Mozart konnte nicht helfen - Gudrun Leyendecker - E-Book

Mozart konnte nicht helfen E-Book

Gudrun Leyendecker

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Beschreibung

Von einer Ausflugsfahrt des Tanzschiffes verspricht sich das Mozartorchester SERENADE eine vergnügliche Unterhaltung. Doch in der Nähe des Loreley Felsens, dort wo einst viele Schiffe kenterten, fällt der Trompeter Patrick beim Tanzen tot um. Kurze Zeit später stellt die Polizei fest, dass der Lehrer vergiftet wurde. Die Ermittlerin Janina hat Mühe, unter den vielen Mordmotiven die heiße Spur zu finden.

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Seitenzahl: 160

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Gudrun Leyendecker ist seit 1995 Buchautorin. Sie wurde 1948 in Bonn geboren.

Siehe Wikipedia.

Sie veröffentlichte bisher über 110 Bücher, unter anderem Sachbücher, Kriminalromane, Liebesromane, und Satire. Leyendecker schreibt auch als Ghostwriterin für namhafte Regisseure. Sie ist Mitglied in schriftstellerischen Verbänden und in einem italienischen Kulturverein. Erfahrungen für ihre Tätigkeit sammelte sie auch in ihrer Jahrzehntelangen Tätigkeit als Lebensberaterin.

Inhaltsangabe:

Bonn 1997. Von einer Ausflugsfahrt des Tanzschiffes verspricht sich das Mozartorchester SERENADE eine vergnügliche Unterhaltung. Doch in der Nähe des Loreley Felsens, dort wo einst viele Schiffe kenterten, fällt der Trompeter Patrick beim Tanzen tot um. Kurze Zeit später stellt die Polizei fest, dass der Lehrer vergiftet wurde. Die Ermittlerin Janina hat Mühe, unter den vielen Mordmotiven die heiße Spur zu finden.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 18

Kapitel 1

„Fährst du gern mit dem Schiff?“ erkundigt sich mein Chef, und ich ahne schon, dass er sich mit dieser Frage nicht wirklich für meine Wünsche und Vorlieben interessiert.

„Das kommt darauf an“, antworte ich deswegen genauso wenig präzise.

Kommissar Mauser hebt die Augenbrauen. „Ich stelle mir so eine Fahrt auf einem Tanzschiff recht gesellig vor. Mir hätte so etwas bestimmt Spaß gemacht. Früher“, fügt er schnell hinzu.

„Da kommt es nicht nur auf die Musik und die Tanzkapelle, sondern auch auf die mitreisenden Gäste an“, finde ich. „Mit meinen Freunden und einer vernünftigen Band könnte ich mir das schon vorstellen. Auf dem Rhein vielleicht?“

„Natürlich, wo sonst? Unser gutes altes Bonn hat schon vor zweitausend Jahren von seiner Lage am Rhein profitiert. Und wenn der breite Strom gerade mal kein Hochwasser hat und seine Ufer nicht so staubtrocken sind, dass man zu Fuß bis zu seinen Inseln gelangt, dann lädt er geradewegs zu solchen Flussfahrten ein.“

Ich räuspere mich. „Hast du Freikarten?“

Mauser runzelt die Stirn. „Ich habe Arbeit für dich, und sie wird dich in die Gesellschaft von Musikern bringen.“

Ich hebe kurz die Schultern. „Dagegen habe ich nichts.“

„Einer von ihnen lebt jetzt nicht mehr“, teilt er mir bedeutungsvoll mit.

Ich atme tief. „Du brauchst mich also für einen Mordfall. Und was ist jetzt mit dem Schiff?“ frage ich ungeduldig.

„Das werde ich dir sofort erklären. In Bonn gibt es das bekannte Mozartorchester mit dem Namen „Serenade“. Unter den Mitgliedern gibt es Berufs-Musiker und begabte musikalische Menschen, deren Hobby es ist, einem Instrument Töne zu entlocken. So auch in dem bekannten Ensemble Serenade. Wegen eines Jubiläums hatte der Dirigent das Tanzschiff gebucht und für die Mitglieder des Orchesters eine Fahrt bis zum Loreley Felsen organisiert.“

„Das war doch eine gute Idee“, finde ich und warte auf die Pointe.

Ungerührt fährt er fort. „Tatsächlich schaffte es die gutgelaunte Ausflugsgesellschaft bis hinter den berühmten Felsen, von dem aus die verführerische Loreley schon vor vielen Jahren Schiffer in den Tod lockte. Und genau an diesem Ort fiel der Lehrer Patrick Ferdinand Braubein während eines Tanzes tot um.“

Ich sehe Mauser erwartungsvoll an. „Er hatte ein schwaches Herz und zu viel getanzt?“

Sein missbilligender Blick soll mich sicher zurechtweisen, aber seine langatmigen Erklärungen reizen mich dazu, ihn zu provozieren. Und was ist meine Arbeit?“

„Davon bekommst du noch genug“, antwortet er spöttisch. „Nein, er war vorher völlig gesund und ist gerade vor zwei Tagen erst zweiundvierzig Jahre alt geworden. Ein tödliches Gift hat ihm das Leben genommen. Um mit seinen Kollegen und deren Familien seinen eigenen Festtag ebenfalls zu würdigen, hatte er einen riesigen Karton Pralinen mit an Bord gebracht. Sie standen auf dem großen Buffet, und jeder durfte sich bedienen.“

„Er hat sich mit seinen eigenen Pralinen vergiftet?“ frage ich ungläubig.

„Natürlich nicht. Das Konfekt ist bereits untersucht worden. Es ist völlig giftfrei und absolut essbar. Aber er hat diese Spezialität geliebt, und deswegen hat jemand diesen Umstand genutzt, und ihm unbemerkt eine ähnliche Praline angeboten. Die allerdings war dann vergiftet.“

Langsam verstehe ich. „Die Mitreisenden wussten also, dass er diesem Lieblingskonfekt nicht widerstehen kann, und sein Mörder hat angenommen, dass er von diesen besonderen Pralinen dauernd nascht.“

„So wird es gewesen sein“, vermutet auch Mauser.

„Waren es Weinbrandbohnen oder Weinbrandkirschen?“ erkundige ich mich und stelle mir gerade vor, wie man die Pralinen mit einer Spritze präpariert hat.

Sein Blick verdunkelt sich. „Nein, der Mörder hatte wohl Sinn für schwarzen Humor. Das waren Mozartkugeln. Und verschone mich bitte mit dem makabren Witz, den dein Kollege eben bereits gebracht hat!“

Mein unschuldiger Blick trifft auf seinen bohrenden. „Mir fällt dazu gar kein Witz ein“, behaupte ich. „Was hat Markus denn von sich gegeben?“

„Er meinte, jetzt müssen wir nur noch herausfinden, wer ihm die Kugel gegeben hat.“

Ich sehe ihn ernst an. „Faktisch hat er ja recht. Aber seine Ausdrucksweise klingt wenig pietätvoll. Ich glaube, Markus sieht heimlich die ganzen alten Western im Fernsehen. Vermutlich hat er da einige Sprüche aufgegabelt. Trotzdem bin ich der Meinung, dass wir in diesem Fall ein bisschen zu viel Mozart haben.“

Mauser sieht mich verständnislos an „Wie meinst du das?“

„Das Mozart-Ensemble, die Mozartkugeln…, vermutlich haben sie auf dem Schiff auch noch Musik aus den Werken des berühmten Komponisten als Unterhaltungsmusik geboten.“

Er atmet tief. „Es war noch schlimmer. Am Anfang des schrecklichen Ereignisses haben alle an noch eine Bewusstlosigkeit des Opfers geglaubt, und seine Frau Natalie, die wusste, wie sehr er diesen Musiker verehrte, bat die Kapelle, eine bestimmte Melodie dieses berühmten Musikers zu spielen. Sie glaubte das könne ihrem Mann helfen, und solche Töne seiner Lieblingsmusik könnten ihn wieder ins Bewusstsein befördern.“

„Aber bei Gift kann auch kein Mozart helfen“, stelle ich bedauernd fest.

*

Kapitel 2

Weil Patricks Ehefrau Natalie und seine beiden Kinder Sophie und Felix noch nicht vernehmungsfähig sind, suche ich den Flötisten Stefan auf, der seinen musikalischen Kollegen etwas näher gekannt haben soll.

Der etwas füllige Herr, mittleren Alters, ist gerade damit beschäftigt, im Garten seine Rosen zu beschneiden und wirkt sehr beschäftigt. Doch als ich ihm verrate, wer ich bin, legt er sein Werkzeug eilig beiseite und stellt sich für meine Fragen zur Verfügung.

„Wir sind alle sehr erschüttert“, teilt er mir mit. „Patrick ist ein durch und durch korrekter Mann, immer freundlich und zuvorkommend gewesen.“

Da ich vermute, dass er fortfahren wird, dem Verstorbenen gute Eigenschaften nachzusagen, gehe ich aufs Ganze. „Gab es jemanden im Orchester, dem diese Tugenden auf die Nerven gingen?“

Stefan schüttelt den Kopf. „Nein, so einer war er nicht. Auch wenn er von Beruf Lehrer war, benahm er sich weder überheblich noch belehrend. Dazu war er hilfsbereit und tat sehr viel für unser Orchester. Wenn man ihn brauchte, war er da, und man konnte immer auf ihn zählen. Von Anfang an war er ein Gewinn für unsere Truppe. Und damit meine ich nicht nur die Mozartkugeln, die er zu allen Festlichkeiten spendierte.“

„Gut, dass Sie die jetzt ansprechen“, lobe ich ihn. „Wer wusste von seiner Vorliebe für diese Pralinen?“

„Alle Mitglieder unseres Orchesters, und sicherlich auch alle Freunde und Familienmitglieder. Im Allgemeinen war er ein sehr bescheidener Mensch, aber diesem Konfekt konnte er nicht widerstehen.“

„Hatte das einen besonderen Grund?“

Stefan nickt. „Ich weiß nicht, ob es stimmt, aber darüber erzählt man sich eine alte Geschichte im Kollegenkreis. Seine Großmutter, die er sehr liebte, hat ihn damit belohnt, wenn er etwas Besonderes geleistet hat. Solche Kleinigkeiten erinnern einen oft an große Gefühle.“

Wieder greife ich seine Worte auf. „Viele Künstler sind sehr sensibel. War er auch solch ein Gefühlsmensch?“

Er nickt eifrig. „Unbedingt! Ja, wir alle hier haben ihn bewundert, wenn er seine Trompete in die Hände nahm und ihr solche gefühlvollen Töne entlockte.“

„Dann ist er ein Profimusiker gewesen?“ frage ich nach, um Stefans Einschätzung zu erfahren.

„Er war so gut wie die Berufsmusiker in unserem Ensemble. Wenn er seine Stelle als Lehrer aufgegeben hätte, dann hätten ihm sicherlich alle Türen für eine musikalische Karriere offen gestanden“, sagt Stefan mit Überzeugung.

„Warum ist er Lehrer geblieben?“

„Dafür gab es wohl mehrere Gründe“, vermutet der freundliche Herr. „Damit war er Beamter, und das gibt vielen Menschen ein ganzes Stück Sicherheit. Außerdem war er gern Lehrer und freute sich, dankbare Schüler zu haben.“

„Das hört sich im ersten Moment gut an“, finde ich. „Natürlich muss ich auch noch die Schüler selbst befragen, um festzustellen, ob sie das genauso sehen.“

Er nickt. „Man muss alles immer von beiden Seiten sehen. Das kann ich gut verstehen. Ich habe Patrick offenbar von seiner Sonnenseite kennengelernt. Aber das muss nichts zu bedeuten haben. Haben Sie denn schon einen Verdacht?“

Ich seufze. „Das wollte ich Sie gerade fragen. Wem könnte er im Wege gewesen sein?“

Stefan überlegt. „Hier in unserem Orchester gab es keine Hierarchie. Wir haben uns alle kollegial benommen. Jeder hatte seinen Posten, jeder spielte sein Instrument, und da gab es auch keine Neider.“

„Er hat sich also nicht hervortun wollen?“ frage ich noch einmal nach.

Stefan schmunzelt. „Das hatte er nicht nötig, sein Instrument war ja laut genug. Wenn Sie mich fragen, dann denke ich, es war ein Versehen, dass es Patrick getroffen hat.“

Ich staune. „Wie kommen Sie darauf?“

„Entweder gibt es einen Sadisten, der sich unter unsere Gesellschaft ins Boot gemischt hat. Irgendjemanden, vielleicht vom Schiffspersonal, der so eine Art Russisch Roulette spielen wollte und eine vergiftete Kugel zwischen den anderen versteckt hat, oder diese Mozartkugel war ganz einfach für einen anderen bestimmt.“

Nachdenklich sehe ich den Flötisten an. „Einen solchen Sadisten kann ich nicht ausschließen, aber es wäre schwer, ihn zu finden. Doch wenn die Kugel für einen anderen bestimmt gewesen wäre, hätte der Täter sicher genau darauf geachtet, dass sie an die richtige Adresse gekommen wäre. Immerhin waren die anderen Kugeln völlig giftfrei. Sie sind alle ausnahmslos untersucht worden.“

Stefan überlegt. „Es waren eine ganze Menge Familienmitglieder mit an Bord, möglicherweise hat sich da irgendein Fremder eingeschmuggelt, der gar nicht in unseren Kreis gehörte.“

Ich nicke leicht. „Ja, das überprüfen wir gerade. Wir haben bereits von allen Fotos gesammelt und zeigen sie allen Beteiligten.“

„Da haben Sie noch eine ganze Menge Arbeit vor“, glaubt er. „Das Schiffspersonal muss sicherlich auch unter die Lupe genommen werden. Auch wenn die meisten Taten Beziehungstaten sind.“

„Das Schiffspersonal stelle ich erst mal hintendran“, verrate ich ihm. „Es sei denn, es kannte ihn jemand aus der Mannschaft persönlich. Denn immerhin wusste der Täter, dass Patrick die Mozartkugeln mitbringt und sie selbst leidenschaftlich gern isst.“

„Das stimmt. Sehen Sie, daran hätte ich jetzt nicht gedacht. Ich habe gleich gewusst, dass ich Ihnen nicht weiterhelfen kann.“

„Jede Aussage hilft mir“, teile ich ihm mit. „Oft ist es eine Detailarbeit, in der die kleinsten Teilchen zusammengesetzt werden müssen, und da gibt es keine Aussage, die unwichtig ist. Doch ich vermute, dass Sie mir mitteilen wollen, dass Sie weder einen Verdacht haben noch Ihnen irgendetwas Verdächtiges während der Fahrt aufgefallen ist. Habe ich recht?“

Stefan sieht mich bedauernd an. „Das liegt aber auch daran, dass wir musikalischen Kollegen außerhalb unserer Proben nur selten zusammen sind. In der Regel gibt es bei uns keine privaten Zusammentreffen. Daher wissen wir auch nicht viel voneinander. Dieses Jubiläum sollte uns eigentlich näher zusammenführen, denn unser Chef glaubte, dass wir danach noch besser spielen würden.“

Ich horche auf. „Er war also nicht ganz zufrieden?“

„Heribert ist ein Perfektionist. Er wollte immer das Optimale aus uns herausholen. Und er nahm sich jeden einzelnen vor und gab ihm spezielle Ratschläge. Da ging er uns alle so der Reihe nach durch und redete mit uns in den Pausen. Ich glaube nicht, dass sich die beiden privat kannten, denn er hat bei Patrick keine Ausnahme gemacht.“

„Hatten Sie Freunde oder Verwandte, die mit auf dem Schiff waren?“

Er schüttelt den Kopf. „Ich bin geschieden und habe eine Bekannte, mit der ich an den Wochenenden ab und zu mal etwas unternehme. Sie hatte aber an diesem Tag keine Zeit, und so habe ich allein an der Tour teilgenommen. Müssen Sie jetzt tatsächlich noch alle Personen befragen, die auf dem Schiff waren?“

„Das macht die Polizei. Ich suche mir zunächst einmal ein paar Personen heraus, von denen ich glaube, dass sie mir weiterhelfen können. Wenn sich irgendein Verdacht erhärtet, sehe ich mich genauer um. Im Moment tappe ich noch völlig im Dunkeln. Aber ich hoffe, dass mir seine Verwandten, sobald sie vernehmungsfähig sind, etwas mehr sagen können.“

Langsam nimmt er die Schere wieder in die Hand. „An der ganzen Sache muss irgendein Haken sein. Ich denke, er hat ein Doppelleben geführt.“

*

Kapitel 3

Katharina kennt man als Freundin der Witwe, und sie ist sofort bereit, mir ein paar Auskünfte zu geben.

In ihrem hellen Wohnzimmer entdecke ich eine besonders freundliche Atmosphäre, die durch etliche Blumen-Arrangements farbig unterstützt wird.

Während sie in ihrer Cappuccino-Tasse herumrührt, betrachte ich sie genau. Ich schätze die schlanke, gepflegt aussehende Frau auf etwa Mitte dreißig.

„Hat Patrick Feinde gehabt?“ frage ich geradeheraus.

„Jeder Mensch hat Feinde“, behauptet sie prompt, und ich sehe sie erstaunt an.

„Wie kommen Sie darauf? Es gibt doch sehr friedliche und liebenswerte Menschen, die niemandem etwas zuleide tun. Wen sollten die stören?“

Katharina schmunzelt. „Die braven Engel werden von denen gehasst, denen sie im Weg sind. Und das sind oft Menschentypen, die ganz und gar keine Engel sind.“

„Wem könnte Patrick im Weg gewesen sein“, hake ich nach. „Hatte Natalie vielleicht einen Freund?“

„Als berufstätige Hausfrau mit zwei Kleinkindern hat man gar keine Zeit dazu“, behauptet sie „aber ich bin sicher, dass dieser allwissende Lehrer unter seinen Schüler einige Feinde hat.“

Überrascht sehe ich sie an. „Ist das nur eine Vermutung, oder wissen Sie etwas darüber?“

„Da gab es mal so eine alte Geschichte, ich glaube es ist jetzt schon zwei oder drei Jahre hier. Da hat ihm jemand eine rote Flüssigkeit über das Auto gekippt. Sie sah aus wie Blut, war aber doch Farbe. Und zu diesem Zeitpunkt stand sein Wagen auf dem Schulparkplatz.“

Ich staune. „Das hat mir bis jetzt noch niemand erzählt. Natürlich kann dort jeder gewesen sein, aber es ist naheliegend, dass diese Tat von einem Schüler oder einem Kollegen ausgeführt wurde. Ich werde mich auf jeden Fall darum kümmern. Wissen Sie mehr darüber?“

„Nein, ich glaube, Patrick hat eine Anzeige gegen Unbekannt eingeleitet, aber, soviel ich weiß, hat es nichts gebracht.“

„Es könnte eine Spur sein“, überlege ich. „Aber trotzdem möchte ich doch noch etwas über die Ehe Ihrer Freunde wissen. Wie waren sie so als Paar? Haben sie sich gut verstanden?“

Katharina hebt die Augenbrauen. „Sie stellen aber Fragen! Sie sind bestimmt nicht verheiratet. Haben Sie einen Partner?“

„Im Moment bin ich solo“, verrate ich ihr, „und verheiratet war ich auch noch nicht. Vermutlich warte ich auf den Traumpartner.“

Sie grinst und sieht mich mitleidig an. „Den findet man nur in Romanen. Wissen Sie denn nicht, dass Männer und Frauen gar nicht zusammenpassen?“

Ich seufze. „Es gibt einige Lektüre, in denen ich ähnliche Hinweise fand. Sie sollen sehr verschieden sein, die männlichen und die weiblichen Exemplare der Spezies Mensch. Aber das hat doch nichts zu bedeuten, dann ist die Anziehung eben viel größer.“

„Wenn Sie das wirklich glauben, haben Sie noch keine lange Beziehung hinter sich gebracht. Die Frauen bemühen sich zwar um eine Emanzipation, aber die Männer können damit gar nicht umgehen.“

„Wie meinen Sie das?“ erkundige ich mich neugierig.

„Die Frauen verlangen in der neuen Zeit mehr von sich, aber die Männer auch von ihren Frauen. Früher hatten die Frauen den Haushalt und die Kinder zu versorgen, und nebenbei mussten sie den Ehemann noch etwas verwöhnen. Aber in der heutigen Zeit sind Frauen berufstätig und müssen sich um alles andere noch nebenbei kümmern. Jetzt sind sie doppelt beschäftigt, und die meisten Männer tun sich schwer mit ihren zugedachten Aufgaben im Haushalt und in der Familie. Die wenigen rühmlichen Ausnahmen verdienen einen Orden.“

„Und wie war das bei Patrick?“

„Er hat sich zu Hause auch kein Bein ausgerissen“, weiß Katharina. „Aber das ist natürlich noch kein Grund für Natalie, ihren Ehemann umzubringen.“

„Dieses Motiv ist mir alleinstehend auch zu schwach, da müsste schon noch einiges dazukommen“, gebe ich zu. „Wie war Patrick denn zu seiner Frau und seinen Kindern? Wenn Sie eine langjährige Freundin sind, konnten Sie doch bestimmt schon einen Einblick bekommen haben.“

„Hinter die Fassaden kann man selten blicken. Denn ich bin ja auch eine Fremde, vor der man sich anders verhält als ohne Zeugen. Nein, wenn Sie etwas über die Ehe wissen wollen, dann müssen Sie Natalie schon selbst fragen. Ein offensichtliches Motiv hat sie jedenfalls nicht.“

Ich lasse nicht locker. „Hatte er eine Freundin oder eine Geliebte?“

„Wenn man davon ausgeht, dass er die Korrektheit in Person war, dann müsste man daraus folgern, dass er absolut treu war. Aber man sieht eben in keinen Menschen hinein. Für mich ist er immer ein Rätsel gewesen.“

Ihre letzten Worte lassen mich aufhorchen. „Können Sie mir das genauer erklären?“

„Auf mich wirkte er immer sehr seriös, aber auch ein wenig unnahbar. Meine Freundin kenne ich sehr lange, und ich war auch Ihre Trauzeugin, aber mit ihm bin ich nie richtig warm geworden. Es war stets eine Distanz zwischen ihm und mir, und sie ging nicht von meiner Seite aus. Aber das kann auch daran liegen, dass ich gegen viele Typen, die ständig jemanden belehren wollen, eine Aversion habe, um nicht zu sagen, wahrscheinlich schon eine Allergie. In seiner Gegenwart wurde auch der älteste Mensch zum Schüler, man fühlte sich ständig von ihm beobachtet und befürchtete, von ihm getadelt zu werden.“

Ich atme tief. „Das hört sich aber doch schon gar nicht mehr so freundlich an“, finde ich.

Sie lacht spöttisch. „Natürlich nicht. „Aber wenn Sie jeden Menschen umbringen wollten, der so ist wie Patrick, dann müssen Sie die halbe Menschheit auslöschen.“

„Ja, es gibt eine ganze Reihe von Besserwissern. Doch nicht alle behandeln den Rest der Welt herablassend. Und solange das Ganze nicht in Nörgelei ausartet, wird man vermutlich mit diesen Menschen umgehen können. Können Sie sich an irgendeine spezielle Situation erinnern?“

„Ich denke, in mancher Hinsicht hat ihm die Flexibilität gefehlt. Ja, einmal habe ich erlebt, dass er recht stur war. Wir waren alle zusammen auf einem Sommerfest der Gemeinde. Eigentlich hatte er gar nicht mitgehen wollen, weil er keinen Spaß an dieser Festivität hatte. Aber Felix, sein Sohn hatte sich zum Geburtstag gewünscht, dass die ganze Familie zusammen dorthin geht, weil sie offenbar nicht oft etwas zusammen unternehmen. Patricks schlechte Laune stand ihm auf dem Gesicht geschrieben, und so hatte er bald auf dem Festgelände überall etwas, an dem es etwas auszusetzen gab. Die Kinder wollten einmal Zuckerwatte probieren, aber der Vater war komplett dagegen und meinte, der Zucker sei schlecht für die Zähne. Womit er ja auch eigentlich recht hat!“

„Und? Wie ist es ausgegangen?“

„Am Ende hatten alle schlechte Laune, denn die Kinder durften nichts von der Süßigkeit probieren, und Natalie und Patrick haben sich auf dem Rückweg auch noch deswegen gestritten.“

„Wenn er sich häufig so ausnahmslos streng verhielt, kann das schon zu Störungen im