwachsen und wieder normal wird.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 182
Veröffentlichungsjahr: 2019
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Vita
Vorwort
Futter-Dealer
Handy-Horror
Homo Tinto
Volksrodeln
Malte auf Tour
Fremdschämen? - Dann bleib doch zu Hause!
Geburt eines Ausdrucks
Spinnen und Sprünge
Wenn nichts an seinem Platz liegt
Mach mir den Hengst!
Stiefväter-Pubertät-Syndrom
Generationskonflikt Mode
Pubertäts-Rechen-Gebrechen
Keyboard des Grauen
Tattoo für Teenager
Und dann erklärten sie mir den Krieg
Nackt und orientierungslos
Handywaffe
Dann wird er eben Stiefvater!
Hundeerziehung – wer wohl wen?
Haarkur-Dip
Von Blindenschrift lesen und Granny-tunneln
Optische Selbstverstümmelung
Leroy hat einen Kurzschluss
Karate-Hörnchen
Gestrandet auf dem Dachboden
Aussteiger-Demenz
Boot-Camp
Sylvia Koppermann, geboren 1971, begann das Schreiben mit humorvollen Erlebnissen ihrer Familie. Schon bald bekam sie dazu eine eigene kleine Kolumne, in einem online-Magazin angeboten und wurde, nach einiger Zeit, in eben jenem Magazin auch als Autorin für Sachartikel eingestellt. Diese Anstellung gab sie später auf, um sich ausschließlich der Leidenschaft für das Schreiben eigener Werke, mit Schwerpunkt historische Romane, zu widmen.
Impressum
Texte:
© Copyright by Sylvia Koppermann
Umschlaggestaltung:
© Copyright by
Sylvia & Joachim Koppermann
Erscheinungsjahr: 2019
Autor und Verlag:
Sylvia Koppermann
Impressum-Service:
Sylvia Koppermann
c/o COCENTER
Koppoldstr. 1
86551 Aichach
Druck:
Wir sind eine große Patchworkfamilie, laut, fröhlich, vielleicht ein bisschen verrückt und gestritten wird bei uns wohl nicht mehr oder weniger, als in den meisten anderen Familien. Vor allem aber, sind wir glücklich, selbst wenn auch wir in unserem Leben eigene Hürden bewältigen mussten. Aber genau das, hat uns auch geformt, stärker gemacht und zusammen geschweißt. Und dazu gehört auch, dass wir versuchen, das Leben von der humorvollen, manchmal sarkastischen Seite zu betrachten, denn mit einem Lachen erscheinen all die kleinen Alltagsdramen plötzlich so gar nicht mehr dramatisch. Uns kennen zu lernen, bedeutet vielleicht auch ein wenig Mut zu haben, denn ein uns anhaftender, trockener Humor und Selbstironie, kann anfangs verwirrend sein. Wir sind eben, wer wir sind, unkonventionell und locker. Inspiriert vom täglichen Wahnsinn in meiner Großfamilie, beschloss ich irgendwann, vieles, das ich ohnehin schon versuchte mit Humor zu nehmen, aufzuschreiben. So entwickelten sich zahlreiche Geschichten der Chaosbande, um die alltäglichen Abenteuer, die zum Schmunzeln anregen, aber auch, sich selbst vielleicht gelegentlich wieder zu finden. Jene Erzählungen führten irgendwann zum Angebot, in einem online-Magazin, die „Kolumne: Chaosbande“, unter dem Pseudonym Moppelchen aufzubauen. Nach meiner Kolumne-Zeit und als fest angestellte Autorin für überwiegend Sachartikel, beschloss ich, freiberuflich ausschließlich nur noch meine eigenen Projekte zu schreiben. Neben historischen Romanen, möchte ich aber auch die Geschichten um die Chaosbande nicht in Vergessenheit geraten lassen, denn mit diesen fing mein berufliches Schreiben letztendlich an. Daher war es eigentlich nur die naheliegende Schlussfolgerung, auch für die Zukunft mit der Bezeichnung Moppelchens Chaosbande, Lesern einen Wiedererkennungswert zu bieten.
Moppelchens Chaosbande bildet inzwischen eine kleine Reihe aus mehreren Bänden, in denen weitere, zumeist humorvolle und größtenteils unveröffentlichte Erzählungen, rund um das Familienleben, geschildert werden. Lernen Sie die Chaosbande kennen und begleiten Mutter Silia, Vater Joe, die Kinder Jemma, Till, Malte, Elly, Ruby, Yanic und Tara, sowie die Enkel Zita und Luis auf humorvollen kleinen Alltagsabenteuern.
Manchmal verstehe ich die Welt nicht mehr. Seit ich Kinder habe, höre ich von allen Seiten Eltern klagen, was ihre Kurzen nicht essen und es gab eine lange Zeit, in der ich nur den Kopf schütteln konnte. Klar, auch ich hatte als Kind ein oder zwei Dinge, die ich so gar nicht mochte – heute teilweise sogar sehr gern esse – aber insgesamt, war ich doch ein Allesfresser.
Dann zu hören, die Sprösslinge äßen im Grunde nur eine sehr geringe Auswahl an Nahrungsmitteln, war mir absolut fremd. Konnte ich an einer Hand aufzählen, was ich selbst nicht mochte, brauchten die Mütter, in meinem Umfeld, garantiert keinen Finger mehr, um aufzulisten, was sie auftischen dürften.
Woran lag das?
Eines meiner Leibgerichte der Kindheit, war Kartoffelbrei mit Leber, oben drauf, dick, angebratene Zwiebelringe und Apfelspalten.
Meine Freundinnen verzogen angewidert die Gesichter. So etwas würde ich freiwillig essen? Igitt!
Ah, dachte ich mir, daher kam also das Mäkeln ihrer Kinder. Ja, mir schien es völlig klar. Kinder essen das, was sie gewohnt sind. Lernen sie gewisse Nahrungsmittel nicht oder erst spät kennen, ist die Gefahr recht groß, diese dann auch zu verabscheuen.
Ich war also absolut davon überzeugt, dass die Essgewohnheiten anerzogen wurden. Und das gäbe es, bei meinen Kindern, selbstverständlich überhaupt nicht.
Einige Jahre später, stand ich vor der täglichen Herausforderung, was ich kochen könnte, ohne dass mindestens zwei Drittel meiner Kinder, Petitionen gegen mich einreichten.
Jemma liebte alle Arten von Suppen, hasste dafür Sauerkraut und vor allem Senf. Till, der insgesamt jedes warme Essen für ein Käsebrot stehen ließ, liebte Senf, auch Paprika, verabscheute aber Tomaten und Leber. Letztere standen oben auf den Leibspeisenlisten von Malte, der sich wiederum nicht an Paprika heran locken ließ. Auch Suppen musste es, ging es nach ihm, nicht unbedingt geben. Und dachte ich da noch, es sei schwierig, es allen Kindern einigermaßen recht zu machen, wurde mir meine Naivität dann bei den Jüngeren schonungslos und auf Hochglanz poliert, unter die Nase gerieben.
Elly schien anfangs noch alles zu essen. Mit der Zeit entwickelte sie sich zur Rohkostfanatikerin, was uns auch recht war, denn so lebte sie ja auch gesund. Als sie dann aber grundsätzlich alles an Fleisch verächtlich zur Seite schob, begannen wir uns schon Gedanken zu machen. Danach folgte der bis dahin so geliebte Fisch und mit der Zeit immer mehr auch gegarte Gemüsesorten.
Nicht, dass wir ein Problem hätten, würde eines unserer Kinder zum überzeugten Vegetarier. Es gab immer eine Auswahl dessen, was sie, von dem, das auf den Tisch kam, essen konnte. Aber eben dann fast gar nichts mehr kochen zu dürfen, hätte nicht in die Vorlieben der übrigen Familie gepasst.
Ruby fand es von Elly sehr rücksichtsvoll, auf Fleisch zu verzichten. Das war nämlich genau das, was sie ausschließlich essen wollte. Alles, was nur im Entferntesten an gesund erinnerte, ließ sie angeekelt das Gesicht verziehen. Selbst wenigstens zu probieren, verweigerte sich massiv. Bei ihr konnte man theoretisch nach Farben kochen. Braun und grau, also gegartes Fleisch, waren genehmigt. Gelb unter Vorbehalt. Ja, eine Kartoffel, durfte gelegentlich dabei sein. Alle übrigen Farben galten, in ihrem Ernährungsplan, als hochgiftig.
Tara zeigte, zumindest bis heute, noch keine Extreme, aber da würde ich nur unter Vorbehalt hoffen, es könnte so bleiben.
Irgendwann verweigerte ich mich, Tag für Tag hauptsächlich damit zu verbringen, immer wieder zu grübeln, was ich kochen könnte, um es allen recht zu machen. Mir hing es zum Hals heraus, dass es alle möglichen Salate geben musste, damit Elly, die erstaunliche Mengen in sich hinein schieben konnte, auch etwas von der Familienmahlzeit hatte. Zudem ging es der kleinen Lady ja auch nicht einmal um gesundheitliche Aspekte, wie sie demonstrierte, wenn sie sich, keine Stunde nach dem Mahl, ungefähr eineinhalb Toastbrote in den Schlund schob. In dem Punkt vergaß sie nämlich, wie wenig nährstoffreich dies ist. Vollkornbrot äße sie nicht, da müsste sie zu viel kauen.
Jeden Tag Fleisch auf dem Tisch, fand ich auch nicht wirklich optimal. Komplett vegetarisch zu kochen, hätte allerdings Ruby gen Hungertod getrieben.
Wie ich auch überlegte, es ging einfach nicht, ohne Abstriche. Und die hatte jetzt nun einmal meine Brut zu machen. Mein knallharter Egoismus beschloss, es würde den Nudelauflauf geben, den ich als Kind schon liebte. Ohne Soße. Nur mit Fleischwurst, frischen Tomatenstücken, Champignons, Butter und viel Parmesankäse.Ich persönlich könnte mich in dem Auflauf wälzen, kopfüber hinein tauchen, rückwärts darin schwimmen und ihn viermal die Woche essen.Theoretisch sollte auch für meine Kinder etwas dabei sein. Für Till Käse, Elly Tomaten und Ruby Fleischwurst. Perfekt!Kaum stand der Nudelauflauf auf dem Tisch, verzog Till angewidert den Mund.
Ich versuchte es lächelnd zu ignorieren.
Eine kurze Ansage, mit hoffentlich ausreichend Autorität in meiner Stimme, dies sei eine Mahlzeit, kein Rattengift und ich erwarte, dass alle essen und zumindest so tun, als schade es ihnen nicht.Die Kröten rissen bereits, während ich Portionen auf die Teller schaufelte, entsetzt die Augen auf.
Pilze - Mutter wagte es, Pilze auf ihre Teller zu packen!
Kaum hatte ich allen guten Appetit gewünscht, sah ich aus den Augenwinkeln, wie Elly Till den Ellenbogen in die Seite hieb. Ihr Flüstern war gar nicht so leise, wie sie vielleicht erhoffte und so vernahm ich „Meine Pilze gegen Deine Tomaten?“
Unter dem Tisch dealten sie nun Stück für Stück, starrten mich dabei an und hofften, ich sah nicht, was dort passierte.
Ruby schob die Unterlippe vor. Das würde sie auf keinen Fall essen. Eben wegen der Tomaten und Pilze nicht.
Joe seufzte hörbar.
„Dann gib sie eben mir.“
„Aber nur, wenn ich dafür Deine Wurst kriege!“ antwortete sie bockig.
Bevor ich noch sagen konnte, dass sie ihren Vater ganz sicher nicht erpressen würde, dann eben auf Pilzen und Tomaten sitzen bliebe, aber sich auch nur mit den eigenen Wurststücken zufrieden stellen müsste, gab mein Mann – wie immer, wenn es um seine kleinen Prinzessinnen ging, die er exquisit zu verziehen wusste – auf.
Ich warf ihm einen stechenden Blick zu und er zuckte lediglich verzweifelt mit den Schultern. Ihm bliebe die Wurst im Halse stecken, wüsste er, dass die Kurze hungerte.
Welch Theatralik!Aus seinem Mund klang es fast, als bekämen die Kinder nichts zu essen und er würde ihnen schmatzend etwas vor kauen, während sie sabbernd zusehen müssten.
Wenigstens Malte schaufelte leidenschaftlich und mit verklärtem Blick, den Nudelauflauf so in sich hinein, wie er auf seinem Teller lag.
Ein schwacher Trost und frustrierend, wenn ich an die Arbeit dachte, der ich mich täglich in der Küche stellte, um meine unzufriedene Meute satt zu bekommen.
Dennoch wurden alle zumindest satt, stellte ich erstaunt fest.
Mein Nudelauflauf war also ganz sicher nicht eine ihrer Leibspeisen – abgesehen für Malte, vielleicht.
Aber insgesamt plünderte niemand in der Stunde nach dem Mahl, auf anderen Wegen die Küche.
Ich beschloss, auch wenn die Brut, bei Vorwarnung, Appetitlosigkeit vortäuschen könnte, nun öfter den Nudelauflauf zu machen.
Umbenannt natürlich. In Tauschbörse!
Unabhängig vom Alter der Kinder, wenn sie ihr erstes Handy bekommen, kann man zweifelsohne behaupten, bricht eine neue Epoche für Eltern an, die man wohl durchaus mit einem Levelaufstieg und höheren Herausforderungen betrachten kann. Und dies selbst dann, wenn sie, durch ältere Kinder, bereits an Erfahrungen sammeln konnten, denn neben zunehmenden technischen Erweiterungen, verändern sich ja auch die Konditionen der Telekommunikationsanbieter. Auch wenn ich einräumen muss, dass ich über viele Anpassungen sehr dankbar bin.
Angefangen hat es damals bei Jemma, unserer Ältesten. Wir überlegten sehr lange, ob es nicht noch etwas früh sei, ihr mit dreizehn das erste Handy zu kaufen, denn, man mag es heute kaum glauben, wir gehörten noch zu einer Generation, die in Handys eine nette Spielerei sah, die einem teilweise wenige neue Freiräume bot, aber ansonsten nicht wirklich notwendig war. So etwas heute zu sagen, würde Entsetzen in die Gesichter der Gegenüber schlagen. Vor allem auch die der Eltern und deren erste Frage wäre sicherlich: „Das geht doch gar nicht, so ohne Handy! Wenn etwas passiert, die Kinder sich verlaufen und abgeholt werden müssen oder sie in Gefahren geraten, wo sie Hilfe rufen müssen!?“
Auch, wenn ich es ungern zugebe, aber genau solche Argumente schießen mir, mit jedem meiner Kinder, das in ein Alter kommt, wo wir überlegen, ihm ein Handy zu kaufen, selbst als erstes in den Kopf. Was wenn unser Kind uns braucht und nichts hat, um uns zu kontaktieren?
Erinnere ich mich zurück, an meine Kindheit und Jugend, muss ich aber auch eingestehen, dass wir ebenfalls eine Generation waren, die nicht um ihre Population zu fürchten hatte, weil wir vom Aussterben durch Verlaufen oder nicht von den Eltern abgeholt zu werden dezimiert wurden. Wir lernten unseren Ort schon als Kinder kennen, kannten Straßennamen, wussten, welche Gasse wohin führt und allein schon aus der Tatsache heraus, dass wir unsere Schulwege noch laufen mussten, gingen wir freiwillig die kürzesten und sicher beleuchteten Strecken. Es wäre uns nicht im Traum eingefallen, wie leider einigen meiner kleinen Brutergebnissen, über dunkle, einsame Wege zu schleichen, mit dem Argument, eine gute Taschenlampe am Handy zu haben.
Verabredungen? Davon hatten wir unzählige. Jeden Tag. Und das ganz ohne Handy!
Wir sprachen uns im Vorfeld ab oder marschierten einfach zu den Freunden, um bei den Eltern zu klingeln und zu fragen, ob ihr Spross Zeit habe.
Und da kommen wir eben auf die notwendige Fähigkeit der Sprache, beziehungsweise, diese auch einzusetzen. Beobachte ich heutige Generationen an Jugendlichen, frage ich mich manchmal, wozu wir unseren Kleinen das Sprechen überhaupt beibrachten. Spätestens mit dem ersten Handy, kommunizieren sie doch ohnehin nur noch zu 90% über bildliche Ausdrucksweisen der Emojis. Auch dann, wenn sie direkt nebeneinander sitzen.
Ich erlebte einmal, wie eine meiner Töchter, mit der besten Freundin, über eine Stunde, stumm, Seite an Seite auf den Stufen vor dem Haus saß. Wie hypnotisiert starrten sie auf ihre Handy, tippten wild darauf herum, kicherten manchmal verhalten, um dann irgendwann aufzustehen und sich zuzuwinken. Die Freundin ging, meine Tochter kam ins Haus und dann legte sie los, was ihre Freundin ihr so alles erzählt habe.
Erzählt? Die beiden hatten doch die ganze Zeit kein einziges Wort miteinander gesprochen!?
Miteinander zu spielen, hat, seit meiner Kindheit, auch eine neue Bedeutung bekommen. Hieß spielen, in unserer Zeit noch, unter körperlichem Einsatz, rennen, toben und gestikulieren, mit den Freunden zu kommunizieren, sitzen unsere Kinder heute mit den Handys nebeneinander, verbinden sich über eine Spiele-App und agieren wortlos und wie am restlichen Körper gelähmt, nur noch über das kleine Wunderwerk der Technik.
So viel häufiger, als früher, lese und höre ich heute von Kindern, die Verhaltensauffälligkeiten haben, emotionalen Kontrollverlust, Einschränkungen im Sozialverhalten und die als extrem impulsiv beschrieben werden. Sehe ich diese Kinder, mit einem Handy in der Hand, würde ich den Zustand eher als komatös wirkend bezeichnen.Aber ich bin nur eine Mutter. Eine nichts wissende beurteilungsunfähige Mutter, die keine medizinischen oder psychologischen Studienfächer abgeschlossen hat. Von daher sind meine Ableitungen, zwischen zunehmend zu beobachtenden Sozialverhaltensstörungen und Überflutung an technischen Errungenschaften, auch in Bereichen der elektronischen Kommunikation, ohnehin nicht ernst zu nehmen.
Als nun Jemma einst ihr erstes Handy bekam, war der Fortschritt noch ein gutes Stück entfernt von heutigen Smartphones. Es gab noch Tasten, anfangs zweifarbige Displays mit drei oder vielleicht vier Zeilen und ein Internetzugang, wie wir ihn heute als Standard kennen, hieß nicht nur anders, sondern war auch ein – in meinen Augen – recht kompliziertes, auf jeden Fall aber teures, zusätzliches Feature, dem man aber selten entgehen konnte, da, in optimaler Lage, ein Internet-Button genau da auf den Handys lag, auf den man zwangsläufig und immer wieder, unbedacht drauf kam. Man surfte dann unbewusst mit dem Handy in der Hosentasche, was einem dann erst die hämisch grinsende, seitenlange Telefonrechnung verriet, an deren Ende eine Summe stand, die den Blutdruck gefährlich in die Höhe trieb.
Bei Jemma wurde es, in den ersten Jahren, in erster Hinsicht teuer. Selbst hatte sie lediglich eine Prepaid-Karte, deren Guthaben sie schonen lernen musste, wollte sie das Handy über den ganzen Monat nutzen. Wir hatten allerdings noch ein Handy mit Vertragsanschluss, das unser Festnetz ersetzte. Zudem sollte es dem Zweck dienen, waren wir nicht zu Hause und eines der älteren Kinder musste uns erreichen, dass sie vom Haus-Handy anrufen könnten. In der Regel zahlten wir, bis zum Eintritt in Jemmas Pubertät und ihrer eigenen Handy-Aera, beim Haushandy lediglich monatliche Grundgebühren, da es so gut wie nie ausgehende Gespräche gab.
Sparsam, wie Jemma sein konnte, schonte sie nun aber ihre Prepaid-Karte und telefonierte nachts heimlich mit dem Haushandy.
In Zeiten, in denen es noch keine All-Net-Flats gab und jeder Anruf, je nachdem, in welches Fremdnetz, teilweise in Sekundentakten abgerechnet wurde.
Als dann die Telefonrechnung kam, ich glaubte, eine Tapetenrolle abzuwickeln und am Ende eine hohe dreistellige Summe las, kurzzeitig Atemaussetzer bekam, versuchte Jemma noch kurzzeitig die Unschuld zu mimen, empörte sich, wer denn so dreist sein und eine solche Telefonrechnung fabrizieren könnte, als ich vor Wut stotternd auf die einzelnen Verbindungen zeigte, die ausschließlich aus Nummern ihrer Freunde bestanden. Im Geiste ging ich durch, was sich auf die Schnelle verkaufen ließe, um diese gesalzene Rechnung zu bezahlen und ich gebe zu, dass ich für einen Moment auch die Menschenrechte verfluchte, ohne die ich meine teuer gewordene Tochter, zumindest als Magd auf einem Sklavenmarkt hätte verkaufen können.
Ich schaffte es, die Rechnung zu bezahlen, hatte noch etwas Geld aufgebracht, um eine abschließbare Kassette zu kaufen, in der das Haushandy nun abends ruhte – Schutz über Geheimzahlen auf den Geräten, gab es zu der Zeit noch nicht – und wähnte mich nun der Kostenfalle entkommen, als das große Schlachtfest der Handys bei Jemma losging. Sie nannte es eher versehentlicher Warentest, der nicht bestanden wurde.
Eigentlich dachte ich immer, auf Dinge, die einem lieb und teuer sind, achtet man besonders. Und gerade das Handy, war für Jemma von Anfang an vergleichbar mit einem Herzschrittmacher. Nur Sekunden ohne betriebsbereites Handy und man musste befürchten, sie bräche mit Herzstillstand zusammen. Wie konnte es da immer und immer wieder passieren, dass ihr die Geräte aus Fenstern fielen, offiziell völlig selbstständig gegen Wände flogen oder, ohne ersichtlichen Grund, in ihren Händen auseinander fielen?
Selbst ein noch teureres Outdoor-Handy, wie es bei einem Bekannten sogar einen Sturz aus neun Metern Höhe unbeschadet überstand, röchelte unter Jemma, nach wenigen Wochen sein Leben aus.
Wir zählten irgendwann nur die Monate, dann Wochen und Tage, um an ihrem achtzehnten Geburtstag nicht nur die Volljährigkeit unserer Großen zu feiern, sondern auch den Tag, an dem wir, ohne als Rabeneltern angesehen zu werden, offiziell jede Verantwortung für die Nachschubversorgung von Jemmas Sammlung kaputter Handys, bekannt geben konnten.
Till wurde etwas günstiger. Sein Guthabenverbrauch hielt sich in Grenzen und er zerschmetterte auch die Geräte nicht, dafür ließ er sie sich klauen. Mehrfach. Bis wir das Gefühl hatten, die Hälfte der örtlichen Teenager schaue uns dankbar an, ihnen zum neuen Handy verholfen zu haben.
Malte wurde zu unserem Lieblingskind, in Sachen Handy. Er nutzte es kaum, musste nur einmal wöchentlich das Akku laden und wenn wir zwangsläufig alle sechs Monate sein Guthaben aufluden, bekamen wir den Eindruck, ihm ein Sparbuch anzulegen, auf dem sich eine immer höher werdende Summe anhäufte.
Und dann kam, Jahre später, Elly an die Reihe. Zu ihrem 10. Geburtstag bekam sie ihr erstes Smartphone. Inklusive eines All-Net-Vertrags, mit ausreichend Datenvolumen. Eigentlich dazu gedacht, uns erreichen zu können, sollte sie, nach dem Wechsel auf eine außerhalb liegende Schule, den Bus verpassen und festsitzen.
Nun, trat dieser Fall ein, rief sie uns, in der Regel, aus dem Sekretariat an, da ihr Akku leer war.
An jenem Geburtstag, wickelte sie ihr Geschenk aus, brach in jubelnde Schreie aus, vergaß Kuchen und Gäste, um für den Rest des Tages nur noch in einer Ecke zu sitzen, das Handy bestaunend und auszuprobieren. Wir hatten es vorher bereits eingerichtet, Kontakte hinterlegt und Apps, wie einen Messenger, eingerichtet. Während wir noch grinsend an der Kaffeetafel saßen und uns über Ellys Freude amüsierten, begann es in unseren Taschen zu summen und dudeln. In einer ihr kaum zu getrauten Geschwindigkeit, sendete sie uns allen immer wieder Nachrichten, bestehend aus Emojis und Bildern, die sie dazwischen noch von Freundinnen erhielt, denen sie umgehend ihre Nummer mitgeteilt hatte.
Als ich irgendwann ins Wohnzimmer rief, sie dürfe auch gern mit uns reden, schallte es nur entnervt zurück „Och, Mama, kannst Du mir das nicht als Nachricht schreiben?“
Wir lachten. Noch.
Anfangs schien sie ja auch unseren Bedingungen noch bereitwillig zuzustimmen. Das Handy bliebe nachts in der Küche, dürfe in der Schule nicht benutzt werden und auch nachmittags nur in eingeschränktem Zeitraum. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass all diese Richtlinien geflissentlich ignoriert wurden.
Suchten wir das Handy, das eben noch in der Küche lag, während wir Elly schlafend im Bett wähnten, musste ich nur noch den Status ihres Messengers ansehen, um zu erkennen, dass sie, bis in die Nacht, noch sehr aktiv mit ihren Freunden kommunizierte.
Ihre Ausrede, warum das Smartphone bei ihr war, bezog sich dann auf den plötzlichen und unerklärlichen Unfalltod ihres Weckers und dass sie sich vom Handy wecken lassen müsse, da sie sich jetzt für zu alt hielt, von den Eltern geweckt zu werden.
Wir konnten ihr zumindest soweit vertrauen, dass sie tatsächlich wach wurde, denn jeden Morgen erhielt die gesamte Familie zuerst einmal eine Nachricht, die an die flotten Bauernweisheiten früherer Kalenderblätter erinnerten.
Vereinbart war auch, dass Elly das Handy erst nach den Herbstferien, wenn sie bewiesen habe, vernünftig damit umgehen zu können, mit zur Schule nehmen dürfe. Wenige Tage später, suchte ich morgens das Haus nach dem Smartphone ab, das nicht am besprochenen Platz lag, überprüfte schließlich im Status des Messengers, dass sie nur wenige Minuten zuvor online war und schrieb ihr eine Mitteilung, wie enttäuscht ich sei, dass sie die Regeln erneut gebrochen habe.Ihre Antwort kam Sekunden später. Man konnte ihre Entrüstung regelrecht heraus lesen: „Mama, was soll das denn jetzt? Willst Du mich in Schwierigkeiten bringen? Ich bin im Unterricht, da kannst Du mir doch keine Nachrichten schicken!“
Es dauerte Monate, bis Elly dann einigermaßen den verantwortungsvollen Umgang gelernt hatte. Ich möchte keine wilden Behauptungen aufstellen, könnte mir aber vorstellen, die Androhungen ihrer älteren Geschwister, ihrem Handy das Schwimmen, Fliegen oder Brennen beizubringen, leisteten ihren Beitrag dazu. Mittlerweile bestand deren tägliche und Zeit raubende Aufgabe darin, die ungezählten, von Elly gesendeten Bilder, auf denen sich niedliche Tierchen, mit Fotografien des Schulkantinenessens abwechselten, zu löschen, da sämtliche Speicher der Geschwisterhandys rot leuchteten.
Nach Weihnachten war Ellys Lernfortschritt auch soweit angewachsen, dass sie nicht mehr für jedes einzelne Wort eine eigene Nachricht sendete.
Malte hatte seine Schwester vorübergehend blockiert, da er sich bereits gestalkt sah. Till tobte vormittags durchs Haus und stieß wüste Verwünschungen gegen Elly aus, die ihn morgens grundsätzlich aus dem Schlaf, nach der Nachtschicht, riss. Joes Chef fragte ihn, ob er nebenberuflich für ein Call-Center arbeitete.