Neles Welt - Band  2: Das Oma-Projekt - Sabine Neuffer - E-Book

Neles Welt - Band 2: Das Oma-Projekt E-Book

Sabine Neuffer

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Beschreibung

Eine Oma für Nele! Nele ist stolz auf sich. Sie hat einen neuen Mann für ihre Mama gefunden. Aber etwas fehlt ihr noch zum Glück: eine Oma, eine richtig liebe Oma, die Kinder gern hat. Doch wo findet man die nur? Die besten Omas sind alle irgendwie schon vergeben! Zu blöd, dass Nele außerdem noch Ärger in der Schule und Krach mit ihrer Freundin Sara hat. Aber so schnell gibt Nele nicht auf! Erfrischend frech und herrlich komisch: Die pfiffige Nele schmiedet wieder Pläne! Jetzt als eBook: „Das Oma-Projekt“ von Sabine Neuffer. dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 289

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Über dieses Buch:

Nele ist stolz auf sich. Sie hat einen neuen Mann für ihre Mama gefunden. Aber etwas fehlt ihr noch zum Glück: eine Oma, eine richtig liebe Oma, die Kinder gern hat. Doch wo findet man die nur? Die besten Omas sind alle irgendwie schon vergeben! Zu blöd, dass Nele außerdem noch Ärger in der Schule und Krach mit ihrer Freundin Sara hat. Aber so schnell gibt Nele nicht auf!

Erfrischend frech und herrlich komisch: Die pfiffige Nele schmiedet wieder Pläne!

Über die Autorin:

Sabine Neuffer wurde 1953 in Hannover geboren. Nach dem Studium arbeitete sie unter anderem für eine PR-Agentur, bevor sie ihre Leidenschaft für das Schreiben entdeckte. Heute lebt sie in Wolfenbüttel und arbeitet an einer Realschule in Braunschweig.

Sabine Neuffer veröffentlichte bei dotbooks bereits die Kinderbücher Das Papa-Projekt und Das Geschwister-Projekt, außerdem ihre Romane Herr Bofrost, der Apotheker und ich, Das Glück ist eine Baustelle und Eine Liebe zwischen den Zeiten.

***

Neuausgabe März 2014

Copyright © der Originalausgabe 2007 Cecilie Dressler Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

Copyright © der Neuausgabe 2014 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung und Titelbildabbildung: Tanja Winkler, Weichs

ISBN 978-3-95520-487-7

***

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Sabine Neuffer

Das Oma-Projekt

dotbooks.

1. Kapitel

»Nele, das Essen ist fertig!«

Nele warf noch eben das Deutschbuch in ihren Rucksack, dann rannte sie die Treppe hinunter. »Wie gemütlich«, stellte sie zufrieden fest, als sie sich an den schön gedeckten Tisch setzte. Sogar Kerzen hatte ihre Mutter angezündet. Draußen wurde es schon dämmrig.

Neles Mutter stellte die Schüsseln mit Bandnudeln und Sauce auf den Tisch. »Ich fürchte, der Sommer ist langsam wirklich vorbei«, sagte sie.

Das war Nele im Moment ganz egal. Sie bediente sich gierig. Ihre Mutter schaute ihr lächelnd zu. »Man sollte meinen, du bekämest nur alle drei Tage etwas zu essen, du armes Kind«, stellte sie belustigt fest.

»So was Gutes bekomme ich ja nicht mal alle drei Tage«, erwiderte Nele und nahm sich noch einen Löffel von der Sauce. »Reinleg-Sauce« nannten sie die, seit Nele einmal gesagt hatte, sie könnte sich da glatt reinlegen, so gut sei sie. Und zurzeit waren Nudeln mit Reinleg-Sauce ihr absolutes Lieblingsessen. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie schon zum Frühstück eine Portion davon gegessen. Aber Mama stellte sich immer furchtbar an, wenn es um vitaminfreie Kost ging, und bei der Reinleg-Sauce – gebratenem Hackfleisch und Schmant pur – blinkten bei ihr sämtliche Alarmlämpchen.

Doch am letzten Ferientag durfte Nele sich immer wünschen, was es zu essen geben sollte. »Genieß die letzten Ferienminuten«, pflegte ihre Mutter zu sagen, aber Nele fand, dass das gar nicht so einfach war. Man musste ja doch an den nächsten Tag denken, an das frühe Aufstehen und an die Schmalbach.

»Nele, du musst morgen nach der Schule Timmi vom Kindergarten abholen und am Nachmittag auf ihn aufpassen«, sagte ihre Mutter nun. »Ron hat vorhin angerufen, Frau Werner ist krank und er selbst ist den ganzen Tag in Frankfurt.«

Nele rollte mit den Augen. »Och; Mami, muss das sein? Und wann soll ich meine Hausaufgaben machen? Wenn du nach Hause kommst? Dann ist ja der ganze Nachmittag futsch!«

»Schätzchen, es tut mir leid, aber es geht nicht anders. Ich kann morgen unmöglich früher Schluss machen. Bitte, sei so lieb, Ron hat extra darum gebeten.«

Nele stopfte sich einen Löffel Nudeln in den Mund. Die Sauce tropfte von ihrem Kinn. »Na ja, gut«, sagte sie mit vollem Mund, aber deutlich besänftigt. Wenn Ron extra darum gebeten hatte.

Ron würde Neles neuer Papa werden, Nele hatte ihn selbst ausgesucht. Es war gar nicht so einfach gewesen, ihre Mutter und ihn zusammenzubringen, aber nun war die Sache ziemlich perfekt. Und wenn alles gut ging, dann würden sie spätestens Weihnachten eine richtige Familie sein. Jedenfalls stellte Nele sich das so vor.

»Warum heiratet ihr nicht endlich?«, fragte sie und wischte sich das Kinn mit dem Handrücken ab. »Ron verdient doch bestimmt genug Geld, dann brauchst du nicht mehr in der Gärtnerei zu arbeiten. Ihr könnt Frau Werner entlassen und du kümmerst dich um Timmi.«

Timmi war Rons Sohn, er war gerade fünf geworden. Frau Werner war seine Kinderfrau. Sie versorgte auch Rons Haushalt, aber eigentlich war sie eine Hexe, da war Nele sich ganz sicher. Und seit Ron und Neles Mutter endlich ein Paar geworden waren, benahm sie sich wie eine beleidigte Hexe. Sie wurde immer häufiger krank. »Ich hab's nun mal im Rücken«, sagte sie regelmäßig und drückte sich mit Leidensmiene die Hand ins Kreuz.

Neles Mutter, die nicht gerade viel gegessen hatte, legte ihre Gabel auf den Teller. »Nele, ich möchte gar nicht aufhören zu arbeiten. Es macht mir Spaß, es geht nicht nur ums Geld.«

»Nein, nein, ich weiß schon.« Nele blickte ihre Mutter nachsichtig an. »Es geht um Emanzi... Emanzo... na ja ... um deine Ehre eben. Ich versteh das ja auch irgendwie, aber wenn die blöde Werner andauernd krank wird, hab ich die ganze Doppelbelastung am Hals.«

»Schätzchen, es geht um ein paar Stunden! Übermorgen arbeitet Ron wieder zu Hause, dann kann er sich um Timmi kümmern. Außerdem – du wolltest doch immer ein Brüderchen haben, da kannst du auch mal ein kleines Opfer bringen.«

»Mal ja«, sagte Nele. »Aber in letzter Zeit passiert das ganz schön oft. Ihr seid ja fast jedes Wochenende auf Achse!«

»Ich dachte, das hätten wir geklärt, Nele«, sagte ihre Mutter und schob ihren Teller von sich. »Du weißt doch, dass Ron und ich Zeit füreinander brauchen. Und dann sind da noch alle seine Freunde, die ich kennenlernen möchte, und meine, die er treffen soll ...«

»Ja, ja, ich weiß«, unterbrach Nele ungeduldig. »Aber das dauert ja alles ewig! Könnt ihr nicht endlich heiraten?«

Neles Mutter antwortete nicht. Sie spielte mit ihrem Serviettenring.

»Oder dann heiratet eben nicht, das ist ja auch egal«, meinte Nele. »Aber wir könnten doch wenigstens schon mal in Rons Haus ziehen. Dann wärt ihr jeden Abend zusammen, und wenn ihr eure Freunde sehen wollt, ladet ihr sie ein. Das wär doch viel einfacher.«

»Nele«, sagte ihre Mutter, »so schnell geht das nicht. Ist dir klar, was ich hier alles aufgebe? Das Haus, den Garten ...«

»Rons Garten ist viel größer. Und so viel, wie du da im Sommer rumgepusselt hast, ist das doch sowieso schon fast deiner. Ach, Mama, jetzt gib dir doch einfach mal einen Ruck!«

Neles Mutter lächelte gequält. »Nele, in meinem Alter trifft man solche Entscheidungen nicht einfach mal so. Das braucht Zeit. Ich will doch auch wirklich sicher sein, dass ich das Richtige tue. Das Richtige für ein ganzes Leben.«

Nele verdrehte die Augen. »Aber du liebst ihn doch, das hast du selbst gesagt. Und Timmi hast du auch lieb. Wo ist dann noch das Problem?«

Neles Mutter seufzte. »Ich weiß es nicht, Nele. Es ist alles so schnell gegangen, das macht mir ein bisschen Angst. Sieh mal, wir kennen die beiden erst seit einem halben Jahr, das ist nicht lange.«

»Für mich ist das eine Ewigkeit«, sagte Nele und tauchte ihre Gabel direkt in die Saucenschüssel.

Ihre Mutter langte über den Tisch und streichelte Neles Wange. »Mäuschen, hör auf zu drängeln, bitte. Irgendwann kommt schon der Punkt, an dem ich sicher bin, okay?«

Nele gab sich geschlagen. »Okay«, sagte sie und kratzte die Saucenschüssel aus. »Ist ja auch egal. Wenn du jetzt sagen würdest, dass du Ron heiratest, müsste ich Timmi morgen auch vom Kindergarten abholen, stimmt's?«

Ihre Mutter lachte. »Stimmt!« Sie zog Nele die Saucenschüssel weg. »Es gibt noch Nachtisch. Hast du überhaupt noch Platz dafür?«

»Wofür?«

»Für Eis mit heißen Himbeeren.«

Nele legte eine Hand auf den Magen und tat so, als müsste sie überlegen. Dann grinste sie ihre Mutter an. »Na ja, wenn du es mir so aufdrängst.«

Sie kuschelten sich mit dem Eis aufs Sofa und guckten zusammen ein Video, Pünktchen und Anton.

»Zu zweit ist's auch ganz schön«, meinte Nele. »Du hast schon recht, Mama, manchmal braucht man keine Männer.«

»Na, hast du auch so viel Lust?«, fragte Nele missmutig, als sie Sara wie jeden Morgen vor dem Kiosk traf. Es war der erste Schultag nach den Herbstferien, und die Aussicht auf eine Doppelstunde Deutsch bei der Schmalbach hatte Nele gründlich die Laune verdorben.

Sara hatte anscheinend schon länger gewartet und inzwischen eingekauft. Sie hielt ihrer Freundin eine Schaumwaffel hin. »Hier, ganz frisch! Und süß, das ist gut für die Nerven.«

»Danke.« Nele biss in die Waffel. »Aber das macht den Tag auch nicht besser«, sagte sie undankbar. Dabei machte sie so ein unglückliches Gesicht, dass Sara lachen musste.

»Ach komm, Nele, so schlimm wird's schon nicht werden. Aber wir sollten uns mal etwas sputen. Wenn wir gleich am ersten Tag zu spät kommen, wird die Schmalbach bestimmt ungemütlich.«

»Das ist sie doch sowieso«, brummte Nele. »Wetten, sie fängt gleich wieder mit ihren langweiligen Rechtschreibübungen an? Ich kann dir gar nicht sagen, wie mir das zum Hals raushängt!«

Doch an diesem Morgen hielt die Schmalbach erst einmal eine ganz andere Überraschung bereit: Sie brachte eine neue Schülerin mit, baute sich mit ihr vor der Klasse auf und legte dem Mädchen eine Hand auf die Schulter.

Sara stieß Nele an und kicherte, doch die reagierte gar nicht. Sie starrte die neue Mitschülerin staunend an. Das konnte doch nicht wahr sein! Wie lief die denn rum? Die sah ja aus wie eine viel zu klein geratene Erwachsene aus den uralten Spielfilmen, die Neles Mutter so gern sah. Sie trug einen Pulli mit einer passenden Strickjacke darüber, Twinset hatte ihre Mutter diese merkwürdige Kombination mal genannt, dazu einen rosa Faltenrock, hautfarbene Strumpfhosen und spitze, weiße Schuhe mit ziemlich hohen Absätzen. Neles ungläubiger Blick wanderte wieder nach oben. War das etwa eine echte Perlenkette, die die Neue um den Hals trug? Mann, das war doch was für alte Omas! Und dann die Frisur! Nele hätte glatt den gesamten Inhalt ihres Sparschweins darauf verwettet, dass das eine Dauerwelle war, was dem Mädchen da kastanienbraun um den Kopf pappte.

»Guck dir das an! Und wie die geschminkt ist«, flüsterte Sara.

»Das ist Babette Obermann«, erklärte die Schmalbach, »eure neue Klassenkameradin.«

»Barbie!«, krähte Sven von hinten, und die ganze Klasse lachte.

Nele mochte Sven zwar nicht besonders, aber jetzt musste sie mitlachen. Er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen, dieses Mädchen sah wirklich aus wie eine Barbiepuppe – perfekt verkleidet für die Rolle »Barbie geht zum Kaffeekränzchen«.

»Ruhe!«, donnerte die Schmalbach. »Ich erwarte, dass ihr Babette ohne Sperenzien in die Klassengemeinschaft aufnehmt!« Etwas freundlicher wandte sie sich an das Mädchen: »Du kannst dich hier vorn zu Nadine setzen, sie wird sich sicher gern ein bisschen um dich kümmern.«

Barbie stakste zum angewiesenen Platz. Nadine drehte sich zur Klasse um und zog eine Grimasse.

»Guckt euch das an!«, rief Leon von hinten. »Die kann in den Dingern sogar laufen!«

»Laufen nennst du das?«, höhnte Sven. »Die geht doch wie 'n Storch auf Eiern!«

Wieder lachten alle. Alle, außer der Schmalbach. »Leon, Sven, ihr holt euch nach der Stunde eine Sonderaufgabe ab! Und nun schlagt die Sprachbücher auf, Seite 113.«

Nele stöhnte. Sie hatte es geahnt – Rechtschreibung. Ab Seite 100 gab es in dem Buch nur noch Rechtschreibübungen. Und heute hatte sich die Schmalbach ein ganz gemeines Kapitel ausgesucht, die Schreibweise von Straßennamen. Wen interessierte das schon?

Nele war nicht die Einzige, die nicht so recht bei der Sache war. Alle warfen immer wieder verstohlene Blicke zu der neuen Schülerin, die kerzengerade an ihrem Platz saß, die Augen starr auf ihr Buch gerichtet.

Als es nach zwei Stunden endlich zur großen Pause klingelte und alle wie erlöst ihre Hefte zuklappten, flüsterte Sara: »Komm, beeil dich! Die gucken wir uns mal näher an.«

Auf diesen Gedanken war sie nicht allein gekommen. Auf dem Schulhof bildete sich schnell eine Traube von Schülern um Barbie.

»Wo kommst du denn her? Aus Vornehmhausen?«, fragte Leon albern. »Laufen da alle so rum?«

»Quatsch, die ist direkt aus 'nem Modekatalog gefallen«, meinte Sven.

»Genau!«, rief Björn. »Aus den Oma-Seiten!«

Patrick pirschte sich von hinten an Barbie heran und zog sie kräftig an den Haaren. Das Mädchen schrie auf und zog den Kopf ein. »Die sind ja doch echt!«, wunderte sich Patrick. »Ich hätte gedacht, das wär 'ne Perücke.«

»So hässliche Perücken gibt's gar nicht«, sagte Julia und grinste. »So was würde doch kein Mensch kaufen.«

»Auch wahr«, meinte Patrick. »Aber vielleicht ist sie ja gar kein Mensch. Sie sieht aus wie ein Alien!«

Sven tanzte wild vor Barbie herum. »Hurra, wir haben eine Außerirdische in der Klasse! Barbie Obermann ...«, er begann zu singen, »... kam auf der Erde an, von einem andren Stern, der liegt so fern. Sie ist so chic, da kommt hier keiner mit ...«

»Toller Reim!« Nele schob ihn zur Seite. Dann betrachtete sie Barbie neugierig. »Sag mal, im Ernst jetzt, warum hast du denn so komische Klamotten an? Trägst du die immer?«

Barbie musterte Nele von oben bis unten. Schließlich blieb ihr Blick an Neles schmuddeligen Turnschuhen hängen, die unter der Jeans hervorlugten. »Ja, meinst du, ich will so herumlaufen wie du?«, entfuhr es ihr. Sie sah Nele aus grünen Augen an. Dann legte sie ihr hastig die Hand auf den Arm. »Entschuldige, das hätte ich nicht sagen sollen. Du kannst ja nichts dafür, dass deine Eltern arm sind. Meine Mutter sagt immer, ich darf mir nichts darauf einbilden, dass wir so viel Geld haben.«

Sara, die bemerkte, dass es Nele die Sprache verschlagen hatte, sprang in die Bresche: »Ach, dein Vater ist wohl Millionär, was?«

Barbie warf hochmütig den Kopf zurück. »Ich glaube, ja. Jedenfalls hat er die Villa im Eichenweg gekauft, und die hat fast eine Million gekostet.«

»Wie? Das Haus am Eichenweg 21?«, fragte Nele wie elektrisiert. »Jessicas Haus?«

Barbie zuckte gleichmütig mit den Schultern. »Keine Ahnung, wer da vorher gewohnt hat. Irgend so ein Neureicher, der sich übernommen hat. Hochmut kommt vor dem Fall, hat mein Vater gesagt.« Sie lächelte zufrieden.

»Na, dann pass mal hübsch auf, dass du nicht eines Tages gewaltig auf die Fresse fällst«, sagte Nele eisig und machte auf ihren abgelatschten Turnschuhhacken kehrt.

Sara folgte ihr und legte Nele den Arm um die Schultern. »So eine Zicke!«, stieß sie empört hervor. »Von mir aus kann Sven Hackfleisch aus ihr machen!«

»Aus der?« Nele musste lachen. »Aus der kannst du höchstens Granulat machen! Die ist doch aus Stein, nicht aus Fleisch und Blut!«

Sara kicherte. »Stimmt! Und eklig hochnäsig ist sie!«

Nele nickte grimmig. Erst hatte es ihr ja nicht so richtig gefallen, wie die Jungen über Barbie hergefallen waren, doch jetzt gönnte sie es ihr von Herzen. Was bildete die sich eigentlich ein? Bloß weil Nele normal angezogen war, glaubte sie, ihre Mutter sei arm? Phh! Selbst wenn Mama hundert Millionen hätte, so affig wie dieses aufgedonnerte Schaufensterpüppchen würde Nele nie herumlaufen, das war ja wohl das Letzte!

Plötzlich blieb Sara stehen. »Du, das dürfen wir Jessica auf keinen Fall erzählen, was für eine Vollkatastrophe da jetzt in ihrem Haus wohnt. Wenn sie das hört, dann wird sie wieder ganz unglücklich.«

«Oder auch nicht«, meinte Nele nachdenklich. »Guck mal, wenn da ein nettes Mädchen eingezogen wäre, mit dem wir uns angefreundet hätten, wäre das für Jessi bestimmt viel schlimmer. Aber ... na ja, vielleicht hast du recht. Am besten erzählen wir ihr gar nichts. Wir wissen ja nicht so genau, wie traurig sie noch ist.«

»Ich glaube, sie ist noch sehr traurig. Aber Jessi war schon immer Weltmeisterin im Tapfersein. Die lässt sich nichts anmerken«, sagte Sara.

Nele kickte gedankenverloren eine leere Kakaotüte aus dem Weg. »Findest du das eigentlich gut? Ich meine, irgendwie ist es zwar cool, dass sie so tut, als sei alles in Butter, aber andererseits ...«

Weiter kam sie nicht. Es klingelte zur Stunde. »Die Pausen werden auch immer kürzer«, maulte Sara. »Na, wenigstens haben wir jetzt Textil. Da kann man sich ein bisschen ausruhen.«

»Ja, du!«, sagte Nele voller Neid. »Deine Oma hat dir wahrscheinlich schon zwanzig Zentimeter gestrickt. Aber was soll ich sagen? Mein Schal wird bestimmt erst fertig, wenn ich selbst Oma bin.«

Sara gluckste. »Glaub ich nicht. Aber bis dahin ist er dann vielleicht wenigstens so lang, dass deine Enkelin damit in den Textilstunden auflaufen kann, ohne sich für ihre Faulheit schämen zu müssen.«

»Ha ha!« Nele fand das gar nicht komisch. Sara war schließlich genauso faul im Stricken wie sie. Ohne ihre Oma wäre ihr Schal bestimmt auch erst fünf Zentimeter lang, da sollte sie mal nicht so überlegen tun! Und Neles war schon sechs – wenn man ihn ein bisschen zog.

Sosehr Nele die Textilstunden hasste, ein Gutes hatten sie: Man konnte in Ruhe nachdenken. Frau Sager, die neue Handarbeitslehrerin, war ein richtiger Drachen, sie verlangte absolute Ruhe. Im letzten Schuljahr, bei der gutmütigen Frau Blumenfeld, hatten sie geschwatzt, was das Zeug hielt, und Nele war mit der blöden Schürze, die sie hatten nähen müssen, nie fertig geworden, weil sie mehr gequatscht als gearbeitet hatte.

Mit dem Schal würde sie auch nie fertig werden, weil ihr seltsamerweise immer die Maschen von der Nadel rutschten, aber sie genoss die Stille. Es war eine wunderbare Zeit zum Träumen. Zum Beispiel von den Sommerferien, als Jessica da gewesen war. Das war schön gewesen! Fast so, als sei ihre Freundin nie weggezogen. Sara, Jessi und Nele hatten die Tage im Freibad verbracht, lachend und tobend, und abends hatten Jessi und Nele in Neles Bett noch stundenlang geredet. Jessi hatte von Wiesbaden und ihrer neuen Schule erzählt. Aber eigentlich, dachte Nele jetzt, hatte Sara recht. Wie es Jessica wirklich ging, hatten sie selbst damals nicht herausgekriegt. Ihr Vater, der andere Leute irgendwie um Geld betrogen hatte, arbeitete jetzt als Versicherungsvertreter und musste vielleicht doch nicht ins Gefängnis. Und Jessicas Mutter hatte nun auch zu arbeiten begonnen. Sie war Verkäuferin in einem Laden für gebrauchte Designer-Klamotten. Es gab also sogar Dinge, für die so ein Luxusweibchen wie Jessicas Mutter taugte. Das war alles ziemlich okay fürs Erste. Jessica hatte zwar noch keine neue beste Freundin, aber wenn Nele ehrlich war, fand sie es auch ganz schön, dass Jessi sie und Sara vermisste. Natürlich sollte sie neue Freundinnen finden, aber die konnten ruhig die zweitbesten sein. Beste Freundinnen, die blieben doch ein Leben lang, oder?

Nele schielte zu Sara hinüber, die gekrümmt über ihrem Strickzeug saß und nicht sonderlich glücklich aussah. Nele stieß sie an und blinzelte ihr zu. Einfach so, weil sie sich freute, dass sie da war.

»Kommst du mit zu mir?«, fragte Sara, als auch die sechste Stunde – Mathe – endlich überstanden war. »Meine Oma macht heute Bratwürstchen mit Kartoffelbrei, und sie hat gesagt, ich darf dich mitbringen. Wir können dann zusammen Hausaufgaben machen.« Saras Mutter und ihr Freund Carsten waren für ein paar Tage verreist, und wenn Saras Oma das Regiment übernahm, war viel mehr erlaubt als sonst, sogar Besuch in der Mittagszeit.

»Ich würde ja gern«, seufzte Nele. »Aber ich muss Timmi vom Kindergarten abholen und den ganzen Nachmittag babysitten. Frau Werner hat's mal wieder im Rücken.«

Sara kicherte. »Ich glaube, die hat's eher im Kopf. Wetten, die ist sauer, weil Ron deine Mutter heiratet? Vielleicht hat sie sich ausgemalt, dass sie ihn kriegt.«

»Iiihh, nee!« Nele schüttelte sich. »Stell dir mal vor, die zu küssen! Da piken einen ja die Hexenhaare am Kinn!«

Sara lachte. »Weißt du was? Bring Timmi doch einfach mit zu uns! Meine Oma hat bestimmt nichts dagegen, die findet ihn doch so süß.«

»Meinst du?« Nele war unschlüssig. Sie hatte ihrer Mutter versprochen, dass sie auf Timmi aufpassen würde, da konnte sie ihn doch jetzt nicht einfach bei Saras Oma abladen. Oder doch? Schließlich war sie selbst ja auch dabei, und Mama hatte nicht gesagt, dass sie die ganze Zeit zu Hause bleiben müssten.

Ach, komm!«, bettelte Sara. »Wenn wir die Hausaufgaben zusammen machen, geht's viel schneller. Und meine Oma freut sich bestimmt, wenn ihr kommt. Sie kann doch gar nicht genug Kinder um sich haben!«

Na gut.« Nele begrub ihre Zweifel. Ein Nachmittag mit Saras Oma war immer schön.

Dann lauf eben zum Kindergarten«, schlug Sara vor. »Ich sage meiner Oma schon mal, dass sie zwei Würstchen mehr braten soll. Oder drei!«

Timmi war von der Aussicht auf einen Nachmittag bei der Sara-Oma auch sehr angetan. »Die kann gute Würstchen«, sagte er zufrieden. »Und gute Spiele.«

Nele lächelte. Genauso war es. Die Würstchen schmeckten prima, und als Sara und Nele dann an ihren Hausaufgaben saßen, spielte Saras Oma mit Timmi Memory. Das fand Nele sehr heldenhaft, denn in Memory war Timmi unschlagbar. Er gewann immer.

Später spielten sie zu viert Das verrückte Labyrinth. Eigentlich war das Spiel noch zu schwer für Timmi, deshalb mogelte Nele ein bisschen und guckte heimlich in Timmis Karten, um ihm einen guten Weg zu seinen Schätzen zu bauen. Saras Oma merkte das natürlich. Sie zwinkerte Nele zu und lächelte verschmitzt.

»Das war schön«, sagte Timmi, als sie Hand in Hand nach Hause wanderten. »Ich hab ganz dolle oft gewonnen.«

»Ja«, sagte Nele, »du bist ein richtig schlauer kleiner Junge.« Sie blickte stolz auf ihn hinab.

»Ich will auch so eine Oma wie die Sara-Oma«, sagte Timmi. Und, nach ein paar weiteren Schritten: »Meine ist so krank, die kann nicht mehr spielen. Warum hast du keine?«

»Ich hab eine«, sagte Nele. »Aber die spielt nicht mit Kindern.« Ihre Oma, Mamas Mutter, lebte weit weg in München, aber meistens war sie auf Reisen. Sie war eine »junge Alte«, hatte Neles Mutter einmal gesagt. Nele fand, sie war eine »doofe Alte«. Sie dachte nämlich immer nur an ihr eigenes Vergnügen, und für Nele und Timmi interessierte sie sich gar nicht richtig. Nee, eine echte Oma war die nicht!

Leider. Nele hätte auch zu gern eine Oma wie Sara gehabt. Eine, die Würstchen briet und Schals strickte und manchmal alle blöden Regeln entschärfte. Und – noch besser! – eine, die mit Timmi spielte, damit Nele auch einmal Zeit für sich hatte.

Mann, ja! Wenn sie so eine Oma hätte, dann wäre es auch egal, wenn Mama weiterarbeitete und Ron wegfuhr. Dann hätte Nele keine Doppelbelastung mehr. Und Ron könnte vielleicht sogar Frau Werner entlassen. »Weißt du was?« Nele drückte entschlossen Timmis Hand. »Ich suche uns eine!«

»Eine was?«

»Eine Oma. Eine richtig liebe, die Kinder gern hat.«

»Wo?«

Tja, das war die Hunderttausend-Euro-Frage. »Mal sehen«, sagte Nele vage. »Mir fällt schon was ein.«

Timmi trabte nachdenklich neben ihr her. »Warum nehmen wir nicht einfach die Park-Oma? Die mit den Kamelbonbons. Die war doch lieb.«

Ja, und wie! Timmi und Nele hatten sie vor einem halben Jahr im Park kennengelernt, wo sie nachmittags immer mit ihrem Hündchen Fussel spazieren gegangen war. Sie hieß Anneliese Fink und hatte immer Karamellbonbons für Timmi in der Tasche gehabt. »Aber sie ist doch weg, Timmi«, sagte Nele. »Wir haben sie seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Außerdem – sie hat schon fünf Enkel, da kann sie uns nicht auch noch gebrauchen.«

Timmi schwieg, bis sie vor Neles Haustür angelangt waren. »Fünf ist nicht viel«, sagte er dann plötzlich. »Ich hab zwanzig kleine Autos. Und ich wünsch mir noch ganz viele.«

Nele lachte. »Kleine Autos ist etwas anderes als kleine Enkel. Kleine Autos kann man in eine Kiste packen, wenn man keine Lust mehr hat, mit ihnen zu spielen. Aber Enkel? – Möchtest du in eine Kiste gepackt werden?«

Timmi überlegte. »Nee. Dann such uns doch lieber 'ne andere Oma. Aber 'ne gute. Mit Kamelbonbons.«

Seufzend schloss Nele die Haustür auf. Das würde bestimmt nicht leicht werden.

»Ich will Kakao«, erklärte Timmi und steuerte die Küche an. Nele seufzte noch einmal. Sie wollte endlich in ihrem Buch weiterlesen. Gestern hatte Mama, gerade als sie an der spannendsten Stelle gewesen war, das Licht ausgeknipst. Doch solange Timmi da war, konnte sie das Weiterlesen natürlich vergessen. Nein, wirklich, hier musste unbedingt eine Oma her! Und zwar eine supergute!

2. Kapitel

Als Sara und Nele am nächsten Morgen in die Klasse kamen, war der Teufel los. Sven stand auf einem Tisch und ließ über seinem Kopf ein Handtäschchen am ausgestreckten Finger kreisen. »Hey, Patrick!«, rief er übermütig, und das Täschchen segelte durch die Luft, direkt in Patricks Arme. Der schleuderte es zu Leon hinüber. Leon fing es am Henkel, ließ es zwischen spitzen Fingern baumeln und stolzierte hüftwackelnd durch die Klasse, die Nase in der Luft.

Die Klasse johlte.

Barbie rannte auf Leon zu und entriss ihm das Täschchen. »Lass das, du blöder Kerl! Du hast wohl gar keine Manieren!«, kreischte sie, aber ihre Stimme zitterte dabei hörbar.

Das Gejohle steigerte sich zu unbändigem, lärmendem Gelächter.

»Hast du das gehört, Leon?«, japste Lisa. »Du hast keine Manieren! Schäm dich!«

Julia stemmte mit gespieltem Entsetzen die Hände in die Hüften. »Na, na, na, Barbie! So reden wir hier aber nicht! – Blöder Kerl! Wo hast du denn solche Kraftausdrücke gelernt?«

Sven, der inzwischen vom Tisch geklettert war, umkreiste Barbie mit einem hämischen Grinsen und zupfte an ihrer weißen Bluse. »Pass bloß auf, dass du dich nicht schmutzig machst, wenn du solche Wörter in den Mund nimmst, du kleine Scheißzicke!«

Barbie fuhr herum und wollte sich mit ihren langen Fingernägeln auf Sven stürzen. Doch der wich geschickt aus, und Barbie stolperte über einen Stuhl. Sie landete auf allen vieren, ihr Faltenrock bauschte sich und gab den Blick auf rosa geblümte Unterhosen frei.

Patrick stieß einen Pfiff aus. »Ganz schön sexy, Barbie!«

Die anderen umringten Barbie, die mit hochrotem Kopf auf dem Fußboden hockte, ihren Rock über die Beine zerrte und die Laufmasche untersuchte, die sie sich in ihre Strumpfhose gerissen hatte. »Den Schaden musst du mir bezahlen«, schrie sie Sven an, »du ... du ... du Rowdy!«

Wieder brachen alle in ohrenbetäubendes Gelächter aus, das jedoch sofort verstummte, als Mathe-Meiers Stimme durch das Chaos dröhnte: »Was ist denn hier los? Bin ich im Kindergarten gelandet?«

Blitzschnell wuselten alle auf ihre Plätze.

»Hausaufgabenvergleich, aber ein bisschen plötzlich!«, dröhnte es weiter, noch bevor der Letzte saß. »Nele, du fängst an!«

Nele blätterte nervös in ihrem Heft, bis sie die richtige Seite fand. Neununddreißig!«, rief sie dann erleichtert.

»Neununddreißig was? Zirkusaffen?« Mathe-Meier wippte böse auf den Zehenspitzen.

»Neununddreißig Euro. Ein Zentner Kies kostet neununddreißig Euro«, sagte Nele.

»Hm.« Mathe-Meier hörte auf zu wippen und guckte etwas wohlwollender. »Julia, die nächste Aufgabe.«

Nele lehnte sich zurück. Wenn Mathe-Meier nicht gerade seinen ganz fiesen Tag hatte, würde er sie erst einmal in Ruhe lassen. Verstohlen blickte sie zu Barbie hinüber. Die saß, Dauerwelle intakt, das Röckchen adrett um die Knie gebauscht, an ihrem Tisch. Vor ihr stand das Täschchen, das inzwischen ein bisschen zerschrammt aussah. Was sie da wohl drinhatte? Puderdose und Lippenstift?

Nele schüttelte angewidert den Kopf und konzentrierte sich wieder auf die Matheaufgaben. Sara und sie hatten alles richtig, und das beflügelte Nele so, dass sie sich in der Stunde ganz oft meldete und sogar freiwillig an die Tafel ging, um vorzurechnen. So handfeste Rechenaufgaben, fand sie, waren eigentlich etwas richtig Gutes. Es gab nur Falsch oder Richtig, und das gefiel ihr.

In der großen Pause ging das Theater um Barbie gleich weiter. Sven hatte sich inzwischen etwas Neues einfallen lassen. Als Barbie, ihr Handtäschchen am Arm, die Treppe hinabstöckelte, marschierte er, die Brust herausgedrückt, neben ihr her wie ein Bodyguard. »Platz!«, trompetete er mit tiefer Stimme. »Platz für die Prinzessin! Hier kommt Prinzessin Barbie von Polynesien! Platz für die Prinzessin!«

Ein paar ältere Schüler blieben stehen und lachten.

Barbie stakste die Treppe hinunter, ohne rechts und links zu blicken, und verschwand schnell in der Mädchen-Toilette.

Sven blickte sich suchend um. »Hey, Julia!«, rief er dann. »Geh mal nachgucken, was sie macht! Nicht, dass sie sich mit ihrem Lippenstift aus Versehen die Augen aussticht!«

Julia und ein paar andere Mädchen stießen kichernd die Klotür auf.

Nele zog Sara mit sich. »So 'ne Attraktion ist die nun auch nicht! Komm, ich muss mit dir reden, ich hab ein Problem.«

Sie hockten sich auf eine der neuen Bänke, die in den Ferien aufgestellt worden waren. Zu nah an den ebenfalls neuen Tischtennisplatten, ganz ruhig war es hier auch nicht. Aber immerhin hatten sich die Lehrer mal etwas einfallen lassen, nachdem sie entdeckt hatten, dass sich immer mehr Schüler auf den Lehrerparkplatz verkrümelt hatten, um ein bisschen Ruhe zu haben. Jetzt schoben sie da draußen ständig Wache, da war es besser, man blieb im erlaubten Gelände.

»Was hast du denn für ein Problem?«, fragte Sara. »Haben deine Mutter und Ron sich gestritten? Wegen dieser Emanzo...?«

Emanzipation«, sagte Nele ungeduldig. »Nee, das haben sie, glaube ich, abgehakt. Jedenfalls reden sie darüber nicht mehr so oft. Überhaupt, die beiden sind ein Herz und eine Seele. Das ist ja mein Problem.«

»Bitte?« Sara sah Nele aus großen Augen an. »Genau das wolltest du doch immer.«

»Ja, aber ...«, Nele klemmte die Hände unter ihre Oberschenkel, »... aber jetzt turteln sie ja nur noch rum, das ist echt heftig. Stell dir mal vor, gestern, als ich mit Timmi gerade zu Hause war, kam Mama auch bald, aber sie hatte gar keine Zeit für uns. Sie ist sofort unter der Dusche verschwunden, hat sich fein gemacht und ist zum Bahnhof gedüst, um Ron abzuholen. Und dann hat sie angerufen, dass sie später kämen, wir sollten uns einfach Pizza bestellen.«

Echt?« Sara konnte es kaum glauben. »Das hat deine Mutter gesagt? Die Fast-Food-Hasserin?«

Nele nickte niedergeschlagen. »Und Timmi sollte bei uns schlafen, also habe ich ihm den ganzen Abend vorlesen müssen. Das kleine Gespenst, das kann ich inzwischen rückwärts!«

»Du Ärmste!« Sara seufzte mitfühlend. »So ein kleiner Bruder ist auch 'ne Plage, was?«

»Nee«, sagte Nele und guckte auf ihre baumelnden Beine. »Er ist ja süß. Aber ich habe überhaupt keine Zeit mehr für mich. Darum brauche ich eine Oma.«

»Eine Oma?«, wiederholte Sara verdattert.

»Ja, eine Oma! Und jetzt such ich uns eine, das kann ja nicht so schwer sein. Omas gibt es doch wie Sand am Meer, überall laufen welche rum! Brauchst bloß mal nachmittags ins Café Reupke zu gucken, da sitzen Hunderte von Omas!«

»Wie? Und da willst du von Tisch zu Tisch gehen und sie fragen: Wollen Sie meine Oma werden? Zeigen Sie mir mal Ihre Zeugnisse!«

Nele lachte. »Das wär gut, wenn es Oma-Zeugnisse gäbe! Bratwurst-Braten: eins. Kleine-Jungs-Beschäftigen: eins. Schal-Stricken: eins.«

Sara griff den Faden auf: »Gegen-Klavierunterricht-Sein: eins.«

Nele rutschte ein wenig näher an ihre Freundin heran. »Mann, ja, das wär klasse. Aber so einfach ist das wohl nicht. Darum hab ich mir überlegt, dass ich einen Oma-Test erfinden muss. Und dabei musst du mir helfen!«

Sara starrte sie an. »Und wie soll der aussehen?«

»Na ja, ich weiß noch nicht genau, irgendwie hatte ich gedacht ...«

»Hallo, ihr zwei!« Barbie ließ sich neben Sara auf die Bank fallen. »Eure Klassenkameraden sind sehr kindisch, nicht wahr? Darum wollt ihr auch nichts mit ihnen zu tun haben, nehme ich an. Ich habe beschlossen, dass ihr meine Freundinnen werden dürft, ihr seid nicht so albern.«

»Oho!« Nele beugte sich vor und sah Barbie aus weit aufgerissenen Augen an. »Wir dürfen deine Freundinnen werden?«

»Ja«, erklärte Barbie hoheitsvoll. »Obwohl ihr arm seid. Ich habe mit meinen Eltern darüber gesprochen, und meine Mutter hat gesagt, dass ich euch sogar ein paar von meinen Kleidern geben darf, aus denen ich herausgewachsen bin. Ihr seid ja ziemlich klein.«

Nele hatte längst aufgehört, mit den Beinen zu baumeln.

»Und was ist«, fragte Sara merkwürdig gepresst, »wenn wir gar nicht deine Freundinnen sein wollen?«