MORD AUF MALTA - Bill Knox - E-Book

MORD AUF MALTA E-Book

Bill Knox

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2020
Beschreibung

Ein bevorstehender Besuch von Königin Elizabeth II. auf Malta gibt zu neuen anti-britischen Demonstrationen Anlass. Aber der Mord an einem der Demonstranten hat keine politischen Motive - auch wenn es der Mörder so arrangieren möchte... Der Roman MORD AUF MALTA von Bill Knox (* 1928 in Glasgow; † März 1999) erschien erstmals im Jahr 1972; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im gleichen Jahr. Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

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BILL KNOX

 

 

Mord auf Malta

 

Roman

 

 

 

 

Apex Crime, Band 165

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

MORD AUF MALTA 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

 

 

Das Buch

 

Ein bevorstehender Besuch von Königin Elizabeth II. auf Malta gibt zu neuen anti-britischen Demonstrationen Anlass. Aber der Mord an einem der Demonstranten hat keine politischen Motive - auch wenn es der Mörder so arrangieren möchte...

 

Der Roman Mord auf Malta von Bill Knox (* 1928 in Glasgow; † März 1999) erschien erstmals im Jahr 1972; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im gleichen Jahr.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

  MORD AUF MALTA

 

 

 

 

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Das Fischerboot lief seinen Heimathafen an. Der Dieselmotor brummte gleichmäßig, das Kielwasser schäumte schwach leuchtend. Das Boot war noch drei Stunden von Malta entfernt. In drei Stunden würde es Essen und Schlaf für die übermüdete Besatzung geben. Bis dahin bestand ihre Welt aus dem durchdringenden Gestank nach Dieselöl und Fisch und dem gleichmäßigen Dröhnen des Motors, während sie unablässig wachsam in die samtschwarze Mittelmeernacht hinausstarrten.

Ihr Unternehmen konnte noch immer fehlschlagen. Die mondlose Nacht konnte sich ebenso gut als ihr Feind wie ihr Freund erweisen, und die ausgesetzte Prämie bedeutete stets ein erhöhtes Risiko. Aber in drei Stunden würde alles vorbei sein.

Der hagere Mann am Steuer grinste bei diesem Gedanken. Er war diesmal sehr nervös gewesen – selbst als sie es endlich hatten wagen können, die Positionslichter einzuschalten und kurz die Netze auszuwerfen, damit diese wenigstens nass waren. Er sah auf den Kompass und korrigierte den Kurs um eine Kleinigkeit. Sobald er ausgeschlafen und sich rasiert hatte, würde er sich besaufen. Aber nicht so sehr, dass er keine Frau mehr fand.

Etwa dreißig Meilen südöstlich war das Fischerboot ein Lichtpunkt am Rand des Hauptradarschirms des Zerstörers Eastwood, einem Schiff der amerikanischen Sechsten Flotte. Aber das Interesse des Zerstörers galt im Augenblick einem Ereignis, das zehn Meilen entfernt in entgegengesetzter Richtung stattfand, wo ein aufgetaucht fahrendes sowjetisches U-Boot eine britische Korvette beschattete.

Der Sergeant am Radar der Eastwood beobachtete gähnend den Leuchtschirm. Immer das gleiche! Hier verfolgte jeder jeden und bespitzelte ihn mit den modernsten elektronischen Spürgeräten, bis er beinahe sagen konnte, ob der andere gerade eine Büchse Bohnen öffnete.

Die Position der Lichtpunkte veränderte sich geringfügig. Er gab sie zur Brücke durch, gähnte wieder und stellte fest, dass jetzt am Rand des Radarschirms ein zweiter kleiner Punkt aufgetaucht war. Wahrscheinlich zwei Fischerboote, deren Besatzungen sich für das Fangergebnis der anderen interessierten. Beide auf der Heimfahrt... Einen Augenblick lang beneidete der Sergeant diese Fischer, die sich nur Sorgen um ihren Fang und dessen Verkauf zu machen brauchten.

Die beiden Punkte verschmolzen miteinander. Er zündete sich eine Zigarette an und stellte dann fest, dass die Korvette auf Gegenkurs ging. Er beugte sich vor, griff nach einem Schalter und verkleinerte den Abbildungsradius, wobei die Fischerboote vom Bildschirm verschwanden. Das Manöver der Korvette konnte eigentlich nur bedeuten, dass dieses U-Boot zum ersten Mal vor Malta festgestellt worden war und dass sein Motorengeräusch auf Band aufgenommen werden sollte.

In diesem Fall brauchte die Eastwood es auch. Der Sergeant fluchte leise und sprach dann erneut mit der Brücke.

Zwanzig Minuten später hatte die Situation sich wieder normalisiert. Das Radar der Eastwood wurde auf volle Reichweite zurückgeschaltet, doch jetzt sah der Sergeant nur noch einen Lichtpunkt, der etwa den ursprünglichen Kurs beibehielt. Er runzelte die Stirn.

Aber dann wurde er abgelenkt. Das U-Boot hatte sich von der Korvette gelöst und kam auf die Eastwood zu. Der Sergeant hatte das Gefühl, dass es in dieser Nacht noch viel zu tun geben würde.

Etwa dreißig Meilen von der Eastwood entfernt trieben Wrackteile im Meer, während das Brummen eines Schiffsdieselmotors allmählich schwächer wurde und endlich ganz verstummte.

Eine größere Woge warf die Trümmer durcheinander und rollte über eine dunkle Gestalt hinweg, die in der Nähe trieb. Die Gestalt war ein Mann, der blicklos nach oben starrte, bis die letzten Luftblasen aus seiner Kleidung entwichen. Dann ging er unter.

Er war an einem Kopfschuss gestorben.

 

 

 

 

  Zweites Kapitel

 

 

Das Große Staatsschwert lag auf einem roten Samtkissen unter Neonleuchten: ein fünfhundert Jahre altes Prachtstück, das Geschenk eines Papstes an einen König, ein Meisterwerk italienischer Renaissancekunst.

»Wunderbar«, murmelte Henry Falconer ehrfürchtig. Der Assistent des Königlichen Schatzkämmerers beugte sich vor und strich über die mit Gold eingelegte Klinge. »Das nenne ich ein wahres Kunstwerk!«

In der eichenholzgetäfelten Schatzkammer von Schloss Edinbourgh lagerten zahlreiche Kostbarkeiten. Die schottische Krone, ein zarter Goldreif mit Perlen und Diamanten, bildete den Mittelpunkt. Neben ihr waren Zepter und Amtsstab ausgestellt. Und symbolisch von den Reichsinsignien getrennt, lag ein herrlicher Ring mit Brillanten und Rubinen, der am Krönungstag von einem später hingerichteten König getragen worden war.

Falconer, ein breitschultriger Mann mit rundem Gesicht, räusperte sich verlegen, richtete sich auf und sah zu seinem Begleiter hinüber.

»Sie müssen natürlich den Empfang quittieren«, sagte er rasch. »Von da an sind Sie dafür verantwortlich. Passen Sie um Gottes willen gut darauf auf!«

Jonathan Gaunt, der jünger und größer als Falconer war, betrachtete das Schwert resigniert. »Ist es wenigstens versichert?«, erkundigte er sich.

Der andere zuckte zusammen. »Hätte die Königin sich nach einer Versicherungsgesellschaft umsehen sollen? Unmöglich!« Die beiden Männer waren mit einem Wächter in blauer Uniform allein in der Schatzkammer. Aber Falconer sprach trotzdem etwas leiser weiter. »Wir haben alle nur erdenklichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Aber ich mache mir Sorgen wegen des Unfallrisikos auf dem Flug nach Malta. Wenn das Flugzeug abstürzen würde...«

»Als Passagier wäre mir das ausgesprochen unangenehm«, stimmte Gaunt trocken zu.

»Sehr witzig!«, knurrte Falconer. »Wir können jedenfalls nur das Beste hoffen.«

»Amen«, stimmte Jonathan Gaunt zu.

Als Revisor im Amt des Schatzkämmerers war er Reisen gewöhnt. Aber die Aufgabe, ein so kostbares Stück zu begleiten, war ihm unheimlich. Das Große Staatsschwert sollte Schottland zum ersten Mal verlassen, um auf Malta während des Staatsbesuchs der Königin gezeigt zu werden. Und dabei konnte es zu hektischen Studentendemonstrationen kommen...

Gaunt sah auf seine Uhr und verzog das Gesicht. An diesem Dienstagmittag im April war es draußen sonnig und warm; aber hinter den dicken Mauern der Schatzkammer blieb es gleichmäßig kühl. Er konnte nur hoffen, dass Falconer bald gehen würde.

»Zumindest haben wir hier noch keine Probleme«, meinte der andere mit berechtigtem Stolz.

Seitdem einige Beamte morgens damit begonnen hatten, die Alarmanlagen zu demontieren und die Panzerglaskästen zu öffnen, war die Schatzkammer für Besucher geschlossen. Draußen sorgten Polizisten und Soldaten dafür, dass niemand sie betreten konnte. Aber auch ohne ihren Schutz hätte die Schatzkammer einer Belagerung widerstehen können.

»Anprobe gefällig?«, fragte Gaunt plötzlich.

»Wie bitte?« Falconer, der sich zufrieden umgesehen hatte, stellte erschrocken fest, dass der jüngere Mann ihm die Krone entgegenhielt. »Legen Sie sie sofort wieder hin – aber ganz vorsichtig!«

Gaunt legte die Krone grinsend auf ihr Kissen zurück. »Sie wären kein guter König«, meinte er traurig. »Sie sind zu nervös, Henry. Sie würden gleich alle Leute köpfen lassen.«

»Sie natürlich zuerst«, knurrte Falconer. Er bat den Wächter mit einem Blick um Entschuldigung. »Darauf können Sie sich verlassen!«

Falconer unterdrückte ein Seufzen. Jonathan Gaunt, ein blonder, breitschultriger Mann Mitte der Dreißig, war unberechenbar und machte ihm das Leben schwer. Nein, das war eigentlich noch zu wenig gesagt. Manchmal brachte Gaunt es fertig, dass Falconer sich danach sehnte, alles aufzugeben. Gaunt hatte eigenartige Arbeitsmethoden, kleidete sich unorthodox und führte ein Privatleben, das man als ausgesprochen farbig bezeichnen konnte...

Falconer nickte dem Uniformierten zu. »Danke, das genügt vorerst. Ich komme später wieder.«

Der Wächter öffnete das schwere Tor und ließ es hinter ihnen wieder ins Schloss fallen. Die beiden Männer überquerten den gepflasterten Burghof, gingen an einem Wachtposten mit Gewehr und aufgepflanztem Bajonett vorbei und erreichten den Vorhof, von dem aus sie den Verkehr auf der Princes Street beobachten konnten.

»Zigarette?«, fragte Falconer seinen Begleiter.

»Danke.« Gaunt ließ sich Feuer geben, zog an seiner Zigarette und atmete den Rauch langsam aus. »Henry...«

»Augenblick!« Falconer bückte sich und sah über das Rohr der nächsten Kanone hinweg. »Ein Schuss aus dieser Kanone würde die Bank treffen, bei der ich mein ständig überzogenes Konto habe.« Diese Vorstellung schien ihm zu gefallen, aber dann richtete er sich wieder auf. »Ja? Was macht Ihnen Sorgen?«

»Nur eine Kleinigkeit – nämlich die Tatsache, dass ich erst heute Morgen von dieser Aufgabe erfahren habe«, antwortete Gaunt.

»Oh...« Falconer zuckte mit den Schultern. »Dafür müssen Sie den Schatzkämmerer verantwortlich machen. Er wollte möglichst wenige Leute vorzeitig informieren. Jedenfalls kennen Sie jetzt die wichtigsten Einzelheiten. Das Schwert wird heute abtransportiert, aber Sie sind erst ab morgen unmittelbar vor dem Abflug dafür verantwortlich.«

Gaunt runzelte die Stirn. »Und nach der Ankunft?«

»Sie werden heute Nachmittag gründlich informiert«, versprach Falconer ihm. Er holte tief Luft. »Malta ist unabhängig, aber ein Commonwealth-Mitglied. Die Königin kommt nächsten Montag zu einem Staatsbesuch auf die Insel. Durch einen – äh – glücklichen Zufall beginnt dort zum gleichen Zeitpunkt eine Schottische Handelswoche, von der die Industrie sich viel verspricht.«

Gaunt nickte zustimmend. Er hatte im Wirtschaftsteil seiner Zeitung davon gelesen. Die Handelswoche sollte dazu beitragen, die Exporte von Maschinen und Fertigwaren in den ganzen Mittelmeerraum kräftig zu erhöhen. Potentielle Käufer wurden mit Chartermaschinen aus den Mittelmeerstaaten nach Malta geholt.

Der Erfolg des Unternehmens war allerdings noch recht zweifelhaft, denn die Konkurrenz schlief nicht. Italiener, Deutsche und Franzosen hatten sich bisher den Löwenanteil gesichert und waren schwer zu verdrängen. Amerikanische Firmen bemühten sich um den gleichen Markt, und russische Handelsmissionen waren bereit, jeden mit Kaviar und Krimsekt zu bewirten, der so aussah, als habe er ein Scheckbuch in der Tasche.

»Und das Schwert?«, fragte Gaunt misstrauisch.

»Unsere Geheimwaffe«, behauptete Falconer. »Jemand ziemlich weit oben ist auf die Idee gekommen, es wäre doch schön, wenn das schottische Staatsschwert gezeigt würde, um die Bedeutung der Veranstaltung zu betonen.«

»Obwohl es aus Italien stammt?«, erkundigte Gaunt sich.

»Richtig, Papst Julius hat es 1507 König James geschenkt«, stimmte Falconer zu. Er trat seinen Zigarettenstummel aus. »Aber das ist nur ein unwichtiges Detail.«

»Großartig!« Gaunt verzog das Gesicht. »Warum muss ich so früh nach Malta?«

»Weil die Handelswoche schon am Freitag eröffnet wird«, antwortete Falconer geduldig. »Wir möchten, dass das Schwert am Donnerstagabend während eines Banketts ausgestellt wird. Danach kann es vom Publikum besichtigt werden, wenn die Königin es nicht gerade während ihres Staatsbesuchs braucht. Sobald die Handelswoche zu Ende ist, bringen Sie es nach Hause zurück.«

»Es sei denn, die jugendlichen Revolutionäre, von denen Sie taktvollerweise nicht gesprochen haben, hätten es sich als Andenken geschnappt«, wandte Gaunt sarkastisch ein. »Was soll ich eigentlich damit anfangen? Soll ich es mir nachts unter mein Kopfkissen legen?«

»Die zuständigen Regierungsstellen haben uns versichert, das Schwert werde ununterbrochen bewacht«, erklärte Falconer. »Sie sind von unserer Idee ganz begeistert, was allerdings kein Wunder ist. Das religiöse Motiv spielt dabei eine Rolle. Malta ist katholisch – und das Staatsschwert ist das Geschenk eines Papstes. Außerdem ist auf einer Seite der Klinge der Apostel Paulus dargestellt, der einmal auf Malta Schiffbruch erlitten hat.«

»Aber nicht während einer Schottischen Handelswoche«, murmelte Gaunt.

»Ganz recht«, gab Falconer ungerührt zu, »aber seit wann muss man Sie daran erinnern, dass heutzutage fast alles vom wirtschaftlichen Gesichtspunkt aus beurteilt wird? Wer wie Sie an der Börse spekuliert, müsste das eigentlich selbst einsehen.«

Gaunt nickte grinsend. »Haben Sie wieder neue Schauermärchen über meine Transaktionen gehört?«, wollte er wissen.

Falconer zuckte mit den Schultern. »Mein Golfpartner...«

»...ist ein Börsenmakler, der zu viel redet«, unterbrach Gaunt ihn. »Aber ich lade Sie trotzdem zu einem Drink vor dem Essen ein.«

»Tut mir leid, aber heute kann ich nicht mitkommen.« Falconer schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich muss hierbleiben und dafür sorgen, dass das Schwert richtig verpackt wird.« Er lehnte sich gegen die Kanone und griff wieder nach seinen Zigaretten. »Sie haben auf Malta übrigens noch etwas anderes zu erledigen. Unsere Verbindung zu einem Pensionär der Krone namens Taggart ist abgerissen; er ist ein pensionierter Richter, der vor einigen Jahren nach Malta gezogen ist. Er hat unsere Briefe nicht mehr beantwortet, und der Fall hat jetzt das Stadium erreicht, wo wir seine Unterschrift unter der jährlich abzugebenden Erklärung brauchen oder die Pensionszahlung einstellen – was ihm nicht gefallen wird.«

»Vielleicht ist er gestorben?«

»Wir müssen jedenfalls wissen, was mit ihm los ist!«, antwortete Falconer indigniert. »Sie bekommen noch ein paar Unterlagen über ihn mit. Denken Sie beim Mittagessen wenigstens an mich – ich muss froh sein, wenn ich ein Sandwich bekomme.«

Gaunt salutierte grinsend und ging. Falconer sah ihm trübselig nach, bis er auf dem Weg zum Parkplatz um die Ecke des nächsten Gebäudes verschwunden war. Dann starrte er wieder das massive Tor der Schatzkammer an.

Es war schwierig genug gewesen, die Erlaubnis zu diesem Unternehmen zu bekommen, weil mehrere alte Gesetze umgangen werden mussten, bevor das Schwert Schottland verlassen durfte. Falconer wusste, dass der Schatzkämmerer nicht ruhig schlafen würde, solange es unterwegs war. Und falls etwas damit passierte...

Falconer lief ein kalter Schauer über den Rücken. Er zündete sich noch eine Zigarette an, steckte das Streichholz ins Zündloch der Kanone und wünschte sich erneut, sie wäre geladen.

 

Die Maschine der BEA sollte zwei Stunden und fünfzig Minuten von London nach Malta brauchen. Aber der Rückenwind hatte bewirkt, dass die Maschine den Flughafen Luqa früher erreichen würde. Sie flogen diesmal die Südroute, die fast nach Nordafrika und dann südlich von Sardinien genau nach Osten führte.

Jonathan Gaunt hatte einen Fensterplatz links vorn. Die Maschine war halbleer, aber er hatte trotzdem Gesellschaft: einen stämmigen Schotten im Kilt. Angus Fraser war Tambourmajor in einem Highland-Regiment und sollte auf einigen Veranstaltungen während der Handelswoche als Dudelsackpfeifer auftreten.

»Mann, das schönste an einem Flug ist der billige Whiskey«, behauptete Fraser und leerte sein drittes Glas mit einem Zug. »Trinken wir noch einen?«

»Nein, danke«, wehrte Gaunt hastig ab. »Ich bin im Augenblick nicht im Training.«

»Schade«, knurrte Fraser, hielt eine vorbeikommende Stewardess an und bestellte sich den vierten Whiskey. »Was ist das dort drüben?«

»Sizilien.« Gaunt sah zu der entfernten Küste hinüber. »Wir landen in ungefähr zwanzig Minuten.«

»Dann müsste ich allmählich zu üben anfangen«, meinte Fraser. »Warum habe ich meinen Dudelsack nicht mit in die Kabine nehmen dürfen?«

»Gefährliche Gegenstände müssen während des Fluges unter Verschluss bleiben«, erklärte Gaunt ihm grinsend. Der kostbare Dudelsack des Tambourmajors und seine übrige Ausrüstung flogen im Gepäckraum mit. Dort lag übrigens auch der längliche Kasten aus gefirnisstem Eichenholz mit dem Staatsschwert. Er war von einem Bestattungsunternehmen in Edinbourgh geliefert worden, das sogar ein Paar seiner schönsten Messinggriffe angebracht hatte. »Keine Angst, Sie haben nach der Landung noch Zeit genug, um in Form zu kommen.«

Fraser nickte der Stewardess dankend zu und nahm ihr das Glas ab. »Mann, wenn Sie je in einem Highland-Regiment gedient hätten, wüssten Sie, dass ein Dudelsackpfeifer seine Kehle richtig schmieren muss.«

»Ich war in einem anderen Regiment«, stimmte Gaunt geistesabwesend zu und starrte nach unten, wo winzige Punkte einzelne Fischerboote bezeichneten.

Gaunt war Fallschirmjäger gewesen. Sechs Jahre lang, bis Leutnant J. Gaunt mit einer schweren Wirbelsäulenverletzung ins Lazarett gekommen war, weil sein Fallschirm sich bei einem Übungssprung nur teilweise geöffnet hatte. Er war ein halbes Jahr im Lazarett geblieben und hatte die nächsten zehn oder zwölf Monate damit verbracht, sich widerwillig an das Zivilleben, seine lächerlich niedrige Pension und die Scheidung, die seine Frau eingereicht hatte, zu gewöhnen. Nachträglich verstand er sogar, warum Patty sich hatte scheiden lassen – und sie war immerhin so anständig gewesen, damit bis nach seiner Entlassung aus dem Lazarett zu warten. Trotzdem war die Scheidung damals ein schwerer Schlag für ihn gewesen.

»Meine Damen und Herren, wir...« Die Stimme des Piloten drang aus den Lautsprechern. Der Flugkapitän erklärte seinen Passagieren, auf Malta sei es sonnig und warm; er hoffe, sie hatten einen angenehmen Flug und bat sie, nicht nervös zu werden, wenn die Triebwerke durch die eingeschaltete Schubumkehr nach der Landung lauter wurden.

Gaunt hörte kaum hin. Er dachte eben daran, wie er zu seiner jetzigen Stellung gekommen war. Bevor er sich entschlossen hatte, Berufsoffizier zu werden, hatte er einige Semester Betriebswirtschaft studiert. Nach seiner Scheidung hatte er mit dem Gedanken gespielt, sein Studium fortzusetzen. Aber dann war er sich doch zu alt dafür vorgekommen, und er hatte sich beim Amt des Schatzkämmerers um eine ausgeschriebene Position beworben, weil er sich eingebildet hatte, dort Ruhe zu haben.

Ruhe? Gaunt hatte bald gemerkt, dass seine neue Stellung längst nicht so geruhsam war, wie er sie sich vorgestellt hatte.

»Hier, Sir.«

Als er sich umdrehte, gab Fraser ihm ein Glas und hob sein eigenes.

»Slàinte, Mr. Gaunt!«, sagte er grinsend.

»Auf Ihr Wohl.« Gaunt trank den Whiskey, dachte kurz an das Staatsschwert und beschloss, möglichst schnell Falconers Pensionär zu suchen, um sich noch etwas auf eigene Faust amüsieren zu können.

Der Schatzkämmerer war nicht nur für die Bewachung der schottischen Kronjuwelen verantwortlich, sondern hatte im Lauf der Zeit zahlreiche andere Pflichten übernommen, zu denen auch die Aufgabe gehörte, den Zahlmeister für fast alle Regierungsbehörden in Schottland zu spielen. Das Amt des Schatzmeisters – ein grauer, altmodischer Büroblock in der George Street – trat das Erbe an, wenn eine Erbschaft wegen fehlender Erben an den Staat fiel, prüfte die Buchführung aller Gerichtskassen Schottlands, sorgte dafür, dass verhängte Geldstrafen eingezogen wurden und hatte Dutzende von weiteren Aufgaben.

Das Amt hatte die Funktion eines offiziellen Wachhundes, überlegte Jonathan Gaunt sich. Als die Maschine Höhe zu verlieren begann, dachte er an das, was vor ihm lag. Er konnte nur hoffen, dass er diesmal als Wachhund nicht zu viel würde bellen und beißen müssen.

 

Malta erschien vor ihnen. Im Hafen füllten unzählige Schiffe das weite Becken. Die terrassenförmig aufgetürmten Bauten von Valletta blieben hinter der Maschine zurück; dann kamen schachbrettartig angelegte Felder und gelbliche Felsen. Sekunden später setzte die Maschine weich auf und rollte über die Landebahn zum Empfangsgebäude des Flughafens.

Die Maschine rollte an einigen Sportflugzeugen und R.A.F.-Düsenjägern vorbei, die auf dem Vorfeld abgestellt waren, und kam auf das Zeichen des Einweisers hin zum Stehen. Gaunt erkannte ungewöhnlich viele Polizisten in der Nähe des Flugzeugs, als die Wagen des Bodendienstes darauf zufuhren. Dann wurde die Treppe an die Kabinentür geschoben. Gaunt stand auf und ging vor Fraser her zum Ausgang.

Draußen war es warm und hell, die Sonne strahlte vom wolkenlosen Himmel. Gaunt wollte den übrigen Passagieren zum Empfangsgebäude folgen, aber eine Stewardess hielt ihn auf. Sie deutete lächelnd auf drei Männer.

Gaunt hörte Fraser, der hinter ihm geblieben war, zufrieden: »Aha!«, sagen. Einer der Männer trug die Khakiuniform eines Armeeoffiziers, und vom Empfangsgebäude her kam ein Geländewagen übers Vorfeld.

»Willkommen auf Malta, Mr. Gaunt – und Sie natürlich auch, Tambourmajor.« Der Mann, der ihnen entgegentrat, war untersetzt, schwarzhaarig und Ende Dreißig; er trug einen dunklen Anzug mit kanariengelber Krawatte und lächelte den beiden zu. »Ich bin Peter Tabone aus dem Büro des Premierministers. Wie war der Flug?«

»Danke, recht angenehm.« Gaunt schüttelte die ausgestreckte Hand.

»Freut mich.« Tabone zeigte auf seine Begleiter. »Captain Dwyer gehört zur hiesigen Garnison.« Fraser salutierte zackig, und Dwyer, ein hagerer Mann mit dem Mützenabzeichen der Pioniere, erwiderte gelassen seinen Gruß. »Und der Mann hinter der Sonnenbrille ist John Hibbert, der die Veranstaltungen der Handelswoche organisiert. Er hat eine Werbeagentur in Valletta.«

Hibbert, ein großer junger Mann mit schulterlangem kastanienbraunem Haar, zeigte grinsend die Zähne. Er trug eine dunkelgrüne Wildlederjacke zu einer altrosa Hose und einem pfirsichfarbenen Hemd mit dazu passender Krawatte.

»Na, haben Sie Ihr Schwert mitgebracht?«, erkundigte er sich.

»Ja – falls es unterwegs nicht aus dem Gepäckraum gefallen ist«, antwortete Gaunt ruhig.

»Aus dem Gepäckraum?« Tabone zog die Augenbrauen hoch. »Es ist also inkognito gereist? Hm, das gefällt mir.«

»Wenn es nur da ist!«, warf Hibbert ein. »Ich habe die ganze Zeit über gezittert, ob es wirklich kommen würde.«

»Und jetzt müssen Leute wie ich zittern, bis es wieder fort ist«, murmelte Tabone. »Sie können sich glücklich schätzen, nichts damit zu tun zu haben, Captain.«

»Ich habe genügend andere Sorgen«, knurrte Dwyer. »Wo haben Sie Ihre Sachen, Tambourmajor?«

»Auch im Gepäckraum, Sir.« Fraser sah besorgt zu der Maschine hinüber, die eben entladen wurde. »Am besten kümmere ich mich gleich darum, dass nichts damit passiert.«