Mrreynas Rache - Mara Laue - E-Book

Mrreynas Rache E-Book

Mara Laue

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Beschreibung

Die Aruniten von Fraanish Bereits der erste Auftrag der PHOENIX auf Fraanish erweist sich als schwierig in mehr als einer Hinsicht. Die Fraanisheh sind misstrauisch und zögern, den Forschern Zugang zu ihrem Gebiet zu gewähren. Erschwerend kommt hinzu, dass Captain Melori immer noch auf der Abschussliste der Piratengilde steht, die alles daran setzt, sie zu finden. Damit nicht genug, entdeckt die Crew auf Fraanish etwas, das nicht nur das ganze Volk in höchste Gefahr bringt, sondern auch für die Interstellare Allianz zur tödlichen Bedrohung werden könnte. Und einige Fraanisheh haben kein Interesse daran, die PHOENIX mit diesem Wissen entkommen zu lassen. Ein Kopfgeld für Melori Captain Melori gelingt es, zu den nomadischen Ruaneh Kontakt aufzunehmen. Sie bietet ihnen eine Allianz im Kampf gegen die Piratengilde an. Aber noch bevor die Ruaneh eine Entscheidung über das Angebot getroffen haben, werden Melori und ihre Begleiter bei einem persönlichen Treffen mit einem Ruaneh-Kommandanten entführt. Für die PHOENIX beginnt eine fieberhafte Suche nach den Entführern – doch es gibt keinen Anhaltspunkt, wohin die Entführten verschleppt wurden. Aber alles deutet darauf hin, dass sie den Piraten ausgeliefert werden sollen, denn die haben ein Kopfgeld auf Melori ausgesetzt . . .

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Seitenzahl: 249

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Mara Laue

Mrreynas Rache

Mission Phoenix - Band 2

Titel

MISSION PHOENIX

Mara Laue

Band 2: Mrreynas Rache

 

 

 

Impressum

 

Copyright: vss-verlag

Jahr: 2021

 

 

 

Lektorat/ Korrektorat: Hermann Schladt

Covergestaltung: Sabrina Gleichmann

 

Verlagsportal: www.vss-verlag.de

Gedruckt in Deutschland

 

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.

 

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verfassers unzulässig.

 

Teil 1

 

 

Teil 1

 

Die Aruniten von Fraanish

1.

 

Fraanish, Kolonie 1, 601.238.771.292.333 Ortszeit

 

Klerika 98.557 trippelte in den Kreis der ERSTEN und legte sich vor ihr auf den Boden, den kugelförmigen Leib gegen die Erde gepresst und ihre acht Beine sternenförmig von sich gestreckt. Sie versenkte ihre acht Augen in ihrem Stirnschild, um der ERSTEN Respekt zu erweisen, und verharrte eine Weile in dieser Haltung. Als sie die Augen wieder ausfuhr, stand die blaue Sonne von Fraanish halb hinter, halb über dem Körper der ERSTEN, dass es wirkte, als trüge sie die Sonne auf ihrem Rücken. Bläuliche Reflexe huschten über ihren metallenen Panzer und ließen sie lebendig wirken.

Für Klerika 98.557 stand außer Zweifel, dass sie immer noch lebendig war. Auch wenn die gesamten Klerika vor Hunderttausenden von Planetenumläufen alle Aruniten gebannt und ihnen die Energie entzogen hatten, bedeutete das nicht, dass sie tot waren. Die Aruniten waren Göttinnen und konnten nicht sterben. Eines Tages würden sie wieder erwachen und die Nachkommen derer bestrafen, die sie damals zu vernichten versucht hatten. 98.557 war entschlossen, zu denen zu gehören, die dann in der Gunst der Aruniten standen, besonders in der der ERSTEN. Sie war schließlich die Mutter nicht nur aller Aruniten, sondern auch aller Fraanishasiss.

98.557 hörte jemanden herantrippeln und erkannte Klerika 77.333 an ihrem Geruch, der leicht ätzend wurde, was ihren Unmut offenbarte.

„Du weißt, dass es verboten ist, den Aruniten zu huldigen, 98.557.“

„Ich genieße nur den Sonnenuntergang über dieser wunderschönen Skulptur, 77.333. Das ist nicht verboten.“

77.333 rieb ihre beiden Vorderzangen aneinander. Es gab ein rasselndes Geräusch. „Lügen sind einer Klerika unwürdig. Man betrachtet keinen Sonnenuntergang in der Respekthaltung, die allein den Göttinnen gebührt.“ 77.333 trommelte mit dem hinteren Beinpaar auf den Boden. „Ich vermute schon lange, dass du eine heimliche Anhängerin der Aruniten bist. Ihr Kult ist verboten und wurde aus gutem Grund geächtet. Ich sollte dich dem Rat der Klerika melden.“

98.557 schwieg. Sollte 77.333 das tatsächlich tun, käme 98.557 in ernste Schwierigkeiten, die sie nicht nur ihren Status als Klerika kosten würde.

„Dem du – was sagen würdest, 77.333? Dass du mich vor der ERSTEN gesehen hast? Das ist nicht verboten. Und etwas anderes werde ich nicht zugeben und kannst du nicht beweisen. Also“, sie sprang auf 77.333 zu und landete so dicht vor ihr, dass ihre Stirnschilde aufeinanderprallten und 77.333 zurückfuhr, „solltest du dir sehr genau überlegen, was du tun wirst.“

98.557 wartete eine Antwort nicht ab, sondern trippelte davon. Ihr war bewusst, dass sie lediglich etwas Zeit gewonnen hatte. Das nächste Mal würde 77.333 sie nicht vorwarnen, sondern Beweise sammeln, die sie dem Rat der Klerika vorlegen würde. In dem Fall wäre der ganze Plan dahin.

„Wie oft habe ich dir gesagt, dass du vorsichtig sein musst?“, zischte Klerika 20.201. „Wir sind kurz vor dem Ziel. Wenn 77.333 dich meldet, waren die Vorbereitungen von Tausenden von Planetenumläufen umsonst. Du weißt doch, dass wir die Aruniten nur heimlich verehren dürfen. Erst wenn sie erweckt wurden, können wir uns offenbaren.“

98.557 war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie die Annäherung vom 20.201 nicht bemerkt hatte. „77.333 kann ...“, setzte sie zu einer Verteidigung an.

20.201 unterbrach sie. „Sie kann alles vernichten, was wir bisher erreicht haben. Und wenn du keinen Zugang mehr zu den Archiven bekommst, weil dir dein Klerika-Status aberkannt wird, fangen wir wieder ganz von vorn an. Oder noch schlimmer: Die Oberste Klerika versiegelt die Archive und 1 befiehlt, dass nie wieder jemand sie betreten darf.“

98.557 hätte am liebsten eine scharfe Antwort gegeben oder die Sache heruntergespielt. Leider hatte 20.201 in allen Punkten recht. „Ich habe einen Fehler gemacht“, gab sie zu. Sie richtete eines ihrer Augen auf 20.201. „Aber es ist noch nicht zu spät. Wir müssen nur 77.333 daran hindern, etwas zu melden.“

20.201 zischte zustimmend. „Dir ist klar, dass es dafür nur eine einzige Möglichkeit gibt.“

„Ja. Aber ich kann keinen Makra-ar beauftragen. Sollte man ihn stellen und er reden ...“

„Ich kümmere mich darum“, unterbrach 20.201 und trippelte ohne ein weiteres Wort in eine andere Richtung davon.

Sie hatte recht, das war 98.557 durchaus klar. Die Sache war zu wichtig, als dass man ein Risiko eingehen durfte. Aber 98.557 sehnte sich so sehr danach, dass die Aruniten wieder ihren rechtmäßigen Platz in den Seelen des Volkes von Fraanish einnahmen, dass jeder Tag, den dieses Ziel noch nicht realisiert werden konnte, sich anfühlte, als würde man ihr den Panzer von der Haut schälen. Sie musste Geduld haben und vor allem vorsichtig sein. Denn wenn sie zur Beseitigung einer Nachlässigkeit wie der gegenüber 77.333 jedes Mal einen Makra-ar benutzen musste, um die dadurch entstandene Gefahr zu eliminieren, würden nicht nur die Hohen Klerika in absehbarer Zeit merken, was in ihren Reihen ablief. Und das musste unter allen Umständen verhindert werden. Egal wie viele Leben das kostete.

 

*

 

PHOENIX 1

17. Januar 2546 Terrazeit – 36.07.350 ISA-Zeit

 

Captain Melori betrachtete die Liste ihrer IsteND-Befugnisse und war froh, eine Frelsini zu sein. Die hervorstechendste Eigenschaft ihres Volkes war neben Freiheitsliebe und Toleranz absolute Loyalität gegenüber Freunden, Bündnispartnern und jedem, dem sie sich verpflichtet fühlten. In diesem Fall war das die Interstellare Allianz. Wäre dem nicht so, dann hätte nicht nur der Interstellare Nachrichtendienst ein erhebliches Problem gehabt, sondern die ISA ebenfalls, denn Melori befehligte das leistungsfähigste Schiff der gesamten ISA, in dem es Technologie gab, von der nicht einmal ihre Vorgesetzten etwas wussten, sondern nur Melori und ihre Crew. Sie bedauerte diese Heimlichkeiten, denn sie sollte gerade ihren Vorgesetzten uneingeschränkt vertrauen.

Leider ließ das die gegenwärtige Lage nicht zu. Es gab Verräter innerhalb der ISA, die mit der Gilde Freier Piraten kollaborierten und dadurch nicht nur mitschuldig daran waren, dass die Piraten der gesamten ISA erheblichen wirtschaftlichen Schaden zufügten. Wie es aussah, saß mindestens einer dieser Verräter, wahrscheinlich aber mehr als einer, auch im IsteND. Das Oberkommando des IsteND hatte jede einzelne Person der Organisation einer telepathischen Bewusstseinssondierung unterzogen und war, nachdem alle Ergebnisse nichts Negatives ergeben hatten, zu dem Schluss gekommen, dass es unter ihnen keine Verräter gab.

Melori wie auch Erster Admiral Rhan Kharmin – Oberbefehlshaber der Interstellaren Polizei und Mitglied des IsteND und die einzige Person, der Melori uneingeschränkt vertraute – war zu dem Schluss gekommen, dass das Bestehen der Bewusstseinssondierung keine Garantie für die Unschuld der so Geprüften war. Zum einen gab es Telepathen, die in der Lage waren, im Bewusstsein anderer Personen eine Art Gedankenschutzschild zu etablieren, der verhinderte, dass andere Telepathen die dahinter verborgenen Bewusstseinsinhalte lesen konnten. Was die so Behandelten geheimzuhalten wünschten, blieb geheim und jede Lüge, die sie erzählten, wurde als Wahrheit erkannt. Erschreckend. Zum anderen gab es keine Garantie dafür, dass ein mit der Bewusstseinsprüfung beauftragter Telepath nicht selbst zu den Verrätern gehörte und seine Komplizen für unbedenklich erklärte.

Um die Verräter zu enttarnen und in dem Zug auch die Piraten zur Strecke zu bringen – zumindest einige von ihnen –, bedurfte es eines Schiffes wie der PHOENIX 1, dessen gesamte Crew aus IsteND-Agenten bestand. Sie alle hatten ihre Laufbahn als ganz normale Spezialistinnen und Spezialisten in dem Bereich begonnen, in dem sie eine Funktion innerhalb des Schiffes und seines offiziellen Auftrags ausübten. Als Schiff der Terranischen Raumflotte war es die Aufgabe der PHOENIX, umfassende Forschungen zu betreiben. Forschende schnüffelten im Rahmen ihrer Forschungen per se überall herum, sodass das nicht der Tarnung widersprach. Deshalb wussten auch nur sehr wenige, handverlesene Leute über den wahren Auftrag der PHOENIX Bescheid. Melori traute nicht einmal denen mit Ausnahme von Rhan Kharmin, weshalb er der Einzige außerhalb der Crew war, der die Geheimnisse der PHOENIX kannte.

Das größte Problem war, was passierte, sollte das Schiff jemals Feinden der ISA in die Hände, Tentakel, Klauen, Flossen oder deren Äquivalent fallen, bevor es gelang, den für solche Situationen installierten Selbstzerstörungsmechanismus zu aktivieren. Ein anderes Problem hätte sich ergeben, wenn Melori der ISA gegenüber nicht absolut loyal gewesen wäre. Sie war sich der Macht bewusst, die sie als Kommandantin gerade dieses einzigartigen Schiffes besaß, denn einige ihrer Crewmitglieder teilten ihre Loyalität für die ISA nicht, sondern waren nur ihrem Captain ergeben. Dazu noch diese umfassenden Befugnisse …

Melori konnte allen Kommandierenden eines Trägerschiffs der IsteP mit Berufung auf die für solche Fälle vorgesehenen Geheiminstruktionen Befehle erteilen. Sie konnte jederzeit den Ratsvorsitzenden des Interstellaren Rates sprechen, der die ISA regierte, sie konnte theoretisch sogar eine Kriegsflotte anfordern. Sie konnte auch in gewissen Grenzen gegenüber einem Nicht-ISA-Volk verbindliche Zusagen im Namen der ISA machen, und der Interstellare Rat wäre verpflichtet, diese Zusagen zu erfüllen. Zwar müsste sie jeden derartigen Schritt vor ihren Vorgesetzten detailliert rechtfertigen, aber falls sie sich entschließen sollte, diese Macht zu missbrauchen, würde niemand sie aufhalten können. Eine immense Verantwortung. Melori hoffte, dass sie ihr auf die Dauer gewachsen war.

Sie unterbrach ihr Schwelgen in Machtfantasien und wandte sich wieder praktischen Dingen zu. Seit die PHOENIX vor achtzehn Tagen offiziell indienstgestellt worden war, hatte sich endgültig herauskristallisiert, welche Crewmitglieder welche Posten bekamen. Weil manche Dinge in der TRF eine gefühlte Ewigkeit dauerten, hatte Melori die offiziellen Beförderungen ihrer Leute erst heute erhalten. Sie hatte die betreffenden Crewmitglieder zu sich gerufen, die in diesem Moment ihren Bereitschaftsraum betraten, gefolgt von Commander Ashkonn. Der Mimik und Gestik der Leute nach zu urteilen, befürchteten zumindest einige einen Tadel oder Schlimmeres.

„Lieutenant Commander Janssen“, wandte sie sich an ihre Taktische Offizierin und überreichte ihr ein Datenpad, „meinen Glückwunsch zu Ihrer Beförderung zum Commander und zum Dritten Offizier der PHOENIX. Die offizielle Urkunde finden Sie auf dem Datenpad.“

Shakti Janssen blieb der Mund offen stehen. Sie starrte Melori ungläubig an, während sie das Pad entgegennahm.

„Schließen Sie den Mund, Commander Janssen, sonst fliegt Ihnen noch etwas hinein.“

Shakti Janssen fand ihre Sprache wieder. „Danke, Ma’am! Vielen Dank!“

Melori reichte das nächste Pad Lieutenant Commander Brrkkt. „Auch Sie darf ich zur Beförderung zum Commander beglückwünschen.“

Der sauroide Castorer zischte zufrieden, ehe er das Pad mit einem Dank entgegennahm.

„Commander Shedora, seien Sie ebenfalls beglückwünscht.“

Kya Shedoras Augen funkelten erfreut. „Danke, Captain.“

Auch Thalia Lindstrom, die Kommandantin der bordeigenen Jägerstaffel, sowie Segokk, der Leiter der Kybernetikabteilung, stiegen vom Lieutenant Commander zum Commander auf. Das galt auch für den Chefpsychologen Dr. Ben Semjonov.

Melori wandte sich an Cheftechniker Robar Selakem. „Commander Selakem, ich hoffe, Ihr neuer Rang spornt Sie noch mehr an als bisher, Ihr Bestes zu geben. Allerdings bin ich der Meinung, dass da kaum noch eine Steigerung möglich ist.“ Sie reichte ihm das Pad.

„Verzeihung, Captain, aber Sie meinen sicherlich, dass ich zum Lieutenant Commander befördert wurde. Ich bin schließlich erst Lieutenant.“

„Nein, Commander, Sie haben genau den Rang bekommen, den Sie längst hätten, wenn Sie schon länger unter meinem Kommando gestanden hätten. Das gilt auch für Sie, Commander Malana.“ Melori reichte Naika Malana ihre Beförderungsurkunde.

Auch der Navigatorin blieb für ein paar Sekunden der Mund offen stehen, ehe sie sich ergriffen bedankte.

„Sie beide“, wandte sich Melori an Linda Sparks und Sutaro Han, „bekommen nun auch endlich den Dienstgrad, den Sie schon lange verdient haben, Lieutenant Han und Lieutenant Sparks. Sie, Lieutenant Sparks, erhalten hiermit außerdem den Posten der stellvertretenden Cheftechnikerin. Commander Abraan“, wandte sich Melori an ihren Sicherheitschef, „Sie werden zwar nicht im Rang befördert, aber hier ist Ihre offizielle Ernennung zum Zweiten Offizier.“

Daar Abraan nahm sie im Gegensatz zu den anderen kommentarlos entgegen.

„Werten Sie alle die Beförderung als Anerkennung für Ihre hervorragenden Leistungen der vergangenen Monate und als eine Art Wiedergutmachung für die von früheren Vorgesetzten erfolgte vorherige Missachtung derselben.“ Melori blickte in die Runde. „Vielleicht findet jemand von Ihnen es ungerecht, dass einige von Ihnen einen Sprung von zwei Dienstgraden gemacht haben, statt nur einem. Der Grund dafür ist denkbar einfach. Ich wünsche, dass meine Ressortleitenden sich auch dienstgradmäßig auf Augenhöhe begegnen und deshalb alle denselben Rang haben. Lediglich Sie, Lieutenant Han, und Sie, Lieutenant Sparks, sind für den Rang eines Commanders noch zu unerfahren. Außerdem gilt auch für alle anderen, dass Sie Ihren neuen Rang beziehungsweise Ihre neue Position längst erhalten hätten, wenn Sie schon länger unter meinem Kommando tätig wären.“ Melori lächelte. „Und wenn Sie nichts dagegen haben, dass ich an Ihrer garantiert nachher folgenden Feier teilnehme, werde ich das mit Vergnügen nach Dienstschluss tun. – Sie können wegtreten. Bis auf Sie beide, Commander Ashkonn, Commander Abraan.“

Melori wartete, bis die anderen den Raum verlassen hatten, ehe sie ihren beiden Stellvertretern Platz anbot.

Daar Abraan hielt das Datenpad hoch. „Danke, Captain. Darf ich fragen, was Sie zu diesem Schritt bewogen hat?“

„Sie meinen, außer der Tatsache, dass Sie ein hervorragender Taktischer Offizier sind? Der Grund ist einfach. Abgesehen vom täglichen Training Ihrer Sicherheitscrew füllt der Posten als Sicherheitschef Sie meiner Meinung nach nicht aus, nachdem wir nun aktiven Dienst tun. Ihre Fähigkeiten auf diesem Gebiet sind fast nur gefragt, wenn wir Außeneinsätze haben. Außerdem bin ich der Überzeugung, dass in Ihnen ein verdammt guter Kommandant steckt. Als mein Zweiter Offizier können Sie schon mal für Ihr späteres eigenes Kommando Erfahrungen sammeln.“

Abraan blickte sie wie so oft in einer Weise an, die nicht verriet, was er dachte. „Was macht Sie glauben, Ma’am, dass ich ein eigenes Kommando anstrebe?“

„Nichts, Commander. Aber für den Fall, dass Sie das eines Tages tun sollten, können Sie hier die Voraussetzungen dafür schaffen.“ Sie lächelte. „Ein Standardspruch meines früheren Vorgesetzten bei der IsteP lautete, dass, wofür immer ich mich eines Tages beruflich entscheiden werde, meine Tätigkeit bei der IsteP und vor allem unter seiner Anleitung den Grundstein dafür legen wird, auf dem angestrebten Posten bestehen zu können. Er hatte recht, denn wenn er mich nicht entsprechend unterwiesen und vor allem gefordert hätte, wäre ich niemals in der Lage gewesen, das Kommando der PHOENIX zu übernehmen und meiner Crew die Kommandantin zu sein, der sie bedingungslos vertrauen. Also, Commander, ich gebe Ihnen die Möglichkeit in die Hand. Was Sie daraus machen, ist Ihre Sache.“

„Danke, Ma’am. Ich weiß das zu schätzen.“

„Und davon abgesehen: Sollte das Pech eintreten, dass die PHOENIX gleichzeitig ihren Captain und den Ersten Offizier verliert, sind Sie der Einzige an Bord, dem ich uneingeschränkt zutraue, dieses Schiff im Sinn unseres Auftrags bestmöglich zu führen.“

Wieder der unergründliche Blick. Diesmal sagte Abraan jedoch nichts.

„Wir erreichen in zwei Tagen das Gebiet der Fraanisheh“, sprach Melori den Grund der Konferenz an.

Der Türmelder unterbrach sie. Ein auf den Bildschirm auf Meloris Arbeitstisch eingeblendetes Bild zeigte, dass Commander Nikkra davorstand, die Leiterin der Analytikabteilung. Sie sprang herein, kaum dass Melori den Öffnungsmechanismus aktiviert hatte. Melori warf einen bezeichnenden Blick auf die Uhrzeit, die an der Wand über der Tür permanent eingeblendet wurde.

„Nett, dass Sie uns auch schon mit Ihrer Anwesenheit beehren, Commander. Ich hatte Sie bereits vor sieben Minuten erwartet.“

„Ich bitte um Verzeihung, Captain“, sagte die Ksasskorri. Ihre Worte wurden von Klicklauten begleitet wie bei fast allen Insektoiden. „Ich hatte im letzten Moment noch etwas entdeckt, das ich für relevant für unsere Mission nach Fraanish halte.“ Sie wedelte mit einem ihrer Feinarme, in Richtung Meloris Arbeitsstation. „Wenn Sie erlauben, Captain?“

„Bitte.“

Nikkra rief in ihrer Datenbank die gewünschten Informationen auf. Der Bildschirm zeigte daraufhin einen Ausschnitt des Alls. Gemäß den eingeblendeten Daten handelte es sich um das Gebiet der Fraanisheh. Das sah jedoch ganz und gar nicht so aus, wie Melori es von den aktuellen Sternenkarten kannte.

„Was sehen wir da?“, fragte Ashkonn.

„Das Gebiet der Fraanisheh, wie es anhand astronomischer Berechnungen noch vor 566.809 Jahren ISA-Zeit gewesen ist“, antwortete Nikkra. „Sehen Sie hier.“ Sie nahm eine Schaltung vor, durch die die abgebildeten Sonnen und Planeten mit virtuellen Linien verbunden wurden.

„Das hätte ich nicht gedacht“, sagte Abraan. Er blickte Nikkra an. „Ich glaube, Sie würden uns das kaum zeigen, wenn diese Konstellation Zufall wäre.“

„So ist es“, bestätigte die Ksasskorri. „Sie beweist meiner Meinung nach eindeutig, dass die Fraanisheh zu Recht Anspruch auf das Meolaara-System erheben, in dem Kantaka liegt.“

Der Meinung war Melori auch. Fraanish lag ebenso wie das benachbarte Meolaara-System, außerhalb des ISA-Territoriums. Weder Kantaka noch ein anderer Planet seines Systems war besiedelt gewesen oder hatte Spuren früherer Besiedlung aufgewiesen, als sich terranische Siedler vor ein paar Jahren dort niedergelassen hatten. Die Fraanisheh hatten erst Jahre nach dem Entstehen der Kolonie diese durch einen Patrouillenflug entdeckt und Kantaka und das Meolaara-System für sich beansprucht. Die ISA-Diplomaten hatten drei Jahre gebraucht, um eine Lösung zu finden, da sich die Siedler geweigert hatten, ihre Kolonie aufzugeben. Am Ende hatte der Interstellare Rat die Ansprüche der Fraanisheh anerkannt und die Siedler gezwungen, Kantaka zu verlassen.

Zufällig oder auch nicht hatten die Piraten am letzten Tag der Evakuierung die Kolonie zu vernichten versucht und später aus bisher unerklärlichen Gründen Kantaka verwüstet. Damit nicht genug, hatten sie alle evakuierten Siedler ermordet sowie das terranische Schiff vernichtet, das den Begleitschutz für den Siedlerkonvoi gestellt hatte. Dazu hatten sie keine Mühen gescheut und waren enorme Risiken eingegangen.

Auch auf Melori, die zu der Zeit Kommandantin der Jägerstaffel des Begleitschiffes gewesen war, war bereits ein Attentat verübt worden, da sie maßgeblichen Anteil daran gehabt hatte, dass die Piraten bei ihrem ersten Vernichtungsversuch auf Kantaka gescheitert waren. Melori war sich bewusst, dass die dafür verantwortliche Piratengruppe nicht eher ruhen würde, bis auch sie tot war.

Der Geheimauftrag der PHOENIX war herauszufinden, was die Piraten auf Kantaka gewollt hatten. Denn nur für den Diebstahl der Ernteerträge aus der Kolonie hätten sie sich nicht mehrmals jedes Jahr die Mühe gemacht, bis ans „Ende der Welt“ zu fliegen. Mit dem Verkauf von Nahrungsmitteln war nur relativ wenig Profit zu machen, und zur Deckung des Eigenbedarfs war die Beschaffung von Kantaka zu aufwendig.

Kantaka war nicht nur Meloris Überzeugung nach ein äußerst ungünstiger Standtort für die Kolonie eines ISA-Mitgliedsvolkes, der keineswegs durch die außerordentliche Fruchtbarkeit des Planeten aufgewogen wurde. Hinter dem Niemandsgebiet, neben dem er lag, begann das Reich der Gronthagu Liga. Für die Grontheh hatte schon weit weniger als eine terranische Kolonie in einem Niemandsgebiet vor ihrem Territorium als Provokation für einen Angriff genügt. Besonders da sie bisher noch nie mit irgendeinem Volk oder Völkerbund Frieden geschlossen hatten, sondern nur Allianzen oder Waffenstillstände, wenn es ihnen nicht gelungen war, die anderen im Kampf zu besiegen und zu unterwerfen. Frieden war in ihren Augen eine verachtenswerte Schwäche.

Zum Glück hatten die Grontheh von der Existenz der Kantaka-Kolonie entweder nichts mitbekommen oder sie hatten sie ignorieret.

Commander Nikkras Schaubild zeigte, dass sich acht Sonnensysteme in perfekter Symmetrie mit ihren Planeten um das Fraanish-System herumgruppierten, die die Form eines Spinnennetzes ergaben. Nikkra ließ die Systeme im Zeitraffer rotieren. Egal in welcher Konstellation sie sich befanden, sie bildeten immer eine symmetrische Netzstruktur, die sich zwar mit den Planetenumläufen veränderte, aber symmetrisch blieb.

„Aber zu Fraanish gehören unseres Wissens nur zwei Systeme“, wandte Ashkonn ein. „Drei, wenn wir Meolaara mitzählen.“

Nikkra machte eine zustimmende Geste mit einem ihrer Hauptarme. „Wie es aussieht, gab es vor besagten 566.809 Jahren eine kosmische Katastrophe, der fünf dieser Systeme zum Opfer fielen. Darauf deutet auch dieser Staubgürtel hin.“ Sie rief die aktuelle Sternenkarte auf und deutete auf ein Feld, das sich schlangengleich um die verbliebenen drei Systeme wand und sich bis in eine Entfernung von 132 Lichtjahren erstreckte. „Näheres ist nicht bekannt. Aber Sie wissen natürlich, was das hier“, Nikkra rief noch einmal das ursprüngliche Bild auf, „bedeutet. Eine solche Symmetrie, die auch bei unzähligen Planetenumläufen kontinuierlich erhalten bleibt und der natürlichen Ausdehnung des Universums trotzt, kann nicht natürlich entstanden sein. Die Fraanisheh sind technologisch nicht so fortschrittlich, dass sie ganze Sonnensysteme nach ihren Vorstellungen formen könnten. Keine uns bekannte Spezies kann das.“

„Besteht die Möglichkeit, dass die Fraanisheh früher einmal fortgeschrittener waren und durch die Katastrophe, die die anderen Sonnensysteme vernichtet hat, in ihrer Entwicklung zurückgeworfen wurden?“, überlegte Ashkonn.

„Ja, aber das ist nach meiner Überzeugung höchst unwahrscheinlich. Ist Ihnen die Besonderheit in der Fortpflanzung der Fraanisheh bekannt?“ Nikkra blickte in die Runde.

„Welche meinen Sie?“, fragte Daar Abraan. „Meines Wissens gibt es bei ihnen mehrere Besonderheiten.“

„Dass alles Wissen, das die weiblichen Fraanisheh im Laufe ihres Lebens gesammelt haben, auf die Nachkommen übertragen wird. Die Nachkommen reifen in Kokons heran, die aus einem Stoff bestehen, der auf biologischem Weg Daten speichern kann. Die Nachkommen ernähren sich von dem Kokon und nehmen auf die Weise die darauf gespeicherten Daten in sich auf. Geistig sind alle Fraanisheh bei der Geburt Klone ihrer Mütter. Das technische Wissen, das erforderlich ist, um ganze Sonnensysteme so zu formen“, Nikkra deutete auf den Bildschirm, „oder sogar zu erschaffen, könnte nur verlorengegangen sein, wenn alle weiblichen Fraanisheh, die über dieses Wissen verfügten, bei der Katastrophe damals getötet worden wären, denn eine einzige Fraanishi hätte genügt, um es zu erhalten. Die Wahrscheinlichkeit für die Auslöschung des Wissens ist sehr viel geringer als die, dass die technische Kenntnisse der Fraanisheh niemals größer waren als heute.“

„Dann bleiben nur noch die Eldereh als Erschaffer des ursprünglichen Fraanish-Gebietes“, brachte Melori es auf den Punkt.

„Zweifellos“, stimmte Nikkra zu. „Es sei denn, es gäbe noch ein anderes Volk, das technisch ebenso fortschrittlich war wie sie. Das ist nicht ausgeschlossen, aber relativ unwahrscheinlich, nach allem, was wir von ihnen bisher wissen.“

Die Eldereh – die „Alten“ – mussten ein Volk gewesen sein, das lange vor dem Entstehen der heutigen intelligenten Lebensformen in der Galaxis existiert hatte. Man wusste nahezu nichts von ihnen, außer dass sie technisch extrem weit entwickelt gewesen sein mussten. Im ISA-Gebiet hatte man bisher auf zwei völlig verschiedenen Welten je eine riesige Kugel aus einem unbekannten Material gefunden, das in dem bekannten Teil der Galaxis bisher nirgends gefunden worden war. Diese Kugeln waren vollständig mit unbekannten Symbolen bedeckt, die immer noch nicht entschlüsselt waren.

Ein weiteres potenzielles Relikt war ein Weltraumtransmitter, der ohne Empfängerstation arbeitete, und jedes Schiff, das ihn passierte, durch eine aus reiner Energie unbekannter Art bestehende künstliche Intelligenz reparieren oder optimieren ließ. Da sich der Transmitter außerhalb des ISA-Gebietes im Territorium der Tolakra Mo’ora befand und dort ein Phänomen, genannt „Tolakras Schatten“, dafür sorgte, dass jedes Schiff, das eine potenzielle Bedrohung für das Volk darstellen könnte, spurlos verschwand, hatte der Transmitter bisher nicht untersucht werden können. Das Territorium der Tolakra Mo’ora galt als Sperrgebiet, da man nie im Voraus wusste, welche Forschungsschiffe Tolakras Schatten als Bedrohung einstufte und welche nicht. Anfragen bei den Tolakra Mo’ora waren mit Bedauern und dem Hinweis abgelehnt worden, dass Göttin Tolakra keinen Kontakt ihrer Kinder zur ISA wünschte.

Die Herkunftsforscher wappneten sich mit Geduld. Sie hatten schließlich noch andere Dinge hinsichtlich der Eldereh zu untersuchen.

„Ich denke“, sagte Halan Ashkonn, „das gibt uns eine gute Begründung für die Fraanisheh, warum wir angeblich ihre Sonnensysteme erforschen wollen. Falls sie nichts von den früheren Konstellationen wissen ...“

„Unwahrscheinlich“, unterbrach Nikkra, „denn die Wahrscheinlichkeit dafür, dass alle wissenden weiblichen Fraanisheh damals umgekommen sind, liegt bei 0,008 Prozent.“

„Danke für den Hinweis“, sagte Ashkonn. Seine Stimme klang neutral, obwohl seine Bemerkung wahrscheinlich ironisch gemeint war. „Falls sie nichts von der früheren Konstellation gewusst hätten, hätten wir uns bei ihnen mit diesem Wissen einen Vorteil verschaffen können.“

„Ich denke, es wird ausreichen, dass wir das Phänomen überhaupt entdeckt haben, um gegenüber den Fraanisheh unser Interesse nicht nur am Meolaara-System, sondern ihrem gesamten Gebiet zu begründen“, meinte Melori. „Ich rechne allerdings damit, dass sie mit den Terraneh nichts mehr zu tun haben wollen.“

„Worauf begründen Sie das?“, fragte Daar Abraan und blickte sie interessiert an.

Sie lächelte. „Auf dem Prinzip des gesunden Misstrauens. Sehen wir uns die Fakten an. Terraneh haben unerlaubt, wenn auch aus Unwissenheit hinsichtlich des fraanishen Territoriums, einen Planeten okkupiert, den die Fraanisheh als ihr Eigentum betrachten, und sich jahrelang geweigert, ihn zu räumen. Relativ zeitnah zu der Zwangsräumung durch die IsteP, die erforderlich war, weil der Regierende Rat von Terra keine Veranlassung sah, seine Bürger zurückzurufen, wurde die Oberfläche des Planeten zerstört. Gleichzeitig wurden dabei etliche fraanishe Wachschiffe vernichtet und damit Fraanisheh getötet, die das System bewachten. Ich würde das nicht für einen Zufall halten sondern vermuten, dass das ein Racheakt der Terraneh ist, mit dem sie zerstören wollten, was sie selbst nicht mehr nutzen konnten. Auch wenn es keinen Beweis gibt, dass Terraneh an dem Angriff beteiligt waren.“

Abraan nickte. „Macht Sinn. Falls Ihre Vermutung zutrifft, Captain, dürften die Fraanisheh uns abweisen.“

„Damit rechne ich. Darum werden wir uns ihrer Hauptwelt von Meolaara aus nähern und dicht genug und langsam genug an Kantaka vorbeifliegen, dass wir erste Scans durchführen können, ohne von den Fraanisheh bemerkt zu werden. Selbst wenn sie eine neue Wachflotte das System haben abriegeln lassen, können sie uns kaum vorwerfen, dass wir unerlaubt in ihr Gebiet eindringen, wenn wir genug Abstand halten. Falls sie es nicht mehr bewachen, können wir es vollständig scannen, bevor sie merken, dass wir da sind. Meines Wissens reichen ihre um ihr Hauptsystem stationierten Langstreckenorter maximal zehn Lichtjahre weit.“

„9,9117 Lichtjahre genau“, half Nikkra.

„Und Kantaka liegt 57 Lichtjahre von Fraanish entfernt. Ich weiß“, Melori hob abwehrend die Hand, bevor Nikkra etwas sagen konnte, „es sind 57,031 Lichtjahre.“

„Das ist korrekt“, bestätigte Nikkra.

Abraan grinste flüchtig, und Ashkonn blickte betont ausdruckslos auf die Darstellung auf dem Bildschirm.

„Problematisch wird es nur“, fuhr Melori fort, „wenn fraanishe Schiffe auftauchen, während wir unerlaubt Kantaka scannen.“

„Darin sehe ich keine Gefahr, Captain“, widersprach Abraan. „Unsere Orter sind im Normalraum wie im Ultraraum erheblich leistungsfähiger als die der Fraanisheh. Wir werden sie lange bemerken, bevor sie uns orten können. In jedem Fall reicht die Zeit mehr als aus, um von Kantaka zu verschwinden und so zu tun, als wäre wir nie dort gewesen.“

Melori lächelte. „Sollten wir trotzdem erwischt werden, spielen wir die neugierigen, aber realitätsfremden Forschenden, die von den politischen Komplikationen zwischen Fraanish und Terra nicht das Geringste wissen. Schließlich hat man uns auch in der Vortäuschung solcher Dinge ausreichend geschult.“

„Captain“, warf Ashkonn ein, „wäre es in Anbetracht unseres Auftrages und der Wahrscheinlichkeit, dass die Fraanisheh uns in ihrem Territorium nicht dulden werden, nicht besser, die PHOENIX als lingulanisches Forschungsschiff zu tarnen? Immerhin haben wir ihr für solche Fälle diese Verwandlungsmöglichkeit eingebaut.“

„Das funktioniert nicht“, war Abraan überzeugt.

Melori nickte. „Und zwar deshalb nicht, weil unsere Besatzung zum größten Teil aus Terraneh besteht. Wir müssen damit rechnen, dass die Fraanisheh genug über Terraneh wissen, um sie anhand ihrer äußeren Merkmale und vor allem der Bio-Scans von zum Beispiel Laimakeh, Lingulaneh oder Frelsineh zu unterscheiden. Zwar erschwert unsere starkt cribomitgepanzerte Außenhülle, unser Inneres zu scannen, aber das ist immer noch möglich. und wir wissen nicht genug über die fraanishen Scanner, um zu wissen, ob das für sie vielleicht kein Problem ist. Bei visuellen Kontakten könnten wir zwar unsere Hightech-Masken benutzen und uns als Lingulaneh tarnen, aber die verändern uns nur äußerlich, und jeder Bio-Scanner verrät unsere wahre Natur. Davon abgesehen, sehe ich in unserer Mission die Möglichkeit, den schlechten Eindruck zu revidieren, den die Kantaka-Siedler durch ihre Sturheit bei den Fraanisheh hinterlassen haben. Den Versuch ist es zumindest wert. Dazu müssen wir aber offiziell als terranisches Schiff zu ihnen kommen.“

„Wie Sie meinen, Captain.“

Ashkonn war offenbar immer noch der Meinung, dass Melori es mit der Tarnung des Schiffes versuchen sollte, aber er sagte nichts weiter. Sie blickte in die Runde. Als niemand sich mehr zu Wort meldete, machte sie eine Handbewegung zur Tür hin. „Die Besprechung ist beendet.“

Die drei verließen Meloris Bereitschaftsraum. Sie lehnte sich in ihrem Sessel zurück und betrachtete die Animation über das frühere Aussehen des Gebietes der Fraanisheh, die immer noch auf dem Bildschirm ablief. Das Universum barg unendliche viele Geheimnisse, unbekannte Phänomene und Quellen von Wissen. Melori wünschte sich manchmal nichts sehnlicher, als sie alle erforschen zu können. Aber etwas anderes war ihr ein ebenso großes Bedürfnis: für die Sicherheit aller rechtschaffenen ISA-Bewohnenden zu sorgen. Die Mission der PHOENIX gab ihr die Gelegenheit, beiden Bedürfnissen gerecht zu werden. Und das war ein verdammt gutes Gefühl.

 

*

 

Surabb, 5. Planet des Trigol-Systems, Begegnungszentrum 27

37.07.350 ISA-Zeit

 

Karstur Shorru beobachtete zusammen mit einigen anderen das Duell am Spieltisch der Tarrar-Konshu-Simulation. Wieder einmal fragte er sich, wer auf den Gedanke gekommen war, die wohl verlustreichste Schlacht der ISA gegen die Grontheh im Jahr 117 ISA-Zeit zu einem Strategiespiel zu entwickeln. Besonders da die ISA sie verloren hatte und diese Niederlage beinahe dazu geführt hätte, dass die Gronthagu Liga die gesamten ISA-Welten versklavt hätten. Andererseits war es eine strategische Herausforderung, unter den im Spiel vorgegebenen damaligen Kampfbedingungen die ISA-Streitkräfte so einzusetzen, dass sie die zahlenmäßig überlegene gronthische Flotte schlagen konnten. Es gab nur wenige Wesen, die das jemals geschafft hatten.

Shorru stand ein wenig abseits, um zu gewährleisten, dass jeder, der an ihm vorbeiging, das Wappen auf dem Rücken seiner Jacke sehen konnte, das den Träger als Mitglied des Hauses Rikashta auswies. Zwei Dinge stimmten an dem Wappen nicht: seine Farbe – das echte Wappen der Rikashta war blau, nicht rot – und die Tatsache, dass das Haus seit Jahrhunderten nicht mehr existierte. Die Wappen erloschener sretallesischer Häuser waren frei, um sie für andere Zwecke zu benutzen, aber es war verboten, das in den echten Farben zu tun. Somit würde jeder Shorrus Jacke für eine der vielen ähnlichen Modeschöpfungen halten, von denen sretallesische Designer jedes Jahr Hunderte kreierten.

Das Einzige, was dies Jacke einzigartig machte, war die rote Farbe des Wappens. Sretalleseh verwendeten niemals die Farbe Rot außerhalb religiöser Zeremonien. Da diese Tatsache aber nur Leuten bekannt war, die mit Sretalleseh engeren Kontakt hatten, war es das perfekte Erkennungszeichen, das Shorrus Kontaktperson sagen würde, dass er derjenige war, mit dem sie verabredet war.