Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Moppelchens Chaosbande … Kinder lachen! Inspiriert durch die kleinen alltäglichen Katastrophen in ihrer Großfamilie, beschreibt die Autorin auf humorvolle und nicht immer ganz ernst zu nehmende Weise Geschichten, die zum Schmunzeln einladen und in denen man sich wiederfinden kann. Ob nun von Grenzen auslotenden Teenagern, verrückten Haustieren, bis hin zu kreativen, selbstbewussten Kleinkindern, die schon früh heraus finden, wie sie den Vater, mit seiner eigenen Nachgiebigkeit in die Verzweiflung treiben können, garantieren diese kurzweiligen Erzählungen Lesespaß von der ersten, bis zur letzten Seite. Moppelchens Chaosbande … Kinder lachen! ist Teil einer Reihe von Sammlungen an heiteren Kurzgeschichten über eine Großfamilie, basierend auf dem wahren Leben. In diesem Band stehen die Abenteuer der jüngeren Kinder im Vordergrund. Fröhlich, in die ersten selbstständigen Gehversuche stolpernd, sich individuell und eben nicht nach Lehrbuch entwickeln wollend, mit unerschöpflicher, künstlerischer Kreativität, extrem hohem Niedlichkeitsfaktor und erstaunlich unschlagbarer Argumentation, zeigen sie schön früh ihre selbstbewussten Persönlichkeiten und halten damit die ganze Familie in Atem.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 185
Veröffentlichungsjahr: 2020
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Vita
Vorwort
Mutter im Bad
Weihnachtselfe Ruby – und endlich wieder Auflauf
Lass Dir nicht alles aus der Nase ziehen
Fankult um den Schwamm
Vom Konditor in die Monarchie
Alarm im Babybett
Picknick
Aber über Mama und Technik lachen
Heilender Ballon
Pocahontas und Geschwisterliebe
Medizinische Revolution
Unsichtbare Freunde
Bonnie und Clyde im Pelz
Kartoffelgesichter und sadistische Ambitionen
Selfmade Superheld
Ruby und die Hüpfburg
Außergewöhnliche Botanik
Selbstüberschätzende Superhelden
Pizza „Lagerkoller“
Globetrotter Luis
Mein Nachwort – Vergängliche Zeit
Moppelchens
Chaosbande
Für meine wunderbare,
chaotische und geliebte Familie
Impressum
Texte:
© Copyright by Sylvia Koppermann
Umschlaggestaltung:
© Copyright by
Sylvia & Joachim Koppermann, nebst Tamy-Nyah
Erscheinungsjahr: 2020
Autor und Verlag:
Sylvia Koppermann
Impressum-Service:
Sylvia Koppermann
c/o COCENTER
Koppoldstr. 1
Wir sind eine große Patchworkfamilie, laut, fröhlich, vielleicht ein bisschen verrückt und gestritten wird bei uns wohl nicht mehr oder weniger, als in den meisten anderen Familien. Vor allem aber, sind wir glücklich, selbst wenn auch wir in unserem Leben eigene Hürden bewältigen mussten. Aber genau das, hat uns auch geformt, stärker gemacht und zusammen geschweißt. Und dazu gehört auch, dass wir versuchen, das Leben von der humorvollen, manchmal sarkastischen Seite zu betrachten, denn mit einem Lachen erscheinen all die kleinen Alltagsdramen plötzlich so gar nicht mehr dramatisch. Uns kennen zu lernen, bedeutet vielleicht auch ein wenig Mut zu haben, denn ein uns anhaftender, trockener Humor und Selbstironie, kann anfangs verwirrend sein. Wir sind eben, wer wir sind, unkonventionell und locker. Inspiriert vom täglichen Wahnsinn in meiner Großfamilie, beschloss ich irgendwann, vieles, das ich ohnehin schon versuchte mit Humor zu nehmen, aufzuschreiben. So entwickelten sich zahlreiche Geschichten der Chaosbande, um die alltäglichen Abenteuer, die zum Schmunzeln anregen, aber auch, sich selbst vielleicht gelegentlich wieder zu finden. Jene Erzählungen führten irgendwann zum Angebot, in einem online-Magazin, die „Kolumne: Chaosbande“, unter dem Pseudonym Moppelchen aufzubauen. Nach meiner Kolumne-Zeit und als fest angestellte Autorin für überwiegend Sachartikel, beschloss ich, freiberuflich ausschließlich nur noch meine eigenen Projekte zu schreiben. Neben historischen Romanen, möchte ich aber auch die Geschichten um die Chaosbande nicht in Vergessenheit geraten lassen, denn mit diesen fing mein berufliches Schreiben letztendlich an. Daher war es eigentlich nur die naheliegende Schlussfolgerung, auch für die Zukunft mit der Bezeichnung Moppelchens Chaosbande, Lesern einen Wiedererkennungswert zu bieten.
Moppelchens Chaosbande bildet inzwischen eine kleine Reihe aus mehreren Bänden, in denen weitere, zumeist humorvolle und größtenteils unveröffentlichte Erzählungen, rund um das Familienleben, geschildert werden. Lernen Sie die Chaosbande kennen und begleiten Mutter Silia, Vater Joe, die Kinder Jemma, Till, Malte, Elly, Ruby, Yanic und Tara, sowie die Enkel Zita und Luis auf humorvollen kleinen Alltagsabenteuern.
Ich will nicht grundsätzlich behaupten, dass nur Mütter davon betroffen sind, im Bad einen nicht ganz so ruhigen Ort vorzufinden, wie einem oft suggeriert wird. Natürlich mag es auch Väter mit dem gleichen Leidensdruck geben. Sicher ist jedenfalls, dass die, die am lautesten darüber jammern, „Nicht einmal im Bad Ruhe zu haben!“ wahrscheinlich diejenigen sind, die ab beginnender Hormonverneblung, also spätestens in der Pubertät, diesen Raum für sich zu annektieren scheinen. Allerdings nicht, um einem exzessiven Waschzwang zu frönen. Viel mehr thronen die männlichen PuberTiere in schier endlosen Audienzen, während sich die Weibchen für eine Art Kriegszug und Fotosafari bemalen.
Ich kann also nur von meinem eigenen Lernweg hinsichtlich der Nutzung unseres Bades berichten und allein aus diesem, ließe sich ein ganzes Buch füllen.
Ist das ein unappetitliches Thema?
Auf jeden Fall!
Allerdings finde ich es wesentlich unappetitlicher, Menschen, die sich ins Bad zurückziehen, in Vollkontakt zu belästigen. Bedürfnisse haben wir schließlich alle einmal.
Meine persönliche Ausbildung begann in dem Moment, in dem ich Mutter wurde.
All die klugen Sprüche im Vorfeld, die Neugeborenen schlafen ach so viel und als Mutter sollte man sich diesen Schlaf zunutze machen, um an sich selbst zu denken.
Wie viele Mütter schaffen es tatsächlich, zwischen zwei Milchmahlzeiten ihrer zuckersüßen Wonneproppen, die Toilette zu besuchen, sich zu duschen und die Zähne zu putzen?
Und dieser Triathlon ist durchaus auch für sportliche Menschen eine Herausforderung!
Kaum senkt man das Hinterteil über der Keramik, mutet es an, als habe jemand einen unsichtbaren Alarm ausgelöst. Dann – und oft genug auch nur dann – beginnt das Baby zu krähen. Infernalisch laut und mit Nachdruck, es stände wahrscheinlich unmittelbar vor dem Hungertod, von dem es, in seinen letzten Momenten, noch der ganzen Welt zu berichten gedenke.
Und obwohl ich meine Duschzeiten auf rekordverdächtige unter sechzig Sekunden zu reduzieren verstand, was mich allerdings auch jahrelanges Training kostete, dabei schaffte, mich mit einer Hand einzuseifen, mit der anderen mein Haupthaar zu shampoonieren und meine Zähne, noch unter der Brause stehend, in der Zeit zu putzen, die das Wasser brauchte, um den Schaum von meinem Körper zu spülen, entwickelten die meisten meiner Kinder schon als Säuglinge Taktiken, die sie, im Laufe ihres Lebens, perfektionierten.
Bei Jemma wusste ich grundsätzlich, wie tief sie auch schlief, mich erwartete eine Duftbombe in ihrer Windel, aus der heraus sie mich, selig lächelnd, anschmachtete. Sie tat das so zuverlässig, dass ich einmal, als sie unter Verstopfung litt, sogar versuchte, etwas ausgiebiger zu duschen. Der Erfolg stellte sich kurz darauf tatsächlich ein.
Till mimte bereits das ausgesetzte Waisenkind, bevor ich auch nur das Zimmer in Richtung Bad verlassen konnte. Bei ihm gewöhnte ich mir an, ihn in der Babywippe, in Sichtweite, so zu postieren und dabei spontan in meinem Kopf auftauchende Melodien zu trällern, dass er irgendwann darin sogar ein Vergnügen sah, welches er einforderte, indem er auf die Badezimmertür zeigte.
Malte schrie exakt einmal auf und hielt dann die Luft an, bis die Atemüberwachungsanlage mich panisch fast durch die geschlossene Tür preschen ließ. Nach einiger Zeit wussten selbst die Nachbarn, wann ich dusche. Sie hörten es am Alarm.
Elly schrie nicht. Die Gefahr bei ihr war eher die Stille, mit der sie einen einzigen Duschakt meinerseits nutzen konnte, eine ganze Etage umzubauen.
Ruby hingegen begann mit den ersten Wassertropfen, die aus der Brause auf mein Haupt platschten, ein Gebrüll, in das sie sich so hineinsteigerte, dass sie für Stunden kaum zu beruhigen war. Und was konnte sie leiden!
Tara entzog mir einfach für den restlichen Tag ihre Freundschaft und schmollte. War ich auch sonst ihre Lieblingsmami, sank ich an jenen Tagen auf das Ansehen von Gewürm, über das es die Nase zu rümpfen gäbe.
Auch als sie älter wurden, erhielt ich keine Sondererlaubnis, ohne sie das Bad zu betreten. Wagte ich, den Schlüssel im Schloss zu drehen, dröhnte von draußen eine vermutete Herde Wildtiere heran, die die Tür, unter Gezeter und Getrommel, einzutreten suchte.
Schloss ich nicht ab, verlangten dringende Termingeschäfte meiner Sprösslinge, eine sofortige Klärung. In Augenhöhe, mich fest anstarrend, standen sie vor mir und kauten mir ein Ohr ab, wie asozial sich der Teddy gegenüber der Puppe verhielt oder was am Mittagessen des Vortags welche Vorzüge hatte.
Dabei interessierte es meine Kinder nicht, dass sie auch noch einen Vater hatten, den sie in meiner Bad-Pause behelligen hätten könnten. Seine Empfangszeiten legten die Kurzen ebenfalls in seine Nutzungszeiten der heiligen Hallen.
Man liest oft von Kraftorten, mit spirituellen Energien.
Ich schwöre, unser Bad muss eines davon sein – nur nicht für meinen Mann und mich!
Nachdem wir umgezogen waren und wieder ein Bad mit sogar einer Eckbadewanne hatten, wähnte ich mich, für einen trügerischen Moment, im Paradies. Bis ich tatsächlich baden wollte.
Jemma schenkte mir zu Weihnachten LED-Kerzen, mit einstellbarem Farbschein. Heimlich schmuggelte Joe mir ein luxuriöses und von mir so geliebtes Entspannungs-Schaumbad ins Haus. Und kaum deuchte es, unsere Bande schlief, stellte ich den Hahn der Wanne auf heiß.
Meine Lichter auf grün eingeschaltet, den Duft des Schaumbads im Raum, umhüllt von sanft wabernden Schwaden des Wasserdampfes, mit der Suggestion einer Dschungeloase, pellte ich mich fast lautlos aus der Kleidung und glitt still in die Wanne. Entspannt lehnte ich den Kopf zurück, schloss meine Augen und in dem Moment ließ mich ein schrilles Kreischen meiner Jüngsten fast senkrecht aus dem Nass schießen.
Wie auch immer Tara wach geworden war, Ruby schien die gleichen Ambitionen zu spüren, trafen sie sich, nachdem sie leise am Schlafzimmer und ihrem dort schlummernden Vater vorbei geschlichen waren, im Wohnzimmer, um ohne Vorwarnung, keifend übereinander her zu fallen und sich um die Fernbedienung zu prügeln.
Das rief Elly auf den Plan, die noch etwas lauter gegen ihre Schwestern an brüllte, sie sollten leise sein, da Papa schliefe. Von dem allerdings nur ein halbherzig genervtes Grunzen zu hören war. Wollte ich Ruhe, musste ich sie mir selbst verschaffen und, ohne darüber nachzudenken, welchen fatalen Fehler ich damit begehen würde, rief ich laut, dass ich mir Ruhe erbitte.
Eine Sekunde der Stille, dann tappende Schritte, die Badezimmertür flog auf und in bühnenreifer Polonaise, marschierten Kröten und Unke ein. Die Letzte machte das Deckenlicht an, um zweifelsfrei festzulegen, wir gedenken einander in die Augen zu starren, statt uns im Halbdunkel suchen zu müssen.
Die ersten Minuten dienten der Gerichtsverhandlung.
Wer war zuerst im Wohnzimmer und hatte damit einen Anspruch auf die Fernbedienung?
Mit gespitzten Lippen, ohne lang zu überlegen, fällte ich das Urteil: Anspruch auf die Fernbedienung haben wir Eltern, denn der Fernseher gehöre schließlich auch uns.
Als Reaktion auf meine Festlegung, verbündeten sich die Gegner und wetterten auf mich ein, wie ungerecht ich doch wäre und „...nie dürften“ sie doch fernsehen.
Dabei verhielt es sich tatsächlich so, dass, wagten Joe oder ich, uns das umkämpfte Geräte einzuschalten, auch da unsere Nachkommen einfielen und entweder versuchten, uns zum Umschalten zu bewegen oder scheinbar ihren Lebenslauf in Romanformat vortrugen.
„Es gibt jetzt kein Fernsehen mehr, Ende! Ihr solltet längst schlafen!“ funkelte ich die Damen an, aus deren Mitte sich nun Tara schälte, Zeige- und Mittelfinger bewegte, wie kleine Beinchen, die über den Wannenrand laufen und dann ins Wasser tauchen.
„Bin aba soooo smutzig! Mussich auch baden!“ stellte sie entrüstet fest und hielt Blickkontakt.
In den Chor fielen ihre Schwestern mit ein, die ich zumindest mit dem Hinweis, sie müssten morgen früh raus und zur Schule, mit schmollend nach vorn geschobener Unterlippe, zum Gehen bewegen konnte.Selbstverständlich starteten sie oben, in ihren Zimmern noch eine allabendliche Abschiedsparade, mit abschließender sich gegenseitig in den Schlaf-brüll-Stunde.
Tara blieb allerdings hartnäckig und erwies sich als würdiger Vertreter meiner eigen geborenen Terrormiliz. Entweder erlaubte ich ihr, zu mir in die Wanne zu kommen oder sie bliebe davor stehen, um mich dusselig zu quatschen. In der Hoffnung, sie würde im warmen Wasser müde, gab ich also seufzend nach und mein kleiner Wirbelwind stand, binnen einer einzigen Drehung, nackt vor mir, den Fuß bereits über den Wannenrand schwingend, um mit einem lauten Platschen ins Becken zu plumpsen. Prustend und keuchend kam sie wieder hoch und dachte man nun, sie rang nach Luft, stellte man fest, dass dies ganz sicher nicht ihr Problem war, denn die Puste reichte locker, um mich wild zu beschimpfen, ihr sei das Wasser zu heiß.
Sie wollte doch zu mir, in mein Badewasser, also habe sie auch meine Wohlfühltemperatur zu respektieren, antwortete ich ihr trocken und als sie begriff, ich würde nun eben nicht Kaltwasser aufdrehen, zuckte sie mit den Schultern und teilte lakonisch mit: „Okä, dann zeigich Dir mal, wie ich swimme!“
Mit einem Hechtsprung tauchte sie erneut in die Wogen, während ich mich auf den Ecksitz rettete und dem aus der Wanne schwappenden Wasser nachsah, das mich später noch eine Weile mit Wischen beschäftigen würde.
Im Wunsch eine Meerjungfrau zu imitieren, glich meine Jüngste eher einem besoffenem Frosch, doch ich lobte sie überschwänglich, in der Hoffnung, sie damit so zufrieden zu stellen, dass sie die Darbietung abschließen würde.
Nach der Vorführung schlüpfte sie jedoch in die Rolle der Badeassistentin und beschloss, mir die Haare zu waschen. Kübel weise schüttete sie mir also Wasser über den Kopf, verteilte fast eine halbe Flasche Shampoo über mein Haupt und freute sich diebisch, weil ich schon bald eine weiße Wallemähne hatte, die in einem dicken Teppich über meine Schultern kroch.
Selbstverständlich durfte auch nur sie die Pracht wieder ausspülen. Mit einem kleinen Becher. Über die Dauer dieses Manövers sei so viel gesagt: Wir erreichten furchtlos Taras Wohlfühltemperatur des Badewasser, während sich bleischwere Müdigkeit über mich legte. Mein Kind dagegen, schien noch auf das finale Munterwerden zuzusteuern.
Stunden später, lag ich erschöpft im Bett.
Nachdem ich mich der erzwungenen Wellnessbehandlung meiner Kleinsten ausgiebig geopfert hatte, danach das Bad schrubbte und die völlig übermüdete, plärrende Tara, die nun mich hasste, weil ich angeblich schuld war, dass sie noch einmal baden musste, in ihr Bett gekämpft hatte, heulte ich nur noch verhalten über die klebenden Reste Shampoo in meinen Haaren.
Ich starrte im Halbdunkeln an die Decke, lauschte dem Schnarchen meines Mannes und dachte darüber nach, ob ich beim nächsten Mal vielleicht versuchen sollte, weit nach Mitternacht in die Wanne zu klettern. Kaum hatte ich diesen Gedanken im Kopf ausgesprochen, polterte es irgendwo oben in den Zimmern der Mädchen und aus Taras Bett ertönte ein vollmundiges Kichern, das auf einen lustigen Traum deutete.Nein, solange ich Kinder im Haus hatte, würde ich nicht mehr in Ruhe baden können.
Aber ein kleiner, schadenfroher Trost blieb mir: Sie würden irgendwann auch erwachsen sein und Kinder haben. Ich empfehle ihnen dann diese Geschichte aus ihrer Kindheit. Als Klolektüre. Mehr Text brauchen sie ohnehin nicht, denn ich bin überzeugt davon, bis sie die wenigen Seiten gelesen haben, werden ihre Kinder flügge sein.
Ruby hatte uns überrumpelt. Das begann schon damit, dass sie, zumindest zu dem Zeitpunkt, noch gar nicht eingeplant war. Elly, gerade einmal sieben Monate alt, hielt uns auf ganzer Linie davon ab, überhaupt nur einen Gedanken an ein weiteres Kind zu haben, als Jemma mich auf Stimmungsschwankungen ansprach, die mir selbst, natürlich, gar nicht auffielen. Ob ich denn gerade menstruiere, fragte sie mich im Verlauf einer kleinen und überflüssigen Diskussion, in die ich mich herzhaft hinein steigerte. Ich grinste. Nein, schließlich wäre ich doch erst... Und schon erbleichte ich, denn in dem Moment wurde mir bewusst, dass ich tatsächlich überfällig war.
Einige Stunden später, starrte ich auf den positiven Schwangerschaftstest, bleich und mit einem flauen Gefühl der Angst im Magen. So sehr ich auch jedes meiner Kinder liebe und um nichts hergeben würde, muss ich eben auch gestehen, dass ihr Timing, in unser Leben zu treten, doch einige Male recht kurios war.
Wie sollte ich diese Neuigkeit nun Joe überbringen und welche Reaktion erwartete mich?
Wieder war es Jemma mit der zündende Idee, denn uns allen war noch sehr deutlich in Erinnerung, welche Essgelüste meinen Mann, in der letzten Schwangerschaft, befallen hatten: Tomaten!
Nun spreche ich hier nicht von einer obligatorischen Tomate, die regelmäßig dekorativ am Tellerrand thronte oder dem kleinen Tomatensalat zwischendurch. Nein, Joe schien, in meiner Schwangerschaft mit Elly, eine Obsession dafür zu entwickeln, sämtliche Tomaten, denen er habhaft werden konnte, auszurotten. Und das in absolut jeder Form, ob nun als Saft, Soße, Salat oder Snack.
Als er an jenem warmen Maitag von der Arbeit heim kam, stand bereits ein Teller Tomatensuppe auf dem Tisch, daneben eine Schale Mini-Tomaten und ein Glas Tomatensaft. Der positive Schwangerschaftstest, lag, in eine Serviette eingewickelt, neben dem Löffel.
Joe brauchte keinen Test. Er sah sein Mahl an, kurz ratterten die Zahnräder in seinem Kopf, dann begann er, breit und über das ganze Gesicht, zu grinsen. Während ich noch einige Tage brauchte und mich an den Gedanken, bald zwei Babys im Haus zu haben, erst gewöhnen musste, prahlte mein Göttergatte bereits stolz mit seiner Fruchtbarkeit.
Ich gebe zu, da ich auch nicht mehr ganz so jung war und gefühlt erst ein paar Tage zuvor Elly entbunden hatte, empfand ich die Schwangerschaft mit Ruby etwas anstrengender. Nicht nur für mich, auch für meine Familie, die bis heute Eide schwört, ich hätte mit einer Masse an Hormonen jongliert, die eher auf eine Drillingsgeburt hin deutete.
Dabei redete ich mir ein, meine Launen entsprängen einzig dem Stress, den wir in dem Jahr hatten, denn wenige Monate nach der Einzugs-Ankündigung unserer Ruby, heirateten wir und der Löwenanteil der Planungen und Organisation, lag bei mir.
Insgesamt neige ich dazu, in einer Schwangerschaft schon früh Bauch zu zeigen. Der Sommer war also noch nicht zu Ende, als mich immer öfter besorgte Mitmenschen fragten, wie lange mein Baby schon überfällig sei. Antwortete ich dann, noch Monate, bis nach Weihnachten, vor mir zu haben, erntete ich stumm-entsetzte Blicke, denen ich mich nur entziehen konnte, indem ich schwerfällig von dannen wälzte.
Ja, meine Schwerfälligkeit, beeinträchtigte mich zunehmend. So sehr, dass meine Familie noch Tage johlte, weil ich sie einmal fast ums Essen gebracht hatte.
Mühsam bereitete ich einen großen Bräter voll mit Auflauf vor.
Der Backofen unseres Herdes – ein Erbstück meiner Oma – ließ sich wie eine Schublade auf ziehen, was ich übrigens immer recht praktisch fand. Er stand also zwischen zwei Schränken, ich zog die Lade auf, stellte den Bräter hinein und triumphierte ein wenig, dass ich perfekt in der Zeit lag. Nur, als meine Familie sich schließlich, zur gewohnten Zeit, um den Tisch versammelte und ich den Auflauf aus dem Ofen holen wollte, war der Bräter verschwunden.
Hektik brach aus und ich begann schon, Till und Malte zu verdächtigen, nur um mich zu ärgern, den Auflauf aus dem Ofen geholt und versteckt zu haben. Aber alle beteuerten ihre Unschuld, während ich bemerkte, dass sie anfingen, an mir zu zweifeln, ob es den ominösen Auflauf überhaupt je gegeben hatte.
Aus dem Babyzimmer krähte Elly und Joe erhob sich, um ihre Flasche vorzubereiten, während wir weiter um die Existenz und den Verbleib des Auflaufs stritten.
Als mein Mann die Schublade, im Schrank neben dem Backofen auf zog, in der Ellys Flaschenzubehör aufbewahrt wurde, begann er schallend zu lachen, setzte sich kurz wieder, deutete, mit Tränen in den Augen auf die tiefe Schublade mit den Fläschchen und als wir näher hin sahen, stand dort der Bräter mit dem Auflauf.
Mein riesiger Bauch hatte mich nicht sehen lassen, dass ich unser Essen, statt in den Ofen, in den Küchenschrank gestellt hatte.
Noch Jahre später, begleiteten mich gelegentliche Anfeuerungsrufe, sobald ich den Backofen öffnete, dass ich tatsächlich in Zielposition stände.
Das Weihnachtsessen kochte ich im Voraus. Schließlich wüsste man ja nie, ob unsere Ruby sich nicht vorzeitig auf den Weg machen wollte und dann sollte meine Familie wenigstens genug zu essen haben.
Ich ließ mir, beim Festmahl, auch nicht nehmen, die einzelnen Gänge zu verteilen und kippte mir, da ich, wegen des gewaltigen Bauches alles etwas höher halten musste, prompt den Inhalt des Suppentellers, der eigentlich für meinen Schwiegervater gedacht war, ins Dekolleté, Eierstich, Gemüse und Nudeln, filterten sich in meinem BH, während die Brühe mir bis in die Hose tröpfelte, ich gleichzeitig danach brüllte, man möge mir ein Glas kaltes Mineralwasser in den Ausschnitt schütten, da dieses Abenteuer doch schon ordentlich Temperatur aufwies und mein Schwiegervater beteuerte, er bräuchte nun nicht unbedingt zwangsläufig Suppe.
Theoretisch sollte Ruby genau zwischen den Weihnachtsfeiertagen und dem Geburtstag meines Mannes geboren werden, der es wirklich niedlich gefunden hätte, würden seine jüngste Tochter und er, sich den Ehrentag teilen. Elly war ja bereits am Geburtstag meines Schwiegervaters geboren worden und Joe frotzelte von einer neuen Tradition, der geteilten Wiegenfeste. Zumal wir oft, wenn jemand erstaunt darüber war, dass Opa und Enkelin zusammen feierten sagten, zum Zeitpunkt von Ellys Geburt, waren wir so arm, dass wir uns keinen eigenen Geburtstag für unser Kind leisten konnten.
Heiligabend und der erste Weihnachtstag verstrichen, ohne dass die Geburt sich ankündigte. Wir wurden immer sicherer, dass unsere Kleine also auf jeden Fall, bis nach den Feiertagen warten würde.
Am zweiten Weihnachtstag, morgens, kurz nach halb vier, verspürte ich das Bedürfnis, das wohl alle Schwangeren von einem durchgehenden Schlaf abhält: ich musste zur Toilette.
Die lag im unteren Stockwerk und ich nuschelte verschlafen ein paar Flüche, da es in dieser frostigen Nacht, auf dem Flur, meiner Meinung nach, kälter sein musste, als draußen.
Bibbernd schlotterte ich mich also zur Toilette und wunderte mich, dass ich, obwohl ich fest überzeugt war, nicht mehr pinkeln zu müssen, ziemlich undicht zu sein schien. Nicht ganz eindeutig, ob ich eben keine Kontrolle über meine Blase hatte oder Ruby begann, den Stöpsel zu ziehen.
Gedankenverloren, sprach ich zu meiner kleinen Tochter, in meinem Bauch, dass ich noch nicht wach genug war, um ihre eventuellen Zeichen zu verstehen und sie möge, falls sie mir hiermit ihren Auszug ankündigte, bitte deutlicher werden.
In den nächsten zehn Minuten, die ich noch auf der Keramik thronte, passierte nichts mehr. Also ließ ich mich vom verlockenden Ruf meines warmen Bettes verführen und schlurfte schlaftrunken zur Badezimmertür.
Auf halben Weg platschte es laut und vernehmlich und im nächsten Moment spürte und sah ich die riesige Pfütze, in der ich stand. Das war nun ein sehr deutliches Zeichen!
Schlagartig stellte sich in mir alles auf Geburt ein und ich warf lediglich ein Badehandtuch auf die nassen Fliesen, um mich wieder auf den eisigen Flur zu tasten. Die Kälte war grausam und da ich innerlich noch etwas die nächsten Abläufe koordinierte, schlurfte ich langsam gen Treppe.
Besorgt kam unser Neufundländer, Odin, auf mich zu und wollte wohl nachsehen, ob es mir gut ginge, als es erneut platschte, Odin die Augen weit aufriss, reflexartig zur Seite sprang, jedoch von dem Schwall Fruchtwasser ergriffen, ein Stück an mir vorbei gespült wurde. Seine Hilfsbereitschaft fand in diesem Affront bereits ein Ende und so stand ich also nass-frierend im Flur und rief die Treppe hinauf, zu Joe, der sonst einen sehr leichten Schlaf hat, in dieser Nacht aber partout nicht wach zu bekommen war.
Neben mir, lag das Zimmer von Till. Also raunte ich immer lauter nach ihm, bis sein verschlafenes Brummeln, leicht genervt fragte, was ich denn wolle.
„Könntest Du kurz nach oben gehen und Joe wecken? Meine Fruchtblase platzt hier in Dauersalve und ich denke, wir sollten uns bereit machen, zur Klinik zu fahren.“