Naschkatze - Meg Cabot - E-Book

Naschkatze E-Book

Meg Cabot

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Beschreibung

Rund? Na und!

Eine Naschkatze mit frechem Mundwerk und großem Herzen ist nicht zu bremsen!

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Inhaltsverzeichnis
 
Buch
Autorin
Widmung
Lizzie Nichols’ Ratgeber für Brautkleider
 
Kapitel 1
 
Kapitel 2
Eine Woche früher
 
Kapitel 3
 
Kapitel 4
 
Kapitel 5
 
Kapitel 6
 
Kapitel 7
 
Kapitel 8
 
Kapitel 9
 
Kapitel 10
 
Kapitel 11
 
Kapitel 12
 
Kapitel 13
 
Kapitel 14
 
Kapitel 15
 
Kapitel 16
 
Kapitel 17
 
Kapitel 18
 
Kapitel 19
 
Kapitel 20
 
Kapitel 21
 
Kapitel 22
 
Kapitel 23
 
Kapitel 24
 
Kapitel 25
 
Kapitel 26
 
Kapitel 27
 
Danksagung
Copyright
Buch
Lizzie Nichols ist gerade erst nach New York gekommen und überglücklich, als ihr Angebeteter Luke, der ihre frechen Sprüche genauso liebt wie ihre süßen Pfunde, mit ihr zusammenziehen will. Begeistert tauscht sie ihre Pläne, eine WG mit ihrer besten Freundin zu gründen, gegen ein gemeinsames Appartement mit dem unglaublich attraktiven Luke an der Fifth Avenue ein.
Autorin
Meg Cabot stammt aus Bloomington, Indiana. Nach dem Studium hoffte sie auf eine Karriere als Designerin in New York und arbeitete währenddessen u. a. als Hausmeisterin in einem Studentenwohnheim. Immerhin ließ dieser Job ihr genügend Zeit, ihren ersten Roman zu schreiben. Inzwischen hat Meg Cabot mehr als vierzig Romane verfasst und ist international eine höchst erfolgreiche Bestsellerautorin. Meg Cabot lebt mit ihrem Ehemann in New York City und Key West.
Von Meg Cabot bereits erschienen:
 
Darf’s ein bisschen mehr sein? (36630) · Aber bitte mit Schokolade (36673) · Schwer verliebt (36834)
 
Die Tochter von Avalon (24454)
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2007 unter dem Titel »Queen of Babble in the Big City« bei William Morrow, an imprint of HarperCollinsPublishers, New York.
Für Benjamin
Lizzie Nichols’ Ratgeber für Brautkleider
Das richtige Kleid für den schönsten Tag im Leben zu finden, ist nicht so einfach, aber das ist kein Grund, in Tränen auszubrechen.
Selbst wenn Sie eine formelle Zeremonie mit einem traditionellen langen Kleid planen, gibt es eine große Auswahl.
Man muss einfach nur die richtige Braut ins richtige Kleid stecken. Und dafür braucht man eine Spezialistin für Brautkleider – eine wie mich!
Lizzie Nichols Designs
1
Es genügt nicht, wenn ein sprachliches Werk Klarheit und In halt aufweist... Es muss auch ein Ziel und eine Botschaft haben. Sonst sinken wir von der Sprache zum Geschwätz herab, vom Ge schwätz zum Gestammel und vom Gestammel zur Verwirrung.
René Daumal (1908-1944) französische Dichterin und Kritikerin
 
 
 
 
Als ich die Augen öffne, sehe ich im Licht der Morgensonne den Renoir über meinem Bett hängen. Ein paar Sekunden lang weiß ich nicht, wo ich bin.
Dann fällt es mir wieder ein.
Und mein Herz fängt zu rasen an, und mir wird ganz schwindlig vor Aufregung. Ja, schwindlig. So wie am ersten Schultag, oder so als würde ich ein brandneues Designer-Outfit von TJ Maxx kriegen.
Nicht nur wegen des Renoirs über meinem Kopf. Der ist übrigens echt. Kein Druck so wie in meinem Zimmer im Studentenwohnheim. Ein richtiges Original vom impressionistischen Meister höchstselbst.
Anfangs konnte ich’s gar nicht glauben. Ich meine, wie oft geht man schon in ein Schlafzimmer und sieht einen echten Renoir über dem Bett hängen? Eh – eigentlich nie, wenn man so ist wie ich.
Als Luke das Zimmer verlassen hat, bin ich zurückgeblieben. Ich tat so, als müsste ich das Bad benutzen. In Wirklichkeit zog ich meine Espandrillos aus und stieg aufs Bett, um den Renoir genauer zu betrachten.
Und ich hatte tatsächlich recht. Ich sah die Farbkleckse, die Renoir benutzt hatte, um die Spitzenmanschetten am Ärmel des kleinen Mädchens so detailliert darzustellen. Und das gestreifte Fell der kleinen Katze im Arm des Mädchens. Ein Relief aus Klecksen. Ein ECHTER Renoir.
Und der hängt über dem Bett, in dem ich aufgewacht bin... Im selben Bett, das jetzt von Sonnenstrahlen übergossen wird. Durch ein großes Fenster zu meiner Linken fällt helles Licht herein, reflektiert vom Gebäude auf der anderen Straßenseite... Und dieses Gebäude ist das METROPOLITAN MUSEUM OF ART. Vor dem Central Park. An der Fifth Avenue. In NEW YORK CITY.
Ja! Ich bin in NEW YORK CITY aufgewacht!!!! Im Big Apple! In der Stadt, die niemals schläft (obwohl ich versuche, jede Nacht mindestens acht Stunden zu schlafen, sonst sind meine Lider geschwollen, und Shari behauptet, ich wäre schlecht gelaunt).
Aber das ist es nicht, was mich schwindelig macht. Der Sonnenschein, der Renoir, das Met, die Fifth Avenue, New York. Nichts davon lässt sich mit dem vergleichen, was mich wirklich aufregt – etwas viel Besseres als das alles zusammen, als mein erster Schultag und ein TJ Maxx-Outfit zusammen.
Und es liegt direkt neben mir im Bett.
Allein schon sein Anblick. Wie süß er aussieht, wenn er schläft! Auf maskuline Weise süß, nicht kätzchensüß. Luke liegt nicht mit offenem Mund da, aus dem Speichel seitlich herausrinnt, so wie bei mir (das weiß ich, weil’s meine Schwestern gesagt haben und weil ich jeden Morgen einen feuchten Fleck auf meinem Kissen finde). Luke hält seine Lippen geschlossen. Sehr hübsch.
Und seine langen, geschwungenen Wimpern... Warum habe ich keine solchen Wimpern? Das ist unfair. Immerhin bin ich ein Mädchen. Ich sollte so lange, schön geschwungene Wimpern haben, keine kurzen, geraden Borsten. Die ich mit einer Wimpernzange behandeln muss, welche ich mittels eines Föhns erhitze, und mit mehreren Schichten Mascara, damit sie überhaupt wie Wimpern aussehen.
Okay, ich höre auf damit, ich will mich nicht über die Wimpern meines Freundes ärgern. Stattdessen werde ich aufstehen. Ich kann nicht den ganzen Tag im Bett herumlungern. O Gott, ich bin in NEW YORK CITY!
Und – okay, ich habe keinen Job. Und keine Wohnung.
Denn der Renoir gehört Lukes Mutter. Ebenso wie das Bett. Und das Apartment auch.
Aber das hat sie nur gekauft, weil sie dachte, sie würde sich von Lukes Dad trennen. Dazu kam es nicht, und das verdankt sie mir. Deshalb hat sie gesagt, Luke könnte hier wohnen, so lange er will.
Glücklicher Luke... Ich wünschte, meine Mom hätte eine Scheidung von meinem Dad geplant und ein luxuri öses Apartment in New York City gekauft, gegenüber vom Metropolitan Museum of Art, und jetzt würde sie es nur ein paar Mal pro Jahr benutzen, um einen Einkaufsbummel zu machen oder eine Ballettaufführung zu besuchen.
Okay, im Ernst. Jetzt muss ich aufstehen. Wie kann ich im Bett bleiben (übrigens ist es ein sehr komfortables Kingsize-Bett mit einer großen, flauschigen weißen Daunendecke), wenn NEW YORK CITY direkt vor der Tür darauf wartet, von mir erforscht zu werden? Nun ja, nicht direkt vor der Tür. Erst mal muss ich mit dem Lift hinunterfahren.
Und da wäre natürlich noch mein Freund.
Komisch, wie das klingt. Allein schon der Gedanke – ich und mein Freund.
Weil ich nämlich zum ersten Mal in meinem Leben einen richtigen Freund habe. Einen, der mich tatsächlich für seine Freundin hält. Der nicht schwul ist und mich nicht nur als Tarnung benutzt, damit seine katholischen Eltern nicht merken, dass er in Wirklichkeit mit einem Kerl namens Antonio zusammenlebt. Und er versucht auch nicht, mich zu betören, bis ich vor lauter heißer Liebe einem flotten Dreier mit seiner Ex zustimme, weil ich sonst fürchten müsste, dass er mit mir Schluss macht. Außerdem ist er kein zwanghafter Spieler, der sich nur mit mir einlässt, weil ich genug Geld gespart habe, um ihm jederzeit aus der Klemme zu helfen und seine Schulden zu bezahlen.
Nicht, dass mir so was jemals passiert wäre. Oder öfter als einmal.
Und ich bilde mir auch nichts ein. Luke und ich sind zusammen. Klar, ich darf nicht behaupten, ich wäre nicht ein bisschen beunruhigt gewesen. Als ich Frankreich verließ und nach Ann Arbor zurückkehrte, hatte ich ein bisschen Angst, ich würde nie wieder von ihm hören. Wenn er nichts mehr von mir wissen und mich abservieren wollte, wäre das eine perfekte Gelegenheit gewesen.
Aber er rief mich immer wieder an. Erst aus Frankreich, dann aus Houston, wo er hingeflogen war, um seine Sachen zu packen, sein Apartment und sein Auto loszuwerden, und schließlich aus New York. Dauernd versicherte er mir, er könnte es gar nicht erwarten, mich wiederzusehen. Und er erzählte in einem fort, was er alles mit mir machen wollte, wenn er mich wiedersehen würde.
Letzte Woche kam ich endlich hierher. Und er hat alles gemacht, was er mir prophezeit hatte.
Kaum zu glauben. Ich meine, dass ein Junge mich zur Abwechslung genauso mag wie ich ihn. Dass es nicht nur ein Sommerflirt war. Denn der Sommer ist vorbei, der Herbst hat begonnen (nun ja, beinahe), und wir sind immer noch beisammen. In New York City, wo er Medizin studieren wird. Und ich mir einen Job in der Modebranche suchen will – oder zumindest irgendwas machen, das mit Mode zu tun hat. Gemeinsam werden wir in dieser Stadt, die niemals schläft, unsere Zukunft aufbauen.
Sobald ich einen Job gefunden habe. Oh, und ein Apartment.
Aber Shari und ich werden ganz sicher einen hübschen Pied-à-terre aufstöbern und unser Heim nennen. Bis dahin schlafe ich in Lukes Apartment, und Shari wohnt in der Bude, die ihr Freund Chaz letzte Woche im East Village gefunden hat. (Mit gutem Grund hat er die Einladung seiner Eltern abgelehnt, wieder in das Haus in Westchester zu ziehen, wo er aufgewachsen ist, wenn er nicht gerade in ein Internat verfrachtet wurde. Von dort fährt sein Vater jeden Morgen in die City zur Arbeit.)
Selbst wenn’s nicht die allerbeste Gegend sein mag – die Wohnung ist sicher nicht das schlimmste Loch der Welt und liegt in der Nähe von der New York University, wo Chaz seinen Dr. phil. macht. Außerdem ist sie billig (ein Zwei-Zimmer-Apartment mit gebundenem Mietpreis, für nur zweitausend Dollar im Monat. Nun ja, eins der beiden Zimmer ist nur ein Alkoven. Trotzdem...).
Okay, Shari hat schon eine Messerstecherei durchs Wohnzimmerfenster gesehen. Aber was soll’s? Nur eine familiäre Streiterei. Im Haus auf der anderen Seiten des Hofs hat ein Kerl seine schwangere Frau und seine Schwiegermutter mit einem Messer angegriffen. Und es ist ja nicht so, dass in Manhattan jeden Tag irgendwelche Leute niedergestochen würden.
In diesem Fall ist alles gut ausgegangen. Sogar das Baby kam unbeschadet zur Welt, von den Polizisten auf den Eingangsstufen des Hauses entbunden, nachdem bei der Frau die Wehen vorzeitig eingesetzt hatten. Sechs Pfund und hundertfünfzig Gramm! Klar, sein Dad sitzt jetzt auf Rikers Island hinter Gittern. Wie auch immer, willkommen in New York, kleiner Julio!
Wenn Sie mich fragen – ich glaube, Chaz hofft insgeheim, wir würden keine Wohnung finden und Shari müsste bei ihm bleiben. Weil er so irre romantisch ist.
Mal im Ernst, wäre das nicht wunderbar? Dann könnten Luke und ich die beiden besuchen, und wir vier würden zusammen rumhängen, so wie damals in Lukes Apartment in Frankreich. Chaz würde Kir Royals mixen, Shari würde uns herumkommandieren, ich würde Sandwiches aus Baguette und Hershey-Riegeln für alle machen, und Luke wäre für die Musik oder sonst was zuständig.
Und das könnte tatsächlich passieren, denn Shari und ich hatten bisher nur Pech bei der Wohnungssuche. Über tausend Inserate haben wir schon beantwortet. Entweder waren die Apartments schon vergeben, bevor eine von uns dazu kam, sie zu besichtigen (um festzustellen, ob sie okay sind). Oder sie waren so grauenhaft, dass kein normaler Mensch da reinziehen würde. (Einmal habe ich eine Toilette gesehen, die aus Holzbrettern mit einem LOCH im Boden bestand. Und das war ein sogenanntes Atelier in Hell’s Kitchen für zweitausendzweihundert Dollar im Monat.)
Aber es wird sicher klappen. Irgendwann werden wir was finden. So wie ich irgendwann einen Job kriegen werde. Deshalb flippe ich nicht aus.
Noch nicht.
Oh, es ist schon acht Uhr! Am besten wecke ich Luke. Heute ist sein erster Tag, an dem er sich an der New York University umsehen muss. Dort wird er an einer Einführungsveranstaltung für Medizinstudenten teilnehmen, die ihren Bachelor schon in der Tasche haben. Dieses Programm braucht er, wenn er mal Arzt werden will. Natürlich darf er nicht zu spät kommen.
Aber er sieht wahnsinnig süß aus, wie er so daliegt. Ohne Hemd. Und seine gebräunte Haut hebt sich so traumhaft vom feingewebten cremefarbenen ägyptischen Bettzeug seiner Mutter ab (ich habe das Etikett gelesen). Wie kann ich …
Ups, ich glaube, er ist schon wach. Jedenfalls liegt er jetzt auf mir.
»Guten Morgen«, sagt Luke. Er hat noch nicht mal die Augen geöffnet. Aber er nuckelt an meinem Hals. Und einige seiner anderen Körperteile nuckeln an anderen Stellen von mir. »Es ist acht Uhr«, japse ich. Obwohl ich natürlich nicht will, dass er aufhört. Was wäre himmlischer, als den ganzen Vormittag hier zu liegen und mit meinem Freund wundervolle Liebe zu machen? Insbesondere in einem Bett unter einem echten Renoir, in einem Apartment gegenüber dem Metropolitan Museum of Art. In NEW YORK CITY!
Aber er will Arzt werden. Eines Tages wird er krebskranke Kinder heilen. Also darf ich ihn nicht vom Studium abhalten. Denk an die Kinder, ermahne ich mich.
»Luke«, sage ich, als seine Lippen zu meinen gleiten. Oh! Nicht einmal am Morgen riecht er aus dem Mund. Wie kriegt er das hin? Und warum bin ich nicht schon längst aus dem Bett gesprungen und ins Badezimmer gelaufen, um mir die Zähne zu putzen?
»Was?«, fragt er. Träge spielt seine Zunge mit meinen Lippen, die ich nicht aufmache, weil er nicht merken soll, was in meinem Mund los ist. Wahrscheinlich gibt’s da eine kleine Party, vom Nachgeschmack des Chicken Tikka Masala und des Krabbencurrys veranstaltet. Das haben wir uns gestern Abend von Baluchi’s liefern lassen. Und offenbar war beides immun gegen das Mundwasser, mit dem ich’s vor acht Stunden bekämpfen wollte.
»Heute Morgen musst du zur Uni, zu dieser Einführungsveranstaltung«, erkläre ich. Es ist gar nicht so einfach, so was zu sagen, wenn man die Lippen nicht öffnen will. Und wenn man unter hundertachtzig Pfund von einem hinreißenden nackten Kerl liegt. »Du kommst zu spät!«
»Das ist mir egal«, murmelt er und presst seinen Mund auf meinen.
Gar nicht gut... Ich öffne die Lippen noch immer nicht.
Nur ein bisschen, um zu erwidern: »Und was ist mit mir? In der Garage meiner Eltern stehen fünfzehn vollgepackte Umzugskartons, die sie mir schicken wollen, wenn ich ihnen eine Adresse gebe. Wenn das nicht bald passiert, wird meine Mom in dieser Garage einen Flohmarkt arrangieren, und ich sehe meine Sachen nie wieder.«
»Bestimmt wär’s viel praktischer, du würdest nackt schlafen, so wie ich«, meint Luke und zupft an meinem Vintage-Teddy.
Leider kann ich ihm unmöglich böse sein, weil er nicht auf mich hört, denn er zieht mir den Teddy in atemberaubendem Tempo aus. Und im nächsten Moment verschwende ich keinen Gedanken mehr an sein Studium, meinen Job, mein Apartment und die Kartons in der Garage meiner Eltern.
Nach einiger Zeit hebt er den Kopf, schaut auf die Uhr und blinzelt überrascht. »Oh, ich komme zu spät!«
Ich liege auf schweißnassen zerwühlten Laken mitten im Bett und habe das Gefühl, eine Dampfwalze hätte mich platt gemacht. Ich liebe das.
»Ich hab dich ja an dein Programm erinnert«, sage ich, hauptsächlich zu dem Mädchen im Renoir über meinem Kopf.»He!« Luke, steht auf und geht zum Bad, »ich habe eine Idee.«
»Mietest du einen Hubschrauber, der dich hier abholt und zur NYU bringt?«, frage ich. »Das ist nämlich die einzige Möglichkeit, wenn du noch pünktlich ankommen willst.«
»Nein.« Jetzt ist er im Bad, und ich höre die Dusche rauschen. »Warum wohnst du nicht einfach bei mir? Dann musst du heute nur einen Job suchen.« Er steckt den Kopf zur Tür heraus, das dichte dunkle Haar reizvoll von unseren erotischen Aktivitäten zerzaust. »Was hältst du davon?«
Aber ich kann nicht antworten, weil mein Herz vor lauter Glück fast explodiert.
Lizzie Nichols’ Ratgeber für Brautkleider
Beim traditionellen langen Brautkleid gibt es viele verschiedene Stile und Schnitte. Hier sehen Sie die fünf gebräuchlichsten:
Das Ballkleid
Das Empirekleid
Das Etuikleid
2
Ein Verleumder verrät, was er heimlich weiß; aber wer getreuen Herzens ist, verbirgt es.
Die Bibel: Die Sprüche Salomos, 11, 13

Eine Woche früher

Wenigstens ziehst du nicht zu ihm«, betont meine ältere Schwester Rose, während zehn kreischende fünfjährige Mädchen abwechselnd auf eine Piñata in Ponygestalt einschlagen, die hinter uns am Ast eines Baumes hängt.
Das tut weh. Damit meine ich Roses Bemerkung. »Weißt du«, entgegne ich irritiert, »hättest du vor der Hochzeit eine Zeit lang mit Angelo zusammengelebt, wäre dir vielleicht klar geworden, dass er keineswegs dein idealer Seelengefährte ist!«
Erbost starrt sie mich über dem Picknicktisch an. »Ich war schwanger. Also hatte ich keine Wahl.«
»Hm«, murmle ich und beobachte die Fünfjährige, die am lautesten schreit, das Geburtstagskind, meine Nichte Maggie. »Da gibt es was, das man Verhütung nennt.«
»Hör mal, manchen Frauen macht es tatsächlich Spaß, den Augenblick zu genießen, statt sich dauernd um die Zukunft zu sorgen. Und wenn ein attraktiver Mann mich verführt, denke ich nicht automatisch an Verhütung.«
Darauf fallen mir mehrere Antworten ein, während ich dasitze und zuschaue, wie es meiner Nichte zu langweilig wird, das Pappmaché-Gebilde mit ihrem Stock zu verdreschen. Stattdessen verprügelt sie ihren Vater, und ich halte ausnahmsweise den Mund.
»Großer Gott, Lizzie«, seufzt Rose, »du warst zwei Monate in Europa, jetzt kommst du zurück und glaubst, du weißt alles. Aber du verstehst nichts von den Männern. Die kaufen keine Kuh, wenn sie die Milch nicht umsonst kriegen.«
Verblüfft blinzle ich sie an. »Wow! Ist es möglich, dass du Mom mit jedem Tag ähnlicher wirst?«
Da kann sich’s meine andere Schwester Sarah nicht verkneifen, in ihr Margarita-Glas zu prusten.
Rose starrt sie an. »Ausgerechnet du musst dich aufspielen, Sarah!«
»Wieso ich?« Schockiert runzelt Sarah die Stirn. »Also, ich bin nicht so wie Mom.«
»Wohl kaum. Aber behaupte bloß nicht, das sei kein Kahlúa gewesen, den du heute Morgen in deinen Kaffee geschüttet hast. Um neun Uhr fünfzehn!«
Lässig zuckt Sarah die Achseln. »Kaffee ohne Schuss schmeckt mir nicht.«
»Oh, natürlich nicht, Granny.« Die Augen zusammengekniffen, wendet Rose sich wieder an mich. »Nur zu deiner Information – Angelo ist mein idealer Seelengefährte. Um das zu erkennen, musste ich vor der Hochzeit nicht mit bei ihm wohnen.«
»He, Rose!«, ruft Sarah. »Gerade wird dein idealer Seelengefährte von deinem ältesten Kind zusammengeschlagen.«
Rose dreht sich um und sieht Angelo zusammengekrümmt am Boden liegen, die Hände zwischen den Schenkeln. Inzwischen schmettert Maggie den Stock gegen den Mini-Van ihrer Eltern, begeistert angefeuert von ihren Partygästen.
»Maggie!« Entsetzt springt Rose von der Picknickbank auf. »Nicht Mommys Auto! Nicht Mommys Auto!«
Sobald sie außer Hörweite ist, sagt Sarah: »Hör nicht auf sie, Lizzie. Wenn du mit einem Kerl zusammenlebst, bevor du ihn heiratest, wirst du rausfinden, ob ihr zueinander passt – und zwar, was die wichtigen Dinge angeht.«
»Zum Beispiel?«
»Ach, du weißt schon...«, erwidert sie vage. »Ob ihr beide am Morgen gern fernseht oder was auch immer. Wenn der eine nämlich frühmorgens ›Live with Regis and Kelly‹ sehen will und der andere absolute Stille braucht, um sich auf den Tag vorzubereiten, kann’s Ärger geben.«
Wow. Ich erinnere mich, wie wütend sie geworden ist, wenn eine von uns am Morgen den Fernseher eingeschaltet hat. Und ich wusste gar nicht, dass Sarahs Ehemann Chuck ein »Live with Regis and Kelly«-Fan ist. Jetzt begreife ich, warum sie diesen mexikanischen Likör in ihrem Kaffee braucht.
»Übrigens«, fährt sie fort, streicht über den Rest des pferdeförmigen Geburtstagskuchens und leckt die Zuckerglasur von ihrem Finger, »hat er dich noch gar nicht gefragt, ob du zu ihm ziehen willst?«
»Nein, denn er weiß, dass Shari und ich eine Wohnung suchen.«
»Das verstehe ich nicht, Lizzie.« Mom stellt einen neuen Limonadenkrug für die Kinder auf den Picknicktisch. »Warum musst du überhaupt nach New York ziehen? Warum bleibst du nicht in Ann Arbor und eröffnest hier einen Laden für Brautmoden?«
»Weil«, erkläre ich zum dreißigsten Mal, seit ich vor ein paar Tagen aus Frankreich zurückgekommen bin, »ich hier zu wenig Kundinnen hätte. Deshalb will ich meine Boutique in einer großen Stadt betreiben.«
»Das finde ich albern«, sagt Mom und sinkt neben mir auf die Bank. »In Manhattan sind die Mieten horrend, und das Kabelfernsehen kostet ein Vermögen. Das weiß ich. Suzanne Pennebakers älteste Tochter... Erinnerst du dich an sie, Sarah? Sie ist mit dir in eine Klasse gegangen. Wie heißt sie doch gleich? Ach ja, Kathy. Also, sie ist nach New York gezogen und wollte Schauspielerin werden. Drei Monate später kam sie zurück, weil sie keine bezahlbare Wohnung finden konnte. Was glaubst du, Lizzie, wie teuer es erst ist, einen Laden in dieser Stadt aufzumachen?«
Ich verzichte darauf, meiner Mutter zu erklären, dass Kathy Pennebaker an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung leidet. (Zumindest hat Shari das behauptet, wegen der vielen, vielen Jungs, die Kathy anderen Mädchen in Ann Arbor ausgespannt und dann fallen lassen hat, sobald der Reiz der Eroberung verblasst ist.) Wenn sie das auch weiterhin getan hat, wird sie in einer Stadt wie New York nicht sonderlich beliebt gewesen sein. Dort sind heterosexuelle Männer Mangelware, soviel ich gehört habe. Und die Frauen schrecken nicht einmal vor Gewalt zurück, um ihre Kerle unter Verschluss zu halten.
Stattdessen sage ich zu meiner Mutter: »Ich fange ganz klein an. Erst mal suche ich mir einen Job in einem Secondhandshop, schaue mich in der New Yorker Vintage-Modeszene um und spare mein Geld. Dann eröffne ich meine eigene Boutique, vielleicht an der Lower East Side, wo die Mieten billig sind.«
Nun ja, billiger.
»Welches Geld?«, fragt Mom. »Wenn du jeden Monat eintausendeinhundert Dollar für dein Apartment ausgibst, wird dir nichts übrig bleiben.«
»So viel zahle ich nicht für die Miete, weil ich mit Shari zusammenziehe.«
»Ein Atelier – das ist ein Apartment ohne extra Schlafzimmer, nur ein einziger Raum – kostet in Manhattan zwei Tausender«, wendet Mom ein. »Deshalb brauchst du mehrere Mitbewohnerinnen. Suzanne Pennebaker hat mir das erzählt.«
Seufzend nickt Sarah. Sie weiß Bescheid über Kathys Gewohnheit, anderen Mädchen die Jungs zu stehlen. Zweifellos hatte Mrs. Pennebakers Tochter einige Schwierigkeiten mit ihren Wohngenossinnen. »Das haben sie in ›The View‹ auch erwähnt.«
Aber es ist mir egal, was meine Familie sagt. Irgendwie werde ich Mittel und Wege finden, um mein eigenes Geschäft zu gründen. Selbst wenn ich in Brooklyn leben muss. Wie ich gehört habe, soll’s dort ziemlich avantgardistisch zugehen. Da wohnen all die richtigen Künstler. Oder in Queens. Weil sie von den Wahnsinnsmieten, die gierige Investmentbanker verlangen, aus Manhattan vertrieben worden sind.
»Erinnert mich dran«, stöhnt Rose, als sie zum Tisch zurückkommt. »Angelo darf nie wieder eine Geburtstagsparty organisieren.«
Wir schauen hinüber und sehen, dass ihr Ehemann inzwischen wieder auf den Beinen ist. Aber er humpelt von Schmerzen gepeinigt mühsam zu Moms und Dads hinterer Veranda.
»Sorg dich nicht um mich!«, ruft er seiner Frau sarkastisch zu. »Biete mir bloß keine Hilfe oder sonst was an! Mir geht’s großartig!«
Rose verdreht die Augen. Dann greift sie zum Margarita-Krug.
»Oh, ein idealer Seelengefährte«, kichert Sarah.
»Halt den Mund«, faucht Rose und knallt den Krug auf den Tisch. »Leer.« In ihrer Stimme schwingt panische Angst mit. »Wir haben keinen Margarita mehr.«
»Ach, mein Gott«, sagt Mom beunruhigt, »den hat dein Vater eben erst gemixt...«
»Schon gut, ich gehe rein und mache noch einen.« Ich springe auf. Alles würde ich tun, damit ich mir nicht mehr anhören muss, welche Fehlschläge ich in New York erleiden werde.
»Mach ihn stärker als Dad«, weist Rose mich an. In diesem Moment fliegt ein Pappmaché-Fetzen, der vom Piñata-Pony stammt, an ihrem Kopf vorbei. »Bitte.«
Ich nicke, nehme den Krug und gehe zur Hintertür. Auf halbem Weg treffe ich Gran, die gerade aus dem Haus gekommen ist. »Hi, Gran, wie war ›Dr. Quinn‹?«
»Keine Ahnung.« Weil sie ihren Hauskittel wieder einmal verkehrt herum angezogen hat, merke ich sofort, dass sie betrunken ist. Schon jetzt, um ein Uhr mittags. »Ich bin eingeschlafen. Aber Sully war ohnehin nicht dabei. Wieso drehen sie manchmal Folgen ohne ihn? Das ist doch sinnlos. Wer will denn Dr. Quinn in ihren Gaucho-Hosen rumlaufen sehen? Da geht’s nur um Sully... Ich habe gehört, die wollen dich davon abbringen, morgen nach New York zu ziehen.«
Ich spähe über meine Schultern und beobachte meine Mutter und meine Schwestern, die alle ihre Finger in den restlichen Geburtstagskuchen stecken und Zuckerglasur naschen. »Na ja – die haben Angst, ich würde so enden wie Kathy Pennebaker.«
Überrascht hebt Gran die Brauen. »Meinst du – wie eine Nutte, die anderen Frauen die Männer abspenstig macht?«
»Moment mal, Gran, sie ist keine Nutte, nur...« Lächelnd schüttle ich den Kopf. »Woher weißt du das überhaupt?«
»Weil ich immer auf dem Laufenden bin«, erwidert sie mysteriös. »Die Leute glauben, eine alte Säuferin würde nicht merken, was ringsherum passiert. Aber ich kriege alles mit. Das ist für dich.«
Sie drückt mir etwas in die Hand, und ich schaue nach unten. Jetzt lächle ich nicht mehr. »Wo hast du das denn her, Grandma?«
Kümmere dich nicht drum. Ich will, dass du’s nimmst. Wenn du in die Stadt ziehst, wirst du’s nötig haben. Vielleicht willst du mal ausgehen und brauchst dringend Geld. Man kann nie wissen.«
»Aber Grandma«, protestiere ich, »das geht nicht...«
»Verdammt noch mal«, fährt sie mich an, »nimm’s einfach!«
»Also gut.« Ich stopfe den sorgsam zusammengefalteten Zehn-Dollar-Schein in die Tasche meines ärmellosen, schwarz-weiß gemusterten Suzy Perette-Vintage-Tageskleids. »So. Bist du jetzt glücklich?«
»O ja«, sagt Grandma und tätschelt meine Wange. Ihr Atem riecht angenehm nach Bier und erinnert mich an meine ersten Schuljahre. Damals hat sie mir oft bei meinen Hausaufgaben geholfen. Meistens waren die Lösungen falsch. Aber ich bekam immer Bonuspunkte für meine Fantasie. »Bye, du alte Stinkerin.«
»Leb wohl.«
»Grandma, ich reise erst in drei Tagen ab.«
»Schlaf bloß nicht mit Seemännern«, mahnt sie und ignoriert meinen Einwand. »Sonst holst du dir noch’nen Tripper.«
Nun lächle ich wieder. »Ich glaube, dich werde ich am schmerzlichsten vermissen, du alte Vogelscheuche.«
»Keine Ahnung, wovon du redest«, murrt sie. »Wer ist denn hier eine Vogelscheuche?«
Bevor ich ihr das erklären kann, marschiert Maggie schweigend an uns vorbei, das enthauptete Piñata-Pony auf dem Kopf, gefolgt von ihren Partygästen. Alle Mädchen tragen Pappmaché-Teile auf den Haaren – einen Huf, ein Stück vom Schweif. In feierlicher Formation stolzieren sie dahin.
»Wow«, sagt Gran, nachdem das letzte Mitglied der makabren Piñata-Parade im Haus verschwunden ist, »jetzt brauche ich einen Drink.«
Das kann ich ihr nachfühlen.
Lizzie Nichols’ Ratgeber für Brautkleider
Welches Brautkleid passt am besten zu Ihnen?
 
Wenn Sie Glück haben und groß und schlank sind, können Sie sich jeden beliebigen Stil aussuchen. Deshalb sind Models groß und schlank – weil an ihnen einfach alles gut aussieht.
 
Aber angenommen, Sie gehören zu den vielen Millionen Frauen, die nicht groß und schlank sind? Welches Kleid würde am besten zu Ihnen passen?
 
3
Große Menschen sprechen über Ideen, durchschnittliche Menschen sprechen über Dinge, und unterdurchschnittliche Menschen sprechen über Wein.
Fran Lebowitz, (geb. 1950), amerikanische Journalistin und Satirikerin
 
 
 
 
Dass ich an Märchen glaube, ist meine eigene Schuld. Nicht, dass ich sie jemals als historische Tatsachen betrachtet hätte.
Aber ich bin in dem Glauben aufgewachsen, für jedes Mädchen würde es irgendwo einen Prinzen geben. Den man eben nur finden muss, um dann bis in alle Ewigkeit mit ihm glücklich zu sein.
Also können Sie sich vorstellen, was passiert ist, als ich es herausgefunden habe. Dass mein Prinz wirklich einer ist. Ein Prinz.
Nein, das meine ich ernst. Er ist ein richtiger PRINZ.
Okay, in seinem Vaterland wird er nicht anerkannt, weil die Franzosen den Großteil ihrer Aristokraten vor über zweihundert Jahren umgebracht haben. Dabei sind sie sehr gründlich vorgegangen.
Aber im Fall meines besonderen Prinzen konnte einer seiner Vorfahren blitzschnell nach England flüchten und der grausamen Madame Guillotine entrinnen. Viele Jahre später gelang es der Familie sogar, ihr Schloss in Frankreich zurückzuerobern, wahrscheinlich nach intensiven, langwierigen Rechtsstreitigkeiten. Zumindest, wenn diese Leute auch nur ungefähr so veranlagt waren wie die jetzige Verwandtschaft meines Prinzen.
Und – ja, okay, heutzutage bedeutet der Besitz eines Châteaus in Südfrankreich etwa hunderttausend Dollar Steuern pro Jahr, die man der französischen Regierung zahlen muss, und ständige Kopfschmerzen wegen der Dachziegel und der Mieter.
Aber wie viele Jungs lernt man schon kennen, die so was besitzen? Ein Château, meine ich?
Deshalb habe ich mich natürlich nicht in ihn verliebt, das schwöre ich Ihnen. Als ich ihn kennenlernte, wusste ich nichts von seinem Adelstitel und diesem Schloss. Damit hat er nie angegeben. Hätte er’s getan, wäre ich gar nicht so fasziniert von ihm gewesen. Ich meine, welche Frau würde sich mit so einem Kerl einlassen?
Nein, Luke benahm sich genauso, wie man’s von einem entrechteten Prinzen erwartet – seine aristokratische Herkunft war ihm peinlich.
Ein bisschen ist’s ihm immer noch unangenehm, dass er ein Prinz ist – ein RICHTIGER Prinz – und der Alleinerbe eines riesigen Châteaus in einem Weingarten (tausend Morgen groß, aber leider nicht besonders produktiv), eine sechsstündige Bahnfahrt von Paris entfernt. Das alles habe ich nur zufällig herausgefunden, als ich in der Eingangshalle des Château Mirac das Porträt eines furchtbar hässlichen Mannes entdeckte. Auf einer Plakette stand, er sei ein Prinz, und er hatte denselben Nachnamen wie Luke.
Luke wollte es nicht eingestehen. Schließlich konnte ich’s seinem Dad entlocken. Er sagte, es sei eine große Verantwortung. Das mit dem Prinzen nicht, aber das Château zu verwalten. Er schafft’s nur, das Gebäude instand zu halten und genug Geld für die Steuer einzunehmen, indem er’s reichen amerikanischen Familien und gelegentlich einer Filmgesellschaft vermietet, die historische Filme darin dreht. Der Weingarten sei weiß Gott nicht profitabel, erklärte er.
Als ich das alles erfuhr, war ich schon bis über beide Ohren in Luke verliebt. Sobald ich ihm im Zugabteil gegen übersaß, wusste ich’s – das ist der Richtige. Nicht, dass ich erwartet hätte, er würde meine Gefühle erwidern – nicht in tausend Jahren. Aber er hatte so ein nettes Lächeln, ganz zu schweigen von diesen endlos langen Wimpern, wie sie Shu Uemura so eifrig anstrebt. Ich musste mich ganz einfach in ihn verlieben.
Und so bilden sein Adelstitel und das Château nur den Zuckerguss auf dem wunderbarsten Kuchen, den ich jemals gekostet habe. Luke lässt sich nicht mit den Jungs vergleichen, die mir auf dem College begegnet sind. Zum Beispiel interessiert er sich kein bisschen für Pokern und Sport. Nur für Medizin, das ist seine Leidenschaft. Und, nun ja, für mich.
Dagegen habe ich nichts einzuwenden.
Verständlicherweise fange ich sofort an, meine Hochzeit zu planen. Nicht, dass Luke mir einen Heiratsantrag gemacht hätte. Bis jetzt noch nicht.
Trotzdem kann ich Pläne schmieden, weil ich weiß, dass wir EINES TAGES heiraten werden. Ich meine, ein Junge schlägt einem Mädchen, das er nicht heiraten will, doch nicht vor, bei ihm zu wohnen, oder?
Und WENN wir heiraten, dann natürlich im Château Mirac, auf der großen, grasbewachsenen Terrasse. Von dort überblickt man das ganze Tal, das früher unter der Feudalherrschaft der de Villiers gestanden hat. Am besten heiraten wir im Sommer, vorzugsweise, nachdem ich meine Boutique für Vintage-Brautmoden – Lizzie Nichols Designs – verkauft habe (auch das ist noch nicht passiert, aber dazu wird’s kommen, nicht wahr?). Shari soll meine erste Brautjungfer sein, meine Schwestern werden als die anderen fungieren.
Und im Gegensatz zu der Katastrophe, die sie ihren Brautjungfern angetan haben (besonders mir), werde ich geschmackvolle Kleider für die beiden aussuchen. Niemals werde ich sie in mintgrünen Taft mit einem Reifrock zwängen, so wie sie’s mit mir gemacht haben. Weil ich, im Gegensatz zu ihnen, nett und rücksichtsvoll bin.
Vermutlich werden alle meine Verwandten darauf bestehen, zur Hochzeit nach Frankreich zu fliegen, obwohl noch keiner von ihnen jemals in Europa war. Ich fürchte, meine Familie könnte für die kosmopolitischen de Villiers nicht kultiviert genug sein.
Aber letzten Endes werden sie großartig miteinander auskommen. Mein Vater wird sich um den Grill kümmern, ein Barbecue im Midwestern-Stil, und meine Mom wird Lukes Mutter erklären, wie man die vergilbte Bettwäsche aus dem neunzehnten Jahrhundert wieder weiß kriegt. Vielleicht wird Gran ein bisschen Ärger machen, weil »Dr. Quinn – Ärztin aus Leidenschaft« in Frankreich nicht gesendet wird. Okay, mit ein oder zwei Kir Royals müsste sie sich beruhigen lassen. Davon bin ich fest überzeugt.
Ganz sicher wird mein Hochzeitstag der schönste Tag meines Lebens. Ich stelle mir vor, wie wir im Halbschatten auf der grasbewachsenen Terrasse stehen, ich in einem langen weißen Etuikleid und Luke, so attraktiv und lässigelegant in einem weißen Hemd mit offenem Kragen und einer schwarzen Smokinghose. Wie der Prinz, der er ist, wird er aussehen, irklich...
Nun, erst mal muss ich den unmittelbar bevorstehenden Abschnitt meines Lebens meistern.
Shari blättert in der Village Voice, die sie soeben gekauft hat, bis sie die Kleinanzeigen findet, und studiert sie. »Alles, was eine Besichtigung lohnen würde, hat sich schon ein Makler gekrallt. Sonst gibt’s nichts.«
Jetzt ist eine gewisse Finesse erforderlich, um nicht zu sagen – Subtilität.
»Also müssen wir in den sauren Apfel beißen und die Provision berappen. Aber ich glaube, auf lange Sicht wird sich’s auszahlen.«
Natürlich kann ich nicht einfach damit rausplatzen. Ich muss langsam und behutsam vorgehen.
»Klar, du bist knapp bei Kasse«, sagt sie. »Chaz will uns das Geld leihen, das wir für den Makler brauchen. Das sollen wir ihm zurückzahlen, wenn wir auf die Beine gekommen sind. Genauer ausgedrückt, wenn du auf die Beine gekommen bist.« Weil Shari schon einen Job hat, bei einer kleinen gemeinnützigen Organisation. Diese Stellung hat sie bei einem Bewerbungsgespräch im letzten Sommer gekriegt, vor der Reise nach Frankreich. Morgen fängt sie an. »Ich meine, falls Luke nicht bereit ist, dir was zu leihen. Würde er das tun? Gewiss, es ist dir unangenehm, ihn drum zu bitten. Aber der Junge schwimmt doch im Geld.«
Ich darf sie nicht damit überfallen.
»Hörst du mir zu, Lizzie?«
»Luke hat mich gefragt, ob ich bei ihm wohnen möchte«, platze ich heraus, bevor ich’s verhindern kann.
Mit schmalen Augen starrt sie mich über der klebrigen Tischplatte in der Kneipennische an. »Und wann genau wolltest du mir das erzählen?«
Fabelhaft. Nun habe ich’s rettungslos vermasselt. Sie ist sauer. Wusste ich’s doch. Warum schaffe ich’s einfach niemals, meine große Klappe zu halten? Warum nicht?
»Shari, er hat mich erst heute Morgen gefragt. Kurz bevor ich weggegangen bin, um mich mit dir zu treffen. Und ich hab noch nicht zugestimmt und gesagt, darüber müsste ich erst mit dir reden.«
Sie blinzelt. »Was bedeutet, du willst sein Angebot annehmen.« Ihre Stimme klingt wie ein Messer. »Sonst hättest du’s sofort erzählt.«
»Bitte, Shari – nein! Nun-ja... Überleg doch – du wirst ohnehin dauernd bei Chaz sein...«
»Wenn ich bei ihm übernachte«, fauchte sie, »heißt das noch lange nicht, dass ich bei ihm wohne.«
»Aber er liebt dich. Denk doch mal nach, Shari. Wenn ich mich bei Luke einquartiere und du mit Chaz zusammenlebst, müssen wir kein Apartment mehr suchen – oder Geld an einen Makler verschwenden. Da ersparen wir uns eine ganze Menge.«
»Tu’s nicht!«, fauchte sie.
Ich blinzle verwirrt. »Was?«
»Versuch nicht, mir einzureden, es würde am Geld liegen. Darum geht’s nicht. Wenn du Geld brauchst, kriegst du’s. Deine Eltern würden dir was schicken.«
Sosehr ich meine Freundin auch liebe – jetzt ärgere ich mich über sie. Meine Eltern haben drei Kinder, die ihnen ständig Geld abknöpfen. Als Leiter der Computerabteilung am College verdient mein Dad ganz gut. Aber nicht genug, um seine erwachsenen Kinder bis in alle Ewigkeit zu unterstützen.
Hingegen ist Shari das einzige Kind eines prominenten Chirurgen in Ann Arbor. Wenn sie Geld braucht, muss sie ihre Eltern nur drum bitten. Dann schicken sie ihr, so viel sie will, und stellen keine Fragen. Ich bin’s, die als Verkäuferin gejobbt hat – und davor, in meiner Teenagerzeit, jeden Freitag- und Samstagabend als Babysitter. In den letzten sieben Jahren habe ich mir alles verkniffen, was gesellschaftliche Kontakte ausmacht, und die teureren Freuden des Lebens (Kino, Essen in Restaurants, ein edles Shampoo, ein Auto etc.) Stattdessen habe ich möglichst viel von meinem mickrigen Gehalt gespart, um eines Tages nach New York zu flüchten und meinen Traum zu verwirklichen.
Deshalb beklage ich mich nicht. Ich weiß, meine Eltern haben ihr Bestes für mich getan. Und nun bin ich ziemlich wütend, weil Shari einfach ignoriert, dass nicht alle Eltern ihre Kinder mit Geld überschütten. Obwohl ich ihr das oft genug erklärt habe.
»Lassen wir uns nicht von New York versklaven!«, fährt sie fort. »So wichtige Entscheidungen – zum Beispiel, ob wir bei einem Freund wohnen – dürfen nicht von den Mietkosten abhängen. Wenn wir darauf Rücksicht nehmen, sind wir verloren.«
Ich schaue sie schweigend an. Im Ernst, ich habe keine Ahnung, wo sie solche Weisheiten aufgeschnappt hat.
»Wenn’s am Geld liegt und du deine Eltern nicht darum bitten willst, wird Chaz dir was leihen. Das weißt du, Lizzie.«
Chaz entstammt einer Familie, in der erfolgreiche Anwälte seit Generationen Geld scheffeln. Natürlich kennt er keine finanziellen Sorgen. Nicht nur, weil seine Verwandten in schöner Regelmäßigkeit sterben und ihm ihr Vermögen hinterlassen. Außerdem hat er auch noch ihre Sparsamkeit geerbt, investiert seine Dollars konservativ und führt ein bescheidenes Leben – zumindest im Vergleich zu seinem Reichtum, der Lukes Kapitalbesitz angeblich übertrifft. Nicht, dass Chaz ein Château in Frankreich vorzuweisen hätte …
»Hör mal, Shari«, entgegne ich, »Chaz ist dein Freund. Von deinem Freund nehme ich kein Geld. Warum wäre das besser als mein Entschluss, bei Luke zu wohnen?«
»Weil du keinen Sex mit Chaz hast«, betont sie in ihrer üblichen schroffen Art. »Es wäre ein rein geschäftliches, unpersönliches Abkommen.«
Aus irgendeinem Grund missfällt mir der Gedanke, Chaz um eine Leihgabe zu ersuchen – obwohl er das sicher nicht seltsam finden und sofort Ja sagen würde.
Aber das Geld spielt gar keine Rolle.
»Weißt du, Share...«, beginne ich zögernd, »ums Geld geht’s mir gar nicht.«
Stöhnend schlägt sie die Hände vors Gesicht. »O Gott«, sagt sie zu ihren Knien, »das habe ich befürchtet.«
»Was?« Warum regt sie sich so auf? Das verstehe ich nicht. Klar, Chaz ist kein Prinz – mit seinen umgedrehten Baseballkappen und den unvermeidlichen Bartstoppeln, aber amüsant und richtig nett. Solange er nicht über Kierkegaard oder Alterssicherungssysteme philosophiert. »Tut mir leid. Können wir das nicht irgendwie hinkriegen? Ich meine – wo liegt das Problem? Was stört dich? Die Messerstecherei? Die miese Gegend? Willst du deshalb nicht bei Chaz wohnen? Die Polizisten haben’s doch gesagt – nur ein Familienstreit. Also wird’s nicht mehr vorkommen – solange sie Julios Dad nicht aus dem Knast entlassen...«
»Damit hat das nichts zu tun«, zischt Shari und nimmt die Hände vom Gesicht. Im Widerschein der Pabst Blue Ribbon-Neonreklame an der Wand neben unserer Nische leuchtet ihr wild gelocktes schwarzes Haar silbrig blau. »Lizzie, du kennst Luke erst seit einem Monat. Trotzdem willst du zu ihm ziehen?«
»Seit zwei Monaten«, verbessere ich sie gekränkt. »Und er ist Chaz’ bester Freund. Wir kennen Chaz seit Jahren, nicht wahr? Jahrelang haben wir mit ihm gelebt – das heißt im Studentenwohnheim. Also ist Luke kein völlig Fremder, so wie Andrew...«
»Genau«, fällt sie mir ins Wort. »Was war denn mit Andrew? Du hast gerade erst eine Beziehung hinter dich gebracht, Lizzie. Eine total verpfuschte Beziehung. Aber irgendwann war’s wohl mal eine. Und schau dir Luke an. Vor zwei Monaten hat er mit einer anderen zusammengelebt! Und nach so kurzer Zeit schlägt er dir vor, bei ihm einzuziehen? Meinst du nicht, ihr solltet es etwas langsamer angehen?«
»Wir wollen nicht heiraten, Shari«, wende ich ein. »Nur ein Apartment teilen!«
»Auf Luke trifft das vielleicht zu. Aber ich kenne dich, Lizzie. Ich habe das Gefühl, du malst dir insgeheim schon aus, wie du Luke heiratest. Das kannst du nicht abstreiten.«
»Nein, das stelle ich mir nicht vor!«, protestiere ich. Wie hat sie das erraten? Okay, sie kennt mich mein Leben lang.
Trotzdem ist’s irgendwie unheimlich.
Ihre Augen verengen sich. »Lizzie!«, sagt sie in warnendem Ton.
»Also gut.« Resignierend sinke ich in die blutrote Vinylpolsterung zurück. Wir sitzen im Honey’s, einer schäbigen Midtown-Karaoke-Bar, auf halbem Weg zwischen Chaz’ Apartment, wo Shari an der East Thirteenth zwischen der First und der Second Avenue wohnt, und Lukes Domizil an der Ecke East Eighty-first und der Fifth Avenue. Also haben wir’s beide nicht allzu weit.
Mag das Honey’s auch ein mieser Schuppen sein, so ist es doch meistens angenehm leer – zumindest vor neun Uhr abends. Dann tauchen die ernsthaften Karaoke-Fans auf. Bis dahin können wir in Ruhe miteinander reden, und die Diät-Cola kostet nur einen Dollar. Außerdem scheint es die Barkeeperin – eine koreanisch- amerikanische Punkerin – nicht zu interessieren, ob wir was bestellen oder nicht. Die wird von ihrem Freund abgelenkt, mit dem sie am Handy streitet.
»Okay, ich will ihn heiraten«, gebe ich deprimiert zu, während die Barkeeperin in ihr rosa Razor-Handy schreit: Weißt du was? Weißt du was? Du nervst! »Ich liebe ihn.«
»Dass du ihn liebst, ist ganz natürlich, Liz«, sagt Shari. »Aber ich glaube immer noch, du solltest nicht zu ihm ziehen.« Großartig, jetzt kaut sie auch noch an ihrer Unterlippe. »Ich finde...«
»Was?«, frage ich und schaue von meiner Diät-Cola auf.
»Schau mal, Lizzie...« In der schwachen Beleuchtung der Bar wirken ihre Augen unergründlich. Obwohl draußen die Mittagssonne scheint. »Luke ist fabelhaft, wirklich. Und wenn ich bedenke, dass du seine Eltern wieder zusammengebracht und ihm klargemacht hast, dass er seinen Traum verwirklichen muss und Medizin studieren... Das war echt cool von dir. Aber ihr beide... Auf Dauer...«
»Was meinst du?« Verständnislos runzle ich die Stirn.
»Das sehe ich einfach nicht.«
Hat sie das tatsächlich gesagt? Meine angeblich beste Freundin?
»Warum nicht?!« Jetzt spüre ich, wie mir brennende Tränen in die Augen steigen. »Weil er ein Prinz ist? Und weil ich nur ein Mädchen aus Michigan bin, das zu viel redet?«
»Nun ja, mehr oder weniger. Lizzie – du liegst gern im Bett und siehst ›The Real World Marathons‹, mit einem Riegel Schokolade in der einen Hand und der neuesten Ausgabe von Sewing Today in der anderen. Und es macht dir Spaß, Arrowsmith in voller Lautstärke zu hören, während du auf deiner Singer-Nähmaschine 5050 Cocktailkleider aus den fünfziger Jahren säumst. Kannst du dir vorstellen, so was in Lukes Gegenwart zu tun? Benimmst du dich bei ihm so, wie du bist? Oder wie das Mädchen, das ihm nach deiner Meinung gefallen würde?«
»Unglaublich, dass du mich das fragst!« Beinahe fange ich zu weinen an. Aber ich reiße mich zusammen. »Natürlich spiele ich ihm nichts vor.«
Aber wie ich mir eingestehen muss, trage ich seit meiner Ankunft in New York ständig ein Miederhöschen. Deshalb kriege ich hässliche rote Striemen in der Taille und muss warten, bis sie verschwinden, bevor ich Luke meinen nackten Körper zeige. Nur weil ich in Frankreich so viel Brot gegessen und zugenommen habe. Ungefähr fünfzehn Pfund.
O Gott, Shari hat recht!
»Hör mal...« Offenbar bemerkt sie mein unglückliches Gesicht. »Glaub mir, ich will dich gar nicht davon abbringen, bei ihm zu wohnen. Ich finde nur, du solltest deine Heiratspläne erst mal auf Eis legen.«
Automatisch wische ich die Tränen aus meinen Augen. »Erklär mir jetzt bloß nicht, er wird die Kuh nicht kaufen, wenn er die Milch umsonst kriegt. Sonst muss ich mich übergeben.«
»So was würde ich niemals sagen. Ich bitte dich nur, nichts zu überstürzen. Und sei du selber, wenn du mit ihm zusammen bist. Wenn er die echte Lizzie nicht liebt, ist er gar kein Prince Charming.«
Atemlos starre ich sie an. Kann sie Gedanken lesen? »Warum bist du so klug?«, schluchze ich.
»Weil Psychologie mein Hauptfach war. Erinnerst du dich?«
Ich nicke. Bei ihrem Job wird sie Frauen in einer gemeinnützigen Organisation beraten, die den Opfern häuslicher Gewalt neue Unterkünfte und Zuschüsse von der Sozialfürsorge verschafft. Allzu viel verdient sie nicht damit. Aufs Geld kommt’s ihr aber auch gar nicht an. Es ist ihr viel wichtiger, Leben zu retten und Menschen, besonders Frauen zu helfen, ihren Kindern und sich selbst ein besseres Leben zu ermöglichen.
Wenn man’s genau nimmt, tun wir in der Modebranche so was Ähnliches. Klar, wir retten niemandem das Leben. Aber in gewisser Weise verhelfen wir den Frauen zu einem angenehmeren Leben. In schicken Kleidern fühlt man sich einfach wohler.
Es ist unser Job, neue Kleider für sie zu entwerfen (oder alte zu verschönern), damit’s ihnen ein bisschen besser geht.