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Kurze Impulse, Andachten und persönliche Erlebnisse aus dem Leben eines Clowns. Geschichten von großen Träumen und kleinen Erfolgen, vom Stolpern und wieder aufstehen, von Versöhnung und Hoffnung und von mutigen Kindern mit und ohne Handicap. Eine Einladung, die Welt mit einem Schmunzeln ganz neu zu betrachten. Die kleinen Episoden sind gerahmt mit mutmachenden Versen aus der Bibel und Zitaten großer Persönlichkeiten.
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Seitenzahl: 47
Veröffentlichungsjahr: 2022
Mein Zirkus – meine Affen
Die Nummer mit dem Trampolin
Achterbahn fahren
Was willst du mal werden?
Was ist schon normal?
Die leckerste Pizza
Die Fahrradkette
Geduld haben
Ein Vater mit viel Zeit
Allezeit fröhlich
Ein echter Mensch
Gemeinsam ein Brot essen
Der bunte Mantel
Trösten wie eine Mutter
Alter ist relativ
An die Nieren
Heitere Gelassenheit
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge
Erlaubte Hilfsmittel
Unterschätzt
Macht euch keine Sorgen
“
Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
REINHOLD NIEBUHR
Wenn ich mich umsehe in der Welt, lande ich schnell beim polnischen Sprichwort »Nicht mein Zirkus – nicht meine Affen«. Ich kann und will mich nicht um alles kümmern. Es gibt so vieles, auf das ich keinen Einfluss habe und wo nur Gelassenheit weiterhilft.
Aber es gibt auch viele Bereiche, in denen ich sehr wohl etwas bewegen kann. Mein direktes Umfeld, meine Familie, meine Nachbarn, Menschen in unserem Ort und solche, die gerade erst ankommen, weil sie woanders nicht bleiben konnten. Da werde ich täglich herausgefordert, die Welt ein Stückchen besser zu machen.
Es ist mutig, sich einzumischen, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Es ist mutig, zu zeigen, was man kann. Es braucht Mut, um Ängste vor Mitmenschen zu überwinden, Barrieren abzubauen oder auch um Hilfe zu bitten.
Im Zirkus packen alle mit an, es gibt nicht nur die »Stars in der Manege«. Es geht ums Mitmachen und ums Mutmachen. Da, wo ich bin, oder wo Gott, der Direktor, mich hingestellt hat, möchte ich mich einbringen und anderen Mut machen, ihren Teil beizutragen.
Manege frei im Mutmachzirkus!
Benji Wiebe
Ich bin ein großer Fan von Zirkuspädagogik. Es ist einfach etwas Besonderes, wenn Kinder ganz andere Seiten an sich entdecken und ausprobieren und zusammen mit anderen an Zirkusnummern und einer Abschlussvorstellung arbeiten. Und so gestalte ich Kinderzirkustage und habe schon öfter bei mehrtägigen Zirkusfreizeiten mitgearbeitet.
Es ist mir immer ein großes Anliegen, dass jedes Kind etwas findet, mit dem es am Ende auftreten kann. Etwas, das es besonders gut kann oder auch etwas, das es in den wenigen Tagen so einer Zirkusfreizeit neu erlernt hat.
Und dann kam Benjamin. Auf dem Anmeldezettel stand etwas von einer spastischen Lähmung und dass er für alles, was über ein paar Schritte hinausgeht, einen Rollstuhl benötigt. Nicht gerade ideale Voraussetzungen für eine Zeltfreizeit mit Schwerpunkt Zirkus. Und doch nahmen wir als Team die Herausforderung an und bemühten uns, das Freizeitprogramm so barrierefrei wie möglich zu planen. Wir hofften auch, dass die gemeinsame Zirkusarbeit ihre integrative Kraft entfalten und die anderen Kinder sich auf die Begegnung einlassen würden.
Im Vorfeld machte ich mir einige Gedanken, mit welcher Nummer Benjamin am Ende wohl in der Manege stehen könnte. Vielleicht mit einem Zaubertrick? Aber mit dem, was dann geschah, hatte ich nicht gerechnet.
Beim Aufwärmen machten wir immer ein kleines Zirkeltraining, an dessen Ende ein Sprung auf dem Trampolin stand. Bald war klar, dass es bei der Vorstellung auch eine Trampolinnummer geben sollte. Als sich die Kinder festlegen durften, bei welchen Nummern sie dabei sein wollten, meldeten sich die meisten beim Trampolin – auch Benjamin.
Anfangs hatte ich so meine Zweifel, aber die Kinder sahen überhaupt kein Problem. Und so wurde geplant und geprobt und dann kam der große Auftritt. Die Eltern wollten es erst gar nicht glauben, als ihnen Benjamin vor der Vorstellung zuflüsterte, bei welcher Nummer er dabei war. Und dann war es so weit.
Eine wilde Kindergruppe tollte durch den Raum und vollführte große Sprünge. Und dann wurde es ganz ruhig, als Benjamin in seinem ganz eigenen Tempo auf das Trampolin zuging, hochkletterte, hüpfte, und sich dann mit Schwung auf die Weichbodenmatte fallen ließ. Großer Jubel und Applaus im Publikum.
Ich konnte nur staunen und mich freuen. Ich freute mich über die Eltern, die uns ihr besonderes Kind anvertrauten. Ich staunte über die Kinder, die ihn einfach integrierten und es für ganz normal hielten, dass im Zirkus jeder so mitmachen darf, wie er möchte. Und ich war ein bisschen stolz auf Benjamin, der sich nicht mit einem kleinen Zaubertrick abgab, sondern mittendrin war im Geschehen und ganz selbstverständlich und mutig seinen Platz beanspruchte.
“
Niemand weiß, was er kann, bevor er’s versucht.
PUBLILIUS SYRUS
Seid mutig und seid stark! Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen!
1. KORINTHER 16,13-14
Für meinen großen Sohn ist »Achterbahn fahren« schon immer ein Ausdruck von Lebensfreude. Und selbst wenn ihm wie anderen Kindern das Warten manchmal schwerfällt, eine Dreiviertelstunde anstehen vor einer rasanten Fahrt scheint ihm überhaupt nichts auszumachen. Er freut sich auf den Nervenkitzel. Und in jedem Freizeitpark findet er gleich heraus, welche die größte und schnellste Bahn ist, mit der er fahren darf.
Und plötzlich, mit etwa acht Jahren, bekommt er Probleme mit dem Kreislauf. Das Kind wird blass und kippt um. Es dauert oft nur Sekunden, dann geht es wieder weiter, aber wir sind alarmiert. Die Ärzte suchen nach Ursachen, vermuten zunächst eine Epilepsie und diagnostizieren dann eine Herzrhythmusstörung. Innerhalb weniger Tage bekommt er einen Termin in der Uniklinik und soll einen Herzschrittmacher erhalten.
Bis dahin soll er das Bett hüten. Und vor allem der Tag vor der OP zieht sich wie Kaugummi. Gleich neben der Klinik befindet sich ein großer Spielplatz, auf dem Kinder toben und tollen. Mein Kind schaut sehnsüchtig aus dem Fenster, will sich bewegen, will was erleben.