Musik, Liebe, Leidenschaft - Willi Dommer - E-Book

Musik, Liebe, Leidenschaft E-Book

Willi Dommer

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Beschreibung

Seit er mit 13 Jahren seine erste Gitarre bekam, war Willi Dommer klar: er wollte als Musiker berühmt werden, so wie seine Vorbilder, die Bands in den frühen 60er Jahren. In seinem Buch erzählt er von den ersten Schritten als Folk-Duo ohne Verstärker, E-Gitarren und Schlagzeug. Dazu fehlte damals das Geld. Sein Weg führt ihn von der Beat-Musik über Hard-Rock; er veröffentlicht zwei Cassetten mit meditativer Musik und gründet die erste Rockband in einem Schwarzwalddorf, bis er von einer Volksmusikgruppe abgeworben wird. Seitdem spielt er in Festzelten Oberkrainermusik, Schlager sowie tanzbare Rock- und Country-Titel, komponiert Trash-Schlager, bis ihm eine Nervenlähmung im Arm einen Strich durch die Rechnung macht. "Wenn ich schon nicht mehr Gitarre spielen kann", sagt er, "dann schreibe ich halt darüber." Parallel zur musikalischen Entwicklung erzählt er von seinen "Träumen vom großen Durchbruch" beim weiblichen Geschlecht, die anfangs durchaus zu Alpträumen ausarten.

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Die Handlung ist frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und unbeabsichtigt.

Inhalt

Schrammeln in C-Dur

Ferienarbeit für Verstärker

Wohlriechend im Seifen-Tansit

Jimis letzter Auftritt

That’s only Rock’n’Roll

Post vom Staatsanwalt

Willy wählen

Mitten im Kneipenviertel

Kein Sinn für Bobs subtile Poetik

Der wilde Willi

Die Bettdecke brennt!

Die legendären »Fulls«

Der Trachtenrocker

Stramme Haxen in Leder

Band History Dülmen

Nachtrag

Bildnachweise

Schrammeln in C-Dur

Mit zehn oder elf bekam ich zu Weihnachten meine erste Gitarre geschenkt. Wohl mehr gegen den Willen meines Vaters, denn dem schwante Schreckliches: über kurz oder lang werde der musikalisch missratene Sohn bei der Hottentottenmusik landen. Für seine geliebten Egerländer unter der Leitung von Ernst Mosch hat er den Junior nie so recht begeistern können. Und nun hat der auch noch ein Instrument, das bei der böhmischen Blasmusik überhaupt nicht vorkommt. Aber seine Frau Erna hat dem unausgesetzten Quengeln des Heranwachsenden letztendlich nichts mehr entgegen zu setzen vermocht und besorgte ihm eine »Wandergitarre« der Marke Höfner – dieselbe Marke wie Paul McCartneys alte Bassgitarre mit dem geigenartigen Korpus.

Foto 1: 1966 – Bald gras i am Neckar

Nach anfänglichem ziellosen Schrammeln wurde das Ding erst mal in irgendeiner Ecke zwischengeparkt, bis mir klar wurde: ich brauche Anleitung. So landete ich schließlich in der »Mütterschule« – vermutlich eine Vorform der heutigen VHS – bei einer ältlichen Frau Goller. Die brachte uns Akkorde bei und Zupftechniken, die uns befähigten, Volksweisen wie »Horch was kommt von draußen rein«, »Bald gras’ ich am Neckar« oder »Rosenstock, Holderblüh« zu begleiten.

Aber wollten wir das wirklich?

Längst war die Mitte der Sechziger Jahre überschritten, und die »richtigen« Radiosender – so etwa BFBS, zum Teil auch Radio Luxemburg – spielten vermehrt Titel von den Beatles, Searchers, Gerry and the Pacemakers, der Spencer Davis Group, den Kinks, Hollies und den Rolling Stones. Irgendwie erfrischend. Doch mit unseren Zupftechniken und dem Geschrammel in C- und G-Dur kamen wir da nicht weiter. Frau Goller von der Mütterschule war auch keine Hilfe, und so wanderte die Gitarre erst mal wieder auf’s Abstellgleis. Bis ich endlich einsah, Weiterentwicklung ist harte Arbeit: am Radio, Plattenspieler oder Cassetten-Recorder die Akkorde der Stücke heraushören, englische Texte aufschreiben, die Rhythmik ausprobieren und vor allem sich von anderen was Neues zeigen lassen oder bei einer der aufkeimenden Bands dem Gitarristen auf die Finger schauen.

Da waren zum Beispiel die »Spitfires«, die erste Beatband im münsterländischen Dülmen, 1964 gegründet. Die waren an diversen Sonntagen nachmittags zum »Tanztee« im Haus Bispinghof engagiert – einer Gaststätte an der B 51 zwischen Dülmen und dem südwestlich vorgelagerten Hausdülmen. Dorthin strampelte ich mit meinem Freund Hans-Dieter auf unseren Fahrrädern, wir nahmen an einem der vorderen Tische Platz und schauten dem Gitarristen Lothar beispielsweise die Akkorde des Animals-Hits »House of the Rising Sun« ab: a-Moll C D F usw.

Meine Klassenkameraden Friedbert und Gerd schossen in dieser Hinsicht den Vogel ab. Sie schwangen sich ebenfalls auf ihre Fahrräder, radelten die acht Kilometer zum Segelflugplatz Borkenberge, weil sich ein ganz bestimmter Schlager in der Musikbox der Flugplatz-Gaststätte befand, ließen den Titel mehrmals laufen, bis sie den Text herausgehört und aufgeschrieben hatten. Die beiden hatten allerdings nicht mal vor, den Titel zu spielen; sie hatten gar keine Band. Nun ja, Friedbert besaß ein Akkordeon. Dahinter steckte wohl eher eine Art Sammler-Spleen.

Foto 2: Die Spitfires in den 60-er Jahren; li.: Gitarrist Lothar Bonn

Foto 3: Lothar Bonn heute

Auch das Fernsehen tastete sich damals vorsichtig an den gewandelten Musikgeschmack der Jugendlichen heran. Lebhaft erinnere ich mich an die erste »Beat-Club«-Sendung von Radio Bremen aus dem Jahr 1965 und den Auftritt der Yankees aus Bremen mit ihrem Titel »Halbstark«.

Foto 4: Die Bremer Yankees 1964; 2. v. li.: Frontman Frankie Bartelt

»Sie rasen

(pi-du-ba, pi-du-ba, wah)

durch die Straßen

(pi-du-ba, pi-du-ba, wah)

Und die Gassen

(pi-du-ba, pi-du-ba, wah)

sie sind menschenleer

(pi-du-ba, wah-wah)

Halbstark, oh Baby-Baby

Halbstark, halbstark nennt man sie

Bei seiner Anmoderation fühlte sich der Ansager noch bemüßigt, sich bei den Gegnern von derartiger Musik zu entschuldigen. Bei Wikipedia heißt es dazu: »Die Reaktion des älteren Publikums fürchtend, kündigte Wilhelm Wieben, der spätere Tagesschausprecher, die Live-Sendung mit tanzenden Jugendlichen und lauter Musik mit einer Vorwarnung für die Eltern an und bat um Verständnis für die Musik.«

Was war ich als 13-Jähriger froh, endlich mal meine Lieblingsmusik im Fernsehen zu hören und die angesagten Bands zu sehen. Meinen Vater musste ich am Samstagnachmittag geschickt aus dem Wohnzimmer hinauskomplimentieren. Er hätte mich lautstark mit durchaus abwertend gemeinten Formulierungen wie »Affen«, »Wilde«, »Hottentotten« und »Negermusik« konfrontiert, und ich wäre meinerseits ebenso auf die Palme gegangen. Solche Auseinandersetzungen hatten sich erfahrungsgemäß als überaus unproduktiv erwiesen. Irgendwann ließ ich’s einfach.

Foto 5: »Hottentottenmusik!«

Immerhin trennten uns 50 Jahre – quasi zwei Generationen, die sich schwerlich überbrücken ließen. Willi und Erna waren genaugenommen meine Großeltern, die mich in zartem Kindesalter adoptiert hatten.

Zu jener Zeit wohnte die kleine Familie im ehemaligen Dülmener Bahnhofsgebäude – ein architektonisch durchaus nicht uninteressanter Bau aus braunem Backstein, der zu einem Wohnhaus für fünf Eisenbahnerfamilien umgebaut worden war.

Foto 5a: Der alte Bahnhof

Zur Kindheit im Alten Bahnhof s. auch »Das waren Zeiten! Dülmen in Geschichten und Bildern aus 60 Jahren«, Norderstedt 2018, BoD

Wir Jugendlichen kämpften damals ja nicht nur darum, unsere Musik hören zu dürfen – da waren ja auch noch die Haare und das Outfit. Ich hatte weißgott keine Mähne. Nicht mal im Ansatz. Dennoch konnte der alte Willi nicht umhin, unserem gemeinsamen Friseur eine Weisung hinsichtlich der gewünschten Haartracht seines Sprösslings anheim zu geben: hinten so gut wie gar nichts, an den Seiten auch nicht viel mehr, vorne darf’s ruhig ein bisschen länger sein. Das wird dann vom Scheitel zur Seite gekämmt. Diese Beschreibung trifft auch auf Hitlers Haarschnitt zu.

Jedenfalls saß ich in dem hydraulisch höhenverstellbaren Barbierstuhl, ahnte schon Schreckliches, aber da war es schon zu spät. Der Friseursalon, ganz in der Nähe meiner einstigen »Volksschule«, hatte einen Kunden verloren, denn ich wechselte zu einem Salon in der Innenstadt, wo ich den ausschweifenden Erzählungen der frisierenden Brüder Karl-Heinz und Rudi von der Teilnahme an internationalen Haarschneidemeisterschaften in Hamburg, Lüttich oder Prag lauschte. Karl-Heinz kündigte seine Berichte meist folgendermaßen an: »Also in Mailand konnte man auch schon mal besser parken …« Von nun an trug ich keinen Fasson-Schnitt mehr, sondern einen sogenannten »Rundschnitt«. Dabei wurde der Nacken nicht ausrasiert, sondern die Haare am Hinterkopf reichten immerhin bis zur Unterkante der Ohren herab. Kurz vor dem Friseurtermin umspielten sie sogar den Hemdkragen. Immerhin ein kleiner Fortschritt …

Den damaligen Frontman der Yankees, Frankie Bartelt, habe ich später mal während meiner Zeit als Taxifahrer im südbadischen Emmendingen getroffen. Ebenso wie mich hatte ihn der Arbeitsmarkt in den Süden verschlagen. (Oder war’s die Liebe?) Auch hier hatte er Musik gemacht und als »Frankie der Yankee« CDs mit eigenen Titeln auf den Markt geworfen: »Arbeitslosenblues«, »Smog-Alarm«, »Am Arsch vorbei« und »Emmendingen«. Ansonsten hatte Frankie sich der Malerei zugewandt. Nach einer Ausstellung seiner Werke in der Emmendinger Kreissparkasse hatte ihn ein Wirt aus dem benachbarten Malterdingen damit beauftragt, einige Wände in seinem neueröffneten Bistro mit »italienischen Landschaftsmotiven« zu gestalten. Ich habe mir Frankies Wandmalerei mal angesehen, als mich ein Auftrag der Taxi-Zentrale nach Malterdingen führte, und ich war beeindruckt.

Frankie ist mittlerweile Rentner. Ein kleines Zubrot verschaffen ihm die Tantiemen für den Titel »Halbstark«, der unter anderem von den »Toten Hosen« gecovert wurde. Natürlich war er auch 2015 bei den Feierlichkeiten anlässlich des Jubiläums »50 Jahre Beat-Club« mit von der Partie. Als nächstes bereitete er eine Ausstellung mit Miniaturmalereien in einer Emmendinger Sparkassen-Filiale vor.

Foto 6: Frankie 3. v. li. und die Toten Hosen

Bei Gigs unseres Klassenkameraden Uli Backmann und seinen »Firestones« aus der Nachbarstadt Haltern kam man in Berührung mit härteren, rockigen Titeln wie »Satisfaction« und »Bye bye Johnny« von den Stones oder »Sweet little Sixteen« von Chuck Berry, doch gleichermaßen wurde uns klar: von der Gründung einer Band waren wir noch weit entfernt. Wie kriegten die angesagten Bands das nur hin? Verstärker waren doch teuer, ganz zu schweigen von E-Gitarren, Bass, Schlagzeug. Gern hätte ich gewusst, woher sie ihr Equipment hatten. Waren da etwa tolerantere, freigiebigere Eltern im Spiel? Eigentlich kaum vorstellbar in jenen Jahren. Uli Backmann erzählte mir später, er und seine Bandmitglieder hätten sich jeden Teil des Equipments quasi vom Munde abgespart. Er selbst hatte in den Ferien bei der Stadt Haltern im Rahmen der »Grünflächepflege« gearbeitet. Eines Tages wollte Uli mich zuhause besuchen und klingelte nichtsahnend. Mein Vater riss vehement das Küchenfenster im ersten Stock auf, wollte erst mal schauen wer die Familie zu behelligen gedachte, und rief »Ja?«. Uli schaute hinauf und fragte »Is’ der Willi da?« Mein Vater konterte mit der Gegenfrage »Hat Dein Friseur Urlaub?«, schloss das Fenster und ließ den Klassenkameraden ohne weiteren Kommentar draußen stehen.

Foto 7: Die Firestones in den 60er Jahren; re.hint.: Bassist Uli Backmann

Foto 8: Bassist Uli, April 1969

1968 stieß der Dülmener Dietmar Skaliks als Sänger zu den Firestones. Er ist heute geschäftsführender Gesellschafter der Firma »D. Skaliks Stahlhandel« in Neuss. Uli Backmann, mittlerweile Rentner, hat sich der westfälischen Heimat- und Kulturgeschichte verschrieben. Er gibt das Halterner Jahrbuch heraus, ist aktiv im Westfälischen Heimatbund und betreut die plattdeutsche Theaterbühne im Nachbarort Dülmen.

Foto 8a: Firestones 1968. Ganz oben Sänger Dietmar Skaliks

Unser – also Hans-Dieters und mein – Instrumentarium beschränkte sich nach wie vor auf zwei Wandergitarren. Nun gut – ich hatte mir von den Geldgeschenken zur Konfirmation eine Art »Heimorgel« zugelegt, aber die wurde von einem Luftgebläse betrieben, das beinahe lauter war als die erzeugten Töne. Klang eher wie ein Staubsauger mit leiser Musikuntermalung oder so, als würde man einen Laubbläser an eine Mundhamonika halten. Und unterschiedliche Klänge wie bei einer Hammond-Orgel konnte man ihr auch nicht entlocken. Irgendwie klang es immer nach einem Akkordeon mit übermäßigen Nebengeräuschen. Das Ding brachte uns also auch nicht weiter. Ein einziges Mal kam es bei einem Auftritt mit Hans-Dieter auf einer Mittelstufen-Fete im evangelischen Gemeindezentrum zum Einsatz. Ich glaube, es war der Bob-Dylan-Titel »You ain’t going nowhere«, vielleicht auch »I’ll be your baby tonight«.

Jedenfalls beschlossen Hans-Dieter und ich: erstmal sind wir ein Folk-Duo: »Patrick & Gibson«. Unsere Vorbilder: Joan Baez, Bob Dylan, Donovan, Pete Seeger, Woody und Arlo Guthrie. Da kamen auch die Zupftechniken aus dem Gitarrenkurs in der Mütterschule wieder zum Einsatz. Doch ließ sich schon in jener Zeit Bob Dylan längst von einer Rockband mit dem Gitarristen Mike Bloomfield und dem Keyboarder Al Cooper begleiten – sehr zum Ärger der puristischen Folkfans. Seine gemeinsamen Auftritte mit Joan Baez waren Vergangenheit. Zu »Like a Rolling Stone« oder »Highway 61« passte ihr fast schon klassisch anmutender Mezzo-Sopran nun wirklich nicht.

Foto 9: Wir sind erst mal ein Folk-Duo

Zu jener Zeit standen wir nachmittags oft bei »Tschibo« an der Einmündung der Coesfelder in die Münster-Straße und beobachteten, wie schräg gegenüber die Typen vom »Lewis-Club Elvis« auf ihren Kreidler-Florett-Mopeds am Metropol-Kino vorfuhren. Dort kämmten sie erst mal geradezu theatralisch ihre Haare: an den Seiten nach hinten, wo sie dann zum sogenannten »Entenschwanz« ineinander griffen. An der Stirn wurden sie dann leicht hinuntergedrückt, wodurch die unabdingbare »Elvis-Tolle« entstand.

Und dann die unvergleichliche Art zu rauchen: die »Fluppe« mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger Richtung Handinnenfläche gerichtet, so auch zur Inhalation an die Lippen geführt und schließlich die Kippe in hohem Bogen mit dem Mittelfinger fortgeschnippt. Dann wieder der obligatorische Griff zum meist metallenen Kamm.

Immer wieder parodierten wir dieses Verhalten. Ich hatte mir dafür sogar einen silberfarbenen Metallkamm zulegt. Aber das taten wir nur, wenn kein Elvis-Jünger in Sichtweite war. Denn – so wurde gewarnt – leg Dich nie mit einem von denen an. Die mögen zwar nur Jeansjacken tragen und auf popeligen Mopeds daherkommen, aber ein Anruf in Selm oder Bork – fast schon im Ruhrpott – genügt, dann setzen sich die richtigen Rocker in Bewegung: in Lederkluft, auf schweren Motorrädern, mit Fahrradketten und Schlagringen. Schien mir übertrieben, aber man weiß ja nie …