Mrs. Harris und ein Kleid von Dior - Paul Gallico - E-Book
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Mrs. Harris und ein Kleid von Dior E-Book

Paul Gallico

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Beschreibung

Das Buch zum Film "Mrs. Harris goes to Paris" - Der Kultroman von Paul Gallico endlich als E-Book!

Der größte Wunsch der Londoner Reinemachfrau Mrs. Ada Harris ist es ein Kleid aus dem berühmten Pariser Modehaus Dior zu besitzen. Jahrelang spart sie jeden Cent dafür und verliert doch nie ihre gute Laune mit der sie ihre Umwelt bezaubert. Und endlich ist der große Tag da und Mrs. Ada Harris reist in die wunderbare Stadt der Mode und der Liebe …

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Über Paul Gallico

Paul Gallico wurde in New York als Sohn der österreichischen Violinistin Hortense Erlich und des italienischen Komponisten, Musiklehrers und Pianisten Paolo Gallico geboren, die 1895 in die Neue Welt ausgewandert waren. 1916 begann Gallico ein Studium an der Columbia University, das er 1921 mit dem akademischen Grad eines Bachelor of Science abschloss. Danach arbeitete er als Sportjournalist bei den New York Daily News, wo er ab 1923 auch eine eigene Kolumne hatte.

In den 30er Jahren wandte er sich zunehmend vom Sport ab und verfasste Kurzgeschichten, von denen viele in der Saturday Evening Post erschienen. Viele seiner Erzählungen und Romane wurden später für Kino und TV verfilmt.

Paul Gallico war viermal verheiratet und hinterließ mehrere Kinder. Er starb am 15. Juli 1976 in Antibes im Alter von 78 Jahren.

Informationen zum Buch

Der Kultroman von Paul Gallico endlich als E-Book!

Der größte Wunsch der Londoner Reinemachfrau Mrs. Ada Harris ist es ein Kleid aus dem berühmten Pariser Modehaus Dior zu besitzen. Jahrelang spart sie jeden Cent dafür und verliert doch nie ihre gute Laune mit der sie ihre Umwelt bezaubert. Und endlich ist der große Tag da und Mrs. Ada Harris reist in die wunderbare Stadt der Mode und der Liebe …

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Paul Gallico

Mrs. Harris und ein Kleid von Dior

Roman

Inhaltsübersicht

Über Paul Gallico

Informationen zum Buch

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Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel

Sechstes Kapitel

Siebtes Kapitel

Achtes Kapitel

Neuntes Kapitel

Zehntes Kapitel

Elftes Kapitel

Zwölftes Kapitel

Dreizehntes Kapitel

Vierzehntes Kapitel

Impressum

Den tapferen und unersetzlichen Stundenfrauen, die jahraus, jahrein die britischen Inseln aufräumen, ist dieses Buch liebevoll gewidmet.

Das Haus Dior ist unbezweifelbar das Haus Dior. Doch alle auf beiden Seiten des Ärmelkanals angesiedelten Gestalten in diesem erdachten Buch sind ebenso unbezweifelbar erdacht; es gibt sie nicht, und keine von ihnen ähnelt einem lebenden Menschen.

P. G.

Erstes Kapitel

Die zierliche, schmale Frau mit den roten Apfelbäckchen, dem ergrauenden Haar und den klugen, beinah frechen kleinen Augen saß da und drückte die Nase ans Kabinenfenster der Viscount-Maschine, die früh morgens von London nach Paris flog. Wie sich das Flugzeug dröhnend von der Rollbahn in die Lüfte erhob, so schwang sich auch das Herz der Frau empor, voller Seligkeit, endlich auf dem Wege zu jenem Abenteuer zu sein, das ihr ihren Herzenswunsch erfüllen sollte. Sie war aufgeregt, aber keinesfalls ängstlich, denn sie hatte die Gewissheit, dass ihr jetzt nichts mehr zustoßen könne. Ihre Kleidung war recht bescheiden: ein etwas abgetragener brauner Trenchcoat, saubere braune Baumwollhandschuhe und dazu eine braune Plastiktasche, die sie fest unter den Arm geklemmt hielt. Und mit Recht. Denn in dieser Tasche befanden sich nicht nur zehn Einpfundnoten – mehr englisches Geld durfte man nicht von den britischen Inseln ausführen – und die Rückflugkarte nach Paris, sondern außerdem die Summe von vierzehnhundert Dollar in amerikanischer Währung, ein dickes Bündel Fünf-, Zehn- und Zwanzigdollarnoten, von einem Gummiring zusammengehalten. Nur der Hut offenbarte ihre überschwengliche Natur: ein grüner Strohhut, vorn mit einer ungeheuren, lächerlichen Rose, die auf einem biegsamen Stiel mal nach links und mal nach rechts schwankte, je nachdem wie die Hand des Piloten den Knüppel bediente, um die Maschine schräg zu legen, um zu kreisen und Höhe zu gewinnen.

Jede kundige Londoner Hausfrau, die sich schon einmal der Hilfe dieses einzigartigen Typs von stundenweise erscheinenden Reinmachefrauen bedient hat, ja, genaugenommen jeder Engländer hätte sofort gesagt: ›Eine Frau mit diesem Hut kann nur eine Londoner Scheuerfrau sein.‹ Und sie hätten recht gehabt.

In der Passagierliste der Viscount-Maschine war sie als Mrs. Ada Harris eingetragen, Mrs. Ada Harris, Willis Gardens Nr. 5, Battersea, London SW 11. Sie selber sprach ihren Namen ’arris aus und war tatsächlich Reinmachefrau. Sie arbeitete bei Leuten in der Gegend des eleganten Eaton und Belgrave Square.

Bis zu diesem wunderbaren Augenblick, da sie sich vom Erdboden emporgehoben fühlte, war ihr Leben eine ununterbrochene Plackerei gewesen. Das einzige, was sie sich hin und wieder gönnte, war ein Kinobesuch, ein Glas Bier in der Kneipe an der Ecke oder ein Abend im Varieté. Mrs. Harris, die sich nun den Sechzig näherte, lebte in einer Welt von Schmutz und Unordnung, die kein Ende nahmen. Nicht einmal, nein, ein halb dutzendmal am Tage öffnete sie mit den ihr anvertrauten Schlüsseln die Türen von ungelüfteten Vorplätzen in Häusern oder Etagen und sah sich jedesmal dem gleichen Durcheinander gegenüber: Bergen von schmutzigem Geschirr und fettigen Töpfen im Spülstein, ungemachten Betten, achtlos umhergeworfenen Kleidungsstücken, nassen Handtüchern auf der Erde im Badezimmer, gebrauchten Zahnputzgläsern, bespritzten Spiegeln, schmutziger Wäsche, die zusammengepackt werden musste, und selbstverständlich überall vollen Aschenbechern auf den staubigen Tischen, kurz, einer Unordnung, wie sie die Ferkel von Menschen zu hinterlassen pflegen, wenn sie morgens die Wohnungstür hinter sich zuschlagen.

Mrs. Harris räumte alles gründlich auf, weil es ihr Beruf war, eine Möglichkeit, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen und so Leib und Seele zusammenzuhalten. Und doch, für manche Putzfrauen bedeutet es mehr als nur das, ganz besonders für Mrs. Harris: sie setzte immer wieder ihre ganze Ehre darein, ihre Häuser in Ordnung zu halten. Und es war wirklich eine fruchtbare Leistung, auf die sie stolz sein konnte. Sie kam in wahre Schweineställe, und wenn sie wegging, blitzte und duftete alles vor Sauberkeit und Frische. Dass sie am nächsten Tag wieder in einen Schweinestall kam, störte sie nicht. Sie erhielt ihre drei Schilling die Stunde und räumte die Wohnungen von neuem tadellos auf. So sah das Leben der kleinen Frau aus, die als einer von dreißig ganz verschiedenen Passagieren in der Maschine nach Paris saß.

Die grün und braun gekästelte Reliefkarte des britischen Bodens glitt unter den Tragflächen des Flugzeugs hinweg und machte plötzlich dem windgekräuselten Blau des Ärmelkanals Platz. Mrs. Harris, die eben noch interessiert die winzigen Spielzeughäuser und -bauernhöfe betrachtet hatte, sah nun die zierlichen Formen von Tankern und Frachtern, die durchs Meer pflügten, und wurde sich zum erstenmal bewusst, dass sie England hinter sich ließ und auf dem Weg war, ein fremdes Land zu betreten, unter fremde Menschen zu kommen, die eine fremde Sprache redeten und die nach allem, was sie über sie gehört hatte, unmoralisch und habsüchtig waren, Schnecken und Frösche aßen, zu Lustmorden neigten und die zerstückelten Leichen in Koffern verbargen. Aber sie hatte trotzdem keine Angst, denn Angst kommt im Wortschatz einer britischen Reinmachefrau nicht vor; sie war nur entschlossen, auf der Hut zu sein und nicht mit sich spaßen zu lassen. Es war eine ungeheure Besorgung, die sie nach Paris führte, doch sie hoffte, dabei so wenig wie möglich mit Franzosen zu tun zu haben.

Ein gesunder britischer Steward servierte ihr ein gesundes britisches Frühstück und wollte es nicht einmal bezahlt haben, sondern sagte, es sei schon in Ordnung. Dieser kleine Imbiss komme mit einer Empfehlung von der Luftverkehrsgesellschaft.

Mrs. Harris drückte das Gesicht ans Fenster und ihre Handtasche an die Hüfte. Der Steward kam durch den Gang und rief: »Gleich sehen sie in der Ferne den Eiffelturm zu Ihrer Rechten.«

»Lieber Himmel!« sagte Mrs. Harris vor sich hin, als sie einen Augenblick später seine Nadelspitze entdeckte, die aussah, als wäre sie von unten durch einen alten Flickenteppich von grauen Dächern und Schornsteinen hindurchgestochen und zöge den dünnen blauen Faden eines Flusses hinter sich her. »Der ist ja gar nicht so groß wie auf den Bildern.«

Etwa eine Minute später landeten sie ohne den geringsten Aufprall auf der Betonbahn des französischen Flughafens. Mrs. Harris’ Herz schlug noch höher. Nicht eine einzige der düsteren Prophezeiungen ihrer Freundin Mrs. Butterfield, das Ding werde entweder in der Luft explodieren oder mit ihr ins Meer stürzen, hatte sich bewahrheitet. Vielleicht würde sich schließlich auch Paris als nicht gar so entsetzlich erweisen. Dennoch nahm sie sich vor, von jetzt an misstrauisch und vorsichtig zu sein, um so mehr als die lange Omnibusfahrt von Le Bourget zum Luftbahnhof am Invalidendom durch fremde Straßen mit fremden Häusern und Geschäften ging, in denen Waren in fremder, unverständlicher Sprache angeboten wurden.

Der Mann von der Luftfahrtgesellschaft British European Airways, dem es oblag, dem einen oder andern vom Tumult des Luftbahnhofs verwirrten Reisenden beizustehen, warf einen Blick auf den Hut, die Handtasche, die ausgetretenen Schuhe und natürlich in die unerschrockenen, dreisten kleinen Augen und ordnete die Frau sofort richtig ein. ›Lieber Himmel!‹ sagte er halblaut zu sich selber, ›eine Londoner Putzfrau! Was in aller Welt sucht die denn in Paris? So schlimm kann doch die Dienstbotensituation hier nicht sein!‹

Er bemerkte ihre Unsicherheit, warf einen Blick in seine Liste und riet abermals richtig. Ruhig ging er auf sie zu, tippte an seine Mütze und fragte: »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein, Mrs. Harris?«

Die gescheiten, wachsamen Augen prüften ihn sorgfältig auf irgendwelche Anzeichen von sittlicher Verderbtheit oder faulem, ausländischem Zauber. Zu ihrer Enttäuschung sah er jedoch genau wie ein Engländer aus. Da er sie höflich und offenbar ohne böse Absicht angesprochen hatte, sagte sie vorsichtig: »Was, man spricht hier drüben also auch echtes Englisch?«

Der Mann von der Fluggesellschaft erwiderte: »Das muss ich ja wohl, Madam, ich bin nämlich Engländer. Aber wahrscheinlich werden Sie feststellen, dass die meisten Leute hier drüben ein bisschen Englisch sprechen, und so kommen Sie schon durch. Ich sehe, dass Sie heut abend mit der Elf-Uhr-Maschine wieder zurückfliegen. Haben Sie ein bestimmtes Ziel, wo Sie jetzt hinwollen?«

Mrs. Harris überlegte, wieviel sie einem Fremden wohl erzählen könne und entgegnete dann fest: »Ich möchte nur ein Taxi, wenn’s Ihnen nichts ausmacht. Ich hab ja meine zehn Pfund.«

»Selbstverständlich«, fuhr der Mann von der Fluggesellschaft fort, »aber besser wäre es, wenn Sie etwas davon in französisches Geld eingetauscht hätten. Ein Pfund kommt ungefähr auf tausend Frank.«

In der Wechselstube wurden einige von Mrs. Harris’ grünen Einpfundnoten in dünne, schmutzigblaue Fetzen von Scheinen mit der Zahl 1 000 darauf und in ein paar abgegriffene Hundertfrankmünzen aus Aluminium eingetauscht.

Mrs. Harris war mit Recht entrüstet. »Was ist denn das?« fragte sie. »Nennt ihr das Zeug Geld? Die Münzen fassen sich ja an wie Spielgeld.«

Der Mann von der Fluggesellschaft lächelte. »Genaugenommen sind sie auch nicht mehr wert. Nur hat die Regierung erlaubt, dass sie geprägt werden. Und die Franzosen haben es bis jetzt noch nicht gemerkt. Aber gültig sind sie.« Er führte sie durch die Menge, die Rampe hinauf und setzte sie in ein Taxi. »Wohin soll er Sie bringen?«

Mrs. Harris saß da, den schmalen, von der harten Arbeit hageren Rücken kerzengerade aufgerichtet. Die rosa Rose zeigte genau nach Norden, ihr Gesicht war ruhig und gefasst wie das einer Herzogin. Nur die kleinen Augen tanzten vor Erregung. »Sagen Sie ihm, er soll mich zu dem Modesalon von Christian Dior fahren«, erklärte sie. Der Mann von der Fluggesellschaft starrte sie an. Er traute seinen Ohren nicht. »Wie bitte, Madam?«

»Sie hören doch: zum Modesalon Dior.«

Natürlich hatte er es gehört, aber sein Gehirn, gewohnt, mit Notfällen und ungewöhnlichen Dingen aller Art fertig zu werden, konnte es nicht fassen, was eine Londoner Reinmachefrau, eine aus jenem ungeheuren Heer, das jeden Morgen zum Sturmangriff auf den Schmutz in den Büros und Wohnungen der Großstadt antrat, in dem elegantesten Modezentrum der Welt zu suchen hatte, und er zögerte immer noch.

»Na, nu los! Machen Sie doch schon!« befahl Mrs. Harris scharf. »Was ist denn dabei, wenn sich eine Dame in Paris ein Kleid kaufen will?«

Bis ins Mark erschüttert, verhandelte der Mann von der Fluggesellschaft mit dem Taxichauffeur französisch: »Bringen Sie Madame zum Haus Christian Dior in der Avenue Montaigne. Wenn Sie versuchen, sie auch nur um einen Sou zu betrügen, werde ich dafür sorgen, dass Sie nie wieder auf diesem Platz stehen dürfen.«

Als Mrs. Harris abfuhr, ging er kopfschüttelnd zurück. Er hatte den Eindruck, eben ein ganz ungewöhnliches Erlebnis gehabt zu haben.

Während Mrs. Harris mit klopfendem Herzen dahinfuhr, wanderten ihre Gedanken zurück nach London, und sie hoffte, Mrs. Butterfield werde es gelingen, mit allem zu Rande zu kommen.

Mrs. Harris’ Kundenliste blieb immer ziemlich gleich, außer wenn sie bisweilen den einen oder anderen aufgab – das Umgekehrte geschah nie. Manchen widmete sie täglich mehrere Stunden, andere bedurften ihrer Dienste nur dreimal in der Woche. Sie arbeitete zehn Stunden am Tag, begann morgens um acht und hörte abends um sechs Uhr auf; dazu kam der halbe Samstag, den sie einigen bevorzugten Kunden reservierte. Diesen Arbeitsplan hielt sie zweiundfünfzig Wochen im Jahr durch. Da der Tag nur eine bestimmte Anzahl von Stunden hat, konnte sie nicht mehr als sechs bis acht Kunden annehmen. Sie beschränkte sich auf die vornehme Gegend des Eaton und des Belgrave Square, so dass sie ohne weite Wege von Haus zu Etage und von Etage zu Atelier gelangte.

Da war ein Major Wallace, ihr Junggeselle, den sie natürlich verwöhnte und an dessen zahlreichen, stets wechselnden Liebesaffären sie eifrigen Anteil nahm.

Dann Mrs. Schreiber, die etwas verdrehte Frau eines in London lebenden Hollywooder Filmagenten; die mochte sie gern, weil sie von amerikanischer Herzlichkeit und recht großzügig war. Besonders, wenn es um Mrs. Harris’ Stundenlohn ging.

Die elegante Lady Dent, für die sie ebenfalls arbeitete, war die Frau eines reichen Industriebarons. Er besaß neben einer Etagenwohnung in London noch ein Herrenhaus auf dem Lande – Lady Dents Bild war immer wieder bei Jagdbällen oder Wohltätigkeitsveranstaltungen in den Zeitschriften The Queen und The Tatler zu finden, und darauf war Mrs. Harris stolz.

Doch hatte sie auch noch andere: die Gräfin Wyszcinska, eine Weißrussin, deren Überspanntheit Mrs. Harris himmlisch fand; ein junges Ehepaar mit einer reizend eingerichteten Wohnung, die ihr sehr gefiel; dann die geschiedene Mrs. Fford Foulks, eine wahre Fundgrube für Klatsch aus dem Leben der Reichen, und noch einige andere, darunter auch eine kleine Schauspielerin, Miss Pamela Penrose, die darum kämpfte, Anerkennung zu finden und dann aus ihrem Kellerraum in eine eigene Atelierwohnung ziehen zu können.

All diese Haushalte betreute Mrs. Harris ganz allein. Doch im Notfall konnte sie darauf rechnen, dass Mrs. Violet Butterfield für sie einsprang, ihre Freundin, ihr alter ego gleichsam, die, Witwe und Putzfrau wie sie selber, dazu neigte, immer nur die düstere Seite des Lebens und der Dinge zu sehen.

Mrs. Butterfield, so dick und robust wie Mrs. Harris dünn und zart, hatte natürlich ihren eigenen Kundenstamm, aber glücklicherweise in der gleichen Gegend, so dass die beiden einander aushelfen konnten, wenn sich die Notwendigkeit dazu ergab.

Sobald eine von ihnen krank war oder eine dringende Besorgung zu machen hatte, gelang es der andern immer, bei ihren eigenen Kunden so viel Zeit herauszuschinden, dass sie auch bei der Kundschaft der andern die Runde machen konnte, um sie wenigstens notdürftig zufriedenzustellen. Musste sich Mrs. Harris, was selten genug vorkam, einmal ins Bett legen, so rief sie ihre Auftraggeber an, benachrichtigte sie von dieser Katastrophe und setzte hinzu: »Aber machen Sie sich nur keine Sorge. Meine Freundin, Mrs. Butterfield, wird bei Ihnen hereinschauen, und morgen bin ich wieder auf dem Posten.« Und umgekehrt wurde es genauso gehandhabt. Obwohl sie charakterlich verschieden waren wie Tag und Nacht, verband sie eine enge und treue Freundschaft, und sie betrachteten es als ihre Pflicht und Schuldigkeit, sich gegenseitig zu helfen. Eine Freundin war eine Freundin, und damit Schluss! Mrs. Harris’ Kellerwohnung lag Willis Gardens 5, Mrs. Butterfield wohnte Nr. 7, und selten verging ein Tag, an dem sie sich nicht trafen oder eine die andere aufsuchte, um Neuigkeiten auszutauschen oder vertraulich ein Viertelstündchen miteinander zu plaudern.

Die Taxe überquerte einen breiten Fluss, denselben, den Mrs. Harris aus der Luft gesehen hatte; jetzt war er nicht mehr blau, sondern grau. Auf der Brücke geriet der Fahrer in einen erbitterten Streit mit einem anderen Chauffeur. Mrs. Harris verstand die Worte zwar nicht, doch sie erriet, dass es keine Liebenswürdigkeiten waren, die sich die beiden an den Kopf warfen, und lächelte glücklich vor sich hin. Unwillkürlich musste sie an Miss Pamela Penrose denken und an das Theater, das sie ihr gemacht hatte, als sie hörte, Mrs. Harris beabsichtige, einen Tag freizunehmen. Aber sie hatte ja ausdrücklich mit Mrs. Butterfield verabredet, dafür zu sorgen, dass die aufstrebende Schauspielerin nicht vernachlässigt würde.

Merkwürdig nur, dass die sonst so geschickte Mrs. Harris mit ihrer großen Menschenkenntnis von all ihren Kunden ausgerechnet Miss Penrose am liebsten mochte.

Das Mädchen, dessen richtiger Name Enid Snite war, wie Mrs. Harris aus ankommenden Briefen festgestellt hatte, führte in einem Kellerraum ein sehr unordentliches und schlampiges Leben.

Sie war eine kleine wendige Blondine mit schmalen Lippen und seltsam unbeweglichen Augen, die gierig auf ein einziges Ziel gerichtet schienen: auf sich selber. Sie hatte eine ausgezeichnete Figur und Füße, so winzig und behende, dass sie niemals auf die Leichen trat, über die sie auf der Leiter des Erfolgs emporschritt. Es gab nichts, was sie nicht getan hätte, um ihre ›Karriere zu fördern‹, wie sie sich auszudrücken pflegte. Diese Karriere wies bisher nicht mehr auf als den Erfolg von ein, zwei Jahren Arbeit als Chorgirl und einigen Nebenrollen in Film und Fernsehen. Sie war ein selbstsüchtiges, grausames Mädchen mit abstoßenden, gemeinen Manieren.

Eigentlich hätte man meinen sollen, Mrs. Harris sei es ein leichtes, dieses falsche kleine Biest zu durchschauen und auf solch eine Kundschaft zu verzichten, denn wenn ihr irgend etwas an einem ihrer Auftraggeber nicht gefiel, warf sie einfach den Schlüssel in den Briefkasten und kam nicht wieder. Wie so viele ihrer Kolleginnen, die nicht allein um des Lohnes willen, mochten sie ihn auch noch so dringend brauchen, anderer Leute Wohnungen aufräumten, übte auch sie ihren Beruf mit einer gewissen Anteilnahme aus. Sie musste entweder den Menschen, für den sie arbeitete, gern haben oder wenigstens sein Heim.

Doch gerade weil sie Miss Snite ein wenig durchschaut hatte, blieb sie bei ihr, denn sie konnte die ungestüm wilde, hungrige Gier des Mädchens begreifen, etwas zu werden, sich aus der eingefahrenen Spur des tagtäglichen Kampfes herauszuarbeiten, jemand zu sein und etwas von den guten Dingen des Lebens für sich selber zu gewinnen.

Bevor ihr eigenes, ungewöhnliches Verlangen sie nach Paris geführt hatte, war ihr ein solches Streben zwar fremd, aber doch nicht unverständlich gewesen. Denn sie selber hatte ähnlich zu kämpfen gehabt, nicht so sehr um etwas zu werden, sondern einfach um das nackte Leben zu fristen. Als Mr. Harris nämlich vor einigen zwanzig Jahren gestorben war und seine Frau ohne einen Pfennig zurückgelassen hatte, musste sie versuchen, irgendwie fertig zu werden, da ihre Witwenrente völlig unzureichend war. In diesem Sinn bestand also eine gewisse Ähnlichkeit zwischen den beiden.

Und dann war Miss Snite – oder Miss Penrose, wie Mrs. Harris sie lieber nannte – außerdem noch vom Glanz des Theaters umgeben, und der war unwiderstehlich.

Titel, Reichtum, hohe Stellung oder gute Familie, das alles machte nicht den geringsten Eindruck auf Mrs. Harris, doch für den Zauber, der die Leute vom Film, Theater oder Fernsehen umgab, war sie sehr empfänglich.

Sie konnte nicht wissen, wie flüchtig Miss Penroses Beziehungen zu diesen Dingen waren und dass sie nicht nur ein schlechtes Mädchen, sondern außerdem auch eine sehr mäßige Schauspielerin war. Mrs. Harris genügte es, dass man ihre Stimme von Zeit zu Zeit im Rundfunk hörte oder dass sie, ein Schürze vorgebunden und ein Tablett in der Hand, über den Fernsehschirm ging. Und so nahm sie immer wieder Rücksicht auf dieses alleinstehende Mädchen, das es so schwer hatte, sich durchzusetzen. Sie ging auf sie ein, verwöhnte sie und ließ sich von ihr Dinge gefallen, die sie von keinem andern hingenommen hätte.

Die Taxe bog in eine breite Straße mit prächtigen Gebäuden ein, doch für Architektur hatte Mrs. Harris kein Auge und keine Zeit.

»Wie weit ist’s denn noch?« rief sie dem Fahrer zu, der, ohne die Geschwindigkeit zu verringern, die Hände vom Lenkrad nahm, die Arme durch die Luft schwenkte, sich umdrehte und ihr eine Antwort zuschrie. Mrs. Harris verstand natürlich nicht ein Wort, doch das Lächeln unter seinem Walrossschnurrbart war freundlich und einnehmend, und so ließ sie sich wieder zurücksinken und war bereit, die Fahrt zu ertragen, bis sie das so lange ersehnte Ziel erreicht haben würde. Dabei dachte sie über die seltsamen Ereignisse nach, die sie hierhergeführt hatten.

Zweites Kapitel