More than Fashion - Tim Hackemack - E-Book

More than Fashion E-Book

Tim Hackemack

0,0

Beschreibung

Dies ist kein scheiß Modebuch. Mode ist etwas Vergängliches, hält meist nicht länger als einen Sommer. Selbst die uninspiriertesten Punkmitläufer haben es meist länger als eine Modeperiode durchgehalten. Andersrum möchte ich sagen: Wer Punk für Mode hält, hat das Wichtigste nicht verstanden.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 153

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über den Autor

Tim Hackemack, Jahrgang 1979, ist im ländlichen Westfalen aufgewachsen. Nach dem Abitur machte er seinen Magister in Anglistik und Germanistik an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf.

Er hat mit verschiedenen Bands über fünf Alben veröffentlicht. Nebenbei war er Konzertveranstalter und hat für verschiedene Fanzines, Zeitschriften und Magazine geschrieben und fotografiert. Seit 2012 arbeitet er als freischaffender Fotograf und Journalist.

2016 hat er sein erstes Buch Yesterday's Kids bei Hirnkost veröffentlicht.

Originalausgabe

© 2018 Hirnkost KGLahnstraße 2512055 [email protected]

Alle Rechte vorbehalten1. Auflage Oktober 2018

Vertrieb für den BuchhandelRunge Verlagsauslieferung; [email protected]

Privatkunden und Mailordershop.hirnkost.de

Layout: Linda KutzkiLektorat: Gabriele Vogel

ISBNPRINT: 978-3-947380-19-0PDF: 978-3-947380-21-3EPUB: 978-3-947380-20-6

Dieses Buch gibt es auch als E-Book bei allen Anbietern und für alle Formate.Unsere Bücher kann man auch abonnieren:shop.hirnkost.de

Ich widme dieses Buch meinen Lieblings-PunkernKarl Nagel und Ralle Weigelt.

INHALT

Vorwort

Marco

Nicole

Kathrin

Max

Turbojugend

Sascha

Andrés

Dominic

Wanne

Susi

Ulf

Sarah

Fabsi

Tanja

Sophia

Timo

Linus

Mario

Ainstain

Thomas

Dirty

Helge

Frank

Tesi

Hendrik

Nils

Uwe

Karsten

Steffi

Marco

Jud

Holger

Kalle

Julia

Eve

Ronny

Riki

Tommy

Ralle

Kai

Jana

Schulle

Holger

Patti

Sabrina

Amy

Steffen

Nils

Teasy

Alina

Zwiebel

Markus

Fabi

Micha

Karl

Abby

Adam

Mike

Zotti

Sebastian

Philipp

Uti + Con

Theo

Calli

Bob

Chucky

Pogge

Hennes

Dietmar

Dustin

Bernd

Mike

Kübel

Marc

Belex

Sabine

Amos

Maick

Shayanne

Volker

Polski

Mirko

Ulrich

Jessi

Roni

Vicky

Lauren

Lenni

Rodney

Corwin

Hermann

Holger

Aki

Krisko

Desiree

Tim

VORWORT

Zuallererst: Dies ist kein scheiß Modebuch. Mode ist etwas Vergängliches, hält meist nicht länger als einen Sommer und ist dann so lange verschwunden, bis den Herren und Damen Designern nichts mehr einfällt. Selbst die uninspiriertesten Punkmitläufer haben es meist länger als eine Modeperiode durchgehalten. Andersrum möchte ich sagen: Wer Punk für Mode hält, hat das Wichtigste nicht verstanden.

Aber wahrscheinlich gibt es Leute da draußen, für die eine mit Aufnähern und Sprüchen übersäte Jacke oberflächlich betrachtet Mode ist. Ich will mich dem auch nicht lange widmen und Begriffe wie Anti-Mode benutzen. Eine Punkjacke ist für mich erst mal ein Erkennungsmerkmal für eine Person, die ich im Zweifel sympathischer finde als andere. Dass die Arschlochquote ähnlich hoch ist wie im Rest der Gesellschaft, war und ist weiterhin eine schmerzhafte Erfahrung. Trotzdem hat dieses eine Kleidungsstück für sehr viele Punks eine persönliche Bedeutung. Ich hatte nie eine besondere Kutte, aber die Lederjacke, die ich hatte, konnte ich trotzdem nie wegwerfen. Dies hat mich dazu inspiriert, dieses Buch zu machen.

Meine Reisen für dieses Buch, zum Glück waren es deutlich weniger als für Yesterday’s Kids, waren dieses Mal einfacher und effizienter gestaltet. Man kann sich an einem Tag ganz einfach mit zehn verschiedenen Jacken beschäftigen. Ein Gespräch über eine Jacke und ein paar Fotos dauern meist nicht so lange und bleiben auf eine Weise unpersönlich. Es war eine Art von Speed-Dating mit Foto und Interviewanteil. Ich hoffe, ich habe mich in den meisten Fällen nicht so schlecht geschlagen.

Spannend fand ich alle Geschichten der Jacken. Während ich bei manchen ganze Seiten kürzen musste, gestalteten andere ihre Antworten eher einsilbig. Ihre Jacken waren noch nicht so alt, noch nicht fertig gestaltet, und sie hatten auch über den Entstehungsprozess wenig zu sagen. Ein gewisser Stolz und eine Verbundenheit zu ihrer Jacke waren trotzdem da. Das genügte mir und das muss auch den Lesenden genügen.

Eine Punkjacke muss keine Lederjacke mit Nieten sein und es bedarf auch keiner bestimmten Anzahl an Buttons oder Aufnähern. Man kann Klischees bedienen, muss es aber nicht. Ich war für dieses Buch auch nicht auf der Suche nach den härtesten Typen mit den meisten Killernieten. Ich war auf der Suche nach Punkjacken, egal, wie sie aussahen. Einige habe ich gefunden, wenngleich ich weiß, dass es noch Millionen coole Jacken gibt, die ich nicht ins Buch aufnehmen konnte.

Das Schönste für mich ist, dass ich endlich allen die Geschichte erzählen kann, wie ich mal 20 Flaschen Bier im Innenfutter aus einer Party „rausgeschmuggelt“ habe. Das war die ganze Arbeit wert.

Und wenn es für manche doch nur ein scheiß Modebuch ist, soll es so sein.

MARCO

Die Kutte ist die Erinnerung an meine beste Zeit. Alles habe ich selber gemacht, auch gemalt – hatte ja damals fast alle Kutten in Bremen gemacht. Daher war mein Spitzname Kutte, irgendwann ist daraus Kutter geworden. Was Black Flag angeht, war doch alles nach 1982 absolut scheiße. Fußballstollen habe ich an den Ärmel gemacht, weil viele Mega-Nieten hatten. Da wollte ich gegenhalten. Wir Bremen-Nord-Punx waren damals berüchtigt. An das Ticket fürs Schwarzfahren kann ich mich nicht erinnern, bezahlt habe ich es aber sicher nicht. Meine Jacke könnte ich niemals wegschmeißen, auch wenn ich heutzutage nicht mehr reinpasse und selbst meine Arme länger geworden sind! Ende der Neunzigerjahre habe ich die Kutte gegen eine viel leichtere Bomberjacke eingetauscht. Damals hatte es dann auch gleich Klick gemacht: Kein Wunder, dass wir die Fascho-Glatzen so selten gekriegt haben. Unsere Jacken mit den zig Nieten waren viel zu schwer.

NICOLE

Meine erste Jacke war noch aus Leder, ich hatte sie aus irgendeinem Onlineshop für Punkklamotten. Da hatte ich meine Jacke noch nicht mit Aufnähern oder Kritzeleien verziert, nur ein paar Buttons. Ich war einfach noch nicht so mutig, mit meinen Klamotten wirklich aufzufallen. Damals war ich auch noch eher in der Gothic-Szene unterwegs, die mittlerweile so gar nicht mehr meins ist. Ich kam dann irgendwann durch die Riot-Grrrl-Bewegung, meine politische Einstellung und Bekannte zum Punk und fühle mich alleine schon wegen der Leute und ihrer Einstellung dort sehr wohl. Meine Kunstlederjacke habe ich mir geholt, weil sie günstig war und mir einfach besser gefiel als die schwere Lederjacke. Erst später habe ich entschieden, vegan zu leben, aber da passte das Kunstleder ja sehr gut. Gekauft habe ich die Jacke bei einem bekannten Kaffeeröster. Mittlerweile versuche ich mir meine Klamotten nur noch gebraucht im Internet, bei Kleidertauschpartys, aus Giveboxen etc. zu organisieren oder sogar aus dem Müll zu retten. Einfach weil ich dieses menschenausbeuterische „Fast-Fashion“-Phänomen nicht unterstützen möchte, es günstiger und umweltfreundlicher ist. Eines Tages nagte eins meiner Kaninchen ein großes Loch in den Kragen der Jacke, was ich dann mit Stoffresten einer alten grünen Tagesdecke reparierte. Diese Decke hängt noch heute umgenäht zu Vorhängen an meinem Fenster. Die ersten Aufnäher, die auf meiner Jacke landeten, waren der mit den Augenball-Pflanzen und der Siouxsie-Sioux-Backpatch, was vorher ein zu klein bestelltes Shirt war. Der Blogging-Aufnäher ist im Stil von Aufnähern, die Pfadfinder für besondere Leistungen bekommen. Und da ich über zehn Jahre gebloggt habe, hat eine Bekannte mir den mal geschenkt. Der Darth-Vader-Aufnäher ist auf meiner Jacke, weil ich Star Wars liebe. Ich bin halt auch ein Geek. Deswegen ist auf einer meiner Westen auch ein Dalek genäht. Da ich Feministin bin und ich Bands wie Bikini Kill, L7, Bratmobile, Respect my Fist und andere Riot-Grrrl-Bands liebe, habe ich irgendwann mal eine Art „Themenweste“ gebastelt. Der Catwoman-Backpatch ist wie der Kragen meiner Jacke auch so ein wiederverwendetes Teil: Ursprünglich war es ein Shirt, das ich mir als Teenager gekauft hatte, dann diente das Motiv als Aufnäher auf einer Tasche und nun als Backpatch. Ich liebe es, Dinge wiederzuverwenden und meine Sachen selbst zu gestalten. Deswegen sind auch etliche meiner Aufnäher selbst gemacht. Entweder mit Spezialstoff einfach ausgedruckt oder mit Schablonen und Stoffmalfarbe hergestellt. Ansonsten kaufe ich die meisten Aufnäher auf Konzerten und Soli-Veranstaltungen.

KATHRIN

Ich habe die Jacke von meiner Schwester geerbt, als ich 15 war. Damals war sie noch blau und ich hab sie mit der Hand rot gefärbt. Die Aufnäher sind bis auf einen von Bands, die ich mag, die ich auch fast alle persönlich kenne. Der eine ist das Zeichen der Kampfgruppen der DDR von der Uniformjacke meines Vaters, damals eher als Provokation angebracht. Die Jacke bedeutet mir unheimlich viel, sie repräsentiert mein Leben! Ich ziehe sie auch nicht mehr so oft an, weil ich Angst habe, sie zu verlieren, und sie fällt schon seit geraumer Zeit auseinander. Ich habe sie schon mehrmals repariert. Ich habe sie 33 Jahre, und alles, was darauf ist, ist ein Stück Lebensweg, auch das Bild von Suicidal Supermarket Trolleys. Ich hatte sie an Altweiber mit in der Schule, und meine Mitschüler waren geschockt, dass meine Jacke wesentlich älter ist als sie.

MAX

Ich fand Kutten schon immer faszinierend. Für mich gehört das zu einer Szene, die die normale Gesellschaft ablehnt. Inspiration hatte ich durch andere Kutten und viele neue, gute Bands. Meine eigene Weste hab ich dann, ganz klassisch für diese Zeit, bei Amazon bestellt und mir die Aufnäher und Anstecker auf Konzerten geholt und selber aufgenäht, das gehört dazu. Heute wird es ja leider immer weniger, da sich die Punkszene halt auch verändert. Umso cooler finde ich es, wenn die Leute ihre Kutten weitertragen. Außerhalb der Punkszene scheint es da aber auch einen Trend zu geben. Anscheinend ist es „in“, mit Aufnähern rumzulaufen. Schau dir nur die Schaufenster bei H&M und den Kram an!

TURBOJUGEND

Die erste Turbojugend entstand 1996 in Hamburg (Turbojugend St. Pauli). Gründungsmitglied war unter anderem Bela B. Momentan gibt es ja schon eine dritte Generation von Turbojugenden. In Rostock sind wir das. Viele von den Alten feiern das auch ziemlich ab, dass es wieder eine gibt. Es gab vorher eine Turbojugend, der Präsident von denen hat sich aber um nichts mehr gekümmert, und so haben wir das halt 2015 übernommen. Dafür mussten wir uns aber an den sogenannten Jugendwart wenden und die Situation klären. Die haben dann noch mal versucht, den alten Präsidenten zu erreichen, und als das nicht klappte, konnten wir loslegen. Die Jugendwarte kümmern sich weltweit um alle Chapter, und da gibt es eine ganze Menge, circa 2.053. Eine Person kann aber auch Mitglied von mehreren Chapters sein. Um eine Kutte zu bekommen, musst du in einem Chapter aufgenommen werden, dann fügt der Präsident dich auf der Homepage deinem Chapter hinzu. Erst danach kann eine Kutte für dich bestellt werden. Die Jacke kannst du dir dann direkt auf den Leib schneidern lassen. Du kannst dir dann auch aussuchen, ob du eine Jeansweste oder Jeansjacke haben willst. Die Gestaltung ist auch vollkommen dir selbst überlassen, ausgenommen sind Biker-Chapter oder rassistischer Kram. Nichts was andere Leute beleidigt oder verletzt. Es soll eine positive Geschichte sein. Da jedes Chapter weltweit seine eigenen Aufnäher oder Buttons hat, tauschen wir halt mit den anderen, so behält man einander in guter Erinnerung. Wenn sich Chapter auflösen, ist man nicht automatisch Mitglied auf Lebenszeit. Sollte ein Chapter längere Zeit inaktiv sein, wird durch die Jugendwarte geklärt, ob noch Interesse daran besteht, Mitglied der Turbojugend-Familie zu sein. Sicherlich fliegt man nicht grundlos aus der Turbojugend, jedoch wird besonderer Wert auf das Miteinander gelegt. Rassistische, diskriminierende Äußerungen können ein Grund dafür sein, aus der Turbojugend geschmissen zu werden. Man kann es also als eine große Familie sehen, die einen gemeinsamen Nenner hat: Musik. Einmal im Jahr finden auch die Weltturbojugendtage in Hamburg statt und da trifft man wirklich Leute aus der ganzen Welt. Turbonegro spielen dann meist auch und das ganze Wochenende beinhaltet viel Liebe, Glitzer und Alkohol.

Wir sind ein kleines Chapter mit fünf Personen. Größere Chapter haben aber auch nicht mehr als 50 Mitglieder. Mehr werden aus logistischen Gründen nicht aufgenommen, da auch Treffen und weitere Veranstaltungen übers ganze Jahr verteilt stattfinden. Besonders wichtig zu erwähnen ist, dass man seine Kutte nicht waschen darf. Wenn du sie vollgekotzt hast, darfst du mit ihr in einen See gehen, dich duschen oder gegebenenfalls eine Bürste benutzen, um sie zu reinigen. Aber das war es dann auch. Ansonsten kannst du ein Wunderbäumchen dranhängen. Ein Geheimtipp bei schlimmerer Verschmutzung ist, sie mit Febreze einzusprühen und dann ein paar Tage in die Tiefkühltruhe zu stecken. Nach dem Trocknen ist sie wieder wie neu, zumindest was den Geruch angeht.

SASCHA

Die alte Kutte hab ich ausm Fünf-Finger-Discount in Berlin. Ungefähr 2007 habe ich sie mir geholt. Die Aufnäher waren allesamt Geschenke. Der Endless Nightmare Crew auf den Schultern kam von einer israelischen Band, mit der ich auf Europatour war. Im Trinkteufel haben sie mich gefragt, ob ich mitkommen will. Für umme konnte ich die nächsten Wochen mitfahren. Ich musste nur ein Auto organisieren, weil der Bus voll war. Da überlegt man nicht lange. Ich bin ein paar Tage später mit ein paar Freunden nach Nürnberg getrampt, dort war eines der Konzerte der Band. Dort kannten wir kein Schwein und sind in der ersten Kneipe gelandet. Der Treser war so geil, hat uns nachts seinen Wohnungsschlüssel gegeben und das Taxi bezahlt. Punker halten halt zusammen. Aus dem Treppenhaus stammt das „Vorsicht-frisch-gewachst“-Schild am Arsch der Kutte. Eins habe ich für mich, eins für meine beste Freundin. Das Glöckchen hing früher an meinem Schuh, das zog die Aufmerksamkeit der Leute beim Schnorren auf mich, oder es nervte die Leute nur. Die Uhr war das erste, was ich in Israel gefunden hab. Daher stammt auch der „Miflätzend“-Aufnäher. Das ist eine Mischung aus „mifletzet“, hebräisch für Monster, und so war auch der Wodka in der Zwei-Liter-Flasche, die da jeder gesoffen hat, und dem Wort „ätzend“, welches ich so oft gebrauche wie die Polen „kurwa“ oder die Amis „fuck“.

Meine alte erste Kutte war halt ein Ausdruck von Freiheit, da kam alles ran, was nicht niet- und nagelfest war, aber auch Praktisches wie ein Flaschenöffner, ein Nothammer, ein S-Bahnfensterschlüssel. Was man halt so täglich brauchte. Die Jacke habe ich das letzte Mal 2012 getragen. Die heutige is da eher klassisch, hab mich ja auch weiterentwickelt, von der Straße weg. Ich habe mir die Lederjacke 2013 oder 2014 gekauft. Der Rückenaufnäher war mein Lieblings-T-Shirt vom Potse e. V. aus Berlin. Das habe ich damals von einer Freundin ertauscht, es war irgendwann aber unnähbar zerfallen. Das war auch das einzige Teil, bei dem ich Nähhilfe von der Nähmaschine meiner Nachbarin bekommen habe. Bis dahin waren mir schon ein Dutzend Nadeln abgebrochen. Den ersten Jägermeister-Hirsch habe ich von einem Kumpel in Leipzig geschenkt bekommen, weil ich so viel Jägermeister saufe. Den zweiten habe ich ein Jahr später in La Gomera geklaut. Ich habe noch einen dritten, den habe ich im Trinkteufel geschenkt bekommen, der ist aber noch nicht an der Jacke.

ANDRÉS

Ich habe mir meine Jacke 1996 auf einem Flohmarkt in Osnabrück gekauft. Ich musste mich entscheiden: entweder LPs oder für 50 Mark die Jacke. Ich hatte noch keine Lederjacke und als großer Ramones-Fan musste ich endlich eine haben. Ich habe mir diese dann gekauft und jahrelang nichts anderes mehr getragen. Die Aufnäher habe ich bei Konzerten der jeweiligen Bands gekauft. Nach ein paar Jahren wollte ich mehr, als nur Buttons draufhaben. Bis vor einigen Jahren waren da noch ein paar mehr drauf. Aber die rissen im Suff ab. Alles, was auf der Jacke ist an Geschmiere, „Poison Idea“, „ABC Diabolo“ und „BN1516“, für Brigade Nord seit 1516, einem VFL-Osnabrück-Fanclub, habe ich selbst gekritzelt und gemalt. Nieten und Aufnäher habe ich auch in Endlos-Sitzungen bei Joints und Dosenbier von Hand draufgenäht. Leder ist mal echt kacke mit einer dünnen Nadel zu bearbeiten.

Am linken Ärmel habe ich seit ewigen Jahren einen dicken Riss drinne, den ich immer wieder reparieren und nähen muss, damit der nicht noch weiter aufgeht. Das passierte so: Anfang der 2000 habe ich mit ein paar Freunden aus Münster ein Konzert für Attila the Stockbroker im Triptychon durchgeführt. Eigentlich war nix los, aber Attila und seine Barnstormers waren wie immer total super. Danach ging es zu den Pennplätzen, die sich in den verrückten Hochhäusern am Berg Fidel befanden. Dort hatten die eine WG. Wir sind mit der ganzen Band und einigen mehr da hingefahren und haben weitergefeiert und getrunken. Der Mercher Bambi entdeckte dann beim Blick aus der 12. Etage unter uns das Preußenstadion. Einiges ergab das andere, und so entschieden wir zu viert in unserem verstrahlten Zustand, da doch einfach mal reinzugehen und sich das im Dunkeln zu geben. Also sind wir runter mit dem Lift und haben versucht, über den Zaun am Gästeblock zu klettern. Ich verfing mich mit meinem Ärmel im rostigen Stacheldraht und den aufgesetzten Dornen oben am Zaun und riss mir die halbe Jacke auf, als ich da runterfiel! Da ich stark betrunken war, machte mir das nichts aus. Wir liefen einmal durchs Stadion und setzten uns auf die damals noch marode alte Sitzplatztribüne und erzählten uns beim Bier alte Fußballstorys. Zum Glück hatten wir einen Edding mit dabei und so konnte ich noch ein paar Grußbotschaften direkt im Stadion an meinen persönlichen Hassverein hinterlassen. Ein grandioser Abend! Daran muss ich immer denken, sobald es wieder durch den Riss in der Jacke zieht, sobald das ewig schlechte Wetter hier in Norddeutschland wieder losgeht.

Ich trage die Jacke natürlich nicht mehr täglich, aber noch sehr oft. Live sieht sie nicht mehr optimal für den Elternabend in der Schule aus, aber darüber hinaus halt schon. Zuletzt hatte ich sie gestern bei einem Konzert an. Und übermorgen werde ich mich wieder damit kleiden, wenn es zum nächsten Konzert geht!

DOMINIC

Meine Lederjacke habe ich irgendwann mal in einem Secondhandladen in Münster gekauft, so circa 1997–98. Ein Nietenkaiser wollte ich nie sein, deshalb habe ich keine einzige Niete auf meiner Kutte. Die Buttons und Aufnäher reichen mir. Befestigt habe ich sie mit Textilkleber, hält mindestens genauso gut wie draufgenäht und es geht viel schneller. Bei diesem Leder würde dir jede Nähnadel um die Ohren fliegen. Ich trage die Jacke heute nicht mehr täglich, aber ich verbinde mit ihr tolle Erinnerungen an beste Konzerterlebnisse oder Punkertreffen. Früher war sie immer dabei und ein guter Rückenpanzer, wenn der Pogo mal etwas wilder war. Kleider machen Leute und Jacken bestimmt auch.

WANNE

Kutte 1 beziehungsweise das Überbleibsel davon; sprich das Misfits-Rückenmotiv auf Leder.