Musikalische Formen - Marie-Agnes Dittrich - E-Book

Musikalische Formen E-Book

Marie-Agnes Dittrich

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Beschreibung

Hauptbeschreibung Dieser Band der Reihe "Bärenreiter Basiswissen" grenzt sich von den gängigen schematischen Formen-Lehren ab, ist methodisch innovativ und anregend und bietet neue, bewegliche Perspektiven auf die Musik. Form wird hier als Vielfalt musikalischer Gestaltungsmöglichkeiten statt als Erfüllung eindeutiger Prinzipien erläutert und gelehrt. Das Buch zeigt grundlegende Formbildungen unter den vier Blickwinkeln Bogen, Pfeil, Kreis und Kaleidoskop: - Im Kapitel Bogen geht es um Formen, die eine Idee präsentieren und sie nach Zwischen- oder Kontrastteilen wiederholen, z.B. Reprisenformen, Arien, Sonatensatz, Rondo etc. - Mit Pfeilen lassen sich Formbildungen vergleichen, die die Rückkehr zu einem Anfang vermeiden und in ständiger Entwicklung weiterdrängen, z.B. Expositionen, Ouvertüren, Barformen, Opernszenen oder Lutoslawskis Formgebungen etc. - Wie eine in sich selbst kreisende Klangfläche kann Musik wirken, wenn sie durch fortwährende Wiederholungen bestimmter Elemente den Zeitverlauf scheinbar stillstehen lässt, z.B. Ostinati, Klangflächen, Minimal Music etc. - Wenn sie wiederholte Elemente immer wieder neu kombiniert, ähnelt sie einem Kaleidoskop, z.B. Isorhythmie, Aleatorik, Strawinskys Formideen, Mosaike. In den Einleitungen zu den vier Hauptkapiteln werden die Grundzüge der Formbildung dargestellt, die dann anschließend aufgefächert und anhand vieler Beispiele verständlich gemacht werden. Deutlich wird auch, dass Form außer durch Harmonik und Thematik auch durch andere Mittel wie Lautstärke, Tonmaterial, Klangfarbe, Rhythmus, Reihenbildung usw. gebildet werden kann. Die Vokal- und Instrumentalmusik vom späten Mittelalter bis zur neuen Musik wird, auch mithilfe vieler Notenbeispiele und leicht zu erfassender Grafiken, erklärt. Weiterführende Beispiele regen zur Vertiefung und zum Selbststudium an. Der Band ist wie die anderen Basiswissen-Bände geeignet für das Selbststudium, den Unterricht an Hochschulen und Universitäten und für Leistungskurse Musik.

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Seitenzahl: 172

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Bärenreiter BasiswissenHerausgegeben vonSilke Leopold und Jutta Schmoll-Barthel
Bärenreiter Kassel Basel London  New York PrahaMarie-Agnes DittrichMusikalische Formen20 Möglichkeiten, die man kennen sollte
Gefördert durch die Landgraf-Moritz-Stiftung, KasselBibliograsche Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliograe; detaillierte bibliograsche Daten sind im Internet über www.dnb.deabrufbar.eBook-Version 2014© 2011 Bärenreiter-Verlag Karl Vötterle GmbH & Co. KG, KasselUmschlaggestaltung:+  Lektorat: Jutta Schmoll-BarthelKorrektur: Caren Benischek, HeidelbergNotensatz: Joachim Linckelmann, MerzhausenInnengestaltung und Satz: Dorothea Willerding978-3-7618-7001-3101-03www.baerenreiter.comeBook-Produktion: rombach digitale manufaktur, FreiburgDiether de la Motte in dankbarer ErinnerungDie Bände dieser Reihe: Grundwortschatz Musik · 55 Begriffe, die man kennen solltevon Marie-Agnes DittrichMusikalische Meilensteine · 111 Werke, die man kennen sollte2 Bände · vonSilke Leopold, Dorothea Redepenning und Joachim SteinheuerMusik und Bibel · 111 Figuren und Motive, Themen und TexteBand 1: Altes Testament· Band 2: Neues Testament· von omas SchippergesMusikalische Formen · 20 Möglichkeiten, die man kennen solltevon Marie-Agnes DittrichKlaviermusik · 55 Begriffe, die man kennen solltevon Annegret Huber
In dem Meer der Informationen, die das Internet,die Enzy -klopädien, die wissenschaliche Spezialliteratur bereitstel len, fehlt vorallem eines: Orientierung. Woanfangen,woraufaufbauen? Welche Begrie muss ich kennen, um zu nden, wonach ich suche? Welche historischen und kulturellenGrund-lagen helfen mir, das schier unendliche Universum der Musikbesser zu verstehen? Was muss ich wissen und kennen,um zu neuen, unbekannten Ufern aufbrechen zu können? Bärenreiter Basiswissengibt auf diese Fragen Antworten.Die Bände sind Navigationsinstrumente: Sie helfen, sich in der Flut der verfügbaren Materialien zurechtzunden und Pöcke einzuschlagen,auf denen später Wissensgebäude errichtet wer den können. Sie vermitteln Grundlagenwissen und geben Tipps für die Erweiterungdes Bildungshorizonts. Komplexes Wissen wird knapp, aber fundiert zusammengefasst. Die Bücher sind für Musikinteressierte jeden Alters geschrie-ben, vor allem aber für Schüler und Studierende, die trotz verkürzter Ausbildungszeiten solidesBasiswissen erwerben wollen. Sie erleichterndas Hören, Lesen, Studieren und Ver-stehen von Musik.Die eBook-Versionbietet neben denüblichen Verlinkungenvon Inhaltsverzeichnis und Querverweisen auch Verweise auf andere Bände der Reihe BärenreiterBasiswissen; sie sind mit und Band und Seitenzahl gekennzeichnet.Bärenreiter BasiswissenEin Navigator durch die Wissenslandschaft
InhaltEinleitung8Zu den Illustrationen 10Bogen 121 Einfache Reprisenformen 152 Arien 203 Sonatensätze244 Rondos 285 Vivaldis Konzertsätze 33Pfeil 376 Einleitungen 387 Expositionen 418 Dramatische Eskalation 459 Barformen 4910 Lutosławskis Steigerungsformen 53Kreis 5811 Ostinati5912 Aufgehobene Zeit 6413 Klangflächen 6614 Minimal Music 70Kaleidoskop 7315 Isorhythmie 7416 Kom-ponieren 7817 Strawinsky 8218 Reihentechniken 8519 Aleatorik 8720 Polystilistik 90Werkregister 93Über die Autorin 98
8Im Deutschen wird der Begri »Musik« vorwiegend im Singu-lar gebraucht,obwohl es zahlreiche verschiedene Musikarten und Musikkulturen gibt. Sie haben so unterschiedliche For-men hervorgebracht, dass sieheute weniger denn je in einer einzigen Formenlehredargestellt werden könnten.Ohnehin sind musikalische Formen nichtnur objektiv gegeben und mit der richtigen Lehre eindeutig zu erkennen. Sie entstehen auchin uns, denn wie siewirken, hängt von unseren individuellen Erfahrungen ab, vor derenHintergrund wir das Neue und das Wiedergehörte deuten. Dieses Buch solldaher keine Theoriemit allgemeingültigen Erkenntnissen und auch keine umfassende Formenlehreauf der Grundlage einer ausgefeilten Methode präsentieren; es soll vielmehrwesentliche musikalische Gestaltbildun-gendarstellen.Obwohlsie auch in anderen Musikkulturen und Musikarten vorkommen, stammen die Beispiele und die Anmerkungen zu ihrem kulturgeschichtlichen Kontext aus der »westlichen« (d.h. der europäischen und der von Europa geprägten) »E«-Musik. Das Buch zeigt grundlegende Formbildungen aus den vier Blickwinkeln Bogen, Pfeil, Kreis undKaleidoskop. Im Kapi-tel Bogengeht es umFormen, die eine Idee präsentieren und sie nach Zwischen- oder Kontrastteilen wiederholen. MitPfeilenlassen sich Formbildungen vergleichen, die die Rückkehrzu einem Anfang vermeiden und in ständiger Entwicklung weiter-drängen. Wieeine in sich selbst kreisende Klangächekann Musikwirken, wenn sie durch fortwährende Wiederholungen bestimmter Elemente den Zeitverlauf unwichtig werden oder scheinbarstillstehen lässt. Wenn sie wiederholte Elemente im-mer wieder neu kombiniert, ähnelt sie einem Kaleidoskop.Allerdings behandeln diese vier Aspekte keineswegs jede wich-tige Form, und kaum eine lässt sich aus diesen Blickwinkeln EinleitungDiese Formaspekte unterscheiden sich vor allem durch die Vorliebe für oder die Vermeidung von Wiederholungen, also durch ihr Verhältnis zur Zeit.
9im Ganzen erfassen.Fastjede Form könnte auch aus einer anderen Perspektive betrachtet werden.Wenn also unter dem Aspekt»Bogen« die Sonatenform erwähnt wird,bedeutet das nicht,dass sie nichtauch unter »Pfeil« zur Sprache kom-men könnte. Die aus einem gewählten Blickwinkel beobachte-ten Formbildungen sind auch in der Regel nichtmiteinander verwandt:Obwohlseit dem späten 18. Jahrhundert neben die »Bögen« immer häuger »Pfeile« traten, haben sich die unter »Pfeil« betrachteten Formaspekte nicht unbedingt aus »Bögen« entwickelt. AuchRondos (ABACA) müssen nichtals Erweite-rung aus einer einfacheren ABA-Form hervorgehen. Dennoch ist es praktisch, beide Form typen unter dem gemeinsamen Aspekt der Wiederholung (unter »Bogen«) zu besprechen.Ein Verweissystemmacht das Aufnden wichtiger Infor-mationen auch über die einzelnen Kapitel hinaus leicht:Verweise zum Basiswissen »Grundwortschatz Musik«:GWmit SeitenzahlVerweise zum Basiswissen »Musikalische Meilensteine«: MSt mit SeitenzahlVerweise innerhalb dieses Buches sind verlinkt.Alle Graken kann man in vergrößerter Formauf der Bären-reiter-Homepage (im Shop unter den speziellen Informationen zu diesem Buch, darin in der Rubrik »Ergänzende Materia-lien«) anschauen.* * *JuttaSchmoll-Barthelund Dorothea Willerding sei für die er-freuliche Zusammenarbeit, ihren Ratund ihre mannigfache Hilfe ganz herzlich gedankt.Diether de la Motte hat sich darüber gefreut, dass ihm dieses Buch gewidmet werden sollte, und konnte die ersten Ideen dazu noch mit seinem freundlichen Interesse begleiten. Essei seinem Andenken zugeeignet.Musikalische Form kann durch die Gattung vorgegeben sein, z. B.im Solokonzertdurch das Verhältnis eines Instruments zum Orchester.Aber jedes einzelne Werk hat auch eine individuelle Form, die es von anderen derselben Gattung unterscheidet.
10Die Graken, die die Notenbeispiele ersetzen oder ergänzen, geben die Musik oder das Partiturbild nichtgenauer wieder als eine Wanderkarte die Landscha. Dennoch bieten auch sie durch die grobe Vereinfachung eine Orientierung. Wenn nicht anders angegeben, zeigen bei den Formübersichtendie Farbfüllungen Haupt- und Kontrasttonarten, die Rahmen Haupt- und Kontrastthemen an.Völlig konsequentkönnen die Graken aber nicht sein, wenn sie übersichtlich bleiben sollen. Wie bei einem Globusim Ver-hältnis zum Stadtplanhängt die Genauigkeit vom Zweck ab. Grundsätzlich sind die Graken so einfach wie möglich gestal-tet, um nur das jeweils Gemeintezu verdeutlichen. Wenn es um die Unterscheidung eines bestimmten Halbschlusses von einem Ganzschluss geht,ist nur dieseeine Dominante, und nicht jede andere,farblich abgesetzt.In Sonatensätzen ist eine ganze Sektion (der Hauptsatz)blau,obwohl natürlich nicht ununterbrochen die Tonika zu hören ist;ihren Zweck, nämlich verschiedene Großformen des Sonatensatzesanzu-deuten, erfüllen diese groben Übersichten aber trotzdem.Die Wellenformenbilden Lautstärkeveränderungenim Verlauf einesStücks ab. Sie zeigenaber nichtdie Komposition, sondern nur die Aufnahme einer einzigen Interpretation. Dennoch sind Wellenformdarstellungen nützlich. Sie geben (wie ein Blick aus dem Flugzeug) immerhin einen Überblick: eine Vorstellung vom Gesamtverlauf eines Satzes oder sogar mehrerer Sätze (in dieser einen Interpretation). Ein Klang nimmt umsomehr Raum in der Vertikalen ein, je lauter er ist; je längerer dauert, destoweiter erstreckter sich in der Horizontalen. Je steiler die Ausschläge,desto schneller ändert sich die Lautstärke; Crescendi zeigen sich durch allmähliche Verbreiterungen. Wellenform-Darstellungen eignen sich be-sonders für kontrastreiche Musik.Zu den IllustrationenVollständige Notenbeispiele lässt der Umfang dieses Buches kaum zu, aber alle hier besprochenen Stücke sindleicht zugänglich.
11Spektrogrammekönnen wie ein Mikroskopwinzige Aus-schnitte im Detailund damit auch subtile Schattierungen (besonders der Klangfarbe) zeigen, die aus der Notenschri so genau nicht ablesbar wären. Denn die Klangfarbewird nicht nur von den notierten Grund-, sondernauch von den Obertönen bestimmt. Hier sieht man zweimal die gleiche Passage einer Komposition von Brahms: die Mitte der ersten der Variationenüber ein ema von Joseph Haydn. In beiden Fällen wird die rechte Bildseite vonDunkelgraudominiert. Etwa in der Bildmitte ist es heller, und links davon siehtman in beiden Spektrogrammen wieder eine dunkelgraue Partie, in der kurze, noch dunklereLinien wie Treppenstufen nach oben und unten auseinander streben (etwa wie eine Cre-scendo-Gabel). Dies sind die Achtelgurationen ( vorwiegend Arpeggi) abT.41. Inder Fassung für Orchester (links) spielen sie die Streicher;sie produzieren mehr Töne und Obertöne, also mehreredieser »Treppenstufen«. Auf beiden Bildern kom-men (von links auf hellerem Hintergrund) parallele dunkle horizontale Linien hinzu. Inder Orchesterfassung sind dies Hörnerund Trompetenab T.40. Ihr Oktavunisono ergibt in der Klavierfassung ebenfalls parallele Linien, die sich aber weniger stark von den Achtelguren abheben als die Bläser von den Streichern in der Orchesterfassung.Bei sehrgenauer Einstellungerscheinen kurze einzelne Töne und Obertöne in Formvon Punkten, längere als Striche und Linien; bei gröberer Einstellung verschwimmen die Punkte zu Linien oder Flecken.
12
Bogen
Unterdem Begri»Bogen« werden hier Formbildungen be-handelt,bei denen es eine Rückkehr (nach dem Muster ABA) gibt, die im Unterschied zu den Wiederholungen in den un-ter »Kreis« betrachteten Formen als Ziel einer Entwicklung empfunden wird.Meist geht es dabei um die Haupttonartbzw.die I.Stufe, die im Verlauf des Stücks (oder einer Pas-sage)geschwächt oder verlassen und schließlich wieder er-reicht wird.In tonaler Musik ist dies eine elementare Struktur. Sie ist auf allen Ebenen wirksam: im Großen mit der äußeren Form eines mehrsätzigen Werks (wenn der erste und der letzte Satz in der Haupt- und der mittlere in einer Kontrasttonart stehen); bei der Anlage einzelner Sätze (mit der Haupttonartam An-fang und am Ende); im Kleinen ist sie (z.B. als I–V–I) sogar in emen erkennbar – aber schon dort sehr variabel. Die Farbverläufe deuten an, wie verschieden Haydn zwei Melo-dien trotz ihrer gleichen Struktur (4+4Takte mit Halb- und Ganzschluss) harmonisiert:Blau: I. Stufe (oder Haupttonart), grau: V.Stufe (oder Kontrasttonart)Beide Themen bilden mit zwei melodisch ähnlichen Teilen mit Halb bzw.Ganzschluss eine »Periode«.Haydn, Sonate in C-Dur,Hob.XVI : (), . Satz, T.–Haydn, Sinfonie Nr.  (), . Satz, T.–
13Der große Vorteil dieser einfachen Formung ist, dasssie deutlich die Zeit strukturiert: Sie verweist nämlich auf An-fang (mit der Haupttonartbzw.der Tonika), Fortsetzung oder Mitte (wenn sie geschwächtoder verlassen wurde)und Schluss (durch ihreWiederkehr und Stabilisierung). Sie funktioniert also ähnlich wie die Syntaxeiner Sprache; nach einer ande-ren Harmonie oder Tonart musses noch weitergehen, ebenso wie nach einem »und« in einem Satz.Die Wiederkehr der Haupttonartlässt sich miteinem Punkt amSatzende verglei-chen. Damitist ein Sinnzusammenhang abgeschlossen. Und ebenso wie danach trotzdem noch etwas folgen kann, kön-nen auch wieder andere Tonarten oder Harmonien auftreten, sodass im Kleinen wie im Großen mehrere Wiederholungen oder Bögen möglich sind.Dieser harmonischeWeg ist o mitThemengekoppelt: Mitder Haupttonartverschwindet das Hauptthema, und es kehrt auch gleichzeitig mitihr zurück. Eine solche harmonisch-thematische Wiederholung wird als »Reprise« bezeichnet.RepriseReprisen in diesem Sinn gelten als struktur- oder formbil-dend. Das bedeutet, dass sie wichtige Ereignissesind. O werden Reprisen vorbereitet und mit Spannung erwartet.Vonformbildenden Reprisen muss man andere Wiederholun-gen unterscheiden, die verwirrenderweise o ebenfalls »Re-prisen« genannt werden, denn das Wort kann im weiteren Sinn jeden Formteilmeinen, der tongetreu oder variiert wie-derholt werden soll. Solche »nicht formbildenden« Wieder-holungen sind außerordentlich häug.Die oben angedeutete Reprisenform kann also auch so gemeint sein:RepriseRepriseTypische Vorbereitung einer Reprise: eine ausgedehnte Dominantphase zuvor, z. B.am Ende einer Durchführung im Sonatensatz
14oder so: RepriseOb Wiederholungen als a)strukturbestimmend,d. h. als Re-prise im engeren Sinn, empfunden werden oder b)als nichtformbildend, aber doch wesentlich oder c)nur als Zeitver-schwendung,ist den Noten allein nicht anzusehen, sondernhängt vom Zweck der Musik, von der Aufführungspraxis und vom Verhältnis einer Kultur zur Zeit (siehe Kasten S.15) ab.Viele Wiederholungsformen werden in Lehrbüchernmit der Chire ABAangedeutet. Daswirkt übersichtlich, ist aber nicht hilfreicher als der Begri Vierbeiner für Krokodile und Mäuse, denn ABA kann wiederholteFormteile, Harmonien, emen, vorstrukturierte Materialien oder alles zusammen bezeichnen und lässt sich auf einfachste Tänzchen und groß dimensio-nierte Arien oder Sinfoniesätze anwenden.Umdie Verwirrung noch größer zu machen: Mitdieser Chire sindmanchmal nicht nur drei-, sondern auchzweiteilige Formen gemeint,die im zweiten Teil eine Wiederholung enthalten.Eine Scheinreprisespielt mitder Erwartung, dass, wer AB gesagt hat, auch wieder A sagen wird. Ander Stelle,wo die Reprise erwartet wird,täuscht der Anfang des emas sie nur vor;tatsächlich wirdaber der B-Teil verlängert und führt erst etwas später in die echte Reprise, z.B. bei Mozart, Klavier sonate KV 283(189h), 2. Satz (Scheinreprise Mitte T.18), Reprise T.24; Haydn, SinfonieNr.96, 1. Satz, Scheinreprise T.132,Reprise T.154.Manchmalbleibt das Versprechen einer Reprise aber auch uneingelöst, wie im Menuett von Mozarts Sinfonie in g-Moll, KV550, in dem die Haupttonartohne vollständige thematische Reprise(die man in T.28 und T.37 erwarten würde) stabilisiert wird.Der Begri »Ritornell«bedeutet ebenfalls Wiederkehr und bezeichnet mehrmals wiederholte Formteile,die in einfachen Fällen unverändert bleiben.Aber selbst wenn sie harmonischWiederholungen werdenoft – in Europa besonders in älterer Musik – mit Verzierungen variiert, vonderen Gelingen es natürlich abhängt, ob eine Wiederholung als wesentlich empfunden wird. GW40, GW74