Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten - Ute Körner - E-Book

Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten E-Book

Ute Körner

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Beschreibung

Von A wie Allergie bis Z wie Zöliakie: eine Vielzahl von Nahrungsmittelallergien und - Unverträglichkeiten sicher diagnostizieren, optimal behandeln und Betroffene kompetent und umfassend beraten! Ein Fachbuch, das Sie als Arzt wie auch als Ernährungsfachkraft immer bei der Hand haben sollten. Neu in der 2. Auflage: zahlreiche neue Inhalte wie eosinophile Ösophagitis, Weizensensitivität, Ernährungstherapie des Reizdarmsyndroms, Fleisch- und Sesamallergie, Auslöser nahrungsmittelbedingter Anaphylaxien Systematischer Wegweiser: die wichtigsten Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten voneinander unterscheiden, diagnostizieren und Patienten fachkundig beraten und behandeln Rasch nachgeschlagen: Welche bewährten Diagnoseverfahren gibt es? Welche Therapie (Ernährung, Medikation, Immuntherapie, Probiotika etc.) eignet sich bei unterschiedlicher Erkrankungsausprägung am besten? Ideal für Beratung und Behandlung in Praxis und Klinik: mit anschaulichen Fallbeispielen, bewährten Praxistipps und indikationsbezogenen Ernährungsplänen Ein drängendes Thema unserer Zeit: übersichtlich und klar in einem Fachbuch aufbereitet, entstanden aus der langjährigen Zusammenarbeit zwischen Allergologin und Oecotrophologin.

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Seitenzahl: 927

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Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten

Diagnostik, Therapie und Beratung

Ute Körner, Astrid Schareina

2., überarbeitete und erweiterte Auflage

33 Abbildungen

Vorwort zur 2. Auflage

Ziel unseres gemeinsamen Buches ist es – auch in der vorliegenden, vollständig überarbeiteten Neuauflage –, sowohl aus medizinischer als auch ernährungstherapeutischer Sicht, einen Überblick über Grundlagen, Diagnostik und Therapie von Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten zu bieten.

Auch in dieser Auflage haben wir alle wesentlichen Entwicklungen der diagnostischen Möglichkeiten und Behandlungsoptionen der letzten Jahre aufgegriffen. Dabei ist uns immer wieder aufgefallen, mit welcher Rasanz diese Innovationen auch Einzug in unsere alltägliche Praxis genommen haben. Umso wichtiger ist es, diese Informationsvielfalt zu bündeln sowie anschaulich und gut strukturiert darzustellen. Durch ein verbessertes Layout ist es gelungen, Sachverhalte noch übersichtlicher, z.T. auch in tabellarischer Form, darzustellen. Zur Veranschaulichung wurden wieder viele Fallbeispiele aufgenommen.

Neu hinzugekommen sind Themen wie die eosinophile Ösophagitis, die Weizensensitivität, die Ernährungstherapie des Reizdarmsyndroms (inkl. Ballaststoffe und FODMAPs) sowie die Fleisch- und die Sesamallergie. Andere Themen, z.B. die komponentenbasierte Diagnostik, Auslöser einer nahrungsmittelbedingten Anaphylaxie sowie Probiotika/Mikrobiota, sind wesentlich ausführlicher besprochen.

Unser Buch richtet sich sowohl an Ernährungsfachkräfte, wie Ökotrophologen und Diätassistenten, als auch an allergologisch interessierte Allgemeinmediziner und Klinikärzte sowie Fachärzte, die im Praxisalltag mit Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten konfrontiert werden. Unser Eindruck aus der ernährungstherapeutischen und ärztlichen Praxis ist, dass der Beratungsbedarf in den letzten Jahren eher noch zugenommen hat und immer mehr Patienten durch die Informationsflut sehr unterschiedlicher Qualität, die zum Teil auch von kommerziellen Interessen beeinflusst wird, verunsichert sind.

Dieses Buch soll der Ernährungsfachkraft und dem behandelnden Arzt die Möglichkeit geben, sich gezielt über die zum Teil sehr komplexen Sachverhalte zu informieren und dadurch die Beratung und Versorgung der Patienten erleichtern und verbessern. Das Besondere an unserem Buch ist, dass die Inhalte jedes Kapitels aus medizinischer und ernährungswissenschaftlicher Sicht umfassend dargestellt sind. Auch das soll dazu beitragen, Patienten mit Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten fachübergreifend zu beraten.

Köln, im Sommer 2020

Ute Körner

Astrid Schareina

Abkürzungsverzeichnis

AD

atopische Dermatitis

AGATE

Arbeitsgemeinschaft Anaphylaxie – Training und Edukation e.V.

AIT

Allergen-Immuntherapie

AK

Antikörper

APC

Antigen-präsentierende Zellen

ALS

Acetylsalicylsäureintoleranzsyndrom

APT

Atopie-Patch-Test

ASS

Acetylsalicylsäure

ATI

Amylase-Trypsin-Inhibitor

CAP-Klassen

Bestimmung spez. IgE mit dem ImmunoCAP-System von Thermo Fisher

CCDs

kreuzreaktive Kohlenhydratepitope (engl.

cross reactive carbohydrate determinants)

CFU

Colony forming units

CSU

chronische spontane Urtikaria

D

Dalton

DAO

Diaminoxidase

DBPCFC

doppelblinder, placebokontrollierter, oraler Provokationstest (engl.

Double-Blind Placebo-controlled Food Challenge)

DC

dendritische Zellen

dGP

deamidierte Gliadinpeptide

ED

Eliciting dose

(ED01, ED05, ED10: minimale Menge des Nahrungsmittelallergens, die bei 1%, 5% oder 10% der Allergiker eine Reaktion auslöst)

EAACI

Europäische Akademie für Allergologie und klinische Immunologie

ECP

eosinophiles kationisches Protein

eHF

extensiv hydrolysierte Säuglingsnahrung

EoE

eosinophile Ösophagitis (engl.

eosinophilic esophagitis

)

Eos

eosinophile Granulozyten

FDEIA

anstrengungsinduzierte Nahrungsmittelanaphylaxie (engl.

Food-dependent Exercise-induced Anaphylaxis)

FFGED

Four-Food Group Elimination Diet

FGED

Food-Group Elimination Diet

FODMAPs

fermentable oligo-, di-, and monosaccharides and polyols

FOS

Frukto-Oligosaccharide

FPIES

Food protein-induced enterocolitis syndrome

GALT

Gut-associated lymphoid tissue

GERD

gastroösophageale Refluxkrankheit

GFD

glutenfreie Diät

GLUT

Glukosetransporter

GOS

Galakto-Oligosaccharide

HPF

Hauptgesichtsfeld (engl.

high power field;

ca. 0,3 mm

2

)

HIT

Histaminintoleranz

HNMT

Histamin-N-Methyltransferase

IBUF

Incremental Build-up Food Challenge

IEL

intraepitheliale Lymphozyten

IgA

Immunglobulin-A(-Antikörper)

IgE

Immunglobulin E(-Antikörper)

ISAC

Immuno Solid Phase Allergen Chip

KPA

Kuhmilchallergie

LJ

Lebensjahr

LGG

Lactobacillus rhamnosus Goldin Gorbach

LM

Lebensmonat

LMIV

Lebensmittelinformationsverordnung

LPS

Lipopolysaccharide

LTP

Lipid-Transfer-Proteine

MHC

körpereigener Histokompatibilitätskomplex (engl.

Major Histocompatibility Complex)

MT

Methylhistamin

NCGS

Non Celiac Gluten Sensitivity

NEM

Nahrungsergänzungsmittel

NemV

Verordnung über Nahrungsergänzungsmittel

NM

Nahrungsmittel

NMA

Nahrungsmittelallergie

NMP

Nahrungsmittelprotein

NMU

Nahrungsmittelunverträglichkeit

NSAR

nicht steroidale Antiphlogistika/Antirheumatika

OAS

orales Allergiesyndrom

o.B.

ohne Befund

OFGED

One-Food-Group-Elimination-Diet

ÖGD

Ösophago-Gastro-Duodenoskopie

pNM

pollenassoziierte Nahrungsmittel

PPI

Protonenpumpenhemmer/Protonenpumpeninhibitoren

RDS

Reizdarmsyndrom

SCIT

subkutane Immuntherapie

SCORAD

Severity Scoring of Atopic Dermatitis

SFGED

Six-Food-Group-Elimination-Diet

SIBO

Small Intestinal Bacterial Owergrowth

SIT

spezifische Immuntherapie

SLIT

sublinguale Immuntherapie

SOTI

spezifische orale Toleranzinduktion

SPT

Skin-Prick-Test

Th

T-Helfer-Zellen

TFGED

Two-Food-Group-Elimination-Diet

TLR

Toll-like-Rezeptoren

tTG

Gewebetransglutaminase

tTG-IgA-Antikörper

Transglutaminase-IgA-Antikörper

WDEIA

weizenabhängige anstrengungsinduzierte Anaphylaxie (engl.

Wheat-dependent Exercise-induced Anaphylaxis)

Inhaltsverzeichnis

Titelei

Vorwort zur 2. Auflage

Abkürzungsverzeichnis

Teil I Grundlagen

1 Begriffsbestimmung und Abgrenzung von Nahrungsmittelunverträglichkeiten

1.1 Einteilung der Nahrungsmittelunverträglichkeiten

1.2 Allergische Nahrungsmittelunverträglichkeiten

1.2.1 Allergene und Sensibilisierung

1.2.2 IgE-mediierte Nahrungsmittelallergien

1.2.3 Nicht IgE-mediierte allergische Nahrungsmittelunverträglichkeiten

1.2.4 Eosinophile Ösophagitis

1.2.5 Zöliakie

1.2.6 Gluten-/Weizensensitivität

1.3 Nicht allergische Nahrungsmittelunverträglichkeiten

1.3.1 Reaktionen auf biogene Amine („Histaminintoleranz“)

1.3.2 Pseudoallergische Nahrungsmittelunverträglichkeit

1.3.3 Enzymdefekte

1.3.4 Fruktosemalabsorption

Teil II Diagnostik

2 Diagnostik von Nahrungsmittelunverträglichkeiten

2.1 Diagnostik von Nahrungsmittelallergien

2.2 Anamnese

2.2.1 Ärztliche Anamnese

2.2.2 Ernährungsanamnese

2.3 Häufige Symptome (Differenzialdiagnostik)

2.3.1 Orales Allergiesyndrom

2.3.2 Gastrointestinale Beschwerden

2.3.3 Hautsymptome

2.3.4 Symptome des Respirationstrakts: Asthma bronchiale

2.3.5 Anaphylaktischer Schock

2.4 Allergietests

2.4.1 Hauttests

2.4.2 Bluttests (In-vitro-Diagnostik)

2.4.3 Komponentenbasierte Diagnostik

2.4.4 Multiplex-Molekular-Diagnostik

2.4.5 Konsequenzen für die Praxis

2.4.6 Gastroenterologische Diagnostik bei Nahrungsmittelallergien

2.5 Histamindiagnostik

2.5.1 Bestimmung der Diaminoxidase

2.5.2 Methylhistaminbestimmung

2.6 Zöliakiediagnostik

2.6.1 Anamnese und klinischer Befund

2.6.2 Serologische Tests

2.6.3 Gentest (HLA-Typisierung)

2.6.4 Dünndarmbiopsie und Histologie

2.6.5 Sonstige Tests

2.7 Diagnostik bei Verdacht auf Gluten-/Weizensensitivität

2.8 Tests zum Nachweis von Kohlenhydratmalassimilationen

2.8.1 H2-Atemtests

2.8.2 Blutzuckermessung

2.8.3 Gentest bei Verdacht auf Laktoseintoleranz

2.9 Ernährungsberatung bei Verdacht auf Nahrungsmittelunverträglichkeiten

2.9.1 Individuelle Ernährungstherapie und -beratung

2.9.2 Gruppenschulung

2.10 Diagnostische Diäten und orale Provokationstests

2.10.1 Begriffsbestimmung

2.10.2 Verdacht auf Nahrungsmittelallergien

2.10.3 Verdacht auf orale Nickelallergie

2.10.4 Verdacht auf Histaminintoleranz (HIT)

2.10.5 Verdacht auf pseudoallergische Nahrungsmittelunverträglichkeiten

2.11 Komplementärmedizinische Methoden

2.11.1 Labordiagnostik

2.11.2 Weitere komplementärmedizinische Methoden

Teil III Therapie

3 Therapie von Nahrungsmittelunverträglichkeiten

3.1 Ernährungstherapie

3.1.1 Therapeutische Diät

3.1.2 Allergenkennzeichnung

3.1.3 Sicherstellung und Kontrolle einer vollwertigen und bedarfsgerechten Ernährung

3.1.4 Praktische und schmackhafte Umsetzung der therapeutischen Diät

3.2 Besonderheiten bei Laktoseintoleranz und Fruktosemalabsorption

3.3 Besonderheiten beim Reizdarmsyndrom (RDS)

3.3.1 Ernährungstherapie

3.3.2 Einsatz von Probiotika beim RDS

3.4 Pro- und Prebiotika

3.4.1 Definitionen

3.4.2 Zusammensetzung der Mikrobiota

3.4.3 Einsatz von Prebiotika

3.4.4 Einsatz von Probiotika

3.5 Medikamentöse Therapie

3.5.1 Antihistaminika

3.5.2 Mastzellstabilisatoren

3.5.3 Notfallmedikamente

3.5.4 Laktasepräparate

3.5.5 Diaminoxidase bei Histaminintoleranz

3.6 Spezifische Immuntherapie

3.6.1 Subkutane Hyposensibilisierung

3.6.2 Sublinguale Immuntherapie

3.6.3 Spezifische orale Toleranzinduktion

3.6.4 Epikutane Immuntherapie

3.6.5 Neue Therapieansätze

3.7 Komplementärmedizinische Methoden

3.7.1 Alternative Diäten

3.7.2 Traditionelle Chinesische Medizin (TCM)

3.7.3 Eigenbluttherapie

3.7.4 Bach-Blüten-Therapie

3.7.5 Homöopathie

3.7.6 Bioresonanztherapie

Teil IV Häufige Unverträglichkeiten

4 Häufige Nahrungsmittelunverträglichkeiten in der Praxis

4.1 Nahrungsmittelallergien

4.1.1 Kuhmilchallergie

4.1.2 Hühnereiallergie

4.1.3 Fisch- und Meeresfrüchteallergie

4.1.4 Fleischallergie

4.1.5 Pollenassoziierte Nahrungsmittelallergien

4.1.6 Baumnussallergie

4.1.7 Erdnussallergie

4.1.8 Sojaallergie

4.1.9 Weizenallergie

4.1.10 Sesamallergie

4.1.11 Latex- und ficusassoziierte Nahrungsmittelallergie

4.1.12 Orale Nickelallergie

4.1.13 Auslöser einer nahrungsmittelbedingten Anaphylaxie

4.2 Zöliakie

4.2.1 Risikogruppen

4.2.2 Symptomatik

4.2.3 Anamnese

4.2.4 Diagnostik

4.2.5 Differenzialdiagnostik

4.2.6 Ernährungstherapie

4.3 Nicht allergische Nahrungsmittelunverträglichkeiten

4.3.1 Histaminintoleranz

4.3.2 Pseudoallergische Nahrungsmittelunverträglichkeit

4.3.3 Laktoseintoleranz

4.3.4 Fruktosemalabsorption

4.4 Atopische Dermatitis und Nahrungsmittelunverträglichkeiten

4.4.1 Definition 

4.4.2 Häufigkeit und Atopierisiko

4.4.3 Klinik und Verlauf

4.4.4 Assoziierte Infektionen

4.4.5 Ursachen und Auslöser

4.4.6 Diagnostik

4.4.7 Therapie

4.4.8 Neurodermitisschulung (AGNES)

Teil V Anhang

5 Adressen

5.1 Fachverbände und Institutionen

5.2 Allergologisch tätige Ernährungsfachkräfte

5.3 Patientenorganisationen und Selbsthilfeverbände

6 Materialien für Ernährungsberatung und Therapie

6.1 Nahrungsmittelallergien/-unverträglichkeiten und Allergieprävention

6.2 Glutenfreie Ernährung

6.3 Urtikaria

6.4 Hilfreiche Internet-Adressen

7 Buchempfehlungen

7.1 Bücher/Zeitschriften mit Rezepten zum Kochen/Backen

7.2 Weitere Buchempfehlungen

8 Literatur

Autorenvorstellung

Anschriften

Sachverzeichnis

Impressum/Access Code

Ute Körner, Bornheim |

Teil I Grundlagen

1 Begriffsbestimmung und Abgrenzung von Nahrungsmittelunverträglichkeiten

1 Begriffsbestimmung und Abgrenzung von Nahrungsmittelunverträglichkeiten

Nicht alles ist eine Allergie – zunächst werden deshalb in diesem Kapitel die unterschiedlichen Nahrungsmittelunverträglichkeiten (NMU) definiert und voneinander abgegrenzt. Leider ist die Nomenklatur allergischer und verwandter Erkrankungen bisher uneinheitlich und wird variabel verwendet ▶ [486]. Um die Kommunikation in der Allergologie zu erleichtern und Missverständnissen zwischen Ärzten und Patienten vorzubeugen, empfiehlt die Arbeitsgruppe der Europäischen Akademie für Allergologie und klinische Immunologie (EAACI) für allergologische Erkrankungen deshalb eine einheitliche Terminologie ▶ [430]. Die Begriffsbestimmung und Abgrenzung der NMU in diesem Buch beruht im Wesentlichen auf dieser Nomenklatur; es werden allerdings nur Begriffe verwendet, die in der Praxis gängig und verständlich sind (z.B. Nahrungsmittelallergie statt „allergischer Nahrungsmittel-Hypersensitivität“).

1.1 Einteilung der Nahrungsmittelunverträglichkeiten

Der Begriff Nahrungsmittelunverträglichkeit steht für verschiedene Pathomechanismen. Die EAACI unterteilte diese 1995 in toxische und nicht toxische Reaktionen.

Definition

Nahrungsmittelunverträglichkeiten (Adverse Reactions to Food) sind alle reproduzierbaren, unerwünschten und unerwarteten Reaktionen, die nach dem Verzehr bestimmter Nahrungsmittel auftreten ▶ [115].

Toxische Reaktionen nach der Aufnahme von pflanzlichen, tierischen oder mikrobiellen Giften können bei jedem Individuum auftreten, sofern es eine ausreichend hohe Dosis der entsprechenden Substanz aufgenommen hat. Beispiele sind Vergiftungen durch den Verzehr verdorbener Speisen infolge bakterieller Gifte (z.B. Salmonellen-Endotoxin) oder giftiger Pilze (z.B. Knollenblätterpilz). Auch Histamin, das bei der unsachgemäßen Lagerung von histidinreichem Fisch (insbesondere Thunfisch und Makrele) entsteht, kann bei entsprechend hoher Dosis zu Vergiftungen führen (Skombroidvergiftung). Hierbei entsteht Histamin aus der Aminosäure Histidin durch bakteriellen Verderb. Es kommt zu allergieähnlichen Symptomen wie Flush, Hautbeschwerden, Verdauungsstörungen bis hin zum Kreislaufschock ▶ [115], ▶ [418].

Die EAACI untergliederte die nicht toxischen Reaktionen auf Nahrungsmittel weiter in immunologisch vermittelte und nicht immunologisch vermittelte Reaktionen. Zu Ersteren zählen auch heute vor allem die „Nahrungsmittelallergien“ ▶ [429], ▶ [430].

In der überarbeiteten Definition von 2001 ersetzte die EAACI die bisherige Bezeichnung „nicht toxische Reaktionen“ durch „Hypersensitivität“ als Oberbegriff für allergische und nicht allergische Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Die DGE-Arbeitsgruppe „Diätetik in der Allergologie“ ▶ [210] hat auf der Basis der Empfehlungen der EAACI die Einteilung der Nahrungsmittelunverträglichkeiten vereinfacht dargestellt ( ▶ Abb. 1.1). Die revidierte Nomenklatur kann unabhängig von betroffenen Organen oder vom Patientenalter verwendet werden und basiert auf dem „Wissen über die Pathomechanismen, die allergische Reaktionen auslösen und vermitteln“ ▶ [429].

Abb. 1.1 Einteilung der Nahrungsmittelunverträglichkeiten durch die EAACI (Abb. basiert auf Daten aus ▶ [115], ▶ [429] und ▶ [430]).

(Quelle: Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V., Bonn)

Definition

„Hypersensitivität verursacht objektiv reproduzierbare Symptome oder Krankheitsanzeichen, die durch Exposition gegen einen definierten Stimulus in einer von Normalpersonen tolerierten Dosis ausgelöst werden.“ ▶ [429]

Von einer allergischen Nahrungsmittelunverträglichkeit bzw. „allergischer Nahrungsmittel-Hypersensitivität“ sollte nur dann gesprochen werden, wenn ein immunologischer Mechanismus bewiesen bzw. sehr wahrscheinlich ist. Diese Gruppe wird unterschieden in

IgE-mediierte Immunreaktionen und

nicht IgE-mediierte Immunreaktionen sowie

Mischformen aus IgE- und nicht IgE-mediierten Reaktionen.

Die EAACI fasst zellvermittelte Reaktionen bzw. Spätreaktionen auf Nahrungsmittel wie bei der oral ausgelösten Nickelallergie oder der Zöliakie unter dem Oberbegriff der nicht IgE-vermittelten allergischen Nahrungsmittelunverträglichkeiten (Hypersensitivität) zusammen ▶ [429]. Die Zöliakie ist allerdings nach heutigem Verständnis nicht mit einer Allergie gleichzusetzen (s.a. Einleitung zu Kap. ▶ 1.2.3).

Zu den Mischformen aus IgE- und nicht IgE-mediierten Reaktionen zählen die atopische Dermatitis (s.a. Kap. ▶ 4.4.5) und eosinophile Formen der Nahrungsmittelallergie im ▶ Gastrointestinaltrakt.

Die EAACI schlägt den Begriff der nicht allergischen Hypersensitivität vor, wenn immunologische Mechanismen nicht nachweisbar sind. Dieser ersetzt damit die frühere Bezeichnung „Nahrungsmittelintoleranzen“; dazu gehörende Krankheitsbilder wurden aber nicht näher klassifiziert. Aus heutiger Sicht umfasst dieser Begriff pseudoallergische Nahrungsmittelunverträglichkeiten auf Alkohol, Zusatzstoffe und Aromastoffe sowie Reaktionen auf biogene Amine. Gemeinsam ist diesen Reaktionen eine individuelle und dosisabhängige Überempfindlichkeit gegenüber Stoffen, die von Gesunden problemlos toleriert werden.

Weitere praxisrelevante Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind Enzymdefekte, Fruktosemalabsorption, psychosomatische Reaktionen sowie die bereits genannten toxischen Reaktionen.

Es gibt keine überzeugenden Beweise dafür, dass Erkrankungen wie Hyperaktivität, chronisches Erschöpfungssyndrom, Rheuma, Otitis media, Depressionen, Epilepsien, Morbus Crohn, Akne, Rosazea, periorale Dermatitis oder Psoriasis auf eine Nahrungsmittelunverträglichkeit zurückzuführen sind ▶ [115], ▶ [657]. Auch vermeintliche Erkrankungen aus dem Bereich der Umweltmedizin wie Total Drug Sensitivity, Multiple Chemical Sensitivity und Amalgamunverträglichkeit entsprechen nicht der Definition der Hypersensitivität.

Zur weiteren Abgrenzung folgt an dieser Stelle eine kurze Erläuterung der psychosomatischen Reaktionen, ansonsten sind sie nicht Thema dieses Buchs: Viele Patienten mit chronischen gastrointestinalen Problemen oder anderen Befindlichkeitsstörungen vermuten einen Zusammenhang mit der Nahrungsmittelaufnahme ▶ [102]. Oft steht der hohe subjektive Leidensdruck aber in keinem objektiven Verhältnis mit den medizinischen Befunden und es zeigen sich sehr unterschiedliche somatische Symptome (s.a. Kap. ▶ 2.3). Problematisch ist dabei, wenn bei den Betroffenen mit unwissenschaftlichen Methoden Nahrungsmittelallergien diagnostiziert werden ▶ [418]. Daraus abgeleitete einseitige Diäten führen häufig zu Somatisierungs- und Essstörungen. Andererseits besteht bei Patienten mit schulmedizinisch nachgewiesenen Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten eine erhöhte psychosoziale Belastung, z.B. weil die allergischen Reaktionen häufig unvorhersehbar sind. Diese Patienten zeigen eine große Motivation, sich psychosozial betreuen zu lassen ▶ [311].

▶ Abb. 1.2 stellt die Einteilung der Nahrungsmittelunverträglichkeiten vereinfacht dar, um sowohl der EAACI-Nomenklatur als auch den Anforderungen an eine verständliche und aktuell verwendete Terminologie in der Praxis gerecht zu werden. So unterscheiden die Autorinnen im Folgenden zwischen immunologischen und nicht immunologischen▶ [482] sowie allergischen und nicht allergischen NMU. Statt des von der EAACI vorgeschlagenen Begriffs der allergischen Hypersensitivität wird überwiegend der in der Praxis gängige Begriff der Nahrungsmittelallergie verwendet.

Abb. 1.2 Einteilung der Nahrungsmittelunverträglichkeiten in der Praxis.

(Quelle: Ute Körner, Bornheim)

Nicht allergische Nahrungsmittelunverträglichkeiten umfassen danach sowohl Reaktionen auf biogene Amine („Histaminintoleranz“) und seltene pseudoallergische Reaktionen (nicht allergische Hypersensitivität gemäß der EAACI-Definition) als auch weitere NMU wie Enzymdefekte und Fruktosemalabsorption.

Toxische und psychosomatische Reaktionen sind nicht Bestandteil dieses Buchs und werden nicht weiter behandelt.

Unterschiede zwischen nicht allergischen NMU und Nahrungsmittelallergien sind in ▶ Tab. 1.7  zusammengefasst.

1.2 Allergische Nahrungsmittelunverträglichkeiten

Definition

Eine allergische Nahrungsmittelunverträglichkeit ist eine Überempfindlichkeitsreaktion (Hypersensitivität) auf Nahrungsmittel, die durch immunologische Mechanismen ausgelöst wird. Sie kann durch allergenspezifische Antikörper oder sensibilisierte T-Lymphozyten vermittelt sein ▶ [429].

Definition

Eine Allergie ist eine verstärkte, spezifische Reaktion des Immunsystems mit einer typischen Symptomatik gegen eigentlich harmlose Substanzen unserer Umwelt, die Allergene ▶ [482], ▶ [747].

Antikörper vom IgE-Isotyp verursachen die Mehrzahl der Allergien. Entsprechend werden auch Nahrungsmittelallergien eingeteilt in

IgE-mediierte Nahrungsmittelallergien,

nicht IgE-mediierte Nahrungsmittelallergien ,

Mischformen aus IgE- und nicht IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien ▶ [482], ▶ [631].

1.2.1 Allergene und Sensibilisierung

Ein Allergen ist immer ein Antigen, d.h. eine Substanz, die eine spezifische Immunantwort auslösen kann.

Definition

Antigene, die vom Körper als „nicht eigen“ erkannt werden und das Immunsystem zur Bildung von IgE-Antikörpern oder sensibilisierten T-Lymphozyten anregen, werden Allergene genannt. Dabei handelt es sich meist um Proteine oder Glykoproteine ▶ [858].

Allergene sind meist Proteine bzw. Glykoproteine mit einem Molekulargewicht von 5000–70000 Dalton (D). Große Moleküle haben eine höhere Sensibilisierungspotenz als kleinere Verbindungen. Nach oben ist ihre Größe jedoch durch das Penetrationsvermögen durch die Schleimhäute begrenzt. Eine Ausnahme stellt das Allergen α-Gal (Galaktose-α-1,3-Galaktose) dar. Es handelt sich hierbei um ein IgE-bindendes Kohlenhydratepitop in Säugetierfleisch. Bei betroffenen Fleischallergikern verursacht diese Zuckerseitenkette zeitlich verzögert eine Urtikaria und/oder schwere anaphylaktische Reaktionen (s. Kap. ▶ 4.1.4) ▶ [934].

Außerdem gibt es niedermolekulare Substanzen (< 1000 D), die erst durch Bindung an ein Trägermolekül eine Immunantwort auslösen können, sog. Halballergene oder Haptene. Sie sind häufig Auslöser von allergischen Spätreaktionen (z.B. Nickel), aber auch von Sofortreaktionen auf Medikamente oder seltener auf Nahrungsmittel (z.B. Zusatzstoffe) ▶ [282], ▶ [419], ▶ [430].

Jedes Allergenmolekül besitzt spezielle Abschnitte bzw. Bindungsstellen für IgE-Antikörper, sog. allergene Determinanten oder Epitope. Unter Sequenzepitopen versteht man eine Reihenfolge bestimmter Aminosäuren in der Peptidkette. Sie sind gegenüber Temperaturerhöhungen, pH-Veränderungen und enzymatischen Einflüssen relativ stabil. Dagegen sind Konformationsepitope, die durch die räumliche Faltung der Tertiärstruktur gebildet werden, eher instabil ▶ [282], ▶ [418], ▶ [887].

Allergene, die IgE-mediierte Nahrungsmittelallergien auslösen können, erfüllen folgende Bedingungen ▶ [282], ▶ [419], ▶ [482]:

Stabilität (können Schleimhäute durchdringen, widerstehen zumindest teilweise der enzymatischen Verdauung)

Anregung von B-Lymphozyten zur IgE-Produktion

Besitz von mindestens 2 Epitopen

Allergene sind für gesunde Menschen harmlose Stoffe aus der Umwelt, die z.B. in Nahrungsmitteln, Pollen und Hausstaubmilben vorkommen. Damit ein Gesunder zum Allergiker wird, ist eine Sensibilisierung erforderlich.

Definition

Eine Sensibilisierung ist eine erhöhte Empfindlichkeit, Allergien zu entwickeln (Allergiebereitschaft). Sie entsteht erst nach wiederholtem Kontakt mit dem Allergen und ist nicht mit dem Begriff der Allergie gleichzusetzen ▶ [482]. Erst wenn allergische Symptome auftreten, spricht man von einer klinisch relevanten Allergie. Der Nachweis einer Sensibilisierung in diagnostischen Tests ohne eine entsprechende Klinik wird als stumme Sensibilisierung bezeichnet ▶ [858].

Ein Patient ist sensibilisiert, wenn beim Kontakt des Körpers mit einem Allergen eine spezifische Immunantwort im Sinne der Produktion von Antikörpern oder T-Lymphozyten ausgelöst wird. Diese Sensibilisierungsphase kann unterschiedlich lange dauern.

Sensibilisierung ist nicht gleich Allergie: Bei einer Sensibilisierung fallen allergologische Tests zwar positiv aus, in dieser Phase treten jedoch noch keine Symptome auf. Frühestens beim zweiten Kontakt des sensibilisierten Organismus mit dem Allergen kann eine allergische Reaktion ausgelöst werden (s. Kap. ▶ 1.2.2).

1.2.2 IgE-mediierte Nahrungsmittelallergien

Die Mehrzahl der Patienten mit einer allergischen Nahrungsmittelunverträglichkeit leidet unter einer Nahrungsmittelallergie, die durch den Antikörper Immunglobulin E vermittelt ist. IgE-mediierte Nahrungsmittelallergien sind deshalb gut untersucht ▶ [482].

1.2.2.1 Definitionen

Immunglobuline E (IgE) sind Antikörper, die sich spezifisch gegen ein bestimmtes Allergen richten. Während sich im Serum von gesunden Personen nur kleine Mengen IgE finden, kommt es bei Allergikern nach Kontakt mit Allergenen zu einer gesteigerten Produktion im Sinne einer Überreaktion des Immunsystems ▶ [729]. Erst mit der Entdeckung des IgE als Schlüsselimmunglobulin der allergischen Reaktion durch Ishizaka bzw. Johannson 1966 wurde es möglich, die Mechanismen der allergischen Sofortreaktion zu erklären ▶ [428].

IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergien zählen zu den atopischen Erkrankungen. Als Atopie wird eine individuelle oder familiär bedingte Tendenz, IgE-Antikörper schon auf geringe Dosen von Allergenen (Proteine) zu bilden und dadurch typische Symptome wie Asthma bronchiale, Rhinokonjunktivitis oder atopische Dermatitis zu entwickeln, definiert.

IgE-mediierte Nahrungsmittelallergien entsprechen der klassischen allergischen Soforttyp- bzw. Typ-I-Reaktion nach Coombs und Gell ▶ [306]. Mehr als 85% aller Allergien sind Sofortreaktionen ▶ [692], ▶ [750]. Symptome treten meist unmittelbar nach Kontakt mit dem Allergen auf, d.h. innerhalb von 10–20 Minuten, manchmal auch innerhalb weniger Minuten bis zu 2 Stunden danach ▶ [418], ▶ [642]. Nur selten kommt es zeitlich verzögert zu IgE-vermittelten Reaktionen wie bei der α-Gal-assoziierten Fleischallergie. Allergische Symptome entwickeln sich hier erst 3–6 Stunden nach dem Verzehr von Säugetierfleisch.

Merke

Bei IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien handelt es sich i.d.R. um allergische Soforttypreaktionen, die innerhalb weniger Minuten bis zu 2 Stunden nach Allergenkontakt auftreten.

Typische Beschwerden einer Soforttypreaktion sind: Rhinokonjunktivitis, Asthma bronchiale, orales Allergiesyndrom, Urtikaria, Durchfälle und Erbrechen oder als Maximalvariante ein anaphylaktischer Schock ▶ [115], ▶ [934].

Bei der IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergie wird zwischen der primären und der sekundären Nahrungsmittelallergie differenziert. Diese beiden Formen unterscheiden sich aufgrund des Sensibilisierungsmusters, nach dem Lebensalter, in dem die NMA auftritt, und nach ihrer Symptomatik ▶ [98], ▶ [928], ▶ [934]:

Vor allem bei Kindern findet sich eine primäre Nahrungsmittelallergieauf stabile Nahrungsmittelallergene (z.B. in Milch, Ei, Weizen und Erdnuss), da das kindliche Immunsystem noch nicht vollständig ausgereift ist. Die Sensibilisierung erfolgt dabei (am ehesten) gastrointestinal, wenn Glykoproteine (Allergene) das Immunsystem des Darms in vollständiger Form erreichen und es bei entsprechender Disposition zur Ausbildung von IgE-Antikörpern kommt ▶ [98], ▶ [270], ▶ [934]. Aber auch eine kutane Sensibilisierung ist möglich ▶ [482] (z.B. bei Erdnuss und Weizen beschrieben).

Die sekundäre Nahrungsmittelallergie ist typisch für Jugendliche und Erwachsene und meist gegen pflanzliche Nahrungsmittel gerichtet. Im Gegensatz zur primären Form entsteht die sekundäre Nahrungsmittelallergie als Kreuzreaktion nach inhalativer Sensibilisierung durch ein Primärallergen, z.B. aus Pollen oder Hausstaubmilben ▶ [934]. Das bekannteste Beispiel einer sekundären Allergie ist die birkenpollenassoziierte Nahrungsmittelallergie. Die immunologische Grundlage ist hier die ▶ Kreuzreaktivität infolge einer großen Übereinstimmung von räumlicher Struktur und Aminosäuresequenz bei den Nahrungsmitteln und dem Majorallergen der Birke Bet v 1 (sog. Kreuzallergien).

Durch die komponentenbasierte Diagnostik können die beiden Sensibilisierungsmuster sehr viel besser differenziert und den verschiedenen Typen der Nahrungsmittelallergie zugeordnet werden ▶ [928].

1.2.2.2 Pathogenese

Die IgE-vermittelte Soforttypreaktion ( ▶ Abb. 1.3) ist durch 2 Phasen gekennzeichnet, zum einen bei prädisponierten Personen durch die Sensibilisierung des Organismus beim Erstkontakt mit dem Allergen und zum anderen durch die Auslösung der allergischen Symptome bei erneutem Allergenkontakt ▶ [344].

Abb. 1.3 IgE-vermittelte Soforttypreaktion (Typ I).

(Quelle: Barbara Mühlhäußer, Köln)

Sensibilisierungsphase

Bei der Entstehung und Aufrechterhaltung allergischer Erkrankungen spielen die T-Helfer-Zellen (Th) die entscheidende Rolle. Unterschieden werden bei den Th-Lymphozyten mehrere Subpopulationen, die sich aus einer gemeinsamen Vorläuferzelle (Th0-Zelle) entwickeln ▶ [482]. Die wichtigsten sind die Th1-Lymphozyten, die bei Gesunden für die spezifische Immunantwort verantwortlich sind, und die Th2-Lymphozyten, die die allergische Reaktion auslösen. Daneben sind derzeit auch noch die regulatorischen T-Zellen (Treg) und die Th17-Zellen bekannt.

Th-Lymphozyten sind durch ihre Sekretionsprodukte (Zytokine) charakterisiert ▶ [99], ▶ [449]:

Th1-Zellen: Sie produzieren überwiegend die Interleukine IL-2, IFNγ, IL-3 und IL-12.

Th2-Zellen: Sie sezernieren die Interleukine IL-4, IL-5 und IL-9 und IL-13 ▶ [99].

Th2-Zellen spielen eine Schlüsselrolle bei allergischen Erkrankungen vom Soforttyp ▶ [747]. Die charakteristische Th2-Immunantwort ist bei Allergiepatienten genetisch determiniert.

Für die Einleitung einer Immunantwort ist der direkte Kontakt der Zellen des Immunsystems mit dem jeweiligen Allergen notwendig ▶ [321]. Voraussetzung für die Erkennung der Allergene ist ihre Umwandlung und die Bindung an bestimmte Zellen, auch Prozessierung und Präsentation genannt. Diese Aufgaben übernehmen im Immunsystem die Antigen-präsentierenden Zellen (APC) ▶ [747]. Sie gehören zu den Leukozyten der Makrophagen- und Monozytenreihe, ihre wichtigsten Vertreter sind die dendritischen Zellen (DC) sowie die Langerhans-Zellen der Epidermis.

Nachdem die Antigen-präsentierenden Zellen die Allergene aufgenommen haben, werden folgende Prozesse in Gang gesetzt:

Prozessierung, d.h. Spaltung des Antigens (Allergens) zu Allergenfragmenten (Peptiden)

Präsentation: Damit die T-Zellen die Allergenfragmente erkennen können, müssen diese gebunden an den körpereigenen Histokompatibilitätskomplex (Major Histocompatibility Complex, MHC) an der Zelloberfläche der APC präsentiert werden ▶ [99], ▶ [747]. Insbesondere die unreifen myeloiden dendritischen Zellen weisen ein großes Aufnahmepotenzial für Allergene auf ▶ [747]. Dabei induzieren dendritische Zellen sowohl Th2-Zellen als auch Treg-Zellen.

Sekretion von humoralen Faktoren, die für die Aktivierung der T-Zellen erforderlich sind ▶ [418].

Erst nach diesen Veränderungen der Allergene und der Präsentation der Peptid-MHC-Komplexe durch die APC können die T-Lymphozyten aktiv werden und die spezifische Immunantwort einleiten. Die T-Zellen sind das zentrale Bindeglied zwischen der unspezifischen und der spezifischen Immunantwort. Sie sind durch einen membranständigen spezifischen Antigen(Allergen)-Rezeptor (T-Zell-Rezeptor, TCR) charakterisiert, der aus 2 immunglobulinähnlichen Glykoproteinketten besteht, mit denen sie die Peptid-MHC-Komplexe der APC erkennen können.

Die Dominanz und funktionale Aktivität der Th2-Lymphozyten ist Voraussetzung für die Freisetzung der Interleukine IL-4 und IL-13, die die IgE-Produktion in den B-Lymphozyten in Gang setzen. Th1-Lymphozyten sind die funktionalen Gegenspieler der Th2-Lymphozyten, durch die Sezernierung ihrer Hauptinterleukine wird die IgE-Synthese gehemmt.

Die Stimulation der zur IgE-Bildung fähigen B-Lymphozyten durch Th2-Lymphozyten ist Voraussetzung für die IgE-Synthese im Rahmen der Th2-Immunantwort ▶ [449]. Reife B-Lymphozyten tragen an ihrer Oberfläche als Antigenrezeptor (B-Zell-Rezeptor) Immunglobulinmoleküle in membranständiger Form. Damit ein B-Lymphozyt ein anderes Immunglobulin als z.B. das bereits exponierte IgM exprimieren kann, ist ein sog. Immunglobulinklassenwechsel (Switching) notwendig. Dabei wird der konstante Teil der schweren Kette des Immunglobulins gewechselt, sodass das für die Sofortreaktion notwendige IgE entsteht ▶ [321].

Nach Sekretion werden die zirkulierenden IgE an die für sie typischen hochaffinen Rezeptoren FcεRI, v.a. an basophile Granulozyten, Mastzellen und APC, gebunden. Damit ist der Patient sensibilisiert. Bei der Kreuzvernetzung des gebundenen IgE mit dem Allergen bei Allergenexposition kommt es zur allergischen Reaktion ▶ [379].

Manifestationsphase

Voraussetzung für die eigentliche allergische Reaktion ist die Bildung von spezifischem IgE. Erst dann kann es bei einer erneuten Exposition zur eigentlichen allergischen Reaktion kommen. Bei einem weiteren Allergenkontakt verbinden sich die Allergene mit den membranständigen IgE auf den Mastzellen und Basophilen und lösen damit folgende Mechanismen aus:

Freisetzung von Sofortmediatoren, v.a. Histamin und Tryptase

Freisetzung von Entzündungsmediatoren, z.B. Leukotrienen

Definitionen

Die stärkste und am schnellsten ablaufende Reaktion bei Allergenexposition eines sensibilisierten Organismus ist die IgE-vermittelte Degranulation der Mastzellen. Die klinische Symptomatik tritt als Sofortreaktion auf. An diese schließt sich bei rund 30–40 % der Patienten eine Spätphasenreaktion an, die v.a. durch die Aktivierung der Eosinophilen gekennzeichnet ist. Diese leiten eine klassische Entzündungsreaktion ein, sodass sich ein entzündliches Zellinfiltrat ausbildet.

Mastzellen sind Schlüsselzellen von Induktion und Regulation Typ-1-allergischer Reaktionen. Dabei führt das Erkennen des Allergens durch die spezifischen IgE-Antikörper, die bei entsprechender Sensibilisierung an hochaffine Rezeptoren auf der Mastzellenmembran gebunden vorliegen, zu einer raschen Aktivierung der Mastzelle. Es kommt vor allem zu einer Degranulation von zytoplasmatischen Granula, die mit großen Mengen von inflammatorischen Produkten beladen sind, v.a. biogenen Aminen (Histamin), Proteasen und Zytokinen ▶ [747].

Merke

Schritte der Soforttypreaktion

Erstkontakt: Die erste Begegnung mit dem Allergen: Nach einer Sensibilisierung durch Aktivierung von APC sowie T- und B-Lymphozyten kommt es zur IgE-Produktion.

Zweitkontakt: Ein beliebig späterer Kontakt mit dem Allergen (nicht unbedingt der Zweite!) löst im sensibilisierten Organismus eine Antigen-Antikörper-Reaktion aus: Nach Freisetzung von IgE und seiner Bindung insbesondere an Mastzellen sowie Kopplung der Allergene an die gebundenen IgE-Antikörper kommt es zur Ausschüttung von Histamin und anderen Mediatoren, die als Sofortreaktion die allergischen Symptome auslösen ▶ [344], ▶ [699].

1.2.2.3 Symptomatik

Die klinische Symptomatik der IgE-vermittelten Allergie ist sehr vielfältig und manifestiert sich in unterschiedlicher Ausprägung an vielen Organen (s.a. Kap. ▶ 2.3). Bei einer übersteigerten Allgemeinreaktion, der Maximalvariante, kommt es zum allergischen Schock, der Anaphylaxie, die selten auch bei Nahrungsmittelallergien auftreten kann.

Häufige Symptome der IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergie sind allergische Hautreaktionen wie orales Allergiesyndrom, Urtikaria und Angioödeme, weniger häufig dagegen allergische Konjunktivitis und Rhinitis, allergisches Asthma bronchiale sowie Symptome im Gastrointestinaltrakt.

Bei pollenassoziierten Nahrungsmittelallergien ist das sog. orale Allergiesyndrom (OAS) das häufigste Symptom (s. Kap. ▶ 2.3.1). Hier schildern Betroffene z.B. ein Jucken und Kribbeln der Mundschleimhaut nach dem Genuss von Kern- und Steinobst.

Gastrointestinale Beschwerden äußern sich am häufigsten in Form von Übelkeit, Erbrechen, kolikartigen Bauchschmerzen sowie Diarrhöen.

1.2.2.4 Häufigkeit

Zur Häufigkeit IgE-mediierter Nahrungsmittelallergien in Deutschland gibt es nur wenige Daten. Im Vergleich zu den viel häufigeren Atemwegsallergien gegen Pollen, Hausstaubmilben und Tierepithelien (16–36 % der deutschen Bevölkerung) sind Nahrungsmittelallergien relativ selten ▶ [418], ▶ [482].

Merke

Die Häufigkeit von Nahrungsmittelallergien wird überschätzt!

Grundsätzlich besteht eine große Diskrepanz zwischen den von Patienten angenommenen Nahrungsmittelunverträglichkeiten und den Resultaten von Provokationstests im Rahmen epidemiologischer Studien ▶ [763]. So vermuten ca. 20 % der Bevölkerung hinter ihren Beschwerden eine Nahrungsmittelallergie, aber nur bei etwa 4 % konnte diese durch Provokation bestätigt werden ▶ [934]. Dagegen liegt die Prävalenz einer ▶ Laktoseintoleranz oder Fruktosemalabsorption (s. Kap. ▶ 1.3.4) bei etwa 15–30 %!

Nach älteren Schätzungen leiden bis zu 7,5 % der Kinder in Europa an einer Nahrungsmittelallergie ▶ [115], ▶ [439]. Eine Studie aus Frankreich zeigte, dass rund 4 % der Kleinkinder (1–3 Jahre), aber nur noch 2,8 % der 3–15-Jährigen betroffen sind ▶ [444]. In Deutschland konnten bei einem Fünftel der 3–17-Jährigen IgE-Antikörper gegen Nahrungsmittel nachgewiesen werden ▶ [461].

Merke

Prävalenzergebnisse aus Studien, die auf einem IgE-Antikörper-Nachweis im Blut beruhen (z.B. die KiGGs-Studie ▶ [461]), weisen nur die Häufigkeit der Sensibilisierungen der untersuchten Personen nach. Wie häufig der Verzehr von bestimmten Nahrungsmitteln tatsächlich auch zu allergischen Reaktionen bei den sensibilisierten Personen führt, lässt sich objektiv nur mit ▶ DBPCFC, doppelblind und placebokontrolliert durchgeführten Provokationstests, nachweisen.

Untersuchungen auf der Basis von DBPCFC ergaben IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergien mit einer Prävalenz von 4,2 % bei deutschen Kindern und Jugendlichen (0–17 Jahre) ▶ [739].

Die bereits erwähnte französische Studie ergab für Erwachsene (31–60 Jahre) eine Prävalenz allergischer NMU von 3,97 %, wobei hier v.a. pollenassoziierte Nahrungsmittel verantwortlich gemacht werden ▶ [444]. Eine Berliner Studie zur Epidemiologie der Nahrungsmittelallergien in Deutschland ermittelte mit DBPCFC bei Erwachsenen eine Prävalenz von 3,7 % ▶ [975].

Merke

Häufigkeit NMA international ▶ [801]

Kinder: ca. 8 %

Erwachsene: 5 %

Häufigkeit NMA in Deutschland ▶ [934]

Kinder: 4,2 %

Erwachsene: 3,7 %

1.2.2.5 Auslöser

Prinzipiell kann jedes Nahrungsmittel eine Allergie auslösen. Erfahrungsgemäß führen jedoch bestimmte Nahrungsmittel(-allergene) häufiger zu einer Sensibilisierung als andere. Die meisten Nahrungsmittel enthalten 3–15 verschiedene Proteinstrukturen, die zu Sensibilisierungen und allergischen Reaktionen führen können ▶ [835]. Allergene, die bei mehr als der Hälfte der Patienten spezifische IgE-Antikörper binden, werden als Majorallergene bezeichnet. So enthält z.B. Kuhmilch mehr als 25 Proteine mit allergener Potenz, doch nur 4 zählen zu den Majorallergenen (Kasein, β-Laktoglobulin, α-Laktalbumin und Serumalbumin). Binden Allergene bei weniger als 50 % der Patienten spezifisches IgE, spricht man von Minorallergenen ▶ [418], ▶ [457], ▶ [807].

Nahrungsmittelallergene als Auslöser IgE-vermittelter Reaktionen sind meist wasserlösliche Glykoproteine. Allerdings wirkt nicht das ganze Proteinmolekül allergen, sondern nur bestimmte Abschnitte davon, die ▶ Epitope. Sequenzepitope, wie sie z.B. in den Allergenen von Fisch und Erdnüssen vorkommen, sind gegenüber Verarbeitungs- oder Verdauungsprozessen wie Erhitzen, pH-Veränderungen sowie Einwirkung von Proteasen relativ stabil. Hier kommt es häufiger zu Beschwerden im Gastrointestinaltrakt oder zu systemischen Reaktionen. Dagegen sind Nahrungsmittel, deren Allergenität v.a. durch Konformationsepitope bestimmt wird, überwiegend instabil. So lösen viele pollenassoziierte Obstsorten, wie Äpfel und Kirschen, nur roh verzehrt Beschwerden, meist als orales Allergiesyndrom, aus. Gekocht werden sie vertragen (s. Kap. ▶ 4.1.5) ▶ [282], ▶ [887].

Die Entwicklung bestimmter Nahrungsmittelallergien ist im Wesentlichen altersabhängig und wird darüber hinaus von den Verzehrgewohnheiten der jeweiligen Bevölkerungsgruppe, von der allergenen Potenz der Allergene sowie von immunologischen Kreuzreaktionen bestimmt:

Im Säuglings- und Kleinkindalter richten sich 90 % der Allergien gegen Grundnahrungsmittel (primäre Nahrungsmittelallergie) ▶ [750]. Die meisten Kinder reagieren nur auf 1–2 Nahrungsmittel ▶ [106], ▶ [642], ▶ [662]. Für Deutschland gibt es nur wenige Daten. Die häufigsten Auslöser einer Nahrungsmittelallergie im Kindesalter sind Milch, Hühnerei, Soja, Weizen, Erdnuss und Baumnüsse ▶ [934]. Bei Kindern mit atopischem Ekzem sind es besonders häufig Hühnerei und Kuhmilch, gefolgt von Weizen und Soja ▶ [106], ▶ [642], ▶ [662].

Mit zunehmendem Alter verändert sich die Häufigkeit der Nahrungsmittelallergien. Bis zu 80 % der Kinder mit früher Manifestation einer Kuhmilch- oder Hühnereiallergie vertragen diese Allergene bis zum Schulalter wieder, da bis dahin Immunsystem und Darmschleimhaut ausreifen ▶ [270]. Andere Nahrungsmittelallergien persistieren dagegen länger (z.B. Sesam- oder Fischallergie sowie Allergie gegen die Speicherproteine der Erdnuss oder der Haselnuss) oder treten erst im Schulkind- oder Jugendlichenalter auf (z.B. pollenassoziierte Allergie gegen Baumnüsse; s.a. Kap. ▶ 4.1.6) ▶ [53], ▶ [934].

Schulkinder, Jugendliche und Erwachsene reagieren v.a. mit einer sekundären Nahrungsmittelallergie auf Gemüse, Kern- und Steinobst sowie Baumnüsse. Vorausgegangen ist dem meist eine Sensibilisierung gegen Inhalationsallergene, insbesondere Pollen, seltener auch Latex. Auf dieser Basis können sich immunologische Kreuzreaktionen gegen ähnliche Proteinstrukturen in pflanzlichen Nahrungsmitteln entwickeln (s.a. Kap. ▶ 4.1.5, Kap. ▶ 4.1.11) ▶ [444], ▶ [682]. Drei Fünftel der Nahrungsmittelallergien im Erwachsenenalter beruhen auf einer solchen Kreuzreaktion, häufige pollenassoziierte Nahrungsmittel sind dabei Haselnuss, Apfel, Sellerie, Karotte, Paprika und Soja ▶ [359], ▶ [945], ▶ [948].

Weitere Allergenquellen, die im Erwachsenenalter als Auslöser einer Nahrungsmittelallergie eine Rolle spielen, sind Erdnuss, Fisch, Meeresfrüchte (insbes. Krustentiere), Weizen (v.a. als Wheat-dependent Exercise-induced Anaphylaxis (WDEIA), s.a. Kap. ▶ 4.1.9) sowie Baumnüsse im Sinne einer primären Nussallergie, Sesam und Fleisch ▶ [934].

Merke

Primäre Nahrungsmittelallergien gegen Grundnahrungsmittel wie Milch und Ei treten v.a. im Säuglings- und Kleinkindalter auf.

Bei älteren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen sind immunologische Kreuzreaktionen die häufigste Ursache für Nahrungsmittelallergien (sekundäre Nahrungsmittelallergien) ▶ [934], ▶ [936].

Definition

Unter einer Kreuzreaktion oder Kreuzallergie ( ▶ Tab. 1.1 ) versteht man eine immunologische Reaktion, bei der sich kreuzreaktive IgE-Antikörper gegen identische oder ähnliche Epitope (s. Kap. ▶ 1.2.1) verschiedener Allergenquellen richten. Hierbei löst zunächst ein Allergen A eine primäre Sensibilisierung meist durch Inhalation (z.B. Birkenpollen, Hausstaubmilben, Latex) aus. Die dabei gebildeten IgE-Antikörper können mit einem ganzen Spektrum weiterer Allergene B1, B2 usw. (z.B. homologe Allergenstrukturen in Nahrungsmitteln) reagieren ▶ [98], ▶ [359], ▶ [418]. So besitzt z.B. das Majorallergen der Birke Bet v 1 eine große strukturelle Ähnlichkeit zu Allergenen vieler pflanzlicher Nahrungsmittel wie Apfel (Mal d 1), Haselnuss (Cor a 1) etc. ▶ [98].

Das Besondere an Kreuzreaktionen ist, dass ein Allergiker (z.B. Pollenallergiker) aufgrund der bereits vorhandenen Antikörper beim erstmaligen Verzehr des Kreuzallergens mit akuten Symptomen bis hin zum anaphylaktischen Schock (z.B. Gly m 4 in Soja) reagieren kann ▶ [114], ▶ [359].

Tab. 1.1 

Beispiele für Kreuzallergien.

Allergen

Kreuzallergen

Pollen (z.B. Baumpollen)

pflanzliche Nahrungsmittel (z.B. frischer Apfel)

Hausstaubmilben

Meeresfrüchte (z.B. Garnelen)

Vogelfedern (Vogel-Ei-Syndrom)

Hühnerei (Eigelb), Geflügelfleisch

Katzenhaare (Cat-Pork-Syndrom)

Schweinefleisch

Naturlatex

z.B. Avocado, Banane, Esskastanie

Birkenfeige (Ficus benjamina; Ficus-Frucht-Syndrom)

z.B. (getrocknete) Feige, Kiwi

Rinderepithelien

Kuhmilch

Kuhmilch

Rindfleisch

Ethnische und geografische Unterschiede in den Verzehrgewohnheiten bestimmen ebenfalls das Häufigkeitsspektrum von Nahrungsmittelallergien. So treten in Küstenregionen und in Ländern mit hohem Fischkonsum wie Spanien und Portugal auch häufiger Fischallergien auf. In den USA, wo Erdnussbutter ein beliebter Brotaufstrich ist, sind 0,5–1 % der Bevölkerung von einer Erdnussallergie betroffen, mit steigender Tendenz ▶ [122], ▶ [399], ▶ [766]. Auch in Deutschland wird die Erdnussallergie zunehmend zu einem Problem ▶ [122], ▶ [567].

Praxistipp

Mit diesen Allergenen muss man rechnen – häufige Auslöser IgE-mediierter Nahrungsmittelallergien

im Kindesalter:

Hühnerei

Kuhmilch

Weizen

Soja

Erdnuss

Baumnüsse

im Jugendlichen- und Erwachsenenalter:

v.a. pollenassoziierte Nahrungsmittelallergene (z.B. Haselnuss, Apfel, Sellerie, Karotte, Soja)

sowie

Erdnuss

Baumnüsse

Fisch

Meeresfrüchte (v.a. Krustentiere)

Weizen

Säugetierfleisch

latexassoziierte Nahrungsmittelallergene (z.B. Banane, Avocado, Kiwi)

1.2.3 Nicht IgE-mediierte allergische Nahrungsmittelunverträglichkeiten

Immunologisch bedingte NMU können auch zellvermittelt sein. Dann handelt es sich um Spätreaktionen, bei denen immunologisch sensibilisierte T- Lymphozyten eine zentrale Rolle spielen ▶ [106], ▶ [428]. Nach der stark vereinfachenden, aber aus didaktischen Gründen immer noch gebräuchlichen Einteilung, handelt es sich um eine allergische Reaktion Typ-IV nach Coombs und Gell ▶ [306], ▶ [418], ▶ [457].

Praxisrelevante nicht IgE-mediierte allergische NMU sind gemäß der EAACI-Definition (s. Kap. ▶ 1.1) v.a. das hämatogene Kontaktekzem und die Zöliakie. Außerdem spielen nicht IgE-vermittelte allergische Reaktionen bei der atopischen Dermatitis und bei NMU im Gastrointestinaltrakt eine Rolle.

Die Zöliakie nimmt als T-Zell-vermittelte Autoimmunerkrankung unter den nicht IgE-mediierten NMU eine Sonderstellung ein. In der Definition der EAACI von 2001 wurde sie der allergischen Hypersensitivität zugeordnet. Aus heutiger Sicht wird die Zöliakie jedoch eher als eine immunologisch bedingte, nicht allergische NMU verstanden ▶ [482]. Nähere Ausführungen sind in Kap. ▶ 1.2.5 zu finden.

Bei der atopischen Dermatitis konnte anhand kombiniert durchgeführter Prick- und Atopie-Patch-Tests bei betroffenen Kindern gezeigt werden, dass in der Pathogenese der atopischen Dermatitis eine Kombination von IgE- und T-Lymphozyten-vermittelten Reaktionen eine Rolle spielt ▶ [412]. Es wird vermutet, dass bei diesen Patienten durch eine erhöhte Dünndarmpermeabilität aufgrund entzündlicher Reaktionen der Darmschleimhaut Nahrungsmittelallergene auf hämatogenem Weg in die Haut gelangen und zur Aktivierung allergenspezifischer T-Lymphozyten führen ▶ [106], ▶ [920]. Weitere Untersuchungen zeigten, dass bei atopischer Dermatitis Spätreaktionen auf Nahrungsmittel im Sinne einer Ekzemverschlechterung sowohl isoliert als auch in Kombination mit IgE-vermittelten Soforttypreaktionen auftreten können (s. Kap. ▶ 4.4.5).

Da sowohl die Zöliakie als auch die atopische Dermatitis in eigenen Kapiteln ausführlich besprochen werden, wird an dieser Stelle nur auf das hämatogene Kontaktekzem und auf weitere Nahrungsmittelallergien mit Manifestation im Gastrointestinaltrakt näher eingegangen.

1.2.3.1 Hämatogenes Kontaktekzem

Definition und Pathogenese

Das allergische Kontaktekzem ist die klassische klinische Manifestationsform für eine T-Lymphozyten-mediierte Erkrankung. Nach Hautkontakt werden Haptene wie Nickel oder Chrom erst durch Bindung an ein epidermales Trägerprotein zum Allergen, das dann mit den T-Zellen reagiert. Die Zeitspanne zwischen Allergenkontakt und dem Auftreten des Ekzems beträgt üblicherweise 12–48 Stunden. Erwachsene Nickelallergiker, die schon länger und sehr stark epikutan mit Nickel sensibilisiert sind, können dosisabhängig über die orale Zufuhr von Nickel mit der Nahrung schon nach 8 Stunden ein systemisches hämatogenes Kontaktekzem (Kontaktallergen wird über den Blutweg transportiert) als Symptom einer oralen Nickelallergie entwickeln (s. Kap. ▶ 4.1.12) ▶ [103], ▶ [334], ▶ [729], ▶ [867].

Symptomatik

Das hämatogene Kontaktekzem ist eine chronische allergische Erscheinung, bei der es innerhalb von 8–48 Stunden nach oraler Nickelzufuhr u.a. an Körperstellen wie den Augenlidern, den Händen, den Ellenbogen und dem Nacken zu Streureaktionen kommt, ohne dass dort ein unmittelbarer Kontakt mit Nickel stattgefunden hat ▶ [151], ▶ [463], ▶ [511], ▶ [554]. Beschrieben werden v.a. chronische Handekzeme (insbesondere dyshidrosiformes Handekzem) und meist symmetrisch über die ganze Haut streuende und juckende Ekzemherde (ähnlich der von Typ-I-Allergien, z.B. Urtikaria). Auch an Körperstellen, die zu einem früheren Zeitpunkt Kontakt zu nickelhaltigen Gegenständen wie Modeschmuck hatten, kann ein Ekzem nach Zufuhr nickelreicher Nahrungsmittel wieder „aufflammen“ (Flare up) ▶ [22], ▶ [334], ▶ [510], ▶ [554], ▶ [877]. Weitere Symptome einer oralen Nickelallergie können Gehörgangsekzeme, Kopfjucken, Haarausfall, Gelenkschmerzen, Migräne oder Müdigkeit sein ▶ [554].

Häufigkeit

Zur Häufigkeit der Personen, die auf die orale Zufuhr von Nickel mit einem hämatogenen Kontaktekzem reagieren, gibt es unterschiedliche Angaben. So reagieren nur 2–10 % aller Patienten, bei denen ein allergisches Kontaktekzem mittels Epikutantest nachgewiesen wurde, auf die orale Provokation mit Nickel ▶ [782]. Dagegen zeigen jedoch etwa die Hälfte der Patienten mit einem persistierenden Nickelekzem bei starker Sensibilisierung unter oraler Nickelprovokation ein Wiederaufflammen bzw. eine Verschlechterung des Ekzems ▶ [22], ▶ [867], ▶ [877].

Auslöser

Zu den nickelreichsten Nahrungsmitteln, die eine orale Nickelallergie auslösen können, zählen Kakaoprodukte, Nüsse, Hülsenfrüchte und Haferprodukte (s. Kap. ▶ 4.1.12) ▶ [511], ▶ [702].

1.2.3.2 Nahrungsmittelallergien im Gastrointestinaltrakt

Dieses Kapitel gibt einen Überblick über Nahrungsmittelallergien im Gastrointestinaltrakt. Sie können IgE-mediiert und/oder zellvermittelt oder eosinophilenassoziiert sein. Die eosinophile Ösophagitis wird aufgrund ihrer Bedeutung für Medizin und Ernährungstherapie ausführlicher in Kap. ▶ 1.2.4 besprochen.

Definition

Nahrungsmittelallergien mit Manifestation im Gastrointestinaltrakt lassen sich der Einteilung nach Coombs und Gell nicht immer eindeutig zuordnen, da es sich teilweise um Mischformen aus IgE-vermittelten und nicht IgE-mediierten Erkrankungen handelt und/oder die Pathogenese noch nicht vollständig geklärt ist. Auch ist eine eindeutige Zuordnung zu einer Spätreaktion manchmal schwierig, da die allergische Reaktion (z.B. im Dickdarm) aufgrund des Transportweges der Nahrungsmittel zeitlich verzögert abläuft. Die bereits 1999 von Sampson vorgeschlagene Klassifikation dieser Manifestationsformen wurde von den Autorinnen dieses Buches aktualisiert ( ▶ Abb. 1.4) ▶ [162], ▶ [172], ▶ [272], ▶ [750].

Abb. 1.4 Klassifikation gastrointestinaler Formen der Nahrungsmittelallergie (Abb. basiert auf Daten aus ▶ [162], ▶ [172], ▶ [272], ▶ [750]).

Die in ▶ Abb. 1.4 dargestellten gastrointestinalen Formen der NMA haben folgende Merkmale, die differenzialdiagnostisch von Bedeutung sind:

IgE-vermittelte Allergie: äußert sich klinisch als Sofortreaktion, IgE-Nachweis

Eosinophile Formen: endoskopischer Nachweis einer Infiltration eosinophiler Granulozyten in der betroffenen Schleimhaut; Eosinophile Ösophagitis (EoE): symptomatisch auffällig mit Dysphagie bis hin zum Steckenbleiben von Speisen in der Speiseröhre

NMP-induzierte allergische Proktokolitis: blutig-schleimiger Stuhl, Säuglinge gedeihen ansonsten gut

Food protein-induced enterocolitis syndrome (FPIES): heftiges Erbrechen, meist 1–4 Std. nach Allergenaufnahme, oft gefolgt von Diarrhö

NMP-induzierte Enteropathie (Kuhmilchproteinintoleranz): Auslöser meist Kuhmilch, Nachweis einer Zottenatrophie, keine Zöliakie-Antikörper

Pathogenese

Isolierte gastrointestinale Nahrungsmittelallergien sind selten nur IgE-vermittelt ▶ [468]. Beschrieben werden v.a. nicht IgE-vermittelte Reaktionen sowie Mischformen aus IgE- und nicht IgE-vermittelten Reaktionen , die v.a. im Kindesalter gut untersucht sind ( ▶ Abb. 1.4). Der zugrunde liegende Immunmechanismus ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Nicht IgE-mediierte NMA können T-Lymphozyten-vermittelt sein und sich als allergische Spätreaktion äußern. Zur Diagnose ist in der Regel eine Endoskopie mit Biopsie erforderlich.

Gemeinsames Kennzeichen von Eosinophiler Ösophagitis, Gastritis sowie Gastroenteritis und -kolitis ist der histologische Nachweis eosinophiler Infiltrate in der Schleimhaut einzelner oder mehrerer Wandschichten der betroffenen Organe mit der Folge einer Wandverdickung und Obstruktion. Bei manchen Patienten lässt sich eine periphere Eosinophilie nachweisen ▶ [118]. Insbesondere bei der EoE konnte eine häufige Assoziation zu atopischen Erkrankungen und IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien gezeigt werden, dennoch scheint die eosinophile Entzündung weitgehend IgE-unabhängig zu verlaufen (s. Kap. ▶ 1.2.4) ▶ [577], ▶ [810].

Die Nahrungsmittelprotein-induzierte allergische Proktokolitis ist eine Sonderform der eosinophilen Enterokolitis im Säuglingsalter, da vermehrt Eosinophile in der rektalen Lamina propria vorkommen, sich jedoch keine erhöhten IgE-Antikörper nachweisen lassen. Es handelt sich um eine zellvermittelte Entzündung in Sigmadarm und Rektum ▶ [170], ▶ [457], ▶ [609].

Beim Food protein-induced enterocolitis syndrome (FPIES) handelt es sich um eine T-Zell-vermittelte Erkrankung, bei der Nahrungsmittelallergene eine lokale intestinale Entzündung auslösen. In den meisten Fällen lassen sich keine IgE-Antikörper nachweisen. Allerdings kann FPIES bei einem Teil der Kinder in eine IgE-vermittelte Soforttypallergie übergehen. 24 % der Kinder weisen spezifische IgE gegen FPIES-auslösende Nahrungsmittel auf. Der Nachweis von IgE-Antikörpern (z.B. gegen Kuhmilch) ist möglicherweise ein Risikofaktor für das Persistieren der Erkrankung nach dem 3. Lebensjahr ▶ [162], ▶ [272].

Die NMP-induzierte Enteropathie ist eine meist durch Kuhmilch ausgelöste nicht IgE-vermittelte Erkrankung des Dünndarms, die früher als Kuhmilchproteinintoleranz bezeichnet wurde. Sie beruht auf einem zellvermittelten immunologischen Mechanismus ohne Beteiligung von IgE-Antikörpern. Hier findet sich histologisch eine fleckförmige Zottenatrophie ▶ [170].

Symptomatik

Die Krankheitsbilder eosinophile Gastritis, Gastroenteritis oder Kolitis kommen bei Kindern in allen Altersgruppen, aber auch bei Erwachsenen vor. Ihre Symptomatik ist vom Manifestationsort (Magen, Dünn- oder Dickdarm) abhängig. Im Vordergrund stehen Symptome wie Bauchschmerzen, Übelkeit, Inappetenz, Gewichtsverlust, Erbrechen und Diarrhöen, die isoliert oder kombiniert auftreten können.

Die NMP-induzierte allergische Proktokolitis (Food protein-induced allergic proctocolitis, FPIAP) tritt typischerweise bei gestillten Säuglingen im Alter von 3–12 Wochen auf, kommt aber auch bei mit Formula auf Kuhmilch- oder Sojaproteinbasis gefütterten Kindern vor. Die Säuglinge haben einen blutig-schleimigen Stuhl, manchmal eine blasse Haut, weisen ansonsten jedoch keinen krankhaften Befund auf und gedeihen gut. Da die Blutungen oft spontan aufhören, wird in einigen Fällen empfohlen, Infektionen auszuschließen und zunächst ohne Diät ca. 2–4 Wochen abzuwarten ▶ [170], ▶ [457], ▶ [750]. Andererseits wünschen sich betroffene Eltern eine diätetische Therapie, da ihnen der blutige (nicht physiologische!) Stuhl ihres Kindes Angst macht. Hier wird eine (i.d.R.) milchfreie Diät der stillenden Mutter, gefolgt von einer Milch-Reexposition innerhalb des ersten Lebensjahres des Kindes empfohlen. Zu beachten ist, dass auch Allergene wie Soja, Ei und Weizen eine Rolle spielen können ▶ [609].

Kinder mit FPIES reagieren typischerweise 1–4 Stunden nach Verzehr des Nahrungsmittelallergens mit heftigem Erbrechen (Major-Diagnosekriterium), oft nach 5–10 Stunden gefolgt von Durchfällen. Pulmonale oder kutane Symptome werden nicht beobachtet ▶ [162]. Diese akute Form tritt insbesondere dann auf, wenn das auslösende Nahrungsmittel nicht regelmäßig gegessen wird, das Wachstum ist in der Regel normal. Die chronische Form tritt bei Kindern im Alter unter 4 Monaten auf, wenn das verantwortliche Nahrungsmittel regelmäßig gefüttert wird. Die Symptome sind intermittierendes Erbrechen, Durchfall und Reflux verbunden mit Gewichtsverlust und Gedeihstörungen. Die Diagnose erfolgt aufgrund der typischen, klinischen Symptome, die sich unter Allergenkarenz verbessern. Im Zweifel sollte der Verdacht durch eine orale Provokation bestätigt werden ▶ [648].

Die NMP-induzierte Enteropathie äußert sich in den ersten Lebensmonaten bei allen betroffenen Säuglingen durch eine Diarrhö und häufig auch durch Erbrechen. Die Symptomatik tritt typischerweise beim nicht gestillten Kind auf und steigert sich allmählich. Aufgrund der zellvermittelten Entzündung des Dünndarms und der Zottenatrophie entwickelt sich ein Malabsorptionssyndrom mit Anämie und Gedeihstörungen. Nach Umstellung auf eine allergenfreie Säuglingsnahrung bessert sich die Symptomatik in der Regel nach 3–21 Tagen ▶ [170], ▶ [457], ▶ [750].

Häufigkeit

Meyer und Mitarbeiter ▶ [611] untersuchten 437 Kinder mit Nahrungsmittelallergien im Gastrointestinaltrakt vom Spättyp. Die Mehrzahl dieser Kinder hatten eine atopische Familienanamnese (ca. 68 %), 42 % eine atopische Dermatitis in früher Kindheit. Obwohl die Symptome erstmals bereits im Alter von durchschnittlich 5 Monaten auftraten, war das mittlere Alter bei Diagnosestellung 5 Jahre. Am häufigsten wurde eine nicht IgE-mediierte gastrointestinale Nahrungsmittelallergie (43 %) diagnostiziert, gefolgt vom FPIES bei 35 % der untersuchten Kinder.

Gastrointestinale Manifestationen der Kuhmilchallergie treten in etwa der Hälfte der Fälle auf ▶ [170], ▶ [457], ▶ [750].

Auslöser

Kuhmilchprotein ist der häufigste Auslöser nicht IgE-vermittelter allergischer NMU sowie der Mischformen aus IgE- und nicht IgE-vermittelten Reaktionen im Kindesalter mit Manifestationen im Gastrointestinaltrakt. Hühnereiprotein, Soja und Weizenmehl können ebenfalls eine Rolle spielen. Bei der allergischen eosinophilen Gastritis, Gastroenteritis oder Kolitis lassen sich allerdings nur bei einem Teil der Fälle Nahrungsmittelallergene als „Hauptschuldige“ nachweisen ▶ [170], ▶ [457], ▶ [750].

Hauptauslöser der FPIES bei Kindern ist auch hier Milch, weitere häufig beschriebene Nahrungsmittel sind Soja, Reis und Hafer, gefolgt von Eiern, anderen Getreiden, Gemüse, Geflügel und Fisch, wobei die Betroffenen auch auf mehrere Nahrungsmittel reagieren können. Im Erwachsenenalter gibt es einzelne Fälle mit Erstmanifestation von FPIES durch Fisch und Schalentiere ▶ [648], ▶ [239].

1.2.4 Eosinophile Ösophagitis

In Anbetracht der steigenden Inzidenz der eosinophilen Ösophagitis (engl. eosinophilic esophagitis, EoE) sowohl im Kindes- als auch im Erwachsenenalter wird auf dieses Krankheitsbild hier ausführlicher eingegangen.

Als Sonderfall unter den allergischen Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes erfordert die Diagnostik und Therapie der EoE eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Gastroenterologen, Allergologen und Ernährungstherapeuten.

1.2.4.1 Definition

Die EoE wird als eine lokale, immun-/antigenvermittelte, chronisch entzündliche Erkrankung des Ösophagus definiert ▶ [191], ▶ [577]. Anders als typische Nahrungsmittelallergien führen die Auslöser nicht zu einer Sofortreaktion, sondern zu einer sich über Wochen entwickelnden entzündlichen Veränderung der Speiseröhre. Klinisch zeigt sich die EoE mit Symptomen einer ösophagealen Dysfunktion und histologisch mit einer eosinophilen Entzündung mit mehr als 15 Eos/HPF. Dagegen finden sich bei Gesunden keine eosinophilen Granulozyten in der Speiseröhre ▶ [570], ▶ [577], ▶ [681], ▶ [809].

1.2.4.2 Häufigkeit

Die ersten Fälle mit EoE wurden Ende der 1970er beschrieben; erst in den 1990ern wurde die EoE als Krankheit definiert, seitdem ist die Inzidenz um etwa das 20-Fache angestiegen ▶ [577], ▶ [614]. Diese Beobachtung lässt sich nicht alleine durch eine stärkere Aufmerksamkeit und Diagnostik erklären ▶ [579], ▶ [809].

Die EoE tritt in jedem Alter auf, am häufigsten bei 20–50-jährigen Erwachsenen. Betroffen sind v.a. Männer, bei einem Geschlechterverhältnis von 3:1 ▶ [577], ▶ [968]. Unter 674 EoE-Patienten in den Niederlanden im Zeitraum 1996–2010 waren 80 % Erwachsene und 20 % Kinder ▶ [720]. Nach Schweizer Daten sind 43 Erwachsene bzw. 6 Kinder von jeweils 100.000 der entsprechenden Altersgruppe betroffen ▶ [834].

1.2.4.3 Symptomatik

Patienten mit EoE sind in der Regel beschwerdefrei, solange sie keine feste Nahrung zu sich nehmen. Typischerweise essen EoE-Patienten sehr langsam, kauen lange und trinken nach jedem Bissen. Das Bolusgefühl kann für einzelne Betroffene so stark sein, dass sie nur noch pürierte Speisen verzehren.

Erwachsene leiden häufig unter Schluckstörungen (Dysphagie), besonders bei festen und faserigen Speisen. Bei Fortschreiten der entzündlichen Veränderungen der Ösophagusschleimhaut kommt es zur Bolusobstruktion, d.h. Steckenbleiben von größeren Nahrungsbrocken in der Speiseröhre. Meist ist der Bolus Fleisch, aber auch Brot oder Nudeln sind möglich. In schweren Fällen kann es zu einer Notfallsituation mit komplettem Verschluss der Speiseröhre und Einklemmen des Nahrungsbolus kommen (Bolusimpaktierung). Daneben berichten Betroffene auch von Symptomen, die denen einer gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD) ähneln, wie retrosternale Schmerzen, Sodbrennen und Erbrechen.

Im Kindesalter manifestiert sich die EoE oft unspezifisch und altersabhängig verschieden. Säuglinge mit einer allergischen eosinophilen Ösophagitis sind sehr unruhig, schreien viel und erbrechen häufig ▶ [170], ▶ [581]. Bei ihnen stehen Fütterungsprobleme und Gedeihstörungen im Vordergrund, bei älteren Kindern Dysphagie, Übelkeit, Bauchschmerzen und spontane Bolusobstruktionen ▶ [809].

Nicht alle Patienten mit EoE haben typische ösophageale Symptome, sodass die Diagnose manchmal erst im Rahmen eines Zufallsbefunds gestellt wird. Bei chronischem Verlauf kommt es durch Fibrosierung und Narbenbildung zu Wandverdickung und -verengung (Strikturen). Die EoE muss deshalb behandelt werden ▶ [833].

Häufig besteht eine Assoziation zu atopischen/IgE-vermittelten Erkrankungen wie atopischer Dermatitis, Asthma und allergischer Rhinitis. 15–43 % der EoE-Patienten haben IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergien, zum Teil auch mit Anaphylaxien ▶ [577], ▶ [735].

Im Patientengut der Autorinnen gibt es EoE-Fälle, bei denen gleichzeitig primäre Erdnuss-, Baumnuss-, Fisch-, Geflügelfleisch- oder Hühnereiallergien sowie besonders häufig pollenassoziierte Nahrungsmittelallergien vorliegen, aber auch (wenige) EoE-Patienten ohne begleitende IgE-vermittelte Allergien.

Bei etwa 75 % der Kinder mit EoE finden sich IgE-Antikörper gegen Nahrungsmittelallergene und bei 91 % der Erwachsenen gegen Atemwegsallergene und pflanzliche Nahrungsmittelallergene ▶ [810], ▶ [850]. Van Rhijn und Mitarbeiter ▶ [721] konnten 2013 bei 74 % ihrer untersuchten erwachsenen Patienten mit EoE IgE-Antikörper gegen inhalations- und pollenassoziierte Nahrungsmittelallergene im Serum (mittels ISAC) nachweisen. Dennoch unterscheidet sich die EoE von einer IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergie ▶ [810].

1.2.4.4 Pathogenese

Nach heutiger Kenntnis ist die EoE eine multifaktorielle Erkrankung, da Nahrungsmittelallergene, genetische Faktoren (männliche Dominanz, hier auch eine familiäre Häufung), aber auch Umweltfaktoren, wie Kaiserschnitt und frühe Antibiotikabehandlung, eine Rolle bei der Krankheitsentstehung spielen. Aufgrund der Assoziation mit atopischen Erkrankungen wird die EoE auch als späte Manifestation des „allergischen Marsches“ bezeichnet ▶ [614].

Der Pathomechanismus der EoE ist noch nicht vollständig verstanden. Es handelt sich wahrscheinlich um eine Kombination aus Th2-vermitteltem Immunmechanismus, bei dem es nach Kontakt mit dem Nahrungsmittelallergen durch die Infiltration der Ösophaguswand mit eosinophilen Granulozyten zu einer chronischen Entzündung mit Wandverdickung kommt, und einer lokalen IgE-mediierten Erkrankung, da die Synthese von IgE-Antikörpern in der Ösophagusmukosa bei EoE-Patienten nachgewiesen wurde ▶ [318], ▶ [833], ▶ [886]. Einige Patienten schildern bei Kontakt mit bestimmten Nahrungsmitteln eine ösophageale Sofortreaktion. Die Bedeutung des beobachteten Anstiegs an IgG4-Antikörpern im Serum und in der Speiseröhrenschleimhaut von Erwachsenen mit EoE im Vergleich zu Gesunden ist noch unklar. Spezifisches IgG4 ermöglicht jedoch keine Vorhersage der EoE-Auslöser ▶ [167], ▶ [175].

Eine Schlüsselrolle in der Pathogenese der EoE scheint eine genetisch bedingte Barrierestörung des Ösophagusepithels ähnlich wie bei der Hautbarrierestörung bei atopischer Dermatitis zu spielen. Bei erhöhtem Kontakt können vermutlich Nahrungsmittelallergene, seltener Aeroallergene, in die Ösophagusschleimhaut eindringen und eine Th2-zellmediierte Immunantwort auslösen. Diese geht einher mit einer Ausschüttung verschiedener Zytokine (u.a. IL-5 und IL-13) und führt zu einem Teufelskreis einer zunehmenden Durchlässigkeit der Schleimhaut und einer Th2-vermittelten chronischen Entzündung ▶ [167], ▶ [809].

1.2.4.5 Auslöser

Die bisher verfügbaren Studien identifizierten als Hauptauslöser der EoE übereinstimmend regelmäßig zugeführte Nahrungsmittelallergene, insbesondere Milch, Weizen und Hühnerei. Hierbei gibt es kaum Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen. Um die Auslöser zu finden, wurden nach einer Eliminationsphase Nahrungsmittel einzeln unter wiederholter endoskopischer Kontrolle mit Biopsien wieder in die Ernährung eingeführt (s.a. Diagnostik) ▶ [327], ▶ [579], ▶ [875]. Meist sind nur 1–3 Nahrungsmittel als Auslöser der EoE relevant, so auch die Erfahrung aus der Ernährungstherapie der Autorin.

Im Kindesalter konnten je nach Studie neben Milch (ca. 70 % der Kinder), Weizen (16–26 %) und Ei (17–26 %), Soja (10–21 %) sowie Erd- und Baumnüsse (6 %) als Auslöser der EoE ermittelt werden ▶ [436], ▶ [438].

Im Erwachsenenalter stehen ebenfalls Milch (50–64 % der Erwachsenen), Weizen (30–60 %) und Hühnerei (5–36 %) an erster Stelle, gefolgt von Hülsenfrüchten inkl./oder Soja (14–24 %), Fisch und Meeresfrüchten (19 %) sowie Erd- und Baumnüssen (10–17 %) ▶ [317], ▶ [580], ▶ [619], ▶ [735]. Bei den prozentualen Angaben zu den Auslösern bei Kindern und Erwachsenen ist zu beachten, dass sich hier auch die Ernährungsgewohnheiten der Herkunftsländer der jeweiligen Studie widerspiegeln.

Aufgrund der Erfahrung der Autorin in der Ernährungstherapie von EoE-Patienten im Zeitraum von 2015 bis 2019 mit Reexposition einzelner Nahrungsmittelgruppen nach erfolgreicher Eliminationsdiät und Kontrollbiopsien beim Gastroenterologen steht auch bei Jugendlichen und Erwachsenen in Deutschland Milch an erster Stelle der Auslöser der EoE, gefolgt von Weizen, Hühnerei und Fisch sowie Meeresfrüchten, manchmal Schalenfrüchten, selten Hülsenfrüchten inkl. Erdnuss. Bei den Betroffenen sind jeweils nur 1–2 dieser Nahrungsmittel relevant, in einem Fall waren es drei. Nur bei 2 von 25 Patienten (22 Erwachsene, 3 Kinder) konnte keine IgE-vermittelte Allergie nachgewiesen werden, alle anderen litten unter einer allergischen Rhinitis mit begleitenden (meist birken-)pollenassoziierten Nahrungsmittelallergien. Bei 7 der behandelten Patienten lag gleichzeitig eine primäre Nahrungsmittelallergie (z.B. gegen Erdnuss oder Fisch) vor.

Die Vermutung, dass pollenassoziierte Nahrungsmittelallergene als Hauptauslöser einer Nahrungsmittelallergie im Erwachsenenalter auch als Auslöser einer EoE eine Rolle spielen, konnte bisher nicht bestätigt werden. Van Rhijn und Mitarbeiter ▶ [721] nehmen an, dass birkenpollenassoziierte Pr-10-Proteine in Nahrungsmitteln in der Speiseröhre immunologische Reaktionen im Sinne einer eosinophilen Entzündung auslösen, da sie erst im Magen durch Pepsin verdaut werden. Pollenassoziierte Nahrungsmittelallergien kommen in der Ernährungstherapie der Autorin bei Patienten mit EoE als Begleiterkrankung relativ häufig vor, scheinen aber primär Sofortreaktionen wie orales Allergiesyndrom, sehr selten auch Sofortreaktionen in der Speiseröhre bei Kontakt mit dem Nahrungsmittel auszulösen.

Darüber hinaus sind auch Fälle beschrieben worden, bei denen eine orale (SOTI) oder eine sublinguale Pollen-Immuntherapie (SLIT) eine EoE ausgelöst haben ▶ [615].

1.2.4.6 Diagnostik

Vom Zeitpunkt der ersten Symptome bis zur Diagnose vergehen oft mehrere Jahre. Häufig wird erst nach jahrelangen Schluckbeschwerden und wiederholten Bolusobstruktionen oder notfallmäßiger Entfernung des Bolus die Diagnose EoE beim Gastroenterologen gestellt. So zum Beispiel:

Alexander P. (39 J.): Dysphagie seit mindestens 4 Jahren, zuletzt 3–4-mal im Jahr Bolusobstruktionen nach Fleischverzehr

Alfred H. (42 J.): Dysphagie seit 14 Jahren!, zuletzt Bolusimpaktierung nach Fleischverzehr

Emily M. (21 J.): Bolusobstruktionen seit dem 3. Lebensjahr, ca. 1-mal im Jahr!

Die Suche nach den Auslösern ist momentan noch schwierig, da es keine zuverlässigen Testmethoden gibt. Die klassischen Allergietests wie Prick-Test und Bestimmung der spezifischen IgE-Antikörper im Blut sind zur Suche nach den Auslösern diagnostisch nicht geeignet, da es sich hier nicht um eine IgE-vermittelte Erkrankung handelt. Dennoch sind sie sinnvoll, um begleitende IgE-vermittelte Allergien abzuklären.

Die Endoskopie mit Probenentnahme und histologischem Nachweis eosinophiler Infiltrate aus der Schleimhaut des Ösophagus ist die bisher einzige Methode zur Diagnose der EoE ▶ [577], ▶ [809]. Sie ist außerdem unbedingt erforderlich, um den Erfolg der Eliminationsdiät und der Wiedereinführung vorher gemiedener Nahrungsmittel zu überprüfen, da bei Symptomfreiheit nicht zwangsläufig eine Remission eingetreten sein muss.

Die genaue Identifizierung des Auslösers gehört in die Hand einer erfahrenen Oecotrophologin oder Diätassistentin, da keine unmittelbare Reaktion auf das Allergen erfolgt und die Infiltration mit den eosinophilen Granulozyten mehrere Wochen dauert. Die Beschwerden entstehen als Folge der veränderten Speiseröhrenschleimhaut. Aus Sicht der Ernährungstherapeutin ist deshalb eine gründliche Anamnese unter Berücksichtigung der Studienlage ein wichtiger Schritt, um die Auslöser der EoE zu finden. In Verdacht stehen besonders Nahrungsmittel, die häufig und regelmäßig verzehrt werden, aber auch manchmal solche, die der Patient seit Kurzem vermeidet (z.B. Milch), worauf er dann eine Besserung seiner Symptome erfährt. Nahrungsmittel, die vom Patienten als unangenehm beim Schlucken empfunden werden, gehören i.d.R. nicht zu den Auslösern einer EoE (z.B. Fleisch, Reis). Zurzeit gilt der Tatbeweis, d.h. das versuchsweise Weglassen und Wiedereinführen der in Verdacht stehenden Nahrungsmittel und die Erfolgskontrolle mittels Spiegelung.

Eckpfeiler der Diagnostik und Ernährungstherapie:

(Ernährungs-)Anamnese: typische Beschwerden, Lebensmittelauswahl (insbesondere häufig verzehrte Nahrungsmittel, Vermeidungsstrategien, Mangelernährung?), eigene Beobachtungen des Patienten, Augmentationsfaktoren

Laboruntersuchungen (u.a. Eosinophile, spezifisches IgE zwecks Diagnose begleitender IgE-vermittelter Erkrankungen)

Differenzialdiagnostisch ist insbesondere eine Refluxkrankheit (GERD) auszuschließen. Ein Ansprechen auf Protonenpumpeninhibitoren (PPI) ist allerdings kein Ausschlusskriterium, da einige EoE-Patienten auch auf PPIs ansprechen. Die Kontrolle muss endoskopisch nach Absetzen der PPIs erfolgen ▶ [833].

Endoskopie bzw. Ösophagus-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) mit mindestens 6 Biopsien ▶ [577]. Bei der Endoskopie sollten auch Magen und Duodenum biopsiert werden, da gleichzeitig eine eosinophile Gastritis oder Enteritis vorliegen kann ▶ [191], ▶ [401], ▶ [581].

Histologischer Nachweis einer Infiltration der Ösophagus-Schleimhaut mit eosinophilen Granulozyten: mind. 15 Eos/HPF (HPF ≈ 0,3 mm2) ▶ [191], ▶ [577]. Empfohlen wird außerdem ein histologischer Aktivitäts-Score (EoE Histologic Scoring System: EoEHSS) ▶ [614].

Eliminationsdiät über mindestens 6 Wochen; bei Ansprechen auf die Diät: Reexposition einzelner Nahrungsmittelgruppen jeweils über mehrere Wochen unter Anleitung einer auf EoE spezialisierten Ernährungsfachkraft. Vermeidung von Diätfehlern durch Auswertung eines Ernährungs- und Symptomtagebuches.

Der Erfolg der Eliminationsdiät und der Nachweis der Toleranz oder Unverträglichkeit bestimmter Nahrungsmittel nach ihrer Wiedereinführung lassen sich in der Praxis zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Buches nur histologisch mit Auszählung der Eos/HPF oder mittels des EoEHSS verifizieren. Die notwendigen häufigen Endoskopien sind nicht unproblematisch. Zukünftig könnten minimalinvasive Verfahren zur Verlaufskontrolle zur Verfügung stehen ▶ [577].

1.2.4.7 Therapie

Zur Behandlung der EoE gibt es 3 Therapieoptionen, die im englischen Sprachraum als die 3 „D“ für drugs (Medikamente), diet (Diät) und dilatation (Erweiterung der Speiseröhre) bezeichnet werden.

Eine Dilatation ist ein mechanischer Eingriff im Rahmen einer Endoskopie zur Erweiterung einer funktionell relevanten Verengung der Speiseröhre und sollte nur bei therapierefraktären Strikturen/Stenosen erfolgen ▶ [614]. Diese Methode lindert nur die Beschwerden, behandelt aber nicht die Entzündung ▶ [809].

Medikamentöse Therapie

Vermutet wird eine Unterform der EoE, die durch ein Ansprechen auf Protonenpumpenhemmer (PPI) gekennzeichnet ist. Bei einem Teil der Patienten mit histologisch gesicherter EoE führen PPIs zu einer Remission der Erkrankung, sodass diese Medikamente häufig zu Beginn der Behandlung empfohlen werden. Sprechen die Betroffenen jedoch nicht oder nur teilweise auf diese Therapie an, sollte zusätzlich eine weitere Therapieoption getestet werden ▶ [577], ▶ [809].

Als medikamentöse Therapie kommen topische Steroide wie Budesonid oder Fluticason, die in geeigneter Galenik geschluckt werden, zum Einsatz. Sie sind als Pulver, Gel und Schmelztablette erhältlich. Topische Steroide führen in den meisten Fällen zum Rückgang der eosinophilen Entzündung und der Schluckbeschwerden, als Nebenwirkung kann eine Candidose auftreten ▶ [401], ▶ [581], ▶ [774]. Prophylaktisch sind deshalb eine gute Mundhygiene und die Einnahme eines milch- und glutenfreien probiotischen Präparats sowie je nach Anamnese eine Zucker- und Alkoholreduktion zu empfehlen. Der Verzehr von gesäuerten (z.B. Naturjoghurt) und/oder probiotischen Milchprodukten ist nur dann eine Option, wenn ausschließlich topische Steroide zur Therapie eingesetzt werden, nicht aber bei begleitender Eliminationsdiät ohne Milch/Milchprodukte.

Ein vollständiges Ansprechen auf die Therapie durch topische Steroide gelingt nur bei 36 % der erwachsenen Patienten und ca. 60 % der Kinder mit EoE im Vergleich zu 54–72 % Diätansprechern ▶ [577]. Außerdem entwickeln ca. 80 % der EoE-Betroffenen durchschnittlich 22 Wochen nach Absetzen der topischen Steroide (Schmelztablette) ein klinisches Rezidiv ▶ [320]. Deshalb sollte die Eliminationsdiät die erste Therapiemaßnahme sein ▶ [578]. Patienten, die bereits mit Steroiden behandelt werden, sollten diese nach Rücksprache mit dem Arzt über einen ausreichend langen Zeitraum absetzen oder zumindest reduzieren, bevor mit der Ernährungstherapie begonnen werden kann.

Merke

Die Therapie mit Kortikosteroiden und eine Dilation behandeln nicht die Ursache der Entzündung ▶ [327], ▶ [833]. Eliminationsdiäten sind deshalb ein wichtiger Bestandteil der Diagnostik auf der Suche nach den auslösenden Nahrungsmitteln und damit auch der Therapie einer EoE.

Eliminationsdiäten

Verschiedene Studien konnten zeigen, dass Eliminationsdiäten zuverlässig zu einer Abnahme der Beschwerden und der eosinophilen Entzündung bei diagnostizierter EoE führen und dass es im Fall einer Reexposition mit dem auslösenden Nahrungsmittel zum Rezidiv kommt. Allerdings ist die genaue Identifizierung des Auslösers schwierig, da keine unmittelbare Reaktion auf das Allergen erfolgt und die Infiltration mit den eosinophilen Granulozyten mehrere Wochen dauert. Die Obstruktion entsteht als Folge der veränderten Ösophagusmukosa, sodass der Nahrungsbolus in der Regel nicht der Auslöser ist.

Die Durchführung einer Eliminationsdiät muss unbedingt durch eine allergologisch und gastroenterologisch spezialisierte Ernährungsfachkraft begleitet werden. Ihre Empfehlungen orientieren sich an den Ernährungsgewohnheiten und Lebensumständen des Patienten und berücksichtigen nährstoffreiche Alternativen für die eliminierten Nahrungsmittelgruppen.

Tab. 1.2 

Eliminationsdiäten bei EoE (nach Daten aus

▶ [327]

,

▶ [577]

).

Diäten

Remissionsrate

Vorteile

Nachteile

Elementardiät

bis 90 % (K + E)

(Metaanalyse, ▶ [25])

hohe Effektivität und Effizienz

hohe Abbruchrate (41 % E): keine Speisenvielfalt, unangenehmer Geschmack, Gewichtsverlust, hohe Kosten

Allergietest basierte Eliminationsdiät

SPT und APT:

32 % (E) bis 47 % (K) (Metaanalyse ▶ [25])

Spez. IgE (ISAC): 7 % ▶ [720]

Möglichkeit, nur wenige Lebensmittel zu eliminieren

kein Allergietest konnte die Lebensmittel korrekt vorhersagen, die bei Respondern der SFGED und Provokation identifiziert wurden ▶ [577]

Six-FGED (SFGED)

ohne Milch, Weizen/Gluten, Ei, Soja/Hülsenfrüchte, Erdnuss und Baumnüsse, Fisch und Meeresfrüchte

ca. 72 % (K + E)

(Chicago: Kinder, 65 %; ▶ [438]; Spanien: Erwachsene, 62 % ▶ [580]; Metaanalyse 2014: Kinder, 73%, Erwachsene, 71% ▶ [25])

Entfernung der häufigsten Allergene

langfristige Remission ohne Medikamente möglich

fehlende Standardisierung, hohes Risiko einer Mangelernährung

Four-FGED (FFGED)

ohne Milch, Weizen/Gluten, Ei, Soja/Hülsenfrüchte

54% (E)

(Spanien, ▶ [619])

71% (K)

(Chicago, ▶ [436])

Entfernung der häufigsten Allergene, langfristige Remission ohne Medikamente möglich

+ höhere Compliance als SFGED

fehlende Standardisierung, Risiko einer Mangelernährung

One- oder Two-FGED bzw. Two-Food

ohne Milch:

und/oder

ohne Weizen/Gluten

TFGED: ca. 40 % (K + E) ▶ [577]

OFGED (nur Milch, K): 65 %

(Chicago, ▶ [437])

Entfernung der häufigsten Allergene, langfristige Remission ohne Medikamente möglich, hohe Motivation und Compliance der Patienten

weniger effizient, mit langer diagnostischer Phase, wenn (die eliminierten!) Nahrungsmittel nicht die Auslöser sind

K: Kinder, E: Erwachsene, SPT: Skin-Prick-Test, APT: Atopie-Patch-Test, SFGED: Six-Food-Group Elimination Diet, FGED: Food-Group Elimination Diet

Im Rahmen der Ernährungstherapie bei EoE werden verschiedene Eliminationsdiäten angewendet. Die Wahl der Eliminationsdiät bzw. der Umfang der Allergenkarenz sollte von der Anamnese, dem Alter, der Compliance bzw. Motivation und der finanziellen Situation des Patienten sowie vom Risiko eines Nährstoffmangels abhängig gemacht werden. Die Vor- und Nachteile der jeweiligen Diät sollten auf jeden Fall mit dem Patienten besprochen werden. Die Studienlage hinsichtlich des Umfangs der Allergenkarenz ist zurzeit leider noch uneinheitlich (z.B. glutenfrei oder nur weizenfrei, sojafrei oder frei von Hülsenfrüchten, mit oder ohne Erdnuss). So steckt hinter der jeweiligen empirischen Eliminationsdiät (z.B. Four-FED oder SFGED) meist die Empfehlung, weitaus mehr Nahrungsmittel zu meiden, als bei dem Begriff vermutet wird ( ▶ Tab. 1.2 ):

Elementardiäten sind flüssige Formula auf Aminosäurenbasis, die nonallergen sind (s.a. ▶ Tab. 4.2 ). Sie sind vor allem im frühen Kindesalter sehr effektiv. Bei älteren Kindern und Erwachsenen scheitern sie am Geschmack und in der praktischen Durchführung. Für die meisten Betroffenen ist eine ausschließliche Ernährung mit Formula im Lebens- und Berufsalltag nicht möglich und führt häufig auch zu Gewichtsverlust. Außerdem sind Elementardiäten sehr teuer. Entsprechend hoch sind die Abbruchraten. Sie werden deshalb vor allem bei schweren und therapieresistenten Verläufen ▶ [809] oder zum Einstieg in die Ernährungstherapie empfohlen ▶ [327].

Allergietest basierte Eliminationsdiäten haben sich bisher nicht als sehr effektiv erwiesen ▶ [915]. Mittels Prick-Test konnten nur 13 % der Auslöser identifiziert werden ▶ [317]. Da es sich nicht um eine IgE-vermittelte Erkrankung handelt, entspricht die Übereinstimmung von positivem spezifischem Serum-IgE gegen bestimmte Nahrungsmittel mit den durch Elimination und Reexposition ermittelten Auslösern wahrscheinlich eher einem Zufallsbefund.

Bei der Six-Food-Group Elimination Diet (SFGED)sind 6 Lebensmittelgruppen, d.h. Kuhmilch bzw. alle Tiermilchen, Weizen bzw. Gluten (teilweise auch ohne Mais und Reis), Ei, Erdnüsse und Baumnüsse sowie Fisch und Meeresfrüchte zu meiden. Allergologisch/gastroenterologisch spezialisierte Ernährungsfachkräfte beurteilen ihren pauschalen Einsatz als kritisch, da sie bei Durchführung über 6 Wochen die Gefahr einer Mangelernährung birgt und zu einer Störung der intestinalen Mikrobiota mit negativen Folgen für Darmbarriere und -gesundheit führt (s.a. Kap. ▶ 3.4). Besonders bei Erwachsenen sind die Abbruchraten bei Durchführung einer SFGED erwartungsgemäß extrem hoch. Die Eliminationsdiät halten die oft hoch motivierten Erwachsenen zwar meist durch, aber nicht mehr die lange Zeit in der Reexpositionsphase (Kostaufbau), wenn jedes Nahrungsmittel nach Einführung über mehrere Wochen durch die ÖGD überprüft und ansonsten so lange die bisherige Eliminationsdiät beibehalten werden muss.

Die Four-Food-Group Elimination Diet (FFGED) soll die Compliance der Patienten verbessern, ohne den Therapieerfolg signifikant zu verringern ▶ [915]. Dennoch ist die damit verbundene Ernährungsumstellung noch sehr weitreichend. Ohne kompetente und engmaschige Begleitung durch eine entsprechend spezialisierte Ernährungsfachkraft und hohe Motivation des Patienten sind sowohl SFGED als auch diese Diät nicht zu empfehlen.

Bei Erwachsenen mit EoE haben sich in unserer Praxis die One- oder Two-Food-Group-Eliminationsdiät (OFGED oder TFGED), d.h. ohne 1 bis maximal 2 individuell in Verdacht stehende Nahrungsmittelgruppen (meist Milch und Milchprodukte und Weizen), bewährt. Der Versuch dieser individuellen Diät ist einer SFGED aus oben genannten Gründen vorzuziehen. Unmittelbar im Anschluss an die Eliminationsphase muss mit einer Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) der Erfolg der Diät überprüft werden. Im Fall eines unverändert hohen Nachweises von Eosinophilen/HPF oder nur einer Teilremission bietet sich das sog. Step-up-Verfahren an. Bei dieser Methode folgt bei Nichtansprechen auf die OFGED oder die TFGED eine Erweiterung der Eliminationsdiät auf insgesamt drei bis vier Nahrungsmittelgruppen ▶ [618].

Die Reexposition, d.h. das Wiedereinführen einzelner Nahrungsmittelgruppen, gestaltet sich ebenfalls als schwierig, da Veränderungen der Ösophagusmukosa erst nach mehreren Wochen auftreten. Der Zeitraum zwischen der Reexposition der einzelnen Nahrungsmittel muss also lang genug gewählt werden, außerdem muss nach jeder Reexposition eine Biopsie erfolgen. In unserer Praxis hat es sich bewährt, über mindestens 6 Wochen eine neue Nahrungsmittelgruppe einzuführen. Eine zu frühe Reexposition kann bei vorausgegangener Remission einen vermeintlichen Therapieerfolg vortäuschen. Im Idealfall entnimmt der Gastroenterologe nach der Reexposition wieder mehrere Biopsien im Rahmen der Endoskopie.

Eine Stellungnahme zum diagnostischen und therapeutischen Management der eosinophilen Ösophagitis ist unter www.ak-dida.de/stellungnahmen▶ [24] nachzulesen. Die Behandlung von Patienten mit EoE sollte in Kooperation mit einer entsprechend spezialisierten Ernährungsfachkraft und einem Gastroenterologen erfolgen.

Fallbeispiel 1

Eosinophile Ösophagitis (Alexander D., 40 Jahre)

Anamnese

Dysphagie seit vielen Jahren mit mehrfachen Bolusobstruktionen nach Fleischverzehr, erstmalig auf Costa Rica vor 10 Jahren, deshalb PPI-Therapie über ca. 6 Wochen, allerdings ohne Erfolg, dort 1. Ösophago-Gastro-Duodenoskopie: Diagnose EoE

in Deutschland (vor 2 Jahren): 2. und 3. ÖGD: kurzzeitige Verbesserung der EoE unter Steroidtherapie

Steroide