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Zu Hause ist, wo das Herz ist … UNTER WEITEM FRÜHLINGSHIMMEL: Die Kinder sind aus dem Haus und Marie freut sich, sich endlich auf ein bisschen Ruhe: Doch weit gefehlt: Erst zieht Tochter Elli nach einem Ehestreit plötzlich wieder ins »Hotel Mama« und dann erfährt ihre Jüngere, Tina, dass sie schwanger ist … und Maries Enkeltochter Caro verliebt sich zum ersten Mal! Statt Grundentspannung steht für Marie wieder Familienchaos auf dem Programm. Noch dazu hat sie sich gerade Hals über Kopf in den charmanten Witwer Frank verliebt … WAS UNS NACH DIESEM SOMMER BLEIBT: Anja denkt gerne an ihre glückliche Kindheit zurück. Ihre Eltern waren immer für sie da, und vielleicht wollte sie deswegen unbedingt als Architektin in die Fußstapfen ihres Vaters treten. So lernt Anja auch Ulla kennen, die immer auf der Suche nach einem sicheren Hafen war und nun ein Haus für ihre neue Familie umbauen lassen will. Die beiden Frauen werden schnell enge Freundinnen – und ahnen nicht, dass es ein altes Geheimnis gibt, das sie miteinander verbindet … Ein ebenso unterhaltsamer wie gefühlvoller Sammelband für alle Fans von Dora Heldt.
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Seitenzahl: 804
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Über dieses Buch:
UNTER WEITEM FRÜHLINGSHIMMEL: Die Kinder sind aus dem Haus und Marie freut sich, sich endlich auf ein bisschen Ruhe: Doch weit gefehlt: Erst zieht Tochter Elli nach einem Ehestreit plötzlich wieder ins »Hotel Mama« und dann erfährt ihre Jüngere, Tina, dass sie schwanger ist … und Maries Enkeltochter Caro verliebt sich zum ersten Mal! Statt Grundentspannung steht für Marie wieder Familienchaos auf dem Programm. Noch dazu hat sie sich gerade Hals über Kopf in den charmanten Witwer Frank verliebt …
WAS UNS NACH DIESEM SOMMER BLEIBT: Anja denkt gerne an ihre glückliche Kindheit zurück. Ihre Eltern waren immer für sie da, und vielleicht wollte sie deswegen unbedingt als Architektin in die Fußstapfen ihres Vaters treten. So lernt Anja auch Ulla kennen, die immer auf der Suche nach einem sicheren Hafen war und nun ein Haus für ihre neue Familie umbauen lassen will. Die beiden Frauen werden schnell enge Freundinnen – und ahnen nicht, dass es ein altes Geheimnis gibt, das sie miteinander verbindet …
Über die Autorin:
Sabine Neuffer wurde 1953 in Hannover geboren. Nach dem Studium arbeitete sie als Lehrerin und für eine PR-Agentur, bevor sie ihre Leidenschaft für das Schreiben entdeckte.
Bei dotbooks erschienen bereits Sabine Neuffers Romane »Das Flüstern der Vergangenheit«, »Eine Liebe zwischen den Zeiten«, »Sommerblumenküsse«, »Sommerrosenträume«, »Unter weitem Frühlingshimmel« und »Was uns nach diesem Sommer bleibt« sowie ihre Kinderbücher »Das Papa-Projekt«, »Das Oma-Projekt« und »Das Geschwister-Projekt«.
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Sammelband-Originalausgabe Juni 2025
Copyright © der Sammelband-Originalausgabe 2025 dotbooks GmbH, München
Die Originalausgabe von »Unter weitem Frühlingshimmel« erschien erstmals 2007 unter dem Originaltitel »Zoff und Zärtlichkeit« 2007 bei Random House; Copyright © 2007 Verlagsgruppe Random House GmbH. Copyright © der überarbeiteten Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München.
Die Originalausgabe von »Was uns nach diesem Sommer bleibt« erschien erstmals 2008 unter dem Originaltitel »Stolz und Stolpersteine« bei Random House; Copyright © 2008 Verlagsgruppe Random House GmbH. Copyright © der überarbeiteten Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München.
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: dotbooks GmbH, München
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (vh)
ISBN 978-3-98952-922-9
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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!
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Sabine Neuffer
Unter weitem Frühlingshimmel & Was uns nach diesem Sommer bleibt
Zwei Romane in einem eBook
dotbooks.
Unter weitem Frühlingshimmel
Prolog
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Dreizehntes Kapitel
Vierzehntes Kapitel
Fünfzehntes Kapitel
Sechzehntes Kapitel
Siebzehntes Kapitel
Achtzehntes Kapitel
Was uns nach diesem Sommer bleibt
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Epilog
Lesetipps
»Endlich Zeit für mich!« Marie ist froh, dass ihre Kinder alt genug sind, um auf eigenen Füßen zu stehen – nun kann sie ihre Träume in die Tat umsetzen. Doch schon bald ist es mit der Ruhe vorbei: Erst zieht Elli, ihre Älteste, nach einem Ehestreit plötzlich wieder ins »Hotel Mama« und hat an allem etwas auszusetzen. Dann erfährt ihre Jüngere, Tina, dass sie schwanger ist … und Maries Enkeltochter Caro verliebt sich zum ersten Mal! Statt Grundentspannung steht für Marie wieder Familienchaos auf dem Programm. Noch dazu hat sie sich gerade Hals über Kopf in den charmanten Witwer Frank verliebt – und was das Abenteuer Dating betrifft, ist Marie tatsächlich ein kleines bisschen eingerostet … Aber das hält sie bestimmt nicht davon ab, ihrem Glück entgegenzulaufen!
Canberra
Wow – er flog!
Er flog richtig hoch, und das hatte er ganz allein hingekriegt! Aufgeregt klammerte Pete seine Hände um die Griffe der Drachenschnüre und beobachtete, wie der Drachen hoch über seinem Kopf hin und her flatterte. Mann, der war so hoch wie die Bäume!
Übermütig rannte Pete über den Rasen, den Blick fest auf den neuen bunten Drachen gerichtet, den ihm sein Daddy zum Geburtstag geschenkt hatte. Mit dem klaren Befehl, bis heute Abend zu warten, bis sie rausfahren würden zum See, wo sie Platz haben würden, ihn fliegen zu lassen. »Nicht im Garten«, hatte Papi gesagt und dabei diesen speziellen Drohblick gehabt, den er für Pete reserviert zu haben schien, »da sind zu viele Bäume.«
Aber, mal ehrlich, was war das für ein blödes Geschenk, wenn man es nicht gleich ausprobieren konnte! Und außerdem – es ging doch! Pete rannte lachend im Kreis und wackelte mit den Armen. Der Drachen wackelte, als lache er zurück.
Pete rannte und lachte und rannte in immer größeren Kreisen ...
Wommm – der Drachen krachte in die obersten Äste des Eukalyptusbaumes. Pete zerrte und zog, aber der Drachen saß fest. Und er sah nun auch nicht mehr so aus, als lache er, im Gegenteil, er wirkte ziemlich traurig.
»Mamiii!!!
Pete wusste, wenn er diesen ganz schrecklichen Schrei ausstieß, funktionierte das immer. Man musste nur richtig laut und hoch brüllen, so, als würde man von wilden Tieren angegriffen oder als würden Indianer den Garten stürmen.
Und richtig, die Küchentür flog auf, und Mami kam ganz erschrocken angerannt. Sie stürzte auf ihn zu und warf die Arme um ihn. »Pete, mein Kleiner, was ist denn?«
Mein Kleiner! Also ehrlich! Er war heute sieben geworden! Aber Mami war immer besonders liebevoll, wenn sie dachte, er sei ganz klein und hilflos. Man musste nur das Gesicht so zusammenziehen, als würde man gleich anfangen zu heulen, das wirkte am besten.
Also verzog Pete das Gesicht und hielt ein bisschen die Luft an, damit es schön rot wurde, und guckte Mami ganz, ganz traurig an. Dann zeigte er nach oben in den Baum.
»Meine Güte, ist das der neue Drachen? Aber Daddy hat dir doch gesagt ...«
»Ich weiß«, schniefte Pete. »Ich wollte ihn doch nur mal ganz kurz ausprobieren, und er flog so gut, und jetzt ... jetzt ...«, Pete schniefte noch eindrucksvoller, »ist er da oben!«
Nun sah Mami auch ganz traurig aus, und Pete blickte sie hoffnungsvoll an. Sie war zwar eine alte Frau, über dreißig, aber sie war immerhin größer als er.
»Ich kriege ihn schon«, sagte Mami entschlossen, »warte, ich muss mir nur Schuhe anziehen.« Sie verschwand im Haus und kam kurze Zeit später in ihren rosa Leinenschuhen wieder. Pete betrachtete sie skeptisch. Richtig sportlich sah sie eigentlich nicht aus. Sie trug zwar kurze Jeans und ein einfaches weißes T-Shirt, aber sie war ein bisschen pummelig, und ihre schwarzen Locken kringelten sich wie immer wild um ihr rundes Gesicht. Sie zwinkerte Pete mit ihren großen braunen Augen zu, und ihre Zähne blitzten, als sie ihn angrinste.
»Ich war früher immer am besten im Klettern, viel besser als meine Schwestern«, sagte sie.
Na ja. Viel hieß das nicht. Mamis Schwestern waren ja auch bloß Mädchen. – Außerdem war Mami in Deutschland groß geworden. Das war ein ziemlich mickriges Land, auf Daddys Globus war es gerade mal so groß wie der Nagel von Petes kleinem Finger. Da gab es bestimmt nicht so hohe Bäume wie hier in Australien.
Aber Mut hatte Mami ja. Sie hüpfte nach dem untersten Ast des Baumes, bekam ihn zu fassen und hangelte sich hinauf. Schon stand sie in der ersten Astgabel, lächelte zu Pete herab und griff nach dem nächsten Ast. Vorsichtig stieg sie höher und höher. Sie schien immer kleiner zu werden, und Pete konnte ihr Gesicht schon nicht mehr sehen. Irgendwie wurde ihm nun doch ein bisschen mulmig. Mami schien ganz schön weit weg zu sein, er sah nur noch ab und zu ihre Beine zwischen den Blättern aufblitzen.
Und dann knarrte und krachte es plötzlich hoch oben in dem Baum, und es gab ein gewaltiges Getöse. Blätter und Zweige fielen Pete vor die Füße, und er sprang erschrocken zurück. Und dann kam Mami. Wie ein Stein. Sie krachte auf den Rasen und blieb einfach liegen. Vorsichtig kam Pete näher und rüttelte an ihrer Schulter.
»Mami? Mami, sag doch was!«
Sie schlug die Augen auf und flüsterte: »Daddy, ruf Daddy an ...« und machte die Augen wieder zu. Ihr Gesicht war ganz weiß.
Pete raste ins Haus. Das Telefon lag auf dem Küchentisch. Er wusste, dass er nur die Eins zu drücken brauchte, das war Daddys Handynummer. – Als er Daddys Stimme hörte, fing er an zu weinen. Obwohl er sieben war.
»Daddy! Mami ist aus dem Baum gefallen! Sie stirbt!«
»Bleib, wo du bist! Ich komme!«
Und dann war er weg. Pete ließ sich auf den Küchenstuhl sinken und schluchzte. Wenn Mami nun wirklich starb? Seine Mami! Die brauchte er doch noch. – Aber vielleicht war sie auch nur ein bisschen verletzt. Oder nur ohnmächtig. Ob er noch mal nachsehen sollte? Vielleicht sollte er ihr ein Glas Wasser bringen, das machten sie in Filmen immer so, wenn jemand gar nicht mehr aufstand. Pete hatte zwar noch nie einen Film gesehen, in dem jemand aus einem so hohen Baum gekracht war, aber Wasser schien trotzdem irgendwie das Richtige zu sein.
Suchend sah er sich um. Auf dem Tisch stand das fast leere Marmeladenglas, das war gut. Er füllte es am Wasserhahn, das Wasser wurde ein bisschen rosa, aber das war jetzt wohl egal. Petes Hände zitterten schrecklich, und als er an der Tür anlangte, war das Glas nur noch halbvoll. Er stieß mit den Füßen die Tür auf, da hörte er ein Martinshorn heulen. Es kam rasch näher, und schon bretterte ein Krankenwagen mit eingeschaltetem Blaulicht die Auffahrt zum Haus herauf. Er hielt mit knirschenden Reifen, drei Männer sprangen heraus, und einer rief zu Pete herüber: »Wo ist sie?« Sprachlos deutete Pete in den Garten. Das war ja wirklich wie im Film!
Langsam, das Marmeladenglas ganz fest in beiden Händen haltend, folgte er den Männern, die inzwischen bei Mami angelangt waren und sich über sie beugten. Er blieb einige Meter von ihnen entfernt stehen und sah zu, wie der eine von ihnen sie untersuchte. Sie lag noch genauso da wie vorhin.
Und dann kam Daddy. Er war kreidebleich, und sein Gesicht sah ganz eckig aus, der Mund war nur noch ein schmaler Schlitz. Er nahm Pete auf den Arm und drückte ihn viel zu fest an sich. Pete versuchte, das Wasserglas gerade zu halten, aber ein wenig der rosa Flüssigkeit tropfte auf Daddys Schulter. Der schien das gar nicht zu bemerken, sondern setzte seinen Sohn etwas unsanft ab und ging auf die Männer zu. »Was ist?«, fragte er mit einer Stimme, die Pete noch nie gehört hatte.
»Sie lebt. Der Puls ist stabil. Aber sie ist bewusstlos. Wir müssen sie röntgen. Mehr kann ich Ihnen im Moment noch nicht sagen«, antwortete der Mann, der sie untersucht hatte. Auch er sah sehr ernst aus.
»Ich komme mit«, sagte Daddy und wandte sich dann Pete zu. »Ich rufe Grandma an, sie kommt zu dir. Und du rührst dich nicht von der Stelle, bis sie da ist!« Er fuhr Pete mit der Hand durch die Haare, während er schon zum Telefon griff.
Wie versteinert blieb Pete stehen und beobachtete, wie die Männer eine Bahre neben Mami abstellten und sie ganz vorsichtig darauflegten. Dann trugen sie sie zu dem Krankenwagen und schoben sie hinein. Daddy und einer der Männer stiegen hinten zu ihr ein, die anderen beiden setzten sich nach vorn, und schon fuhren sie los. Als sie auf die Straße einbogen, schalteten sie wieder die Sirene und das Blaulicht ein.
Pete setzte sich auf den Rasen. Diesmal wollte er Daddy wirklich gehorchen und sich nicht von der Stelle rühren, bis Granny kam. Vielleicht half das. Vielleicht wurde dann alles wieder gut. Er versuchte, an gar nichts zu denken, und trank langsam, in ganz kleinen Schlucken das Wasser, von dem nicht mehr viel übrig geblieben war, das aber tröstlich süß schmeckte.
Endlich hörte er ein Auto auf der Einfahrt. Es war sehr schnell, und der Kies spritzte. Dann wurde scharf gebremst, die Räder rutschten noch ein Stück, und die Türen öffneten sich. Auf der Beifahrerseite stieg Grandpa aus, hielt sich am Autodach fest und wischte sich die Stirn mit einem der riesigen Taschentücher, die er immer bei sich trug. Sein wuchtiger grauer Schnurrbart zitterte etwas, und seine weißen Haare, die immer zu lang waren, klebten ihm im Nacken.
»Martha, musst du immer so rasen?«, sagte er vorwurfsvoll und richtete sich zu eindrucksvoller Größe auf. Aber Granny, die sich inzwischen aus dem Fahrersitz gewuchtet hatte, winkte nur ab.
»Das hier ist ein Notfall«, erklärte sie knapp und breitete schon die Arme aus, um Pete aufzufangen, der auf sie zugelaufen kam.
Granny war ziemlich dick und sie wollte immer schmusen, was Pete normalerweise ätzend fand. Aber jetzt war es doch irgendwie gut, dass sie da war und dass sie so breit und weich war. Pete kuschelte sich so dicht an sie, dass er fast verschwand, und weinte ein bisschen.
»Nun komm mal her, wir gehen erst mal rein«, sagte Granny schließlich. Sie richtete sich ächzend auf und nahm Pete bei der Hand. Im Haus ließ Grandpa sich Petes Geburtstagsgeschenke zeigen, während Granny Tee kochte. Dann setzten sie sich zusammen ins Wohnzimmer, und Pete musste den beiden ganz genau erzählen, was passiert war. Das war nicht ganz einfach, denn er war ja schließlich an allem schuld, oder?
Als er fertig erzählt hatte, schüttelte Grandpa den Kopf. »Dieses dumme Mädchen, auf so einen Baum zu klettern. Sie sollte eigentlich ein bisschen mehr Verstand haben in ihrem Alter!«
Pete sah ihn überrascht an. Von dieser Seite hatte er das Ganze noch gar nicht betrachtet. War es vielleicht doch Mamis eigene Schuld? – Wenn er es recht bedachte, war da was dran.
Trotzdem – wenn sie nun starb? Pete hatte eine Cousine in Deutschland, Caro, deren Mami war vor zwei Jahren gestorben. Bei einem Autounfall, an dem sie ganz bestimmt keine Schuld hatte, aber das machte jetzt auch keinen Unterschied mehr. Jedenfalls waren Caro und ihr Daddy, Onkel Eric, danach zu der deutschen Gran Marie gezogen, damit die sich um Caro kümmern konnte, während Onkel Eric seine Küchen verkaufte. Die deutsche Granny hatte ein riesiges, altes Haus mit ganz viel Platz, da hatte sie ganz allein gelebt, nur mit Auntie Tina, weil die noch keinen Mann hatte. Mami hatte gesagt, die beiden klapperten in dem großen Haus herum wie zwei Erbsen in einem Schuhkarton, und es sei doch gut, dass Eric und Caro da nun auch wohnten.
Ob er und Jamie und Daddy wohl zu Granny und Grandpa ziehen mussten, wenn Mami starb? Aber die hatten nur ein ganz kleines Haus, Pete konnte sich nicht vorstellen, dass sie da alle Platz hätten. Doch vielleicht starb Mami ja auch gar nicht, so etwas passierte ja schließlich nicht allen Kindern in einer Familie, oder?
Pete wachte auf, weil ihm jemand die Haare streichelte. Verwirrt sah er sich um. Er lag auf dem Sofa im Wohnzimmer, draußen war es bereits dunkel, und im Zimmer brannte nur die kleine Lampe auf der Kommode. Es war Daddy, der ihn streichelte.
Mit einem Ruck setzte Pete sich auf. »Ist sie tot?«, fragte er.
Daddy lächelte. »Nein. Mami geht es gut, sie wird wieder gesund. Aber sie muss eine Weile im Krankenhaus bleiben. Sie hat einen Arm gebrochen und eine Schulter. Und ein Bein. Aber du musst keine Angst haben, es wird alles wieder gut.«
»O Daddy!« Pete warf die Arme um seinen Hals. »Ich hab solche Angst gehabt!«
Daddy drückte ihn ganz fest. »Ich auch, mein Sohn, ich auch«, murmelte er in Petes Haare. Und dann machte Daddy ein ganz komisches Geräusch.
Pete hob den Kopf und sah ihn verblüfft an. »Weinst du?«, fragte er.
Daddy nickte. Er hatte richtige Tränen in den Augen, und eine lief sogar bis zum Mundwinkel. Pete war entzückt. Wenn Daddy weinte, und der war ja nun wirklich richtig alt, dann durfte er das auch, auch wenn er schon sieben war. Und... Mensch, sieben! »Daddy, ich habe heute Geburtstag! Das haben wir alle ganz vergessen!«
Daddy sah ihn überrascht an und wischte sich mit dem Handrücken das Gesicht. Dann lachte er. »Na, diesen Geburtstag werden wir wohl nie vergessen! Aber du hast Recht, heute haben wir es vergessen, und du hast nichts davon gehabt. Pass auf, mein Großer, ich mache dir einen Vorschlag: Wir holen deinen Geburtstag nach, wenn Mami wieder richtig gesund ist. Dann fahren wir weg und feiern ein ganzes Wochenende lang, was hältst du davon? – Ja, das machen wir! Genau heute in einem halben Jahr, wenn du halb acht wirst!«
»In einem halben Jahr?« Pete sah ihn entgeistert an. »Dauert es so lange, bis Mami wieder gesund wird?«
»Ich fürchte, ja«, sagte Daddy ernst. »Weißt du, sie ist ziemlich schwer verletzt, und morgen muss sie an der Schulter operiert werden, die ist ziemlich kaputt. Aber mach dir darüber keine Sorgen, sie wird wie neu, deine Mami! – Und jetzt lass mich mal los, ich muss Mamis Mami anrufen und ihr sagen, was passiert ist.«
»Nein, das darfst du nicht!«, rief Pete erschrocken.
»Warum darf ich das nicht?«, fragte Daddy verblüfft.
»Weil Mami gesagt hat, man darf Gran Marie nicht erzählen, wenn was Schlimmes passiert ist. So wie neulich, als Jamie den Fahrradunfall hatte, das durfte sie auch nicht wissen. Weil sie das alles an Auntie Anna erinnert.« Auntie Anna war Mamis Zwillingsschwester gewesen. Die, die gestorben war.
»Pete, überleg doch mal. Ich muss es ihr erzählen. Mami schreibt immerzu E-Mails nach Deutschland, und das kann sie nun nicht tun, und da würde Gran Marie sich doch sofort Sorgen machen und hier anrufen. Außerdem ist nichts Schlimmes passiert, Mami wird wieder gesund.«
Das leuchtete Pete ein. »Okay«, sagte er, »aber bring es ihr schonend bei!«
Daddy lachte. »Wo hast du denn den Ausdruck her?«
»Das hat Mami neulich zu Granny gesagt, als sie die olle Kommode da gekauft hat.« Pete deutete auf die Biedermeierkommode neben der Tür. »›Ich muss es Matt schonend beibringen‹, hat sie gesagt, und dann warst du ja auch wirklich gar nicht soo böse mit ihr, nur ein bisschen.«
Hannover
Marie hatte sich gerade in ihren Lesesessel gekuschelt und den neuen Roman, den sie am Morgen gekauft hatte, aufgeschlagen, als das Schrillen der Türklingel sie aufschreckte. Besuch? Jetzt, am geheiligten Samstagnachmittag? – Wenn das die Zeugen Jehovas sind, dann gnade ihnen Gott, dachte Marie und rappelte sich unwillig auf.
Es war Elli, ihre Tochter. Für einen winzigen Moment wünschte Marie, es wären die Zeugen Jehovas gewesen. Und als sie sah, dass Elli nicht allein, sondern in Gesellschaft zweier riesiger Koffer angetreten war, dachte sie flüchtig, dass sie es sogar lieber mit einem Trupp Mormonen aufgenommen hätte.
»Mutter!« Elli starrte anklagend auf sie herab. »Gerd betrügt mich!« Sie wuchtete die Koffer in den Flur.
Marie rettete sich mit einem hastigen Seitenschritt. »Ach, Gott, Kind! Was ist denn passiert? Komm erst mal herein! Wie schrecklich! Möchtest du einen Kaffee? Geh schon ins Wohnzimmer, ich bin gleich bei dir, und dann erzählst du mir alles!« Sie floh in die Küche, hielt den Kessel unter den Wasserhahn und fingerte mit flatterigen Händen einen Kaffeefilter aus der Packung. Während sie darauf wartete, dass das Wasser kochte, lehnte sie sich an die Spüle und blickte aus dem Fenster auf die Tuffs blühender Osterglocken, ohne sie wirklich wahrzunehmen.
Beim Pfeifen des Kessels fuhr sie auf. Sie musste sich zusammenreißen! Warum reagierte sie auf Elli nur immer so verschreckt? Wie ein Häuflein Wackelpudding, dem sich ein Flammenwerfer nähert, dachte sie verstört und schüttelte den Kopf über sich selbst und dieses unsinnige Bild.
Entschlossen nahm sie den Kaffeebecher auf. Nein, heute würde sie sich nicht einschüchtern lassen! Es ging Elli schlecht, sie erwartete Mitgefühl und Unterstützung von ihrer Mutter, und die würde sie jetzt auch bekommen!
»So, mein Schatz, hier kommt der Kaffee!«, rief sie munter und stellte den Becher auf den Glastisch.
Elli hockte auf einer Sesselkante und knetete ihr Taschentuch.
Marie setzte sich ihr gegenüber. »Nun erzähl mal. Was ist denn los?«
Elli funkelte sie böse an. »Da gibt es nichts zu erzählen! Gerd betrügt mich, das habe ich doch schon gesagt! Willst du etwa die schmutzigen Einzelheiten hören, oder was?«
»Nein, nein, natürlich nicht ...«, murmelte Marie beschämt. Natürlich wollte sie die schmutzigen Einzelheiten hören, was denn sonst? Darauf kam es doch an, oder? Man breitete sie in leidenschaftlicher Empörung aus, sortierte sie sorgfältig, beleuchtete sie von allen Seiten, interpretierte und bewertete sie. Ja – man. Elli nicht.
Marie betrachtete ihre Tochter ratlos. Die kauerte in dem hellen Ledersessel, bleich und eckig. Erste graue Fäden zogen sich durch die dunklen, strähnigen Locken, die lustlos auf die Schultern baumelten, der schlecht sitzende Blazer war unglücklich verrutscht. Wie armer Leute Kind sieht sie aus, dachte Marie und hatte sofort ein schlechtes Gewissen. Und wurde ein wenig ungeduldig. Warum konnte Elli nicht einfach so sein wie ihre anderen Töchter, so zugänglich und unkompliziert? So menschlich?
»Und nun?«, fragte sie mutlos. »Willst du hierbleiben? Du könntest die Dachwohnung haben, die steht ja leer.«
»Genau!« Elli nickte zufrieden und griff nach dem Kaffeebecher. »Das habe ich auch gedacht.« Sie trank geräuschvoll und setzte den Becher hart ab. »Na, dann! Gehen wir mal hinauf. Ich hoffe, ich muss da oben nicht erst saubermachen?«
»Nein, nein, Frau Bach putzt dort regelmäßig, es ist alles in Ordnung.« Marie ärgerte sich, dass das wie eine Rechtfertigung klang. Was erwartete Elli eigentlich? Ein gemachtes Nest, das auch zwanzig Jahre nach ihrem Auszug noch für sie bereitstand?
Gemeinsam stiegen sie die breite Treppe zum ersten Stock hinauf und nahmen dann die engere Stiege zu der Mansardenwohnung im Gänsemarsch. Elli stieß die Tür zu dem kleinen Wohnzimmer auf. »Puh, ist das stickig hier!«
Marie sah sich um. Sie war ewig nicht hier gewesen. Der Raum kam ihr enger vor, als sie ihn in Erinnerung hatte, die Sitzgruppe wuchtiger. In einem Regal staubten zerlesene Romane vor sich hin, an den Wänden hingen Familienfotos, einst liebevoll von ihr gerahmt. Nun waren sie blass und ein wenig blaustichig.
Elli inspizierte bereits das Schlafzimmer, musterte das breite Polsterbett und den hübschen, alten Spiegelschrank. »Na, fürs Erste wird's gehen«, erklärte sie gnädig.
Marie öffnete die Schrankwand im Wohnzimmer. »Sieh mal, hier ist auch die kleine Teeküche. Aber eigentlich brauchst du sie nicht. Du isst natürlich unten mit uns.«
Elli fuhr herum und starrte ihre Mutter an. »Essen?! – Mutter, meine Ehe ist gerade in die Brüche gegangen! Und du denkst ans Essen!«
»Na ja, von Luft und Li...«, Marie hielt verlegen inne. »Ich meine ...«
»Du meinst, ich soll mich hier jetzt nahtlos in dieses sonderbare Familienleben einfügen, nicht wahr? – Nein, Mutter, das kannst du nicht von mir erwarten! Ich habe erst einmal genug mit mir selbst zu tun.«
»Ja«, sagte Marie kleinlaut. »Obwohl es dir guttäte, nicht alles in dich hineinzufressen ...«
»Mutter! Ich weiß am besten, was gut für mich ist! Ich bin erwachsen – falls dir das entgangen sein sollte!«
»Ja, Elli.« Marie fühlte sich plötzlich unendlich müde. »Du kannst ja erst einmal in Ruhe auspacken und dich hier einrichten.« Das würde ihr zumindest eine kleine Verschnaufpause verschaffen.
»Warte!«
Marie drehte sich in der Tür um. Elli nahm die Fotos von den Wänden und stapelte sie lieblos aufeinander. »Hier, nimm die mit!«
Marie nahm die Bilder verwirrt entgegen und stieg langsam die Treppen hinab. Zuoberst lag eine Aufnahme, die sie – du liebe Güte, ja – vor fünfundzwanzig Jahren gemacht hatte. Sie erinnerte sich plötzlich genau. Es war ein Ferientag gewesen, die Sonne hatte vom Himmel gebrannt, und sie hatten sich in den hinteren Teil des Gartens in den Schatten verzogen. Anna und Britt, damals zwölf, saßen in kurzen Frotteekleidchen auf der alten Holzbank, zwischen sich die zweijährige Tina, dick, rosig, strahlend. Ihre pummeligen Hände mit den kleinen Grübchen unter jedem Finger zerrten an Annas langen, schwarzen Locken. Alle drei lachten. Anna und Britt sahen einander zum Verwechseln ähnlich. Neben der Bank stand Elli. Sie blinzelte missmutig in die Kamera und schien sich in ihrer Haut und dem zerknitterten T-Shirt nicht sehr wohl zu fühlen. Sie war gerade vierzehn geworden, und Marie hatte den Verdacht, dass sie damals schon geahnt hatte, dass es um die Ehe ihrer Eltern nicht zum Besten stand. Sie hatten nicht darüber gesprochen. Hätten sie es tun sollen? Hätte sie ihre älteste Tochter einweihen, sie auf die Scheidung vorbereiten sollen? – Nein. Damals hatte sie selbst ja noch gehofft, Klaus' Seitensprünge wenigstens noch so lange tolerieren zu können, bis die Kinder etwas älter waren. Und Elli war immer ein Vaterkind gewesen, Kritik an Klaus hatte sie nie ertragen. Als er dann gegangen war, hatte Elli am meisten gelitten. Während Marie erleichtert gewesen war. Doch wie hätte sie Elli das erklären sollen?
In Erinnerungen versunken, wanderte Marie ins Wohnzimmer, setzte sich aufs Sofa und legte die Fotos nebeneinander vor sich auf den Tisch. – Tina, vierjährig, noch immer voller Speckgrübchen, ausgelassen jauchzend im Planschbecken, im ersten Sommer ohne Klaus. Die Trennung ihrer Eltern hatte sie kaum wahrgenommen, Klaus hatte in ihrem kleinen Leben keinen wichtigen Platz mehr erobert. – Anna und Britt, mit vierzehn Jahren, in ihren Tanzstundenkleidern. Noch immer lachend, mit blitzenden Augen, kaum zu unterscheiden. Marie nahm das Bild in die Hand und fuhr mit dem Finger über die glatten, fröhlichen Gesichter. Britt hatte einen winzigen Leberfleck über der Augenbraue, Annas Gesicht war makellos.
Gewesen. Anna war tot. Seit zwei Jahren. Ein Autobahnunfall. Stauende. Ein Lkw. Sie hatte keine Chance gehabt. Ein Dienstagnachmittag. Auch ein Tag, an dem die Sonne geschienen hatte. Ganz gleichgültig von einem blanken, blauen Himmel.
Und am nächsten Tag hatte sie weitergeschienen. Am Tag darauf auch. Heiß und mitleidlos, den ganzen verdammten Sommer lang. Ein Rekordsommer, so sagte man, und meinte damit nicht den Überlebensrekord, den Marie bewältigt hatte.
Sie war nicht zerbrochen am Tod ihrer Tochter. Im Gegenteil, sie hatte Kräfte mobilisiert, die sie nie in sich vermutet hatte. Denn Caro, ihre Enkelin, war da. Elf Jahre alt, verstört und verloren und plötzlich ganz allein. Denn Eric, ihr Vater, war selbst wie tot in seiner Trauer.
»Wie soll das nur weitergehen?«, hatte Marie verzagt gefragt.
Tina, längst speck- und grübchenlos, hatte die Antwort parat gehabt: »Lass die beiden zu uns ziehen. Du kümmerst dich um Caro und ich mich um den Laden. Und Eric ... dem lassen wir einfach Zeit.«
Marie lächelte. Die kleine Tina! Wie klug sie gewesen war. Caro bei sich zu haben war die beste Trauerbewältigung, die sie sich wünschen konnte. Ein kleines Anna-Abbild, einsam und liebebedürftig, Nähe und Stärke suchend. Sie brauchte Marie. Sie wollte leben, einfach ganz normal leben. Mit Schulbroten im Ranzen und einer Unterschrift unter der Mathe-Fünf, mit jemandem, zu dem sie ins Bett kriechen konnte, wenn die Trauer zu weh tat, der ihren Schmerz verstand und der an den kleinen Alltagssorgen Anteil nahm.
»Ich hasse Samstagnachmittage!«
Marie legte wie ertappt das Foto auf den Tisch. Sie hatte Tina nicht hereinkommen gehört.
»Da kommen immer die Kerle mit. Eigentlich ist ihnen völlig egal, was ihre Frauen kaufen, Hauptsache, es geht schnell!« Sie stieß die Pumps von den Füßen und ließ sich ins Sofa fallen, warf die langen schwarzen Locken zurück und hob grinsend den Daumen. »Aber die neue Sommerkollektion geht weg wie warme Semmeln!«
Marie stand auf. »Ich koche mal frischen Kaffee. Ich weiß, wie man sich nach einem Samstag im Geschäft fühlt.« Sie war froh, dass sie sich das nicht mehr antun musste. Außerdem war der Generationenwechsel der kleinen Boutique gut bekommen. Tina kaufte mutiger ein, »trendiger«, wie Caro es nannte, und obwohl die Leute immer weniger Geld in der Tasche hatten, war der Umsatz gestiegen.
»Wo ist denn die Bettwäsche? Sie lag doch immer ...« Elli blieb auf der Türschwelle stehen, als sie Tina erblickte. »Ach, hallo«, sagte sie säuerlich.
»Elli!«, rief Tina überrascht. »Was machst du denn hier?«
»Ich wohne jetzt hier«, antwortete Elli, und Marie meinte, eine gewisse Befriedigung herauszuhören.
»Du wohnst jetzt hier?«, fragte Tina entsetzt. »Wieso das denn? Hat dein Göttergatte dich rausgeschmissen?«
»Ich bin ausgezogen«, erklärte Elli würdevoll.
»Warum?«, fragte Tina.
»Weil er mich belügt und betrügt, so etwas lasse ich mir nicht bieten!«
»Wie, und da kriechst du wieder bei Mami unter? Willst du etwa für immer bleiben?«
»Liebe Christina, ich habe genauso viel Recht, hier zu wohnen, wie du!«, erklärte Elli mit Nachdruck. »Dass du dich mit deinen siebenundzwanzig Jahren noch nicht auf eigene Füße gestellt hast, ist sowieso eine Schande. Ich hatte in deinem Alter schon lange meine eigene Wohnung!«
»Ja und? Was hast du davon, wenn du mit vierzig wieder zurückkommst?«, fragte Tina.
»Ich bin keine vierzig!«, protestierte Elli aufgebracht.
»Na, so viel fehlt ja wohl nicht. Außerdem siehst du aus wie vierzig.« Tina grinste gehässig.
Elli schnappte nach Luft.
Marie ebenfalls. »Also, jetzt hört mal, ihr beiden, fangt bitte nicht gleich wieder an zu streiten. Wenn wir hier alle zusammen leben wollen, dann wäre es schön, wenn es in Frieden ginge. Ihr seid inzwischen doch wohl erwachsen genug!«
»Ich schon!« Elli warf Tina einen triumphierenden Blick zu. »Aber unser Nesthäkchen sieht wohl ihr Revier bedroht!«
»Elli, du bist so was von blöd!«, sagte Tina und stand auf. »Kein Wunder, dass Gerd dich rausgeschmissen hat!«
»Ich habe dir doch gesagt, Gerd hat mich nicht ...«, schrie Elli hinter ihr her, aber Tina war längst auf der Treppe.
Kopfschüttelnd wandte Elli sich ihrer Mutter zu. »Ist sie immer so kindisch?«, fragte sie herablassend.
Marie seufzte. »Sei ein bisschen nachsichtig mit ihr, Elli. Sie hat den ganzen Tag im Laden gestanden, da ist man ein bisschen gereizt, das kenne ich.«
»Ja, nimm sie nur in Schutz! Das hast du ja immer getan! Tinchen hier, Tinchen da ... sie konnte nie etwas falsch machen!«
»Ach, Elli, du bist doch die Ältere, kannst du nicht ein bisschen vernünftiger sein?«, bat Marie.
»Ich bin vernünftiger«, erwiderte Elli erregt. »Aber du könntest ein bisschen gerechter sein! Ich bin schließlich auch deine Tochter, und im Moment bin ich ja wohl diejenige, die dein Mitgefühl verdient. Mutter, meine Ehe liegt in Trümmern, ich habe kein Dach mehr über dem Kopf, und wenn ihr mich hier auch nicht haben wollt...«
»Nun werde bitte nicht dramatisch, Elli«, sagte Marie. »Du hast ein Dach über dem Kopf. Und die Bettwäsche liegt im Schrank im kleinen Zimmer oben. Wenn du raufgehst, nimm doch bitte gleich die Fotos mit. Leg sie einfach auf die Kommode, ich räume sie dann weg.« Sie legte die Bilder vorsichtig aufeinander.
Es klopfte an der Terrassentür. Maries Gereiztheit war wie weggeblasen, als sie Caro und ihre Freundin Kira entdeckte. Sie öffnete.
»Hallo, O‑Marie!« Caro begrüßte sie mit einer flüchtigen Umarmung. »Wir wollten nur mal gucken, wie's dir geht. Hast du ein paar Kekse?«
»Ihr wolltet nur mal gucken, ob ich ein paar Kekse habe, wolltest du wohl sagen«, sagte Marie amüsiert und nickte Kira zu. »Na, guckt mal in die Süßigkeitenschublade, da findet ihr sicher etwas.«
Erst jetzt bemerkte Caro ihre Tante. »Tante Elli! Was machst du denn hier?« Es klang wenig begeistert.
»Ich wohne jetzt hier«, sagte Elli, und wieder hatte Marie den Eindruck, dass Stolz und Befriedigung mitschwangen.
»Warum? Hat Onkel Gerd dich rausgeschmissen?«, erkundigte sich Caro interessiert.
»Nein, das hat er nicht. Es war meine Entscheidung. – Aber, Caroline, in deinem Alter solltest du eigentlich wissen, dass man Erwachsenen solche Fragen nicht stellt. Das ist höchst indiskret«, sagte Elli pikiert.
»Ich weiß«, erwiderte Caro unbekümmert, »aber wenn man keine indiskreten Fragen stellt, wird man in meinem Alter meistens für dumm verkauft, und die Erwachsenen erzählen einem gar nichts. Willst du jetzt etwa für immer hierbleiben?«
»Also, Mutter, wird dieses Kind eigentlich überhaupt erzogen?« Elli wandte sich empört an Marie.
»Elli, sie ist dreizehn!« Marie legte beschützend den Arm um Caro.
Dankbar hörte sie, dass die Haustür aufgeschlossen wurde. Caro stürmte in den Flur. »Papi!«, rief sie und warf sich ihrem Vater in die Arme. Zusammen kamen die beiden ins Zimmer, und Marie betrachtete sie gerührt. Sie sahen einander unglaublich ähnlich. Caro hatte zwar Annas dichte schwarze Locken geerbt, wie sie alle Frauen der Familie hatten, während ihr Vater blond war. Aber sie hatte seine blauen Augen und markanten Gesichtszüge, seine gerade Nase und ausgeprägten Wangenknochen. Nur der Teenager-Speck milderte ihre Züge etwas, ließ sie weich und kindlich aussehen. Marie war sich sicher, dass ihre Enkelin einmal eine Schönheit werden würde.
»Papi, Tante Elli wohnt jetzt bei uns«, sagte Caro, nachdem Eric alle begrüßt hatte.
»Ach du jemine! Hat Gerd dich rausgeschmissen?« Er musterte Elli kühl. Die raffte mit einer ruckartigen Bewegung die Bilder vom Tisch und rauschte hinaus. Eric sah ihr überrascht nach. Caro und Kira kicherten und machten sich über die breite, bockige Schublade des Sekretärs her, in der Marie die Schleckereien aufbewahrte.
»Da habe ich wohl den Nagel auf den Kopf getroffen«, meinte Eric belustigt.
»Nein, das hast du nicht«, sagte Marie. »Elli ist ausgezogen, weil sie dahintergekommen ist, dass Gerd sie betrügt. Also seid ein bisschen nett zu ihr, ja? Sie hat es schwer im Moment.«
»Sie soll lieber froh sein, dass Gerd es überhaupt so lange mit ihr ausgehalten hat. Ich finde, dafür verdient er eine Medaille«, sagte Tina, die gerade das Zimmer betrat und den letzten Satz gehört hatte. Sie war unter der Dusche gewesen und trug einen alten, verwaschenen Frotteebademantel. Ihre nassen Locken hingen weit auf den Rücken. Barfuß ging sie auf einen der Sessel zu, nickte Kira zu und wuschelte ihrer Nichte im Vorbeigehen durchs Haar. »Hey, Kleines, alles okay? Ich dachte, du bist noch bis morgen bei Kira?«
»Bin ich auch, wir sind nur kurz auf Besuch«, sagte Caro.
»Auf Requisitionstour, meinst du wohl«, sagte Eric mit Blick auf die Kekstüte, die Kira in den Händen hielt.
In diesem Moment klingelte das Telefon. Caro nahm ab, lauschte kurz und reichte es dann an Marie weiter. »Es ist Matt«, sagte sie.
»Matt?« Marie wurde bleich und nahm den Hörer. »Matt? Was ist los? Ist etwas passiert? Bei euch muss es doch mitten in der Nacht sein ...« Dann hörte sie zu. Caro, die dicht neben ihr stehen geblieben war, sah, dass ihre Hände zitterten.
»Und du bist sicher, dass sie wieder... ja... ja... ja, bitte, tu das... ja, egal, wie spät es ist... ja, grüß sie von uns allen ... Danke, dass du angerufen hast, Matt ... ja, bis dann.« Marie reichte das Telefon an Caro zurück und starrte mit leerem Blick vor sich hin. Sie zitterte am ganzen Leibe.
»O‑Marie, sag doch schon was! Ist was mit Britt? Ist sie tot?«, rief Caro verzweifelt und rüttelte ihre Großmutter am Arm. Die erwachte aus ihrer Erstarrung und schüttelte den Kopf. »Sie hatte einen Unfall, aber sie lebt«, sagte sie schwach.
»Einen Autounfall?« Eric war ebenfalls leichenblass geworden. Caro brach in Tränen aus.
Kira, die spürte, dass die Familie nun allein sein musste, schlüpfte unauffällig zur Terrassentür hinaus. Caro würde sich schon irgendwann bei ihr melden.
Eric stand mit schwerfälligen Bewegungen auf und ging in die Küche. Nach kurzer Zeit kam er mit einer Flasche Cognac und drei Gläsern zurück. »Kommt, trinkt das! Es wird euch guttun.«
Marie nahm ihm das Glas ab und trank in kleinen Schlucken. »Irgendwie habe ich seit Annas Tod auf diese Nachricht gewartet«, sagte sie wie zu sich selbst. »Seit Annas Unfall hatte ich immer am meisten Angst um Britt. Zwillinge haben oft ein ähnliches Schicksal.«
»Was ist denn nun mit Britt?«, drängelte Caro. »Nun erzähl schon, O‑Marie!«
»Sie ist von einem Baum gefallen. Sie wollte Petes Drachen herunterholen, der sich da verfangen hatte. Anscheinend ist sie ziemlich hoch geklettert, sieben, acht Meter, vermutet Matt. Sie hat eine schwere Gehirnerschütterung, aber keinen Schädelbruch, das wissen sie inzwischen. Aber sie hat den rechten Arm und die Schulter gebrochen. Und ein Bein. Die Schulter muss operiert werden, das scheint ein komplizierter Bruch zu sein.«
»Meine Güte!« Tina stieß die Luft aus. »Arme Britt.«
»Aber sie stirbt nicht?«, fragte Caro und hob ihr tränenüberströmtes Gesicht.
»Nein, sie stirbt nicht«, sagte Marie und zog Caro zu sich auf das Sofa. »Sie wird eine Weile im Krankenhaus bleiben müssen, aber Matt sagt, dass die Ärzte optimistisch sind, dass sie keine bleibenden Schäden davontragen wird.«
Tina zog ein zerknülltes Kosmetiktuch aus ihrer Bademanteltasche und reichte es Marie. Die wischte Caro wie einem kleinen Kind Augen und Wangen trocken und putzte ihr die Nase.
»Und wer kümmert sich um die Jungen, solange Britt im Krankenhaus ist?«, fragte Tina.
»Matts Eltern sind da, die werden so lange bei ihnen wohnen«, sagte Marie.
»Willst du hinfliegen?«, fragte Eric.
Marie schüttelte nachdenklich den Kopf. »Ich glaube nicht. Wahrscheinlich wäre es für alle furchtbar unbequem, wenn ich da jetzt auftauche. Matt hätte dann das Gefühl, er müsse sich um mich kümmern, dabei will er bestimmt seine ganze freie Zeit bei Britt im Krankenhaus verbringen oder bei seinen Söhnen sein. Und seine Eltern haben jetzt auch genug um die Ohren. Ich wäre da vermutlich nur im Weg und würde ihnen einen Haufen Umstände machen. Nein, ich fliege lieber rüber, wenn Britt aus dem Krankenhaus kommt. Oder sie kann dann hierherkommen und sich richtig verwöhnen lassen.«
»Kann man denn wenigstens mit ihr telefonieren?«, fragte Tina.
»In zwei, drei Tagen vielleicht. Im Moment bekommt sie erst einmal starke Beruhigungsmittel und schläft fast nur. Matt hat versprochen, dass er sich sofort meldet, wenn es etwas Neues gibt«, sagte Marie.
»Aber wir können ihr doch weiter E-Mails schreiben!«, rief Caro. »Matt kann sie ihr ausdrucken und ins Krankenhaus bringen, dann fühlt sie sich nicht so einsam und weiß, dass wir an sie denken. Ich mache das! Mir würde sowieso etwas fehlen, wenn ich ihr nicht mehr schreiben könnte.«
»Ja«, stimmte Marie zu und erhob sich, »es ist lieb, dass du daran denkst. Ich werde jetzt erst einmal zu Elli rauf gehen und ihr erzählen, was passiert ist.« Sie schwankte ein wenig. »Stell lieber den Cognac weg, Eric, du warst ja ziemlich großzügig damit, scheint mir«, sagte sie lächelnd und hielt sich an seiner Sessellehne fest.
»Alles medizinisch begründet«, erwiderte Eric grinsend. »Und ich kann noch einen vertragen, glaube ich. Du auch, Tina?«
»Nein, danke. Ich muss mich fertig machen, Robby kommt gleich«, sagte sie und verließ mit Marie das Zimmer.
»Wo ist eigentlich Kira?«, fragte Caro plötzlich. »Ist die etwa nach Haus gegangen? Kann ich heute noch bei ihr schlafen, Papi?«
»Ja natürlich, so war es doch verabredet. Lauf nur, Kleines.« Eric lehnte sich erschöpft in seinem Sessel zurück. Matts Anruf hatte ihm wirklich den Rest gegeben,
Betreff: Hallo Lieblingstante!
Liebste Britt,
wie geht es dir? Ist es sehr schlimm? Tut es weh? Musst du dir jetzt immer helfen lassen, wenn du aufs Klo musst und alles?
Ich bin so froh, dass ich dir wenigstens noch schreiben kann, auch wenn du im Moment nicht antworten kannst. Aber das ist besser als gar nichts. Sonst wäre es so, als wärest du auch weg. – Tante Elli hat neulich zu O‑Marie gesagt, dass ich dir so viel schreibe, weil du eine Art Ersatz-Mami für mich bist. Weil du so weit weg bist, wäre das für mich so, als ob ich Briefe an meine Mami im Himmel schreiben würde!
Also, echt, die spinnt!
Ich sollte das wohl auch gar nicht hören, aber sie waren im Wintergarten und hatten die Tür zum Garten auf, und wenn ich in meinem Zimmer bin und das Fenster offen ist, dann kann ich immer hören, was sie da reden. Aber das wissen sie nicht.
Seit Tante Elli hier ist, ist es nicht mehr so schön. Die hat immer schlechte Laune und meckert an allem rum. Wenn ich »Tante Elli« sage, wird sie schon sauer. Sie will, dass ich »Tante Elisabeth« sage, aber dann ist der Tag ja rum, bis ich fertig bin. O‑Marie sagt, man muss Verständnis für sie haben, sie macht eine schwere Zeit durch, aber ich glaube, es sind die Hormone. Bei Frauen um die 40 sind es immer die Hormone, das sagt Kira auch.
Gestern Abend ist Robby vorbeigekommen, um Ta-Tina abzuholen, er hat ein neues Auto, einen richtigen Angeberschlitten (Balzprothese, hat Papi gesagt), schwarz, mit roten Sitzen und so. Robby hatte sich anscheinend passend zum neuen Auto gekleidet– schwarze Hose, schwarzes Hemd, roten Pullover lässig über die Schultern geworfen, Sonnenbrille im Haar... edel, edel! Er sieht ja ganz gut aus, aber mich erinnert er immer ein bisschen an diese Typen aus den Modekatalogen, wie eine Mischung aus Dieter Bohlen und Ken. Tina war total aufgedonnert, Haare aufgesteckt, schwarzes Minikleid, hauteng und jede Menge Modeschmuck. Sie hat Robby angehimmelt wie sonst was – also, wenn der aufkreuzt, ist sie nicht mehr normal!
Als sie weg waren, hat Tante Elli immer nur den Kopf geschüttelt und zu O‑Marie gesagt, sie sollte was dagegen machen, dass Ta-Tina mit dem »schmierigen Kerl« ausgeht, aber O‑Marie hat gesagt, sie kann nicht die Männer für ihre Töchter aussuchen. Und Papi hat gemeint, dann hätte Tante Elli auch einen anderen geheiratet, und da war sie eingeschnappt.
Ich erzähle dir jetzt was, aber das darfst du keinem weitersagen! Kira hat einen Bruder, der heißt Sven und ist schon fünfzehn. Ich glaube, ich habe mich in ihn verliebt. Er ist so süß! Gestern ist er mit uns ins Kino gegangen und hat mir Popcorn gekauft und hinterher noch ein Eis. Glaubst du, das bedeutet was? Kira meint, ja, weil er das sonst nie für irgendwelche Freundinnen von ihr tut. Aber weißt du, was mein Problem ist? – Ich weiß nie, ob die Leute nett zu mir sind, weil sie es wirklich so meinen, oder nur aus Mitleid, weil ich keine Mami mehr habe.
Kira hat gemeint, sie kann ihn ja fragen, ob er mit mir gehen will, aber das ist sooo peinlich! Stell dir vor, er sagt nein!!! Außerdem finde ich das irgendwie blöd, wenn jemand anders für einen fragt, manche in meiner Klasse machen das so, aber Ta-Tina hat gesagt, das ist, als würde man einen Makler einschalten. Und da hat sie mal Recht, oder?
Findest du, ich bin noch zu jung, um einen Freund zu haben? Also, ich meine so echt, mit Zungenküssen und so. Sag Matt, wenn er das nächste Mal anruft, er soll mir nur ja oder nein ausrichten, dann weiß ich schon, was er meint. Machst du das, bitte?
Ach, ich muss dir noch was erzählen! Du kennst doch Frau Schmitt-Heiser, die in dem grünen Haus an der Ecke wohnt. Ich glaube, die ist hinter Papi her! Neuerdings kommt sie immer vorbei, wenn sein Auto vor der Tür steht. Und dann hat sie so komische Vorwände, ihr ist das Mehl ausgegangen oder ob wir noch die Zeitung von vorgestern hätten, da stände was ganz Wichtiges drin oder so'n Mist. Und egal, wann sie kommt, sie ist immer voll im Party-Look und mit einem Zentner Make-up im Gesicht. Wenn Papi aufmacht, dann stöckelt sie vor ihm durch den Flur und wackelt mit dem Hintern und wirft immerzu die Haare zurück und kichert so albern. Aber ich glaube, Papi ist immun dagegen. Er ist immer noch traurig wegen Mami, auch wenn er es nicht zugibt und so tut, als sei alles in Ordnung. Aber es ist nicht in Ordnung, wenn einer nur arbeitet und jeden Monat einen neuen Laden aufmacht, oder?
Bis bald! Werd ganz schnell wieder gesund!
Und vergiss nicht: ja oder nein?
Ganz viele liebe Grüße –
Deine Caro
Tina stand im Hinterzimmer ihrer Boutique an der Lister Meile und bügelte neue Pullover auf. Wie schön, dass sie rechtzeitig zum Wochenende eingetroffen waren, denn das Wetter versprach, schön zu werden, und das bedeutete in der Regel auch ein gutes Geschäft.
Zufrieden ließ Tina ihren Blick durch den Durchgang über den Ladenbereich schweifen, den sie von hier aus gut überblicken konnte. Ihre Einkaufstour im Februar hatte sich gelohnt, sie hatte viele schöne Stücke gefunden, und die Regale und Kleiderstangen waren prall gefüllt. Tina liebte die Farben dieses Sommers, freundliche Orange- und Rottöne, Kombinationen von Blau und Grün, alles sehr frisch und hell.
Da klopfte es an die Schaufensterscheibe. Patricia, ihre Angestellte, war da. Tina schloss ihr auf.
»Hi, Patti, du kommst gerade richtig, der Kaffee ist gleich fertig!«
»Morgen! Den kann ich auch gebrauchen! Ich habe verschlafen. Seh' ich sehr schlimm aus?«
Tina betrachtete sie genau, konnte aber nichts Auffälliges entdecken. Ein bisschen schräg sah Patti immer aus mit ihrem Augenbrauen-Piercing, dem dicken Lidstrich und den knallrot gefärbten Haaren. Sie war zweiundzwanzig, und neben ihr fühlte Tina sich manchmal wie eine Oma.
»Na ja, ein bisschen komisch siehst du schon aus, du hast einen Lidstrich vergessen«, sagte sie nun grinsend.
»Ehrlich?« Patti stürzte zum Spiegel. »Mann, stimmt doch gar nicht. Musst du mich so erschrecken?«
»Ja, damit du wach wirst! Stell doch schon mal die Campingstühle in den Hof, dann können wir unseren Kaffee draußen trinken. Ich bin hier sofort fertig.«
Als Tina fünf Minuten später durch die Hintertür auf den kleinen Innenhof trat, hatte Patti bereits alles hinausgeräumt, saß in einem Campingstuhl, hielt ihr Gesicht in die Sonne und zog an einer Zigarette. Tina ließ sich in den anderen Stuhl fallen.
»Hier sollte man auch mal was machen, paar Blumen oder so«, meinte sie und betrachtete missmutig die nackten, grau verputzten Mauern, die den kleinen Hof begrenzten. Der Boden war ganz hübsch gepflastert, in einer Ecke wucherte eine Hortensie, und obwohl alles sauber und ordentlich aussah, wirkte es doch trostlos.
»Hm, wär nicht schlecht«, antwortete Patti träge. »Gibt's was Neues? Verlobung mit Robby? Kleiner Schwesternmord zu Hause? Sonst was, was ich wissen sollte?«
»Verlobung bestimmt nicht! Da wäre der Schwesternmord wesentlich wahrscheinlicher. Diese Frau geht mir dermaßen auf die Nerven! Sie läuft rum, als trüge sie die Last aller betrogenen Frauen auf ihren Schultern. Du müsstest sie mal sehen! Ihre Mundwinkel treffen sich am Kinn! Sie würde sich prächtig als tragische Heldin in einer griechischen Tragödie machen, ehrlich!«
Patti lachte. »Und das sagst du! Wo du so ein Fan des klassischen Theaters bist!« Dann setzte sie sich auf und blitzte Tina an. »Weißt du was? Setz doch einfach eine Anzeige in die Zeitung und finde einen neuen Kerl für sie.«
»Und was soll ich da schreiben? ›Frustrierte Zicke sucht willenloses Opfer fürs Leben‹?«
»Was hältst du von ›Hysterische Scheidungsleiche sucht taubstummen Pantoffelhelden zwecks harmonischen Beisammenseins‹?«
»›Humorlose Tyrannin sucht hirnlosen Untertan‹!«, kicherte Tina.
»›Giftfresse sucht Weichei‹!«
»›Piranha sucht Zitteraal‹!«
»›Haubitze sucht Quarktasche‹!«
»Na, das kann ich nicht toppen«, lachte Tina. »Aber im Ernst – die Idee ist gar nicht so schlecht, zumindest würde sie das etwas von der Familie ablenken.«
»Glaubst du tatsächlich, dass du für die einen Mann findest?«
»Eigentlich nicht. Aber einen Versuch wär es ja wert. Irgendwie so: ›Enttäuschte Vierzigjährige sucht pedantischen, sparsamen Mann, in geordneten Verhältnissen lebend ...‹ Was wir suchen, ist der natürliche Sohn eines Buchhalters und Jeanne d'Arcs.«
»Jeanne d'Arc war ganz schön kämpferisch«, wandte Patti ein.
Tina winkte ungeduldig ab. »Ist doch egal, vielleicht meine ich auch Else Tetzlaff. Es kommt ja nur drauf an, dass sich so ein richtig verzweifelter Softie meldet, am besten einer, der bis jetzt im Hotel Mama gelebt hat und dem gerade die Versorgungsbasis aus Altersgründen weggebrochen ist. Das ist die einzige Chance.«
»Dann mach aus der ›enttäuschten‹ lieber eine ›treusorgende‹ Vierzigjährige«, riet Patti und nahm noch einen Schluck Kaffee.
»Ach, ich weiß nicht.« Tina leerte ihren Kaffeebecher. »So eine Anzeige wäre wohl doch bloß rausgeschmissenes Geld. Es ist ja schon ein Wunder, dass Elli einmal einen Mann gefunden hat. So viel Glück hat man garantiert nicht zweimal im Leben!«
Betreff: Du bist sooo lieb!!!
Liebste Britt,
danke, danke, danke! Es war so lieb, dass du an mich gedacht hast – das vergesse ich dir nie! Und du findest das wirklich, dass ich nicht mehr zu jung bin, du meinst das echt, oder? Das ist so geil!
Aber im Moment nützt es mir noch nicht so richtig, weil noch gar nichts passiert ist. Das ist so blöd, dass man als Frau immer warten muss, bis der Mann etwas unternimmt, aber Ta-Tina sagt, das muss man. Sonst ist man zu leicht zu haben, und das mögen Männer nicht. Sie haben einen Jagdinstinkt, den sie ausleben müssen, sonst macht es ihnen keinen Spaß. (Hoffentlich hat Sven den, sonst wär's ja Mist.)
Tante Elli ist gestern echt ausgerastet! Erst hat sie unseren ganzen Kühlschrank durchwühlt und alles rausgeholt, wo das Verfallsdatum gerade abgelaufen war. Na gut, ja, da waren ein paar Joghurts, die galten bloß bis März, aber sonst so Sachen, die waren nur ein paar Tage überfällig, das schreiben die doch immer drauf, damit man sie wegwirft und neue kauft. Aber Tante Elli hat sich gar nicht mehr eingekriegt und O‑Marie angeblökt. »Damit kannst du die ganze Familie vergiften! Gerade das Kind (das bin ich!) könnte darunter leiden...« O‑Marie hat ganz fest den Mund zusammengekniffen, wie sie das immer macht, wenn sie total sauer ist und nichts sagen will, und dann hat sie Tante Elli einen großen blauen Müllsack gebracht und ganz giftig gesagt: »Wie gut, dass hier endlich jemand nach dem Rechten sieht!« Sie hat Ellis Antwort gar nicht mehr abgewartet, sondern ist sofort in ihr Schlafzimmer gegangen und zwei Stunden drin geblieben.
Wahrscheinlich ist sie nicht früher herausgekommen, weil sie gehört hat, wie Tante Elli danach Ta-Tina angemacht hat. Dass sie noch genauso unordentlich sei wie vor zwanzig Jahren und dass sie (Tante Elli) ja nicht wissen möchte, wie es in der Boutique aussieht, wenn hier schon die Klamotten überall herumfliegen, und ob Ta-Tina nicht endlich einmal erwachsen werden wolle und ... blablabla!
Ich bin dann abgehauen und zu Kira gegangen, sonst hätte ich bestimmt auch noch was abgekriegt.
Also, früher war es hier echt friedlicher!
Und nun tschüs-tschüs, bis bald! Ich drücke dich ganz fest – virtuell, dann tut's dir auch nicht weh!
Hab dich lieb!
Deine Caro
»Weißt du, Eric, was ich mir überlegt habe?« Marie kam am Samstagmorgen im Morgenmantel in die Küche und sah sich zufrieden um. Der ovale Holztisch glänzte in der Sonne. Die Fenster zum Garten waren weit geöffnet, und die Kräuter auf den Fensterbänken dufteten.
Eric war offensichtlich mit seinem Frühstück fertig, er trank noch eine Tasse Kaffee und war in Kataloge und Preislisten vertieft, die er um sich herum ausgebreitet hatte. Ihm gegenüber saß Caro. Da ihr Vater morgens kein anregender Gesprächspartner war, hatte sie ein Buch mitgebracht, das vor ihrem Teller an der Thermoskanne lehnte.
Caro sah auf, und als sie bemerkte, dass ihre Großmutter sie nachdenklich anschaute, versuchte sie verlegen, ihre Brötchenhälfte so zu halten, dass Marie nicht sehen konnte, wie dick sie mit Nutella bestrichen war.
»Was hast du dir überlegt, O‑Marie?«, fragte sie.
»Ich dachte, es wäre schön, wenn wir einen Teich im Garten hätten. Da, wo der Sandkasten und die Schaukel sind, die brauchen wir doch jetzt nicht mehr.«
»Die Schaukel? Die soll weg?«
»Ja, bist du denn jetzt nicht viel zu groß dafür?«
»Aber es ist immer noch mein Lieblingsplatz. Aber den Sandkasten kannst du wegmachen«, erklärte Caro großzügig.
Marie überlegte. »Man könnte den Teich auch neben der Terrasse anlegen, dann müsste ich allerdings mein Rosenbeet opfern.«
Nun blickte auch Eric auf. »Wie kommst du denn plötzlich darauf, einen Teich haben zu wollen? Davon war ja noch nie die Rede.«
»Ach, es ist nur so eine Idee«, sagte Marie eine Spur zu beiläufig. »Ich habe mich neulich, als ich bei Frau Weber war, mit ihrem Bruder unterhalten, der züchtet Kois.«
»Kois?« Eric legte seine Papiere aus der Hand. »Dazu brauchst du einen ziemlich großen Teich, oder?«
»Wie alt ist denn dieser Bruder von Frau Weber?«, wollte Caro wissen.
Eric sah sie irritiert an. »Das hat doch damit nichts zu tun. Außerdem, für dich kommt er sicher nicht in Frage«, grinste er. »Ich habe ihn kennen gelernt, er ist eher O‑Maries Jahrgang. – Ist das dein Ernst, Marie, willst du wirklich einen Teich?«
»Ja, das wäre doch nett. Sieh mal, ich bin jetzt mehr zu Hause, und je älter ich werde, desto mehr genieße ich es, einfach so dazusitzen und zu gucken. Da wäre ein Teich doch wunderschön. Denk mal, Seerosen, Libellen, Frösche ...«, sagte sie träumerisch.
»Und Kois!«, warf Eric ein.
»Ja, vielleicht. Vielleicht auch nur Goldfische, mal sehen. Jedenfalls will ich gleich bei Behnsen anrufen, die sollen mal kommen und sich das ansehen. Der Sohn hat jetzt die Firma übernommen, und ich habe gehört, er soll ganz großartig sein. Er hat sogar Gartenarchitektur studiert.«
»Hat das auch der Bruder von Frau Weber gesagt?«, fragte Caro, aber Marie war bereits ins Wohnzimmer gegangen, um zu telefonieren.
»Was kostet eigentlich so ein Teich?«, fragte Caro ihren Vater.
»Keine Ahnung, ein paar Tausend werden es wohl sein. Aber warum nicht? Sie kann es sich leisten. Und vielleicht wird es ja ganz hübsch.«
Caro sah, dass ihr Vater die Preislisten nun endgültig zur Seite geschoben hatte. Er schenkte sich sogar noch eine Tasse Kaffee ein. Wenn das keine Gelegenheit war!
»Du, Papi?«, fing sie vorsichtig an. »Kann ich dich mal was fragen?«
»Worum geht's denn, meine Süße?«
»Weißt du, übernächste Woche ist doch Girl's Day. Kann ich da mit dir mitkommen?«
»Girl's Day? Was ist das denn?«, fragte Eric.
»Aber, Papi, liest du keine Zeitung? Das ist ein Tag, da sollen Mädchen mit ihren Vätern zur Arbeit mitgehen und einen Einblick in die männliche Arbeitswelt bekommen. Damit sie später nicht alle in die typischen Frauenberufe drängen. Dafür gibt es extra schulfrei.«
»Caro, Schätzchen, du würdest dich schrecklich langweilen. Weißt du, so interessant ist meine Arbeit nun wirklich nicht. Besprechungen, Telefonate, Schreibtischarbeit, das ist doch nichts für dich.«
»Woher soll ich wissen, ob es nichts für mich ist, wenn ich es gar nicht kenne? Und außerdem möchte ich wirklich gern wissen, was du den ganzen Tag so machst. Du bist so selten zu Hause, weißt du, da entfremden wir uns leicht ein bisschen.«
Eric unterdrückte ein Grinsen.
»Und außerdem, alle aus meiner Klasse machen das. Kira auch!«
Eric unterdrückte ein Stöhnen. »Kiras Eltern sind schließlich auch geschieden. Sie sieht ihren Vater sowieso viel zu selten, da kann er sie ja wenigstens mal einen Tag mit in die Praxis nehmen«, sagte er.
»Und ich bin eine Halbwaise. Und ich sehe dich auch viel zu selten.«
Eric lachte. »Hör mal, die Masche mag bei O‑Marie ziehen, aber bei mir nicht! Aber ich gucke mal in meinen Terminkalender, dann sehen wir weiter. Doch versprich dir nicht zu viel davon. Schließlich bin ich kein Tierarzt wie Kiras Vater. Der hat bestimmt mehr zu bieten.«
»Na, ich weiß nicht«, sagte Marie, die ihr Telefonat beendet hatte und sich nun wieder zu ihnen setzte, »wenn der seinen Arm hinten in eine Kuh steckt ...«
»O‑Marie! Der hat eine Kleintierpraxis!«, sagte Caro entnervt.
In diesem Moment betrat Elli die Küche. Sie hatte tiefe Ringe unter den Augen, ihre Nase ragte spitz aus dem bleichen Gesicht, und sie trug ein hochgeschlossenes, sackartiges, graues Leinenkleid, das sie noch fader und müder aussehen ließ. Mit ihrem unfrohen Blick und den fest zusammengekniffenen Lippen wirkte sie wie eine altjüngferliche Gouvernante in einem verarmten englischen Herrenhaus des 19. Jahrhunderts.
Eric zog hastig seine Preislisten wieder zu sich heran, Caro blickte aufmerksam in ihr Buch, und Marie griff zur Zeitung.
»Guten Morgen, ihr Lieben!« Elli setzte sich. »Ist noch Kaffee da?«
Ohne aufzublicken, schob Caro ihr die Thermoskanne zu.
»Caroline, weißt du, was ich mir überlegt habe? Wie wäre es, wenn wir heute zusammen in den Zoo gingen?«
Caro rollte die Augen. »Tante Elli, Zoo ist was für Kinder«, sagte sie in dem gelangweilten Ton, von dem sie wusste, dass er ihre Tante zur Weißglut brachte.
»Ach, und du bist natürlich kein Kind mehr!«, schnappte Elli. Dann sah sie sich um, als suche sie ein weiteres Opfer. »Wo ist eigentlich Christina? Wahrscheinlich schläft sie noch, was? Typisch!«
»Tina ist bereits im Geschäft«, antwortete Marie ungewöhnlich scharf, »und sie kommt erst heute Abend wieder. Sie arbeitet wirklich viel. Für Zoobesuche hat sie keine Zeit!«
Elli zuckte mit den Schultern und nahm sich ein Brötchen. Da klingelte das Telefon.
»Ich gehe!« Eric sprang erleichtert auf.
Caro grinste. »Das ist bestimmt diese Schitt-Scheißer. Wahrscheinlich klemmt ihr Messer im Frühstücksbrötchen fest und Papi soll's richten!«
»Caroline!«, rief Elli empört. »Also, wirklich, Mutter, jemand sollte diesem Kind einmal Manieren beibringen!«
»Och, Tante Elli, du schaffst das schon! Wenn du noch länger hier bist, sage ich irgendwann bestimmt überhaupt nichts mehr«, erwiderte Caro gelassen und steckte den Finger in das Nutella-Glas, um ihn dann schmatzend abzulecken.
»Caroline! Ich verbitte mir diese Frechheiten!« Elli klang noch eine Nuance schriller.
»Verbitten kannste, verbieten nicht«, erklärte Caro ungerührt und tauchte ihren Finger wieder in die Schokoladencreme.
»Mutter! Hast du das gehört? Also, das geht doch wirklich zu weit!« Ellis Stimme bebte vor Empörung.
Marie blätterte ihre Zeitung um und tat, als habe sie nichts gehört.
Es herrschte ein ungemütliches Schweigen, bis Eric wiederkam. »Caro, ich habe gerade mal meine Termine gecheckt. An diesem Girl's Day staubst du sogar ein ziemlich edles Mittagessen ab!«
Caro sprang auf. »Echt? Ich muss sofort Kira anrufen!« Sie riss ihrem Vater das Telefon aus der Hand und verschwand.
»Es ist unverantwortlich, wie ihr dieses Gör verwöhnt! Eines Tages wird sie vollends unerträglich sein, das garantiere ich euch!«, erklärte Elli.
Eric warf ihr einen bösen Blick zu, wandte sich dann aber an Marie: »Das war Ulla. Wusstest du, dass sie wieder im Lande ist? Ich hab sie für nächsten Sonntag zum Essen eingeladen, das ist dir doch recht, oder?«
Marie strahlte. »Ja, natürlich, ich freue mich. Wie schön, dass sie sich gleich gemeldet hat.«
»Ach, dann war es wohl doch nichts mit ihrer großartigen Finanzkarriere in London.« Elli nickte zufrieden. »Das habe ich mir gleich gedacht. Ulla hat sich ja immer für etwas Besseres gehalten. Genau wie Anna. Diese Banklehre haben die beiden doch sowieso bloß gemacht, um jeden Tag in ihren schnieken Kostümchen durch die Gegend stöckeln zu können!«
»Besser als in Jesuslatschen ins Amt zu schlurfen!« Eric hatte sich schwer auf den Tisch gestützt, sein Gesicht kam Ellis bedrohlich nahe. »Was bildest du dir eigentlich ein, du jämmerliche kleine ... Büromieze? –Wenn du auch nur noch ein Wort gegen Anna sagst, dann ...« Er hielt inne, als er Maries Hand auf seiner spürte.
Elli war zurückgewichen. Zwei Zentimeter. Die sie nun wiedergutmachte. »Wie redest du eigentlich mit mir? Ich bin immerhin eine Beamtin!«
Eric lachte höhnisch auf. »Kein Wunder, dass das Unternehmen Staat den Bach runtergeht!« Er griff nach der Kaffeekanne.
»Ulla hatte nie die Absicht, für immer in London zu bleiben«, erklärte Marie so sachlich, als habe der erregte Wortwechsel nicht stattgefunden. »Sie brauchte nach der Trennung von Stefan einfach einen Tapetenwechsel. Hat sie erzählt, was sie jetzt macht, Eric?«
»Sie ist wieder bei der Deutschen Bank. Anlageberaterin für Geschäftskunden.« Eric nippte den Kaffee in kleinen Schlucken, als handele es sich um bitteren Nerventee.
»Und hat sie ihr Haus wieder bezogen?«, fragte Marie. »Also, so ein Haustausch ... ich weiß nicht.« Sie schaute sich in ihrer Küche um. Ihr Blick blieb an Elli hängen. »Fremde Leute in den eigenen vier Wänden ...«
»Papi?« Caro stand in der Tür, das Telefon in der Hand. »Kiras Mutter will mit Kira und Sven ans Steinhuder Meer fahren. Grillen und so. Darf ich mit?«
»Ja sicher, fahr nur!«
»Sie hat gefragt, ob du nicht auch mitkommen willst. Sie haben doch auch das Segelboot, da könntest du ...«
»Nein, Caro, Schätzchen, ich ...«
»Ach, Eric!«, unterbrach Elli ihn sarkastisch. »Im Grunde bist du doch ganz wild darauf, mit einer knackigen Blondine ins ... Boot zu steigen!«