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Zehn Jahre sind seit Kirsten Fuchs' letztem Band mit lustigen Geschichten vergangen, und seitdem hat sich einiges getan. Sie ist älter geworden und noch witziger. Der Mensch ist weiterhin ihr Lieblingstier, auch wenn er zunehmend nervt. Aber irgendwer muss ja daran festhalten, dass wir eigentlich ganz okay sind. In ihren neuen Texten geht es um Kinder und das Mutterdasein, vor allem aber um das merkwürdige Leben dazwischen. Die Meisterin des ernst gemeinten Quatschs schreibt sich durchs Chaos, von Wochenbett zu Wechseljahren – und landet irgendwo zwischen Wahnsinn und Erleuchtung. Ihre Hebamme hat mal gesagt: "Du musst dich öffnen und es zulassen." Das gilt auch für dieses Buch. Lassen Sie es zu. Öffnen Sie es. Und sich. Wie auch immer.
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Seitenzahl: 204
Veröffentlichungsjahr: 2025
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© Verlag Voland & Quist GmbH, Berlin und Dresden 2025
Lektorat: Karina Fenner
Korrektorat: Helge Pfannenschmidt
Umschlaggestaltung: Cindy Schmid
Satz: Fred Uhde
Druck und Bindung: ADverts printing house, Litauen
ISBN 978-3-86391-322-9
eISBN 978-3-86391-464-6
Verlag Voland & Quist GmbH
Gleditschstr. 66
D-10781 Berlin
www.voland-quist.de
Vorwort
Die Banane hat keinen Empfang
Du musst dich öffnen und es zulassen
Jesusi und Susiphos
Was sagt man da?
Wie man ein Kleinkind ins Bett bringt
ES IST MITTAGSRUHE
Herumkäsen
Krasses Zeug
Die kleine Keinekinderauf
Postbank, einer der sieben Köpfe
Jäten ist wie meditieren
Vorsicht, Kante
Einer von beiden hatte seine Periode
Der französische Präsident hat uns lieb
Zähne sind Privatsache
Der deutsche Hausrotschwanz und sein erstes Ei
Steuermann, mein Steuermann
Unsere Romantik ist Humor
Ringlein, Ringlein, du musst wandern
Schleudertrauma
Selbsthilfegruppe »Eltern von Teenagern«
Zwangsgedanken
Geblitzdingst
Mann im Kleid
Ich bin doch eine Maschine, bin kein Mensch aus Fleisch und Blut
Papa Stief
Trödelmarkt
Dixiland und Gewürzzigaretten
Flaschenbürste
Kranksein
Fuck Capitalism
Bambi Gulasch
Hitzewallungen
Meine Großmutter
Ich interessiere mich nicht mehr für den Sinn des Lebens, nur noch für den Unsinn.
Was für ein Genre ist euer Leben?
Mein neues Buch heißt also »Muttermund tut Wahrheit kund«.
Ich habe übrigens zwei Muttermünder, und als wäre das nicht verwirrend genug, ist nur einer davon ein Muttermund, weil ich Mutter geworden bin. Der andere war schon vorher einer. Der Muttermund ist der Eingang zur Gebärmutter. Schon wieder Mutter! Wenn man also Mutter wird, ist man ab da eine Mutter mit einer Mutter drin, in der aber ein Kind ist. Und sowohl an der Mutter als auch an der Mutter in der Mutter ist ein Muttermund.
Krass!
Wenn nun die Mutter in ihrer Mutter ein Kind mit weiblichen Geschlechtsteilen hat, dann ist sogar in der Mutter in der Mutter noch eine Mutter. Und dann sind in oder an diesem Körper vier Münder: ein Muttermund, ein Muttermund, ein Muttermund und ein Kindermund. Halleluja!
Noch dazu habe ich ja selbst eine Mutter. Also für mich ist das Wort »Mutter« schon länger in meinem Leben eher eine Bezeichnung für meine Mutter als für mich als Mutter. Ich habe diese Mutter schließlich von Anfang an. Darum habe ich sogar drei Muttermünder, in dem Fall sogar Müttermünder, weil die Müttermünder auf zwei Mütter verteilt sind, meine und mich.
Überhaupt finde ich es seltsam, dass ein Organ nach einer potenziellen Aufgabe benannt wurde, denn nicht alle mit Gebärmutter werden Mutter. Bei Männern heißt der Hodensack ja auch nicht Vatersack. Wobei der Penis auch manchmal Pullermann genannt wird. Weil man damit pullert. Also da spielt schon die Aufgabe eine Rolle. Aber eigentlich ist es ein Vatermann.
So viel erst mal zur Begriffseinordnung.
In diesem Buch wird es allerdings gar nicht nur um Mütterthemen gehen, dafür interessiere ich mich zu sehr auch für andere Sachen. Ich hoffe, es landet nicht in der Familienecke oder gar bei den Ratgebern. Dann bekomme ich ständig schlechte Bewertungen, weil mein Buch bei Schwangerschaft verschenkt wird und meine Texte so gar nicht hilfreich sind. Das gibt gleich null Sterne.
Weil eines ist sicher: Wer vor der Schwangerschaft nicht so gern gelacht hat, fängt damit in der Schwangerschaft garantiert nicht an. Du bekommst ein Kind, aber keinen Humor.
Na gut, dann werde ich jetzt doch noch schnell hilfreiche Sachen aufschreiben: Herzlichen Glückwunsch zur Schwangerschaft, dem Wunder des Lebens und so weiter.
Hier meine besten Tipps.
Tipps für die Schwangerschaft
Bekomme keinen Schwangerschaftsdiabetes. Das macht keinen Spaß.
Erwarte keinen Sitzplatz in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Verblüffend viele Männer wollten angeblich mal nett sein und haben Schwangeren Sitzplätze angeboten und wurden danach urst doll vermöbelt von Frauen, die nur schwanger aussahen. Also haben sie jetzt Angst und bieten nie wieder einer Frau einen Sitzplatz an. Zumindest behaupten das einige Männer. Wenn du unbedingt einen Sitzplatz willst und sagst, dass du schwanger bist, wirst du erfahren, dass Schwangerschaft keine Krankheit ist und ihre Mütter ja bei laufender Geburt noch einen Traktor gefahren haben. Also kaufe dir einen Traktor. Dann hast du einen Sitzplatz.
Meine These ist, dass mindestens eine der folgenden Sachen echt nicht gut läuft: Schwangerschaft, Geburt oder Stillzeit. Eine Freundin hat mich aber berichtigt. Bei ihr war alles drei scheiße. Beim Fußball heißt das Hattrick. Bei einigen ist sogar die Zeugung nicht schön gewesen. Manchmal sind dann auch die Babys nicht mal völlig unkompliziert.
Wenn du ein unkompliziertes Baby hast, freu dich und rede nicht zu viel mit anderen darüber. Denk dir ein Problem aus, zum Beispiel, dass dein Baby zwar durchschläft, aber in Seitenlage ein pfeifendes Nasenloch hat.
Lass dir nicht einreden, dass du glücklich sein musst. Nicht während der Schwangerschaft, nicht bei der Geburt und nicht mal danach. Das ist ja alles ein ganz schönes Brett. Wir sind ja keine Wildbienen, die kleine Eier in kleine Röhren legen und dann weiter herumfliegen, ohne uns um einen Kitaplatz zu kümmern. Die Fortpflanzung und Aufzucht beim Menschen ist verblüffend aufwendig. Wir sind weit davon entfernt, irgendwo tausend Eier zu verbuddeln und nie wieder nachzusehen. Obwohl … gibt Männer, die machen das so ähnlich.
Tipp für die Geburt
Meine Hebamme hat zu mir gesagt: »Du musst dich öffnen und es zulassen.«
Genau so ist das.
Tipps für danach
Dieselbe Hebamme hat im Geburtsvorbereitungskurs eine Geschichte erzählt, davon, wie sie damals selbst bei einem Geburtsvorbereitungskurs war. Ich halte das eigentlich für eine Legende, aber es ist trotzdem eine schöne Geschichte. Die Paare sollten Bilder malen, wie sie sich die Zukunft mit ihrem Kind vorstellen. Und sie haben schöne, bunte Bilder gemalt, mit Häusern, Gärten, Babys, Fahrrädern, Einbauküchen, was auch immer. Dabei lief die Hebamme herum, malte mit einem Edding in die Bilder und schlug Sachen vor wie »Hier könnte doch ein Fenster sein«, oder »Ein Hund fehlt noch«. Die Paare haben sich darüber geärgert, weil sie sich die Zukunft so schön gemalt hatten und diese Übung ja als Paarübung angekündigt gewesen war. Das war unsensibel von dieser Hebamme. Die ärgerte die Paare noch eine Weile mit ihren Krakeleien und erklärte dann, dass es so ungefähr ist, mit Kindern zu leben.
Ja, was soll ich sagen: Das kommt ungefähr hin.
In diesem Buch steht vielleicht nicht so viel über das Muttersein, wie sich jemand bei dem Titel erhofft hat, aber dafür erstens diese Hebammengeschichte, und zweitens kommt gleich der wichtigste Satz überhaupt. Ich weiß nicht, wo ich ihn herhabe, aber alle, denen ich ihn weitergegeben habe, danken mir bis heute.
Damit ist dieses Buch schon jetzt hilfreicher als fünf Ratgeberbücher zusammen, die diesen Satz nicht enthalten. Und ein Ratgeber würde jetzt noch einhundert Seiten lang schildern, wie die Probleme aussehen, dann einhundert Seiten lang erklären, warum andere Ratgeberbücher nicht funktionieren, noch zwanzig Seiten irgendwelche Schnullilisten zum Ausfüllen anbieten, zu Analyse und Selbsterkenntnis, und dann erst ganz am Ende den einzigen sinnvollen Tipp rausrücken.
Tada! Bei mir kommt der wichtige Tipp gleich im Vorwort. Danach kann jede und jeder, die oder der sich hier Hilfe versprochen hat, glücklich das Buch wegwerfen und mir fünf Sterne geben.
Also, gegen Wutanfälle bei Kindern und überhaupt Streit und Frust usw. hilft ein wunderbarer Satz, und zwar der: »Drück mich mal so doll, wie du wütend bist.«
Bitte schön, gern geschehen.
Auf Paarebene klappt das vermutlich nicht. Da könnte ein »Popp mich so doll, wie du wütend bist« vielleicht helfen, aber das klingt so brutal, also vielleicht ein »Popp mich so gut, wie du wütend bist«.
Am achten Tag erschuf Gott Handyspiele und danach erschuf er eigentlich nichts mehr.
Like die anderen wie dich selbst.
Wochenbericht vom Handy. Nein, es kann nicht sein, dass ich jede Woche 3 Stunden mehr am Handy war, weil inzwischen müsste davon die Woche länger geworden sein.
Moderne Ängste: Es ist Nacht. Du bist im dunklen Park. Jemand entfolgt dir.
Als es passierte, war ich völlig aus der Bahn geworfen. Zwischen Erleuchtung und Wahnsinn, Kontrollverlust und Erlösung. Ich stand auf dem Bürgersteig. Das Auto meines Lesebühnenkollegen Sebastian Lehmann stand an der Ampel, und auf dem Rücksitz lag mein Handy.
Vor 15 Sekunden war ich erst ausgestiegen, aber ich hatte sofort das Gefühl, dass was nicht stimmte. Ich stand nämlich schief. Ich habe ein sehr großes Handy, so groß, dass die Verniedlichung des Wortes nicht angebracht ist. Es ist kein Handy, es ist ein Hand. Ein Hando, ein Handix. Es gehört in meine rechte Manteltasche, denn links ist mein Kaffeepott. Rechte Hosentasche Schlüssel, linke Portemonnaie. So bin ich in Balance. Sonst kommt alles durcheinander, Saturn fallen die Ringe ab, Staubsauger pusten Dreck in die Gegend und Söder tritt freiwillig zurück.
Das Auto von Sebastian fuhr gerade an und ich überlegte loszurennen, aber ich konnte nicht laufen, weil ich ja völlig aus dem Gleichgewicht war ohne Handy. Ich konnte gerade so schief stehen.
Ich wollte Sebastian anrufen, aber haha, Handy. Ich wollte meinen Mann anrufen, damit er Sebastian anruft, aber haha, Handy. Ich überlegte, Sebastian eine E-Mail schreiben, aber haha, Handy. Das Problem, kein Handy zu haben, ließ sich nicht mit dem Handy lösen, offensichtlich, und ohne erst recht nicht. Entweder war ich philosophisch davon so geflasht, dass ich minutenlang einfach erstmal stehen blieb, oder mein Gehirn war mit dem Auto weggefahren.
Ich murmelte »Shit« und »Fuck« und reihte mich damit in die Vielzahl der Menschen ein, die nachts irgendwo in Berlin herumstehen und murmeln und fluchen. Vielleicht hatten all die Menschen auch ihre Handys in Sebastians Auto liegen lassen und waren dann nie wieder klargekommen, hatten den Heimweg nicht gefunden, konnten niemanden anrufen. So schnell konnte es gehen.
Ich versuchte, mich zu konzentrieren. Aha, also in Berlin war ich jedenfalls. Ich wusste die Hausnummer von meinem Haus und meinen Nachnamen: ein Tier. Ein rotes Tier. Eichhörnchen. Aber das müsste ich auch gar nicht wissen. Ich muss ja gar nicht klingeln bei mir, fiel mir ein. Ich habe ja einen Schlüssel. In meiner Tasche. Ich hätte lieber den Schlüssel im Auto liegen lassen. Mit dem kann man nicht so viel machen: auf- und zuschließen. Es gibt ziemlich viele Gegenstände, mit denen man nur ein, zwei Sachen machen kann. Mit dem Handy kann man dagegen alles machen, einfach alles. Ohne Handy kann man also gar nichts machen. Gar nichts.
Gut, konzentriere dich, Kirsten Eichhörnchen, sagte ich zu mir, geh zur Bushaltestelle. Du weißt, wo die ist, auch ohne Handy.
Ich versuchte, zur Bushaltestelle zu laufen, aber weil ich so schief lief, lief ich im Kreis. Ich kramte im Rucksack und fand eine Banane. Mit einer Banane kann man zum Beispiel auch nur zwei Sachen machen: sie essen oder nicht essen. Ich steckte sie in meine rechte Manteltasche und konnte dann gerade laufen. Ich erreichte die Bushaltestelle, schaute auf dem Weg immer wieder auf meine Banane, nur zur Sicherheit, und fluchte dabei, weil die Banane keinen Empfang hatte. Menschen gingen mir aus dem Weg.
An der Bushaltestelle musste ich wie ein Urmensch darauf warten, dass der Bus kommt, ohne in der App nachsehen zu können. Die gedruckten Buspläne sind ja nur Visionen einer besseren Welt, eine Religion eigentlich. Kannst du dran glauben oder nicht.
Ich tippte auf meiner Banane herum und stellte einen Podcast ein. Ich wusste schon, dass das nicht geht, und deswegen musste ich den Podcast selber sprechen. Ich entschied mich für »Hotel Matze« und zufällig war Kirsten Eichhörnchen zu Gast bei Matze, so musste ich nur eine der zwei Stimmen verstellen. Die andere war sowieso meine.
Matze befragte mich sehr sensibel zu meinem Erleuchtungsmoment, als ich mal ohne Handy gewesen war.
»Ja, das hat schon was mit mir gemacht«, sagte ich, und Matze daraufhin: »Inspirierend. Ist das wichtig für dich, das den Menschen auch zu vermitteln?«
»Ja, das ist extrem wichtig für mich«, sagte ich. »Ich möchte diese Erfahrung teilen und ich hoffe, dass das andere Menschen tröstet, oder nein, anders … berührt.«
»Sehr berührend«, flüsterte Matze, »ich bekomme richtig Gänsehaut.«
»Du, ich auch. Das hab ich jetzt nicht gedacht, aber es ist so einfach, sich bei dir zu öffnen.«
»Ja, das ist mir wichtig«, sagte Matze. »Dass wir hier so einen Moment von Vertrauen schaffen.«
Dann kam der Bus. Ich sprach eine Werbung für einen Mobilfunkanbieter, wobei es mir fast das Herz zerriss, weil ich ja gerade ohne Mobiltelefon gar nichts mit einem Mobilfunkanbieter anfangen konnte. Das würde ich Matze gleich alles erzählen nach der Werbung: wie schlimm es gewesen war im Nachtbus. Dass alle anderen Menschen ihre Handys dabeihatten, aber dass ich daran auch gewachsen war, irgendwie, und mir was klar geworden war, und ich darüber dann ein Buch geschrieben hatte und jetzt einen Podcast hatte, wo ich Menschen einlade, die auch mal ein paar Stunden ohne Handy gewesen waren.
»Wir müssen darüber reden«, würde ich sagen, »das muss thematisiert werden. Ich bin ja wie du aus der DDR und darum habe ich das natürlich besonders intensiv gefühlt. Und als Frau auch noch.«
Dann würden wir uns bestätigen, dass wir eigentlich nicht esoterisch sind, aber wenn man einmal ein paar Stunden ohne Handy war, dann würde man schon spüren, dass es noch mehr gibt in der Welt. Dann könne man innehalten und im Moment sein und so weiter.
»Krass«, würde Matze hauchen.
Ich nahm die Banane raus, um den Podcast zu stoppen, weil er mir zu nahe ging. Wieso hatten die keine Triggerwarnung vorweggesagt? Wenn du auch schon mal ohne Handy warst, dann solltest du darauf achten, wie es dir geht beim Hören dieser Folge.
Ich setzte mich hinter jemanden, der auf sein Handy starrte, und schaute über die Schulter auf den tröstlich erhellten Bildschirm.
»Darf ich mal anfassen?«, fragte ich. Da setzte der Mann sich weg. Männer sind so empfindlich manchmal. Man darf nicht mal ihre Handys ein bisschen antatschen. Ich hätte gern, dass das eine Tradition wird und darum okay: Frauen betatschen die Geräte von Männern, weil's schon immer so war, sollen sich nicht so haben, ist doch nur Spaß, das ist doch ein schönes Handy, wird man doch wohl noch sagen dürfen.
Ohne Handy fuhr ich nicht wie sonst eine Station zu weit, sondern stieg einfach an der richtigen Station aus. Dann rannte ich nach Hause und riss meinem Mann sein Handy aus der Hand.
»Ah ja, uh«, sagte ich und streichelte über die Hülle und den Bildschirm. Ich schickte Sebastian Lehmann eine Mail an seine Mailadresse, eine über seine Homepage und drei an seine Agentur.
Mein Mann wollte sein Handy wiederhaben. Er wirkte richtig hilflos ohne, bedürftig und schwach. Das würde ich Matze erzählen. Dass mir das die Augen geöffnet habe.
Ich tippte noch ein bisschen auf der Banane herum und ging schlafen.
Was soll ich sonst machen? Lesen? In einem Buch? Wie ein Urmensch?
Am nächsten Morgen war ich ganz ruhig. Das Bedürfnis, irgendwo drüberzustreichen, lenkte ich auf meine Kinder um. Ich wischte auf ihren Rücken nach oben und nach links, tippte sie hier und da an. Dann likte ich sie und kommentierte sie.
Ein paar Stunden später hole ich mein Handy bei Sebastian ab, aber ich war danach nie wieder dieselbe.
Neues Motto für mich: Nicht »Augen zu und durch«, sondern »Augen auf und drunter und drüber«.
Kalauer müssen immer raus. Das entzündet sich sonst schlimm.
Ich bin schwanger. Da soll man sich schonen und trotzdem das Kind in seinem Bauch hierhin und dahin begleiten, einfach weil man drumrum ist. Bis zum großen Termin sind da lauter kleine Termine: Hebamme, Frauenarzt, Feindiagnostik, Schwangerengymnastik, Geburtsvorbereitungskurs, aber sich schonen nicht vergessen!
Termin eins ist meine Hebamme. Ich habe sie gesucht wie den Heiligen Gral. Deshalb nenne ich sie auch Hebbi, wie es sich gehört, denn der Heilige Gral ist ein Schatz und Schätze bekommen Kosenamen. Wenn man übrigens männliche Hebammen »Hebman« nennen würde, englisch ausgesprochen, vielleicht würde es dann mehr männliche Hebmän geben. Aber warum sollten uns Männer die Arbeitsplätze wegnehmen? Ach so, ich weiß, weil dann diese Berufsgruppe irgendwann besser bezahlt wird. Außerdem wäre es doch geil, wenn der Hebmän gerufen wird und dann die Batmänmelodie kommt: Hebmän, dadadadadadadada, Hebmän.
Meine Hebbi sagt, dass ich das ganz toll machen werde und dass jede Katze das auch kann. Ich stelle mir die Katze meiner Mutter vor, die echt garstig wird, wenn ihr was wehtut. Wenn Frauen unter der Geburt so wären, wie ich es mir bei dieser Katze vorstelle, dann ist es kein Wunder, dass Hebammenmangel herrscht. Und Hebmänmangel auch.
Termin Nummer zwei an dem Tag ist meine Frauenärztin.
Sie vermisst das Fruchtwasser und die Oberschenkelknochen und Schädelchen und so weiter. Alles richtig schön durchschnittlich und gesund.
»Wollen Sie noch was wissen?«, fragt die Frauenärztin. Aber solange sie nicht nachsehen kann, ob es klug ist und, noch besser, Humor hat, will ich nichts weiter wissen.
»Frau Fuchs, ich muss Ihnen eine schreckliche Mitteilung machen. Wenn's ein Junge wird, können Sie ihn Karl Aua nennen, aber das wird er nie lustig finden. Ihr Kind ist kalauerimmun. Tut mir leid.«
Dabei ist die genetische Veranlagung zum Kalauern von Vaterseite her sehr groß.
Danach muss ich zur Akupunktur und danach zur Diabetesberatung, denn ich habe Schwangerschaftsdiabetes. Weil das Kind so süß wird, sagt der Mann, und dass das Kind nach der Geburt doch sowieso mit der Muttermilch viel Milchzucker bekäme, aber wie viel Zucker in Muttermilch ist, werde ja auch nicht an die großen Glocken gehängt.
Echt, hoffentlich bekommt das Kind meinen Humor.
»Na, du kugelst dich ja nicht grad vor Lachen«, sagt der Mann und zeigt auf meinen Bauch.
»Lach du mal schön, mein Schatz! Ich muss zur Akupunktur.«
Er ruft mir hinterher: »Was haben ein Akupunkteur und ein Tannenbaum gemeinsam?«
Ich ahne Schlimmes und mache schnell die Wohnungstür zu.
Mein Lieblingskalauer ist sowieso bei meinem Akupunkteur. Dort klebt ein kleiner gelber Zettel an der Klotür. Da der Lichtschalter nicht außen neben der Tür ist und viele Patienten ihn ewig suchen, steht auf dem kleinen gelben Post-it an der Tür »Licht ist innen«.
Es ist eher eine doppeldeutige Botschaft, eine kleine Weisheit, aber wer es als pure Information über Lichtschalter liest, der wird das Licht innen eh nie finden.
Mein Akupunkteur behandelt mich geburtsvorbereitend und außerdem an einer Stelle zwischen den Augen, die mir bei meiner Rolle helfen soll. Meiner Rolle als Gefäß, sagt er. Ich als Gefäß, das offen sein und es zulassen soll. Eine Tupperdose vielleicht.
Nach dem Nadeln empfiehlt mir der Akupunkteur, heute keine ruckartigen Bewegungen mehr zu machen. Kurz liebäugle ich damit zu sagen: »Sie sind lustig, wie sollick denn heute arbeiten, als Domina. Ich bin noch nich im Mutterschutz. Ich muss schon noch paar Wochen peitschen gehen.«
Aber wie so oft geb ich mir den Spaß im Kopf und freu mich, denn wenn man Fantasie hat, ist Spaß im Kopf genauso gut wie echter.
Im Anschluss gehe ich total geschmeidig und kein bisschen ruckartig zur Diabetesberatung.
Die Beraterin heißt Reh und das gibt wieder ein Hallo, weil ich ja Fuchs heiße. Das ist ja lustig. Findet sie. Ich knurre kurz und lecke mir über die Lefzen. Da is Ruhe.
»Also, als Erstes Frau Fuchs … Sie haben nichts falsch gemacht!«
Ich stutze. »Gar nichts?«
»Nein!«, sagt sie. »Zumindest nicht, was Ihre Ernährung angeht.«
»Echt nicht?«, frage ich nochmal. »Aber ich habe schon viel genascht.«
»Aber Sie können nichts für den Schwangerschaftsdiabetes. Das liegt an Ihren Hormonen.«
»Also, bestimmt zwei Tafeln Schokolade«, beichte ich. »Am Tag!«
»Ja, hm«, jetzt weiß Frau Reh auch nicht recht.
»Und dann noch Kuchen«, zähle ich weiter auf.
»Na ja, also Ihre Hormone jedenfalls …«, versucht Frau Reh ihre Rede fortzusetzen.
»Ja, diese Hormone!«, rufe ich. »Die haben sogar von mir verlangt, dass ich auch noch Sahne raufmache, aber richtig fette, so einen Berg, aber wenn Sie mir jetzt sagen, dass ich überhaupt nichts falsch gemacht habe, überhaupt gaaaar nichts … da bin ich ja froh. Auch das Koffein nicht? Und der Alkohol? Also vor der Schwangerschaft. Und das Kokain?«
Frau Reh legt ihren Kopf schief, wie mein Hund, wenn er was nicht versteht.
»Haha, reingelegt«, ruder ich schnell zurück. »Scherzilein, du sollst nicht traurig sein.«
Der Kopf von Frau Reh wird wieder gerade und sie versucht weiter, ihre Beratung durchzuführen. »Nun gut, Ihre Hormone jedenfalls …«
»Diese schlimmen Schlingel!«, reißt es mich wieder hin. »Ja, die haben bei mir die Hosen an und oft auch aus. Beim Kindmachen war's auch so. Ich war so schlimm geil und dann …«
Frau Reh muss husten und holt dann eine Ernährungstabelle, um mir zu zeigen, was ich in Zukunft von den richtig leckeren Sachen essen darf. Nichts.
»Aber mal 'ne kurze Frage«, unterbreche ich erneut. »Kokain ist gar nicht drauf …«
Frau Reh lässt sich nicht beirren. Vermutlich hat sie solche wie mich häufiger in der Beratung. Frauen, die absolut nichts falsch gemacht haben.
»Essen Sie drei Stunden vor dem Schlafengehen nicht.«
»WAS?«, brülle ich. »Jetzt haben Sie mich aber verarscht, oder?«
Sie meint es ernst. Drei Stunden. Und ich soll meine Zwischenmahlzeiten aufschreiben.
Jetzt muss ich wirklich stark lachen. Was für Zwischenmahlzeiten? Ich esse ununterbrochen.
»Sind doch nur noch … wie viele Wochen, Frau Fuchs?«
»Viele«, sag ich. »Viele.«
Zu Hause wohne ich am liebsten.
Wisst ihr noch damals? Als wir noch nicht wussten, dass damals ist.
Nach der Geburt torkel ich rum, als hätte ich zu hart gefeiert. Der Club, in dem ich war, heißt »Kaiserschnitt«. Die Drogen waren fett. Ich habe jemanden kennengelernt und mich tierisch verknallt. Die Füßchen, die Händchen, das Näschen, die weichen Haare.
Leider kann ich mich kaum bewegen. So ein Kaiserschnitt ist auf jeden Fall ein einschneidendes Erlebnis. Ich darf sechs Wochen keinen Sport machen, teilt mir die Hebamme mit. Ich tue schockiert, dabei macht das gar keinen Unterschied. Beziehungsweise juhu, ich darf jetzt endlich keinen Sport machen! Sechs Wochen nur. Schade.
Das Wochenbett ist überhaupt nicht eintönig. Es bleibt immer die Frage, wann mir die Maus brutal in die Brustwarze beißt. Es folgt der spannende Krimi »Die Stille vor dem Milcheinschuss«. Nennt mich Jesusi! Ich kann aus Stilltee Milch machen.
Der Stillraum im Krankenhaus hat Milchglasscheiben. Ich bin müde und denke: Milchglas, haha, wegen Milch.
Ich würde gern nachts schlafen. Das Baby findet das unnötig. Wir werden einen Kompromiss finden. Bis dahin wird die Nacht zum Tag gemacht. So wie früher.
Das Baby saugt und heißt darum auch Säugling. Nach dem Saugen ist es ein Rülpsling.
Der Rülpsling hat eine Lieblingsbrust. Ich sage das dem Mann. Der Mann sagt, das sei okay, seine Lieblingsbrust sei eh die andere. Aber er frage sich, ob ich, wenn ich mehr mit der Lieblingsbrust stille, die andere nicht verschlupfzitzen lasse. Ich bin mir sicher, das ist nicht der Fachbegriff dafür. Sollte es aber.
Dann bin ich endlich wieder zu Hause. Mann, ist das schön zu Hause. Habe eine neue Definition von schön: Schön ist, wenn nicht ständig jemand reinkommt und mir eine Thrombosespritze ins Bein rammt.
Der Mann schlägt eines Abends vor: »Ich nehm die Kleine. Geh du mal 'ne Runde ums Haus.«
Seid ihr schon mal 'ne Runde ums Haus gegangen, nach einer Woche Krankenhaus und einer Woche Sofa? Alter! Ist Ums-Haus-Gehen krass. Schade, dass man erstmal eine Woche ins Krankenhaus muss, damit das richtig ballert.
Trotz Wochenbett ist es bei uns verblüffend sauber. Das liegt daran, dass das Baby einschläft, wenn es den Staubsauger hört. Beim großen Kind damals hatte ich immer sehr fluffige Haare. Da war's das Föngeräusch.
Schade, dass sich das verliert, denn das große Kind könnte ruhig auch mehr schlafen. Wenn es aus der Schule kommt, werde ich gleich mal den Fön anmachen. Das große Kind kommt mir überhaupt im Vergleich zum kleinen Kind so unfassbar groß und aktiv vor. Wahnsinn! Wahnsinn ist auch, das große Kind pünktlich schulbereit zu bekommen, obwohl ich auf dem Sofa sitze und das kleine Kind stille, während der Mann mit dem Hund draußen ist. Ich nenne es »Erziehen nach Gehör«. Ich kann jedes Klappern im Bad deuten und brülle dann: »Leg meine Bürste weg!« Denn meine Bürste klingt anders als die anderen Bürsten.
»Wieso machst du den Fön an?« Zack, ist das große Kind eingeschlafen und liegt auf dem Duschvorleger.
Manchmal bringt mir das große Kind morgens Brei aus Obst, Haferflocken und Quark, damit ich beim Stillen essen kann, stellt den Brei ans Sofa und streichelt mir über den Kopf. Dann muss ich weinen. Vor Glück. Und weil die Brüste wehtun.
»Kannst du nicht noch bleiben?«, frage ich.
»Sei lieb, Mama! Ich bin doch heute Nachmittag wieder da.«
Als das große Kind weg ist, erschrecke ich kurz sehr doll: Oh Gott, ich glaube, ich habe das Baby gestern gar nicht fotografiert.
Der Mann kommt von der Gassirunde zurück.
»Brauchst du was?«, fragt er, und ich sage: »Schlaf!«
