Mozart, Komponist des Himmels - Siegfried Obermeier - E-Book
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Mozart, Komponist des Himmels E-Book

Siegfried Obermeier

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Beschreibung

Das bewegte Leben des Wunderkindes: Der historische Roman »Mozart, Komponist des Himmels« von Siegfried Obermeier jetzt als eBook bei dotbooks. Wer sich zu den höchsten Höhen aufschwingt, kann umso tiefer fallen … Für die einen ist er ein Wunderkind, das bestaunt wird wie ein exotischer Vogel, für die anderen ein Diener, der zu tun hat, was man ihm sagt. Doch nun ist Wolfgang Amadeus Mozart nicht länger bereit, sich gängeln zu lassen: In Wien befreit er sich von den Fesseln, die ihn so lange zurückgehalten haben, und schafft fortan Werke, die das Volk zum Jubeln und die Fürsten zum Staunen bringen. So beginnt für Mozart ein Leben zwischen Reichtum und Armut, Rivalität und Freundschaft, Stunden des höchstens Glücks und Tagen der tiefsten Verzweiflung – getrieben von seiner Suche nach Bewunderung, nach Liebe und einer Musik, die Jahrhunderte überdauern sollte … »Wenn die Engel für Gott spielen, so spielen sie Bach, füreinander spielen sie Mozart«: Nie zuvor ist Mozarts Leben so nahbar und spannend beschrieben worden, wie in diesem historischen Roman, der uns den Menschen hinter dem Genie nahebringt: »Ein Mozart zum Anfassen.« tz München Jetzt als eBook kaufen und genießen: Die bewegende Romanbiografie »Mozart, Komponist des Himmels« von Siegfried Obermeier über einen großen Künstler und sanften Menschen, dessen Werke wie »Die Zauberflöte«, »Die Hochzeit des Figaro« und »Don Giovanni« ihn unsterblich gemacht haben. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Wer sich zu den höchsten Höhen aufschwingt, kann umso tiefer fallen … Für die einen ist er ein Wunderkind, das bestaunt wird wie ein exotischer Vogel, für die anderen ein Diener, der zu tun hat, was man ihm sagt. Doch nun ist Wolfgang Amadeus Mozart nicht länger bereit, sich gängeln zu lassen: In Wien befreit er sich von den Fesseln, die ihn so lange zurückgehalten haben, und schafft fortan Werke, die das Volk zum Jubeln und die Fürsten zum Staunen bringen. So beginnt für Mozart ein Leben zwischen Reichtum und Armut, Rivalität und Freundschaft, Stunden des höchstens Glücks und Tagen der tiefsten Verzweiflung – getrieben von seiner Suche nach Bewunderung, nach Liebe und einer Musik, die Jahrhunderte überdauern sollte …

»Wenn die Engel für Gott spielen, so spielen sie Bach, füreinander spielen sie Mozart«: Nie zuvor ist Mozarts Leben so nahbar und spannend beschrieben worden, wie in diesem historischen Roman, der uns den Menschen hinter dem Genie nahebringt: »Ein Mozart zum Anfassen.« tz München

Über den Autor:

Siegfried Obermeier (1936–2011) war ein preisgekrönter Roman- und Sachbuchautor, der über Jahrzehnte zu den erfolgreichsten deutschen Autoren historischer Romane zählte. Seine Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.

Bei dotbooks veröffentlichte Siegfried Obermeier die historischen Romane »Der Baumeister des Pharaos«, »Die freien Söhne Roms«, »Der Botschafter des Kaisers«, »Blut und Gloria: Das spanische Jahrhundert«, »Die Kaiserin von Rom«, »Salomo und die Königin von Saba« und »Das Spiel der Kurtisanen« sowie die große Romanbiographie »Sappho, Dichterin einer neuen Zeit«. Weitere Titel sind in Vorbereitung.

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eBook-Neuausgabe Februar 2022

Dieses Buch erschien bereits 1991 unter dem Titel »Würd’ ich mein Herz der Liebe weihn’ …« bei nymphenburger.

Copyright © der Originalausgabe 1991 by nymphenburger in F. A. Herbig

Copyright © der Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Roberto Castillo und eines Gemäldes von Barbara Krafft

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (fb)

ISBN 978-3-96655-767-2

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Siegfried Obermeier

Mozart, Komponist des Himmels

Die große Romanbiografie

dotbooks.

Prolog

Sie hatte sich ins Freie gesetzt, weil sich heute die Oktobersonne noch einmal besonders anstrengte, um einen falschen Sommertag herbeizuzaubern. Die hübsch von gestutzten Büschen und Bäumen gesäumte Wiese im Kurpark war noch sommergrün, aber das Gesträuch hatte schon Herbstfarben angelegt, Gold-, Ocker- und Brauntöne, dazwischen spannten sich die Silberfäden des Altweibersommers; alles war auf Abschied gestimmt, auf Tod und Absterben, da konnte auch der falsche Sommertag nicht darüber hinwegtäuschen.

Müde war sie nach dem Mittagsmahl, müde genug zum Einschlafen, aber über die sommergrüne Wiese sahen ihre schläfrigen, schon halbgeschlossenen Augen etwas Buntes, Getupftes heranrollen, wie einen Ball auf abschüssiger Straße, größer und größer werdend, und dann war es die Fanny mit ihrem nun wirklich übertrieben kecken Kleid, wie ein Waschermadl, nein, das gehört sich nicht für die Zofe der Frau Hofcompositeur. Jetzt wurde es doch nichts mehr mit dem Schlaf, schon die laute Stimme des Mädchens zerriß die zarten Fäden wie Spinnweben. Constanze richtete sich auf.

»Was ist denn, Fanneri, mußt mich ausgerechnet jetzt stören, wo ich ein bisserl eingeduselt bin?«

Das imponierte der Fanneri gar nicht; sie hörte überhaupt nicht mehr auf Vorwürfe, die nur so hingesagt waren, weil es der gnädigen Frau langweilig war ohne den Süßmayr, der sich weiß Gott wo herumtrieb. Er war ja in Baden immer dabei – mit Wissen und auf Wunsch des gnädigen Herrn, der vor lauter Komponieren nicht ahnte, was hier manchmal vorging.

»’tschuldigung, gnä’ Frau, ich hab’ mir gedacht, Sie freuen sich über einen Brief des gnädigen Herrn – hab’ ich mir gedacht.«

Constanze seufzte. Ja, das paßte zu dieser einfältigen Person, daß sie die Gekränkte spielte, und natürlich mit Erfolg, weil sie ja einen Brief dabeihatte vom Wolferl, von ihrem Mozart, von Wolfgang Amadé, dem kaiserlich-königlichen Kammer-Compositeur am Hof zu Wien. Ihr Mannderl, ihr Wolferl. Der ihre. Das Buberl. Der getreue Gatte.

Sie zögerte ein bißchen, den Brief entgegenzunehmen. Die Fanny hielt unterdes Maulaffen feil, streckte den Brief hin, wartete. Sie zögerte, weil ihr der Wolfgang bei seinem letzten Besuch gar nicht gefallen hatte. War seine kleine Gestalt nicht noch kleiner geworden? Die großen kurzsichtigen Augen blickten trüb und verhärmt, verletzt, verstört. Was ist los, Wolfgang hatte sie ihn gefragt, hast du Sorgen? Da war die verhärmte, verstörte Miene von ihm abgefallen, wie durch einen Bühnenzauber von Schikaneder, dem Tausendsassa. Nichts ist, hatte er gesagt, was soll schon sein? Der ewige Ärger mit dem Orchester, an den ich mich einfach nicht gewöhnen kann. Nein, ich kam’s nicht. Leute wie Stadler und Zeitgeb sitzen zwar in der Hofkapelle, aber leider nicht in Schikaneders Freihaus-Theater auf der Wieden. Dort leider nicht! Da sitzen nur Hornochsen, die zwar recht gut fressen und scheißen können, aber von Musik so viel verstehen wie der Großmufti, dem schon damals das Hirn am Schreibtisch eingetrocknet ist. Sie kicherte, wie immer, wenn Wolfgang vom Großmufti sprach, vom Salzburger Fürsterzbischof, der so geizig war, daß er nur noch ganz kurze Messen, Missae breves, gestattete.

Du wirst es schon richten, hatte sie zu ihm gesagt, hast es doch immer geschafft. Du bist mit Seiner Hochfürstlichen Gnaden fertig geworden, wirst auch mit Schikaneders Musikanten fertig. Warum so verdrossen, Wolferl? Schaust auch ein bisserl blaß aus. Wirst halt nicht genug und nicht regelmäßig essen, wenn ich weg bin. Da hat er unwillig den Kopf geschüttelt. Essen, essen, da habe ich schon an Wichtigeres zu denken. Außerdem macht’s mir keinen Spaß, allein zu speisen. So einschichtig in der großen Wohnung!

Da muß bald wieder eine Ordnung her, hatte sie gesagt, und wenn ich zurück bin, holen wir den Karl und den Franzi wieder ins Haus, und dann wird alles seine Ordnung haben. Da hat er wieder den traurigen Blick bekommen, wie ein verschrecktes Hunderl. Ja, Stanzi, wenn’s nur schon soweit wäre.

Da stand sie ja immer noch mit dem Brief in der Hand, die Fanneri, mit einer Schnute, die das Gekränktsein stumm verkündete, mit ihrem bunten Waschermadl-Kleid, das sich so gar nicht schickte für die Zofe der Frau Hofcompositeur.

Constanze war zu faul, um Fanny darauf anzusprechen, zu müde, um die Hand nach dem Brief auszustrecken. Warum fliegt er mir nicht einfach in die Hand? Der Schikaneder könnt’s; dem fallen lauter solche Sachen ein.

»Wollen’s ihn jetzt nicht haben, den Brief?« fragte Fanny, und ihr pausbäckiges Gesicht war vom Gekränktsein zum einfältigen Staunen hinübergewechselt.

»Freilich will ich ihn haben, was denkst denn du? Bist ein dummes Madl, Fanny, das muß ich dir schon sagen. Du weißt genau, wie ich mich auf die Briefe vom gnädigen Herrn jedesmal freue. Ist ja schon arg genug, wenn ich hier in Baden kuren und Mann und Kinder allein lassen muß. Aber soll ich wider meinen Arzt reden, der Medizin studiert hat und wissen muß, ob ich eine Kur brauche oder nicht?«

Überhaupt hatte sie es nicht nötig, sich vor dem Rotzmadl da zu rechtfertigen. Sie streckte die Hand aus und griff nach dem Brief.

»Was stehst noch da? Tu dich ein wenig um, vielleicht triffst du den Süßmayr oder die Sophie irgendwo in der Gegend. Dann schicke sie her und sage, der gnädige Herr hat geschrieben. Oder sag’ nichts davon. Hol nur die Sophie.«

»Und wenn ich dem Herrn Süßmayr vorher begegne?«

»Dann grüßt du ihn und sagst nichts weiter. Ich möchte jetzt nur mit meiner Schwester sprechen, verstanden? Bist heute wieder schwer von Begriff, Fanneri. Also nur die Sophie – keinen sonst!«

Ist eh eine Schand, daß das Madl noch keinen Mann hat. Freilich, die Aloysia war die hübschere von uns Weber-Töchtern, aber die Sopherl ist die sanfteste, netteste, das muß ich zugeben. Sagen tu ich’s ihr nicht, sie meint sonst, sie ist was Besonderes. Ich hab’ sie sehr gern, Mozart mag sie auch, und ich kenne ein paar, die sie mit Freuden heiraten würden. Zehn könnt’ sie an jedem Finger haben – zehn! Warum ist sie nur so heikel? Mit achtundzwanzig darf eine Frau nicht mehr wählerisch sein. Aber Wolfgang hat jedesmal eine Entschuldigung für sie, wenn ich ihn darauf anspreche. Das Madl hängt an uns, sagt er dann, besonders an dir, Stanzl. Sie ist wie ein Kind, das sich nicht aus der Familie lösen will, und ihre Familie, das sind wir und die Webermutter; an der hängt sie auch und will die alte Wittib nicht allein lassen. Sie hat ein gutes Herz, Stanzl, ein besseres jedenfalls als die Josepha, das Mistvieh, und die Luise, das falsche Luder.

Constanze kannte dieses Lied, ein altes Lied, oft gesungen, aber nicht besonders ernst gemeint. Da haben wir ja Glück gehabt, die Sophie und ich, daß wir dir zur Nase stehen und daß du überhaupt eine Weberische geheiratet hast.

Constanze richtete sich auf und zwickte die Augen zusammen. Da lief sie ja schon herbei, die Sophie, recht eilig und besorgt. Wenn die uns nicht hätte … nein, Constanze verbesserte sich sogleich: wenn wir sie nicht hätten. Aber sagen tu ich’s ihr nicht, sonst meint sie gleich, es geht nicht ohne sie.

»Stanzl – was ist los? Die Fanny sagt, ich soll sofort …«

»Die Fanny, die Fanny, die richtet immer alles verkehrt aus. Nicht mit Absicht, freilich, aber aus Dummheit, denk’ ich. Ja, Sophie, schau’ her –«

Sie streckte der Schwester den Brief entgegen.

»Von Wolf gang?«

»Ja, gerade gekommen, und mir ist ein bißl bang, was drinsteht. Ich kenn’ das Gefühl sonst gar nicht, kann’s kaum erwarten, seine Briefe aufzureißen – kennst mich ja! Der letzte ist mitten entzweigegangen, weil ich so ungeduldig war, ratsch – mittendurch, aber diesmal, ich weiß nicht, diesmal hätte ich dich gerne dabei, wenn ich ihn auf mache.«

Sophie, noch atemlos, lächelte.

»Aber Stanzl, wie redest denn daher? Was soll denn sein? Steht doch seine Schrift auf dem Umschlag? Ich mein: wenn etwas wäre, dann hätte doch ein anderer … verstehst?«

»Ich bin eine dumme Gans! Weiß auch nicht, was in mich gefahren ist. Also –«

Sie zog eine Nadel aus ihrem Brusttuch und brach behutsam das kleine rote Siegel. Gemeinsam beugten sich die Schwestern über das Schreiben, und sie waren sich dabei so ähnlich, daß man sie für Zwillinge hätte halten können; Sophie war ja auch nur ein Jahr jünger als Constanze. Sie waren so recht welsche Schönheiten mit ihrem tiefbraunen kurzgelockten Haar und den großen dunklen Augen. Constanze, die schon fünf Geburten hinter sich hatte, wirkte etwas älter und reifer, aber das war nur aus nächster Nähe zu erkennen. Sie lehnte sich zurück und zog den Brief an sich.

»Nein, Sophie, zuerst lese ich ihn allein« – sie lächelte vielsagend – »wer weiß, was da alles drinsteht. Du kennst ja unseren Wolfgang und weißt, wie leicht ihm die Feder ausrutscht.«

Sophie rückte sofort ein wenig beiseite, aber sie war nicht beleidigt, nur etwas ungeduldig.

»Also spute dich, Stanzl, schau’ den Brief schnell durch, und dann liest du mir vor, was ich hören darf.«

»Tu nicht so gespreizt! Schließlich ist der Brief an mich gerichtet – merk’ dir das!«

Sophie, die ihrer Schwester nichts übelnahm, lachte leise. »Ich nehm’ ihn dir nicht weg, deinen Wolferl. Fang’ jetzt endlich zu lesen an!«

Constanze blickte Sophie kurz strafend an, wie sich das aus erzieherischen Gründen für eine ältere Schwester gehört. Ihr Gesicht entspannte sich, und, leise die Lippen bewegend, las sie den Brief aufmerksam durch.

»Also?« fragte Sophie ungeduldig.

Die aber ließ sich Zeit, wehrte eine Wespe ab, die herbstmüde um ihren Kopf taumelte, steckte umständlich die Schmucknadel in ihr Brusttuch zurück und sagte schließlich:

»Eigentlich nichts Besonders. Ich weiß gar nicht, warum ich bei diesem Brief so bang gewesen bin. Also hör’ zu:

Gestern, Donnerstag den dreizehnten, ist Hofer mit mir hinaus zum Karl –«

Sophie unterbrach sie.

»Ihr könntet den Buben endlich wieder zu euch nehmen! Eure Wohnung ist doch groß genug, daß er genügend Platz hätte. Jedesmal kommen ihm die Tränen, wenn er nach Perchtoldsdorf zurück muß. Wenn’s bei euch nicht geht, unsere Mutter tät sich freuen, wenn sie den Enkel bei sich hätte.«

»Hast ihn lange genug gehabt«, sagte Constanze unwillig und fügte giftig hinzu: »Willst jetzt hören, was der Wolf gang schreibt, oder mir eine Strafpredigt halten?«

»Bin ja schon still …«

»Also:

wir speisten draußen, dann fuhren wir heim; um sechs Uhr holte ich Salieri und die Cavalieri mit dem Wagen ab und führte sie in die Loge – dann ging ich geschwind die Mama und den Karl abzuholen …«

»Was? Der Salieri war dabei?« Sophie schnitt ein Gesicht, als hätte sie in eine Quitte gebissen.

Constanze las weiter.

Du kannst nicht glauben, wie artig beide waren – wie sehr ihnen nicht nur meine Musik, sondern das Buch und alles zusammen gefiel Sie sagten beide, eine Opera, würdig bei der größten Festivität vor dem größten Monarchen aufzuführen – und sie würden sie gewiß sehr oft sehen, denn sie haben noch kein schöneres und angenehmeres Spektakel gesehen. Er hörte und sah mit aller Aufmerksamkeit, und von der Symphonie bis zum letzten Chor, war kein Stück, welches ihm nicht ein bravo oder bello entlockte, und sie konnten fast nicht fertig werden, sich über diese Gefälligkeit bei mir zu bedanken. Sie waren …

Da hielt es Sophie nicht länger aus. »Aber das ist es ja! Und der gute Wolfgang merkt es nicht! Freilich tun sie ihm schön ins Gesicht, weil es in Wien doch ein paar honorige Leut’ gibt, die Einfluß haben und seine Musik hoch über die der anderen stellen. Da kann er leicht ›bravo‹ oder ›bello‹ sagen, weil sich das gut anhört und nichts kostet. Wie aber redet er mit den Musikern der Hofkapelle? Da wird Mozart als schwierig hingestellt, als Leuteschinder, der Unmögliches verlange und dessen Musik sowieso nicht jedermanns Gusto treffe. Alle Welt weiß, wie Kaiser Joseph Salieri geschätzt hat und wie sehr ihm ›Die Danaiden‹ gefallen haben. Ja, das ist eine Oper, soll Seine Majestät ausgerufen haben. Dieses Ansehen möchte Salieri auch unter Kaiser Leopold genießen, und das geht nur, wenn er andere schlechtmacht, vor allem den, der tausendmal besser ist, nämlich unseren Mozart.«

Constanze schaute ihre Schwester nachsichtig und liebevoll an.

»Du verteidigst ja den Wolferl wie eine Mutter ihr Kind. Aber gar so schlimm ist es wieder nicht. Der Salieri hat ihm auch viel Gutes getan; denk’ nur daran, wieviel Mozartmusik er heuer in Prag aufgeführt hat, darunter drei Messen. Er hätte ja auch was anderes vorschlagen können – nein, Sophie, ich glaub’, du siehst das zu schwarz. Salieri hat Angst um sein Brot, wie jedermann, und versucht halt auch, ein Stück von dem Kuchen zu ergattern, weil er eine Familie zu ernähren hat.«

Sophies dunkle Augen blitzten angriffslustig. »Eine Familie! Dazu gehört wohl auch die Cavalieri!?«

»Mein Gott, Sophie, Salieri ist nicht der erste Mann, der eine Geliebte unterhält. Was weiß ich schon von Mozarts gschlamperten Verhältnissen, wenn ich nicht in Wien bin? Er hat ein paar recht hübsche Schülerinnen, die den großen Maestro anhimmeln und nebenbei aufs Schlafzimmer schielen. Solange die Familie nicht drunter leidet, kümmert’s mich nicht. Wolfgang arbeitet viel, da gönn’ ich ihm auch das Vergnügen, ein bisserl zu pantscherln, wo ich eh dauernd schwanger bin. So ist das Leben halt.«

Sophie zog es vor, die schwesterlichen Lebensweisheiten unkommentiert zu lassen. Sie blinzelte in die Sonne und gähnte ganz ungeniert. »Jetzt möcht’ ich aber wissen, wie der Brief weitergeht – wenn’s für meine Ohren erlaubt ist.«

»Ich les’ dir den Brief von vorne bis hinten so vor, wie er ist. Also:

Nach dem Theater ließ ich sie nach Hause führen, und ich soupierte mit Karl bei Hofer. Dann fuhr ich mit ihm nach Hause, wo wir beide herrlich schliefen. Dem Karl habe ich keine geringe Freude gemacht, daß ich ihn in die Oper abgeholt habe. Ersieht herrlich aus – für die Gesundheit könnte es kein besseren Ort haben, aber das übrige ist leider elend! – einen guten Bauern mögen sie wohl der Welt erziehen! – aber genug, ich habe, weil Montag erst die großen Studien beginnen – daß Gott erbarm! –, den Karl bis Sonntag nach Tisch ausgebeten. Ich habe gesagt, daß du ihn gerne sehen möchtest – morgen, Sonntag, komme ich mit ihm hinaus zu dir – dann kannst du ihn behalten, oder ich führe ihn Sonntag nach Tisch wieder zu Hecker …«

»Da gibt’s wohl nichts zu überlegen!« platzte Sophie dazwischen. »Du wirst doch den Buben nach ein paar Stunden nicht wieder davonjagen? Hast ja gehört, wie Wolfgang schon meint, daß sie da draußen einen Bauern aus ihm machen. Also mir wäre das nicht recht.«

»Der Wolfgang übertreibt. Künstler übertreiben gern, das weiß jeder. Es ist ihr Beruf zu übertreiben, das kannst du in jeder Opera sehen.«

Schweigend las sie weiter, lächelte, kicherte, ließ den Brief sinken. »Da regt er sich auf, daß die Kinder in Perchtoldsdorf draußen nichts anderes tun als essen, trinken, schlafen und Spazierengehen, und dann – das mußt du hören, wie er über die Hofers herzieht, weil er einmal gezwungen war, bei ihnen zu übernachten. Hier:

… welches mich sehr seckierte, weil sie mir zu lange schlafen. Ich bin am liebsten zu Hause, weil ich meine Ordnung schon gewöhnt bin …

Was sagst du dazu?«

»Daß die Josepha faul und gschlampert ist, hat Wolfgang schon gemerkt, als sie noch bei uns daheim war. Er mag sie nicht, wenn er auch in unserer Gegenwart nicht darüber redet, aber ich merk’s ihm doch an.«

»Ja, da kannst du schon recht haben. Unter uns: ein faules Luder ist sie ja schon. Erinnerst du dich, wie sie sich immer gedrückt hat, wenn sie der Mama zur Hand hätte gehen sollen? Da mußte dann unbedingt eine Stickerei zu Ende geführt werden, oder sie war akkurat um diese Zeit bei einer Freundin angesagt. Aber als Sängerin schätzt er sie schon, glaube ich.«

»Das hält er auseinander. Ihre ›Königin der Nacht‹ hat er ausdrücklich gelobt, erinnerst du dich?«

Constanze nickte zerstreut, denn sie beschäftigte sich schon wieder mit dem Brief. »Steht nichts Wichtiges mehr drin, außer: ›die Sophie küsse ich tausendmal!›«

»Wenn er’s nur täte«, sagte Sophie mit einem falschen Augenaufschlag und seufzte vernehmlich.

»Ich habe nichts dagegen, wenn Wolf gang seine Schwägerin küßt; das ist unter Verwandten durchaus üblich. Mich freut dieser Brief, obwohl nichts Besonders drinsteht. So gesund und hoffnungsfroh sehe ich ihn gern, meinen Mozart. Jetzt geht’s aber auch wirklich aufwärts. Wenn die ›Zauberflöte‹ weiterhin so gut läuft, dann kommen andere Aufträge ganz von selber, und vielleicht merkt dann auch der Hof, was Wien an ihm hat. Du, Sopherl, ich freu’ mich richtig, wenn ich dran denk’, daß sein Vater achtundsechzig Jahre geworden ist. Da hat der Wolf gang gerade die Hälfte hinter sich gebracht, und das Altwerden, sagen die Doctores, hängt nicht nur von der Gesundheit ab, das kann man auch von den Eltern erben. Hofkapellmeister muß er werden, Sophie, und wenn ich den Kaiser auf Knien drum bitte.«

»Und ich Stift’ der Muttergottes eine sechspfündige Kerze. Ich freu’ mich schon auf morgen.«

Constanze las schweigend den Brief noch einmal. Dann schauten beide Schwestern lächelnd der Fanny zu, die mit einem kläffenden Spitz auf der Wiese herumtollte. Constanze schloß die Augen. Es wird alles ins Lot kommen, dachte sie schläfrig, an Mozart können die nicht vorbei. Ich bin froh, daß ich ihn geheiratet hab’ – richtig froh. Er ist ein lieber Mann, kennt nur seine Arbeit und seine Familie. Wenn ich da an den Da Ponte denk’, den Hallodri, den vermaledeiten. Ein geweihter Priester, der überall herumhurt; kein Wunder, daß gerade er den Text zum ›Don Giovanni‹ geschrieben hat. Da weiß ich, was ich hab, und wir können in Frieden alt werden – in Frieden alt …

Sie nickte ein, und Sophie zog ihr sachte den Brief aus der Hand. Aha, dachte sie, das hat sie mir nicht vorgelesen: Aber daß du mir zwei Tage nicht geschrieben hast, ist unverzeihlich. Und da mag sie die Josepha ein faules Luder nennen.

Sie blickte die schlafende Constanze zärtlich an und sagte leise: »Bist selber ein faules Luder, Schwesterherz.«

Buch 1

Menuetto e allegro

Kapitel 1

Klapp-klapp-klapp, ting-ting-ting-ting, wie gut er diese Geräusche kannte. Sie hatten seine Kindheit begleitet auf den endlosen Reisen mit der Postkutsche, hatten den Takt geschlagen zu der Musik, die ihm durch den Kopf schwirrte, seit er denken konnte. Klapp-kapp-klapp skandierten die Hufe der Rösser, ting-ting-ting klirrte das Zaumzeug, und das waren die Regelgeräusche, in die sich viel Unregelmäßiges mischte, wie das Ächzen des hochaufgetürmten Gepäcks, das Knarren der Wagenfedern, die Flüche des Kutschers, das Geschwätz der Reisenden.

Ihm war so bang ums Herz, denn er kam aus der freien Luft Münchens, wo man seinen »Idomeneo« im Hoftheater aufgeführt hatte, mitten im Carneval eine Opera seria, und alle waren davon angetan gewesen, hatten ihn gefeiert und hochleben lassen. Frei wie ein Falke hatte er sich gefühlt und dabei fast vergessen … Nein, das stimmte nicht! Er vergaß es nie und nimmer, daß er eine unsichtbare Kette um seinen Hals trug, und daran war ein fester Strick gebunden, und dieser Strick reichte bis Salzburg und endete in den Händen Seiner Hochfürstlichen Gnaden, des Fürsterzbischofs Hieronymus Graf Colloredo. Wenn Mozart an diesen Namen dachte, dann war es, als schütte man ihm kochendes Wasser über den Kopf.

Ich werde zum Kaiser gehen! Er muß mir eine Audienz gewähren, ich werde sagen, Majestät, die freie Luft Ihrer herrlichen Residenzstadt hat es mir angetan, ich bitte untertänigst um ein Amt – irgendeines –, damit ich hierbleiben kann. Seine Hochfürstliche Gnaden, der Fürsterzbischof wird Ihnen bestätigen können … – nichts wird er tun! Schlechtmachen wird er mich! Vielleicht anders herum?

Eure gottselige Mutter, Ihre Majestät, die Kaiserin Maria Theresia hat mich als Sechsjährigen auf Allerhöchstderoeigenem Schoß gehalten – dem ja auch Ihr entsprungen seid, Majestät und ich habe ihr das Gesicht abgeleckt, abgeküßt, abgebusselt und bin dabei auch an Höchstderoselbst Doppelkinn geraten, das damals schon ein dreifaches war, glaube ich. Ist das keine Referenz, Majestät? Die Nannerl war auch dabei, und zur Belohnung für unser schönes Klavierspiel erhielten wir feine Galakleider. Es ist überhaupt so, Majestät, daß die Fürsten wenig vom baren Gelde halten – ja, sie verachten es sogar, weil es unfein ist, sich damit die Hände zu beflecken. Und so ist es halt eine besondere Auszeichnung, wenn der Künstler nicht mit Geld entlohnt wird, sondern mit Uhren, Dosen, Ketten, Medaillen, Kleidung – oder einem Titel, weil der gar nichts kostet. Nun, für einen Titel waren wir noch zu jung, und darum erhielt ich von Ihrer Kaiserlichen Majestät – Eurer Majestät gottselige Mutter – einen lilafarbenen Frack mit goldenen Borten. Als Ihre Majestät dann von Christoph Wagenseil, Ihrem geschätzten Musiklehrer, einen diskreten Wink erhielten, daß man von einem Frack nicht herunterbeißen kann wie von einem Stück Brot, Musiker aber dennoch etwas zum Essen brauchen, ließ die Majestät meinem Vater hundert Dukaten überreichen. Da staunen Eure Majestät? Sie kümmerten sich damals um solche Bagatellen nicht, hatten Pflichten als Kronprinz und künftiger Mitregent, aber dero höchsteigene Schwester Marie Antoinette waren zugegen und ich habe ihr einen Heiratsantrag gemacht. Selige Kindheit, Majestät, wo man noch glaubt, alle Menschen seien gleich, bis sich dem staunenden Heranwachsenden so nach und nach die Wahrheit enthüllt. Sind das jetzt keine Referenzen, Majestät? Habe auf dem Schoß Ihrer Mutter gethront und um die Hand des Schwesterchens gebeten. Da gehört man doch schon fast zur Familie, nicht wahr? Eure Majestät runzeln die Stirn? Das sind Kindereien? Gewiß, Majestät, aber das ganze Leben ist eine Kinderei. Die meisten fahren in die Grube, noch ehe sie das durchschaut haben. Eure hochselige Mutter waren übrigens so gnädig, uns ein zweites Mal zu empfangen, fünf Tage später in jenem glückseligen Oktober. – Aber dann – nun bitte ich Eure Majestät, wegzuhören – schlug das Schicksal zu, weil es wohl glaubte, zuviel des Guten könne die Mozarts übermütig werden lassen. Kaum hatte mir die Nannerl aus dem lilafarbenen Frack geholfen, überfiel mich ein Schüttelfrost, und dann kamen die Hitzen, die mich ausglühten von innen heraus, und auf meinem Körper erschienen talergroße Flecken, die weh taten, als hätte ich mich gestoßen. Der Papa war sehr besorgt und untersuchte meinen kleinen Körper gründlich. Die roten Flecken blühten auf wie Christrosen und bedeckten schließlich Beine, Arme und den Hintern. Jawohl, Majestät, auch den Hintern, der bekanntlich drei Funktionen hat. Darf ich aus Allerderohöchsten Antlitz eine Frage lesen? Nun, so erlaube ich mir, meine Bemerkung weiter auszuführen, wie das Thema einer Symphonie – aber molto breve. Also, einmal ist der Hintern zum Sitzen da, dann zum Scheißen, und zum dritten befassen sich gelegentlich die Eltern oder der gestrenge Herr Lehrer damit. Also, mein Vater war sehr besorgt und verabreichte mir Markgrafenpulver, doch die Flecken wurden größer, und das Fieber brannte in meinen Adern wie ein Höllenfeuer. Ich phantasierte, Majestät, aber nicht so, wie ich hätte sollen, nämlich auf dem Klavier vor Allerhöchsten Herrschaften, die mich – angeregt durch das erhabene Vorbild Eurer Majestät Mutter – in ihre Salons luden. Der arme Papa mußte Tag für Tag neue Absagen erteilen, und es fiel ihm doch immer so schwer, den höchsten Herrschaften etwas zu verweigern. Man bedauerte uns und schickte den Doktor Bernhard ins Haus, der dem Fieber mit einem kleinen Aderlaß zu Leibe rückte und eine Scharlacherkrankung konstatierte. Doch mein Rachen war kaum entzündet, die Krankheit verlief sehr gnädig, und mein Vater ließ drei Messen lesen. Da werden Eure Majestät insgeheim etwas zum Lächeln haben, denn es ist ja Ihr Bestreben, aus dem katholischen Flitterstaat – so beliebten Majestät sich kürzlich auszudrücken – ein aufgeklärtes und fortschrittliches Staatswesen zu machen. Mir soll’s recht sein, Majestät, ich komponiere Symphonien, Konzerte, Serenaden und auch Opern genausogern wie Messen. Bin jederzeit gerne zu Diensten, Majestät.

Die Postkutsche nahm den Weg über Purkersdorf, Hadersdorf und Mariabrunn und hielt nahe der Hofburg. Der Hintern und das Kreuz taten ihm so weh, daß er aus dem Wagen stolperte wie ein Gelähmter. Und nun mußte er sich nach einem Gepäckträger umschauen, denn der fürsterzbischöfliche Troß war im Haus des Deutschritterordens in der Singerstraße untergebracht, und dahin war der Konzertmeister und Hoforganist Wolfgang Amadé Mozart befohlen. Der unsichtbare Strick zerrte ihn weiter, hinter dem Karren her, auf dem seine Utensilien lagen, ein Henkerskarren, der ächzend und polternd über das Pflaster rumpelte und er hinterher, untertänig und brav. Es ging über die Brünnerstraße zum Graben, dann in die Singerstraße, und über allem ragte der himmelhohe Turm des Steffl, ein drohender Finger, als wollte er sagen: Er ist ungehorsam gewesen, Mozart, wir haben lange auf Ihn gewartet – zu lange.

Man wies ihm ein Zimmer zu, eine Kammer, nicht allzu groß, aber er durfte sie allein bewohnen – immerhin.

»Sie sollen sich gleich beim Grafen Arco melden«, richtete der Diener aus, und ein freches Grinsen lag auf dem breiten bäurischen Gesicht.

»Grins’ nicht wie ein Tölpel!« sagte Mozart und warf ihm ein Fünfkreuzerstück hin. Der Bursche fing es auf.

»Untertänigsten Dank, Herr Konzertmeister!«

Mozart setzte sich aufs Bett. Der Arco soll ruhig warten, ich bin kein Sklave, der aufs Wort folgt. Er war von der langen Fahrt müde und zerschlagen und wollte ein Stündchen ruhen. Er riß die Perücke herunter, daß der Puder aufwölkte, und ließ sich aufs Bett fallen. Musik tönte in seinem Kopf, bedrängte ihn, doch er zwang sich wegzuhören, mußte es um so öfter tun, je älter er wurde.

Ich sollte Graf Arco aufsuchen, dachte Mozart, aber ich liege hier und denke an Bach, an Johann Christian, der mir als Achtjährigem in London über so manches die Augen öffnete.

London! Ein sanfter Sprühregen fiel auf die Stadt mit den vielen Kaminen, in den feuchten Straßen stand gelblich-grau der von den tiefhängenden Wolken niedergedrückte Rauch, und wo immer sich Wolfgang mit seiner Familie in London aufhielt, hatte er den Brandgeruch in der Nase. London gefiel ihm nicht, die Menschen gefielen ihm nicht. War es wirklich so? Oder war es, weil der Herr Vater sagte, er fühle sich hier unbehaglich und könne den Eindruck nicht feswerden, er verkehre mit Marionetten. Für Leopold Mozart war London tatsächlich ein Schock. Sie kamen aus dem geistsprühenden Paris, wo niemand seine Meinung und seine Stimmung unterdrückte, wo gestritten und gelacht, geweint und gejubelt wurde – alles aus vollem Herzen und mit ganzer Seele, während hier die Menschen in steifen Kleidern mit steinernen Gesichtern herumliefen und wo ein müdes Lächeln schon als ungehöriger Ausbruch eines zügellosen Temperaments galt.

Die Familie Mozart wohnte im Cecil Court, und die fromme Frau Mama meinte glücklich, es sei ein gutes Zeichen, wenn Musiker sich in der Obhut der heiligen Cäcilie befänden. Und wie schnell sie recht bekam, die Frau Mama! Schon drei Tage nach ihrer Ankunft lud man sie zu Hofe, und Wolfgang durfte sich allein und zusammen mit der Nannerl auf dem Klavier produzieren.

Georg III., der junge König, saß etwas verkrampft in seinem Sessel, während Königin Sophie Charlotte die Wunderkinder anlächelte und mit ihnen einige freundliche Worte wechselte. Als geborene Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz sprach sie deutsch, wie übrigens auch der König, doch er mußte englisch reden, weil das Parlament darauf bestand. Er sagte nur »wonderful, wonderful« und blickte geistesabwesend zur Decke. Es war bekannt, daß der junge König die Musik von Händel allem anderen vorzog. Er war noch ein Kind, da hatte sich der gewaltige faßdicke Händel nach einem Konzert zu dem kleinen Thronfolger hinabgebeugt und in seinem sächsisch gefärbten Deutsch gesagt: »Du wirst meine Musik beschützen, wenn ich tot bin, kleiner Prinz.« Und das hat Georg niemals vergessen, auch nicht, als er König geworden war.

Ansonsten verlief alles nach dem vom Herrn Vater eingeübten Zeremoniell, einer Art Dressurakt, bei dem, wie er wußte, nichts schiefging. Er war kein strenger Dompteur, der Herr Vater, aber die Kinder machten es ihm leicht, und kaum jemals gab es einen Grund zur Ermahnung.

»Gnädige Majestäten«, sagte Leopold Mozart, »mein Sohn Wolfgang ist imstande, nach jeder Art von Noten fehlerfrei zu spielen, und so bitte ich untertänigst, ihm solche nach Eurem gnädigen Belieben vorzulegen.«

Der König gab einen Wink, und Wolfgang spielte sicher und virtuos – ja, man hatte den Eindruck, er streife das Notenblatt nur mit einem flüchtigen Blick.

So wie Wolfgang von frühester Kindheit an die Musik zugeflogen war, so eignete er sich jetzt die englische Sprache an. Die Nannerl tat sich da etwas schwerer, weil ihr die freche Unbefangenheit fehlte. Und wie er die Leute herumkommandierte! Doch Wolf gang tat es auf so liebenswürdige Art, daß ihm niemand böse war.

Dann der Besuch bei Johann Christian Bach. Die Mozarts kannten seinen Namen, und er wußte, wer Wolfgang Amadé war. Leopold verstand sich mit ihm sofort. Der jüngste Sohn des großen Bach hatte das volle Gesicht seines Vaters geerbt, wirkte aber mit seinen schmalen ausdrucksvollen Augen und dem feinen sensiblen Mund, der so häufig lächelte, weniger derb, sah eher aus wie ein schöngeistiger Poet. Kaum zwei Jahre in London, war er zum Konzertmeister der Königin ernannt worden und wirkte als Opernkomponist für das King’s Theatre. Die Londoner mochten ihn, und er galt insgeheim als Nachfolger des vergötterten, vor fünf Jahren verstorbenen Händel.

Seine klugen Augen blickten auf den kleinen Wolfgang hinab, er schwieg lange, lächelte und sagte: »Wolfgang Amadé – schon dein Name klingt wie Musik.«

Er wandte sich an den Herrn Vater: »Signore Mozart, wie gefällt es Ihnen hier? Die Londoner können recht spendabel sein, nicht wahr?«

»Wir können nicht klagen; auch Sie, Herr Bach, scheinen hier Ihr Glück gemacht zu haben.«

»Zumindest bin ich dabei. Die Engländer haben vor allem einen Vorzug: Sie nehmen den Menschen, wie er ist, und bei einem Künstler kümmert sie weder Aussehen noch Herkunft, noch Religion. Um Organist am Mailänder Dom zu werden, mußte ich meine Konfession wechseln, aber hier schert sich niemand darum, ob der Bach protestantisch oder katholisch ist – hier zählt das, was man kann.«

Wolf gang hatte mit leuchtenden Augen zugehört. »Spielen Sie etwas, Meister Bach …«

»Aber Wolf gang!« tönte der Vater.

»Lassen Sie nur …«

Bach setzte sich ans Klavier und spielte eine seiner betörenden Sonaten. Wolfgang hörte zu, und Bach sah, wie die Musik in den Buben eindrang, ihn ausfüllte, ihn zum Schwingen brachte, wie ein sensibles Instrument.

»Warum stocken Sie manchmal bei den Achtelpausen, Herr Bach?«

Der Herr Vater wurde zornig. »Wie kannst du so etwas sagen? Ich habe davon nichts bemerkt.«

Bach stand auf und hob beide Hände. »Der Junge hat recht. Ich habe eine leichte Fingerlähmung und muß gelegentlich für einen Augenblick rasten. Außer dir, Wolfgang, hat das bis jetzt niemand herausgehört – ich beglückwünsche dich.«

Nun war auch Leopold besänftigt, und seine etwas traurigen, redlichen Augen blickten stolz auf den Sohn. »Er hat das absolute Gehör, da kann ihm keiner das Wasser reichen.«

»Sie haben eine zweite Audienz bei den Majestäten?«

»Ja, wir spielen am 19. Mai ein weiteres Mal am königlichen Hof.«

»Darf ich dir dazu einen guten Rat geben, Wolfgang?«

»Ich bitte darum, Herr Bach.«

»Spiele etwas von Händel! Verlange nach einer Orgel, und lege dich ins Zeug! Seine Majestät wird dann sofort aufblühen, glaube mir.«

London war nicht nur eine musikalische, musikbegeisterte Stadt, sondern hier blühten auch die Wissenschaften, hier wurde geforscht, experimentiert und in Frage gestellt.

Anfang Juni wurde im Cecil Court ein Besucher für die Mozarts gemeldet, es war der Gelehrte Daines Barrington von der Royal Society. Verbindlich, wie es Leopold Mozarts Art war, führte er den Gast in den Salon und bot ihm Platz an.

Der Gelehrte stellte sich vor und sagte: »Herr Mozart, ich bin beauftragt, Ihren Sohn als Musikphänomen zu untersuchen, falls Sie es gestatten.«

»Wie soll das vor sich gehen, mein Herr?« fragte Leopold mißtrauisch.

Barrington lächelte. »Vielleicht habe ich mich falsch ausgedrückt. Ich werde nicht Hand an ihn legen, wie ein Arzt – nein, es wird eine Art künstlerische Unterhaltung werden, mit dem Klavier, einigen Noten …«

Leopolds strenges Gesicht entspannte sich. »Wenn es weiter nichts ist …«

Barrington hob die Hände. »Es ist weiter nichts …«

Wolfgang wurde geholt, er tänzelte herein wie ein übermütiges Kind, zog eine Schnur hinter sich her und lockte damit seine Katze. Sobald sie die Schnur mit ihren Pfoten greifen wollte, zog der Bub sie mit einem schnellen Ruck weg, ließ sie in die Luft schnellen und lachte herzlich, wenn die Katze hinterhersprang.

»Du kannst nachher weiterspielen«, sagte der Herr Vater geduldig, »aber jetzt sollst du diesem Herrn einige Fragen beantworten. Mr. Barrington kommt von der Royal Society und wird dich auf Herz und Nieren prüfen.«

Wolfgang mußte sich das Lachen verbeißen. Das soll eine Prüfung sein? Das sind Spielereien, hochgelehrter Mister Barrington, aber wenn Sie Ihren Spaß daran haben …

Auf Wunsch des Gelehrten sang Wolfgang nach Noten, mit freier Klavierbegleitung, komponierte etwas über das Wort Affetto und gleich darauf einen Zorngesang über das Wort Perfido. Was immer Barrington verlangte, Wolfgang führte es perfekt und so professionell aus, als sei er in seinem Metier alt geworden.

Nach einer guten Stunde war die Prüfung zu Ende, und der Herr Vater sagte: »Jetzt kannst wieder spielen«, worauf Wolfgang einen Stock ergriff und, auf ihm laut »hü!« und »hott!« schreiend, im Zimmer herumritt.

»Benimm’ dich, Wolfgang!«

Der lachte spitzbübisch, sagte spöttisch: »Zu Befehl, Herr Vater«, und ritt mit Hü- und Hott-Geschrei hinaus.

Mr. Barrington verabschiedete sich schnell.

Dann wurde der Vater krank, und der Arzt schüttelte den Kopf, als er eine schwere Rachenentzündung diagnostizierte.

»Unser Londoner Klima hat seine Tücken, Herr Mozart. Sie sollten eine Weile draußen vor der Stadt leben, wo die Luft frischer ist. Das wird Ihre Genesung beschleunigen.«

»Jetzt, wo wir im besten Erfolg sind und das Geld uns nachläuft …«, krächzte der Kranke, zog die Decke über seinen Kopf und drehte sich zur Wand.

Aber es half nichts, sie mußten nach Chelsea hinaus, das zwischen Kensington und Westminster lag. Sie nahmen eine Wohnung am Themseufer, wo der Herr Vater freier atmen konnte, wo untertags die Möwen kreischten und sich kopfüber ins Wasser stürzten auf der Suche nach Beute. Wolfgang nützte diese Ruhepause zum Komponieren und schrieb – ganz ohne Mithilfe des Vaters! – seine ersten beiden Symphonien.

Ein herrlicher Sommer war das, trotz der Krankheit des Vaters, ein Sommer ohne Pflichten, ein Familiensommer, da er endlich Zeit hatte, die beiden Frauenzimmer ein wenig zu necken: die würdevolle Frau Mama und die Nannerl, die mit ihren dreizehn Jahren – wenn sie gerade einen Gusto darauf hatte – die Erwachsene spielte und den kleinen Bruder als Kind behandelte, was ihn aber eher amüsierte als ärgerte. Ja, ja, der Nannerl wuchsen jetzt schon zwei kleine Brüstchen, und die streckte sie extra vor, damit jeder sehen konnte, daß sie schon eine Frau war. Sie konnte dann recht patzig sein und wehrte sich auf ihre Art gegen den von der Mutter verhätschelten Bruder.

»Eine Opera will er komponieren, der kleine Dreckspatz, als sei das nichts anderes als mit der Katze spielen. Da täte ich schon noch ein bisserl warten, Brüderchen, bis du das Zeug dazu hast.«

Wolfgang stampfte mit dem Fuß auf. »Dumme Gans! Vorgestern habe ich meine Es-Dur-Symphonie fertig geschrieben, da wird es auch zu einer Opera reichen!«

»Hört auf zu streiten – ich kann das nicht hören!« gebot der Herr Vater, der mit einem dicken Schal um den Hals am Fenster saß.

Anfang Oktober war Leopold Mozart wieder gesund, aber die über dreimonatige Abwesenheit der Familie Mozart hatte genügt, sie bei den Londonern in Vergessenheit geraten zu lassen. Der Papa versuchte noch so allerlei, ließ die Kinder gegen Eintrittsgelder spielen, doch der Erfolg war spärlich. Die Preise wurden mehrmals herabgesetzt, zuletzt war es nur noch verdeckte Bettelei.

Kapitel 2

»Armer Papa …«, flüsterte Mozart, gähnte und streckte die Arme. Ob ich jetzt zum Grafen Arco gehe? So billig wie damals werde ich mich niemals mehr verkaufen, lieber verhungere ich, ja, lieber verhungere ich!

Er blickte sich um. Das Zimmer war im Grunde recht schäbig – klein und schäbig. Der Stuhl vor dem Waschtisch wackelte, der neben dem Bett hatte verschlissene Polster. Da haben sich schon viele Arsche daran gewetzt, dachte Mozart, und ich verspüre keine Lust, mit dem meinen weiterzuwetzen. Eine Melodie zog durch seinen Kopf, lenkte ihn ab. Etwas wie ein Menuetto, leicht und beschwingt. Mozart schielte nach dem Notenpapier, das aber noch in seinem Gepäck versteckt war. Die Melodie entwickelte sich, er pfiff sie vor sich hin. Hatte es nicht an der Tür geklopft? Der zweite Satz konnte sich zu einem Allegro entwickeln – wieder klopfte es.

»Herein! Ach, Herr von Kleinmayr – was verschafft mir die Ehre?«

Kleinmayr – Keinmayr – Schweinmayr – Saumayr blitzte es ihm durch den Kopf. Schicken sie mir jetzt schon die Juristen an den Hals? Saumayr – Schlaumayr – Haumayr – Blaumayr … Der Hofjurist des Großmufti. Kein Schlaumayr, kein Schweinmayr, eher ein Keinmayr …

»Entschuldigen Sie, Herr von Mozart …«

»Lassen Sie das ›von‹ lieber weg – Sie wissen ja, was ich vom Adel halte.«

Der kleine dürre Mann lächelte säuerlich. »Ich bin zufällig Ihr Nachbar, Herr von – Herr Mozart, und da wollte ich Sie schnell einmal begrüßen. Es freut mich, daß Sie hier sind, das bringt Farbe in den grauen Alltag.«

Das war nett und freundlich hingesagt und gewiß auch ehrlich gemeint, denn der Herr von Kleinmayr war eine gute Haut und versuchte immer ausgleichend zu wirken.

»Sehr charmant von Ihnen, aber Sie werden ja wissen, daß ich bei Seiner Hochfürstlichen Gnaden im Augenblick Persona non grata bin.«

»Habe davon gehört, doch das wird sich einrenken.«

Mozart lächelte spöttisch. »Hoffentlich! Übrigens sagt man, wenn’s in Wien regnet, spannt der Erzbischof in Salzburg den Schirm auf.«

Kleinmayr schaute unbehaglich drein. »Sie drücken immer alles so drastisch aus, Herr Mozart. Graf Colloredo ist ein aufgeklärter, fortschrittlicher Fürst, das müßte Ihren Vorstellungen doch entgegenkommen.«

»Was hab’ ich davon? Bringt es einen Kreuzer mehr in meine Tasche? Aufgeklärt, fortschrittlich – das mag schon sein, aber wir unten spüren davon nichts. Wenn ich die Möglichkeit habe, durch Aufträge fremder Herren etwas dazuzuverdienen, dann mißgönnt er es mir schon und rechnet mir wie ein Kleinkrämer den überzogenen Urlaub vor. Gäbe er mir ein höheres Salär, müßte ich kein Zubrot verdienen!«

Kleinmayr wandte sich zum Gehen. »Ich merke schon, Sie sind heute nicht in der besten Laune – wir sehen uns dann morgen bei der Mittagstafel.«

»Und wo essen wir zu abend?«

»Seine Gnaden überläßt uns das nach eigenem Belieben, jeder bekommt drei Dukaten und kann sich dann selber verpflegen.«

»Drei Dukaten? Das reicht ja in Wien gerade für fünf oder sechs Mahlzeiten, und so wie es aussieht, werden wir monatelang hier sein.«

»Ihre Vorwürfe müssen Sie woanders anbringen, mein Lieber.«

Mozart lächelte ihn an, doch seine großen kurzsichtigen Augen blieben ernst. »Nichts für ungut, Herr von Kleinmayr – und adieu!«

Er ließ sich bei Graf Arco melden, der als Kämmerer, Kriegsrat und Oberster Küchenmeister des Fürsterzbischofs amtierte. Arco, der ihm sonst eher freundlich gesonnen und bemüht war, einen Ausgleich zu suchen, ließ ihn höllisch lange antichambrieren, hatte aber offenbar einen Besucher gehabt, der nun den Raum verließ.

Arco lächelte ihm freundlich entgegen. »Wieder im Land, Herr Mozart? Habe vom Erfolg Ihres ›Idomeneo‹ gehört und möchte – was mich betrifft – gratulieren. Was aber unseren gnädigen Herrn an geht, so bin ich beauftragt, Ihnen seinen Unwillen zu übermitteln. Mozart nimmt sich zu viel heraus, ich werde das nicht weiter dulden, haben Seine Gnaden geäußert und waren dabei sehr exaltiert.«

»Ich werde damit leben müssen, Graf Arco.«

»Eine Entschuldigung wäre vielleicht angebracht.«

»Entschuldigung? Wofür?«

»Für die eigenmächtige Verlängerung des Urlaubs.«

»Aber Herr Graf, Sie wissen doch so gut wie ich, daß mir der Erzbischof Urlaub gewährt hat, wenn eine Opera meine Anwesenheit erfordert. Hätte ich dem Kurfürsten von Bayern sagen sollen: Tut mir leid, Durchlaucht, aber mein Herr ruft mich zurück, schaut nur, wie Ihr mit meiner Opera zurechtkommt.«

»Nein, Mozart, das nicht, aber Sie hätten dem Kurfürsten die Situation erklären und beim Erzbischof um Verlängerung des Urlaubs eingeben müssen.«

»Submissest und in aller Demut …«

Arco zuckte die Schultern. »Wie Sie das auffassen, ist Ihre Sache.«

Er dachte an Frankreich und wie sie ihn dort behandelt hatten. Versailles war ein Märchenschloß, in dem sich prachtvoll gekleidete Puppen bewegten, vervielfacht durch zahllose Spiegel, die den Goldglanz der Möbel, das Licht der schweren Kandelaber, den Wirbel von Brokat und Seide unendliche Male wiederholten. Dann trat der König auf, und es war, wie wenn im Theater der Hauptdarsteller die Bühne betritt. Wolfgang sah nur den Glanz, nicht die Schminke, die das ehemals schöne, jetzt von Lastern verwüstete Gesicht des Vierundfünfzigjährigen maskierte. Die Wunderkinder spielten, und als der König halblaut rief: »Un miracle!«, raunte es durch die in bunte Seide und goldglänzenden Brokat gekleidete Puppenschar wie ein Echo: Un miracle – un miracle – miracle – acle … Und dann entschwanden die Wunderkinder ins feuchte, steife London, und als er fünfzehn Jahre später mit der Frau Mama wiederkam, war das Wunder zerronnen. Der Vielgeliebte war tot, die Pompadour war tot, die unglückliche Königin war tot. Alle tot. Nur Baron Grimm lebte noch, ihr damaliger Protege. Doch der konnte nicht viel tun, sein Einfluß war mit den Toten dahingegangen. Immerhin verschaffte er ihm eine Audienz bei der Herzogin von Chabot. Wolfgang konnte inzwischen genügend Französisch, um eine Unterhaltung zu führen.

Ein eisiger Aprilwind fegte durch Paris, und er war froh, endlich unter ein Dach zu kommen, freute sich auf ein warmes Kaminfeuer, auf lächelnde Gesichter, ein Glas Wein, einen Imbiß.

Nun war er im Haus, und der Diener sagte: »Warten Sie hier, Monsieur, ich gebe Madame la Duchesse augenblicklich Bescheid.«

Der Raum war kalt, Mozart steckte seine Hände in die Hosentaschen, fühlte ihre Kälte schaudernd an den Schenkeln, zog sie wieder heraus und blies darauf. Er mußte an die Frau Mama denken, die in einem armseligen Quartier nichts anderes tat, als auf ihn zu warten, sich nie beklagte, aber er sah es ihr an, wie sie die Stunde der Abreise herbeisehnte. Und er mußte hier antichambrieren wie ein Stoffhändler, und alles kostete Geld, viel Geld, aber es war nichts zu verdienen, er gab nur Geld aus, nahm keines ein.

Nun erschien die Duchesse in der Pracht eines zartrosa Hauskleides, lächelte strahlend, wobei eine Zahnlücke sichtbar wurde, und sagte emphatisch: »Maître Mosaar – n’est pas?«

Mit ihr waren einige Herren gekommen, die sie ihm nicht vorstellte.

»Kommen Sie, Maître, kommen Sie, da drüben steht ein Klavier. Sie werden bessere Instrumente gewöhnt sein, aber die zwei anderen sind verstimmt. Also nehmen Sie damit vorlieb, eher Maître, n’est pas?«

Mozart streckte seine violett angelaufenen Hände vor. »Tut mir leid, Madame la Duchesse, aber bei dieser Kälte kann ich nicht spielen.« Hörte sie überhaupt, was er sagte? »Haben Sie kein geheiztes Zimmer?« setzte er noch schüchtern hinzu.

Sie hörte es offenbar nicht, lachte nur perlend, zeigte die Zahnlücke, sagte mit hoher pathetischer Stimme: »O oui, Monsieur, vous avez raison.«

Sie gab ihm recht, Mozart war erleichtert, lächelte, nickte, doch nichts geschah. Die Herzogin setzte sich an einen Tisch und begann in aller Ruhe zu zeichnen, während die Herren um sie herum Platz nahmen und zuschauten. Sollte er ihr Zurufen: Madame, vor fünfzehn Jahren haben mir die Töchter des Königs die Hände geküßt! Und der König hat mir die Wangen gestreichelt und gesagt: un miracle! Und die Pompadour hat mir zum Geburtstag Kleider, Geld und einen Kuchen geschenkt, der fast bis zur Decke reichte.

Schäbige Behandlung erweckte in Mozart Trotz. Er ging nicht zum Klavier, rührte sich nicht vom Fleck. Die Fenster standen offen, die Türen auch, der Zugwind fauchte um seine kleine Gestalt, als wolle er ihn wieder hinauswehen auf die Straße, wo seinesgleichen hingehörten. Aber nein, die Duchesse war höflich gewesen und hatte ihm mit strahlendem Lächeln recht gegeben. Jetzt wurden auch seine Füße kalt, und sein schmaler Körper begann zu frösteln. Den Mantel hatte ihm der Diener abgenommen, sollte er ihn wieder holen?

Die Herzogin zeichnete, die Herren schauten zu, und alle taten, als sei er nicht vorhanden. Nun kam der Ärger und mit dem Ärger sein nervöses Kopfweh. Hätte nicht Baron Grimm den Besuch – wohlmeinend – vermittelt, Mozart wäre längst zur Türe hinausgegangen, aber mit dem Grimm durfte er es sich nicht verderben. Wenn hier überhaupt etwas zustande kam, dann nur durch Grimm.

Grimm – schlimm – nimm – sim-sala-bim, begann er flüsternd zu reimen, um sich abzulenken. Sim-sala-bim – schlimm – nimm – Grimm. Dann zog ihm ein kleines Menuett durch den Kopf, angeregt von einem Lied, das er kürzlich von einem Straßensänger gehört hatte. Ohne lange zu überlegen, ging er zu dem Pianoforte und spielte das Menuett, führte es weiter aus, phantasierte, um dann nach einer Weile festzustellen, daß niemand auf sein Spiel achtete. Die Duchesse zeichnete ungerührt weiter, die Herren unterhielten sich, einer lachte ganz laut. Vielleicht wollten die Leute etwas Ernsthaftes hören, etwas Virtuoses. Er spielte mit furiosem Anschlag die Fischer-Variationen, blickte zum Tisch hinüber – keine Reaktion! Da brach er die Musik ab und knallte den Deckel des Pianoforte zu. Peng! Aha, jetzt reagierten die Herrschaften. Die Duchesse hörte zu zeichnen auf, die Herren zu reden.

»Bravo, Maître, bravo!« Die Duchesse klatschte, einer der Herren sagte etwas Schmeichelhaftes. Mozart war verblüfft, wurde unsicher. Er entschuldigte sich für den Abbruch, das Klavier sei zu schlecht und er würde gerne wiederkommen, wenn ein anderes vorbereitet sei.

»Aber nein, Maître, Sie dürfen jetzt keinesfalls gehen! Mein Gemahl, der Herzog, würde es mir niemals verzeihen, wenn ich Sie gehen ließe, ohne daß er Ihr Spiel gehört hat.«

Von neuem mußte er warten, die warm gewordenen Finger wurden wieder kalt. Der Herzog erschien, die Liebenswürdigkeit in Person, gab Mozart die Hand und sagte:

»Kümmern wir uns nicht um die anderen; Sie spielen jetzt nur für mich, eher Maître, nur für mich.«

Mozart freute sich: endlich ein Kenner, ein Liebhaber unter lauter Ignoranten. Und er brachte das elende Pianoforte zum Klingen, als sei es das beste Instrument von Paris. Der Duc de Chabot äußerte seinen Beifall und seine tiefe Zufriedenheit. Dann: »Adieu, eher Maître« und nichts sonst.

Um zu sparen, ging Mozart den weiten Weg zu Fuß nach Hause, durch die vom Aprilregen aufgeweichten, manchmal knöcheltief verschlammten Straßen. Er klagte der Mama sein Leid.

»Es wird schon werden – mit Gottes Hilfe«, sagte sie geduldig.

Fast sah es so aus, als am 15. Juni seine Pariser Symphonie aufgeführt wurde. Sie war ein lebhaft beklatschter Erfolg und wurde am 15. August wiederholt, doch da war sie schon das Requiem zum Tod der Anna Maria Walburga Mozart, die am 3. Juli verstorben war an – ja, was führte zum Tod der lieben und geduldigen Gattin und Mutter einer musikbesessenen Familie? Hatte sie doch die winterlichen Nöte mit allerlei Weh im Kopf und im Kreuz gut überstanden und im Frühjahr recht muntere Briefe nach Salzburg geschrieben, so daß Leopold Mozart beruhigt sein konnte. Und dann kam die warme Zeit, und Paris begann zu stinken. Alle Städte stanken im Sommer, Salzburg auch, aber in Paris war es besonders schlimm. Nicht, daß die Frau Mama sich beklagte – o nein! sie schrieb sogar nach Hause: Es ist mir sehr leid, von diesem Haus wegzugehen, es sind brave Leute, mit denen ich deutsch reden kann.

Ja, das war ihr schon wichtig, denn ein kleiner Tratsch verkürzte die Tage – Tage, die sehr lang wurden, weil Wolfgang von früh bis spät unterwegs war. Noch am 12.Juni schrieb sie nach Salzburg:

Hier haben wir den schönsten Sommer, recht angenehm, Gott sei Dank, noch kein Gewitter gehabt.

Ein paar Tage später kam das Gewitter doch, und als es vorbei war, stand der Schlamm knöcheltief in der Gasse vor dem Haus, und fette Ratten zerrten an den halbverwesten Kadavern von Katzen und Hunden. Was half da schon das Ausräuchern mit Spezereien bei geschlossenen Fenstern? Manchmal mußte man sie doch öffnen, um nicht zu ersticken, und dann kamen in Schwärmen die metallisch schillernden Aasfliegen, die eben noch ihre Eier in faulendes Fleisch gelegt hatten. Und die setzten sich aufs Brot, auf den Käse, fielen in den Wein und ins Trinkwasser. Plötzlich kam das Fieber, und es wurde so hoch, daß Wolfgang den Priester holte. Die Frau Mutter beichtete, nahm den Leib des Herrn, und wenig später schwanden ihr die Sinne. Sie phantasierte, wälzte sich wie eine Rasende im Bett und war nicht mehr ansprechbar. Wolfgang nahm ihre Hand, die so schmal geworden war und ausgeglüht vom Fieber, und dann wurde die Hand kalt, und die Seele der Frau Mutter hatte sich vom Körper gelöst, war über die stinkenden Gassen zum Himmel geflogen, wo es keine Mühsal mehr gab, keine schlammigen Straßen, keine Ratten, keine Schmeißfliegen, kein Bangen um Wolfgang, der in Paris vergeblich hinter dem Erfolg herjagte.

Es war Gottes Wille, sagte sich Wolf gang, und ein guter Christ muß sich dreinfügen. Er tat es, wagte aber nicht, die traurige Botschaft nach Salzburg zu berichten. Ihm war, als hätte er die Mutter getötet, weil er ihr kein besseres Quartier bieten konnte, weil sie in einer stinkenden Gasse wohnten, anstatt in einem der schönen Adelshäuser mit den großen gepflegten Gärten. Er traute sich einfach nicht. Während die Seelnonnen sich um den Leib der Mutter bemühten, schrieb Wolfgang an den Abbe Bullinger, mit der Bitte, er möge seinem Freund Leopold Mozart die traurige Nachricht beibringen.

Schon während er diesen Brief schrieb, begann es in seinem Kopf zu tönen, tragische Molltöne klangen auf, bildeten Tonfolgen, formten sich zu Sätzen. Was in seinen Briefen so gefaßt, so gottergeben klang, war Selbstbetrug, war Konvention. Mozart begehrte auf, er konnte diesen schweren Schlag nicht einfach hinnehmen, und so schrie er seine Klage, seinen Protest in der ihm gemäßen Sprache heraus – einer Sprache, in der keine Konvention galt, die keine Verstellung verlangte, die jeden Selbstbetrug ausschloß. So entstand die a-Moll-Sonate mit dem dunkel klagenden Ton der Oktavbässe, und damit drückte Wolfgang aus, was er wirklich empfand.

Sein banges Gefühl, sein Widerwille gegen diese zweite Parisreise hatte sich nun in schroffe Abneigung verwandelt. Er wollte, er mußte weg von hier, und er teilte dem Baron Grimm seine Gefühle unverstellt mit. Der elegante und feinsinnige Chevalier – aus Grimm war längst ein Franzose geworden – blickte Mozart spöttisch an.

»Monsieur Mozart, Sie packen es hier falsch an. Sie sind zu wenig aktiv, zu gutgläubig, leicht zu täuschen, obwohl Sie andererseits sehr danach streben, anerkannt zu werden, erfolgreich zu sein. Um sich in Paris durchzusetzen, muß man listig-zurückhaltend und tollkühn zugleich sein. Dann würde schon die Hälfte Ihres Talents hinreichen, um hier zu reüssieren.«

Mozart wollte heftig erwidern, doch er schluckte es hinunter. Was weiß denn dieser alte Esel schon? Der kann mich auch nur noch an Louis-Quinze-Leichen weiterempfehlen, wie an die Duchesse de Chabot. Sie sind passe, Herr Grimm – und das ist schlimm!

»Sie mögen freilich recht haben, Chevalier Grimm, aber ganz so einfach ist es doch nicht.«

»Nichts ist einfach im Leben, mon eher, aber wir dürfen es uns auch nicht allzu schwermachen.«

Rede nur zu, rede nur – adieu Paris, adieu Baron Grimm!

Kapitel 3

Und dann der Herr Vater! Der hatte seine geliebte Frau verloren und mußte nun beim Großmufti auch noch zu Kreuze kriechen. Das Ergebnis seines Canossaganges erfuhr Wolfgang noch in Paris: Ich verzweifelte fast durchzudringen, weil nach dem Schritt, den wir getan, von dem Hochmut des Fürsten wenig zu hoffen und ihm Dein schnelles Abschiedsgesuch zu sehr aufs Herz gefallen war Da hatte Wolfgang den Brief zu Boden geworfen und war aufgesprungen. In Anwesenheit der Frau Mama hätte er sich eine solche Geste – ein väterlicher Brief war etwas Heiliges! – nicht erlaubt, aber jetzt, da sie schon fast acht Wochen auf dem Friedhof von St. Eustache lag, ließ er seinen Gefühlen freien Lauf. Aufs Herz gefallen! Nun, das mochte dem Herrn Papa so in die Feder gerutscht sein, aber das richtige Wort stand ja im selben Satz. Es war gekränkter Hochmut des eitlen und adelsstolzen Pedanten. Wie konnte dieses Nichts von Mozart, diese zwar ganz passable Musik absondernde Handvoll Dreck es wagen, zuerst um seine Entlassung zu bitten, um sich dann, als man ihm in Paris nicht gleich zu Füßen lag, unter die Salzburger Fittiche zu flüchten!

Nun, Herr Großmufti, ich wäre lieber verhungert, als zu Euch zurückzukehren, aber der Herr Papa hat Seiner vermaledeiten Gnaden geschmeichelt und – ja, was eigentlich? Mozart hob den Brief auf und hielt ihn ganz nahe an seine Augen, die immer schlechter wurden.

Allein durch mein tapferes Aushalten bin ich nicht nur durch gedrungen; der Erzbischof hat nicht nur alles akkordiert, für mich und für Dich – Du hast 500 Gulden – sondern hat sich noch entschuldigt, daß er Dich jetzt unmöglich zum Kapellmeister machen könne.

Na, na, werter Herr Papa, da haben Sie aber übertrieben. Der Großmufti und sich entschuldigen? Aber was stand da noch? Mozart las es zweimal, dreimal, ein viertes Mal, weil er es nicht glauben konnte.

Der Erzbischof hat sich bereit erklärt, daß er, wenn Du eine Opera schreiben willst, Dich, wo immer es ist, hinreisen lasse …

Da hat der Großmufti sich just selber überwunden! Falls er hält, was er da versprochen hat, denn es kann ja nur eine hochfürstliche Laune gewesen sein.

Doch Mozart war erleichtert, und langsam füllte sich sein Herz mit Freude, und je länger er daran dachte, desto größer wurde sie. Eine Opera schreiben! Frei sein! Was sollte er jetzt noch in Paris, das wie ein aufgeplatzter Kadaver unter der Sonne lag und derart vor sich hin stank, daß die Menschen mit parfumgetränkten Tüchern vor der Nase durch die Straßen liefen. Nach diesem Brief empfand Mozart den Gestank doppelt so arg. Er drängte die unentwegt durch seinen Kopf tönende Musik beiseite und entwarf in Gedanken einen Brief. Dabei kamen ihm allerlei Zweifel und Bedenken und ehe er sie alle vergaß, wollte er sie niederschreiben.

Mon très eher Pere!

Mozart hielt inne, betrachtete den zerfransten Federkiel und warf ihn zu Boden. Er schnitt sich sorgsam einen neuen zurecht. Er tauchte seine Hände in den Wasserkrug, doch das Wasser war lauwarm und roch schon seltsam; außerdem schwammen da vier tote Fliegen und eine halbtote Wespe. Er hob den alten Federkiel vom Boden auf, fischte die Wespe heraus und warf sie aus dem Fenster. Die Hitze machte einen ganz konfus, dabei war es schon Anfang September. Aber es mußte gesagt sein, und er wird es sagen! Nicht, daß es dann im Salzburg heißt: Ja, wenn ich das gewußt hätte.

Er setzte sich wieder hin, trocknete die Hände an seiner Hose ab und schrieb:

Nur eines bitte ich mir zu Salzburg aus, und das ist: daß ich nicht bei der Violine bin, wie ich sonst war – ich gebe keinen Geiger mehr ab –, beim Klavier will ich dirigieren, die Arien accompagnieren; es wäre halt doch gut gewesen, wenn ich hätte können eine schriftliche Versicherung bekommen auf die Kapellmeisterstelle, sonst habe ich etwa die Ehre, doppelte Dienste zu verrichten – nur für einen bezahlt zu sein – und auf die Letzt setzt er mir wieder einen Fremden vor.

Allerliebster Vater! Ich muß es Ihnen bekennen, wenn es nicht wäre, um das Vergnügen zu haben, Euch beide wiederzusehen, so könnte ich mich wahrhaftig nicht dazu entschließen …

Nein, das stimmte nicht! Es war eine Lüge, aber er ließ sie stehen. Nichts band ihn an diese Stadt, und er war längst entschlossen, Paris in den nächsten Tagen zu verlassen, nicht nur weil es stank und weil er hier kein Brot fand, auch nicht allein des Briefes wegen, der ihn nach Salzburg rief – nein, da gab es noch einen Grund, doch den behielt er für sich. Er wollte Luise in Mannheim Wiedersehen, hatte immer an sie gedacht – seine Luise, die sich als Sängerin Aloysia Weber nannte und die schon als Sechzehnjährige im kurpfälzischen Hoftheater auf den Brettern stand.

Mozart war noch der kleine Wolfgang, als er vor dem Kurfürsten im Schwetzinger Schloß spielte, und hatte den damals Vierzigjährigen als schönen stattlichen Mann in Erinnerung, der sich sehr leutselig, aber auch sehr hochfürstlich gab. Und jetzt? Das Doppelkinn quoll in zwei satten Wogen über den engen Kragen, und was seine Hochfürstliche Durchlaucht vor sich hertrug, war auf gut deutsch gesagt eine gewaltige Wampe. Und flugs sang er im Kopf eine Arie:

»Ach wärst du nicht so fett

Dann fänd’ ich dich ganz nett

Mußt halt immer tüchtig scheißen

Dann könnte ich dich besser preisen …«

Da hörte er die sonore Stimme des hohen Herrn. »Jetzt ist es fünfzehn Jahre, daß Er nicht hier gewesen ist.«

»Es wäre mein größter Wunsch, eine Opera für Mannheim zu komponieren.«

»Das könnte leicht geschehen.«

»Verbindlichsten Dank, Euer Durchlaucht.«

»Wenn Er Lust hat, kann Er unterdessen die Kinder der Gräfin Heydeck am Piano unterrichten.«

»Das wäre mir eine hohe Ehre, Euer Durchlaucht«, stammelte Mozart und versuchte sich zu erinnern, was an der Gräfin Heydeck Besonderes sei. Es fiel ihm aber nicht ein, und er wurde gnädig verabschiedet.

Als er Cannabich von der Audienz erzählte, schlug der sich an den Kopf. »Aber Mozart, ich hab’s Ihnen doch ein paarmal gesagt! Sollte die Gräfin auftauchen, dann tun Sie so, als begrüßten Sie die Landesmutter. Das ist die frühere Schauspielerin Seyffert, er hat sie zur Gräfin erhoben, und sie hat ihm dafür eine Schar Kinder geboren. An denen hängt er um so mehr, als die Kurfürstin bis jetzt unfruchtbar geblieben ist.«

»Dann soll ich den Bälgern also Unterricht geben?«

»Besser wäre es schon.«

»Lieber unterrichte ich Ihre Tochter, Herr Cannabich.«

Der drohte mit dem Finger. »Aber nur am Klavier! Lassen Sie meine Rosina zufrieden, sie ist schließlich gerade vierzehn geworden.«