Netz - Gefühle - Ursula Zebunke - E-Book

Netz - Gefühle E-Book

Ursula Zebunke

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Beschreibung

Netz - Gefühle handelt von einer merkwürdigen Beziehung über die Social Media zwischen Gaby und einem Amerikaner. Sie verliebt sich unsterblich in diesen Mann, obwohl sie ihn noch niemals real kennenlernte. Sie planen ihr erstes Treffen. Weiterhin gibt es aber auch noch einen Fotografen, zu dem sie eine reale, freundschaftliche Beziehung pflegt und dem sie bei einem Auftrag eines Reisemagazins hilft. Dazu bereisen sie vier Wochen Irland im Winter. Andreas, der Fotograf hält überhaupt nichts von diesem James. Verheiratet ist Gaby auch. Der Roman ist mit Spannung, Herzschmerz und Liebe geladen.

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Seitenzahl: 218

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

1

Wie so oft setzte sich Gaby mit einer Tasse Kaffee an ihr Notebook und stöberte ein wenig in den Social Media herum. Besonders interessierte sie sich hier für schöne Bilder, da ihre große Leidenschaft der Fotografie galt.

Aber im Moment hatte sie einfach keine Lust und auch keine Zeit Locations für ihre Fotos zu suchen. Es war Herbst, aber heute war alles grau in grau statt golden und außerdem blieb nach der Arbeit im Büro nicht viel Zeit. Viel zu schnell wurde es dunkel. Da schaute sie sich lieber ein paar schöne Fotos von anderen an, und holte sich nette Anregungen für ihre eigenen Fotoprojekte.

Heute aber sollte sie nicht viel zum Bildbetrachten kommen. Es gab eine persönliche Nachricht in ihrem Account für sie. Das passierte relativ selten. Deshalb schaute sie neugierig nach, wer ihr etwas mitzuteilen hatte.

Erstaunt sah sie, dass es sich um keinen Bekannten handelte und auch nicht um einen persönlichen Kommentar zu eines ihrer Fotos. Es war eine Nachricht von einem fremden, wenn man dem Profilbild Glauben schenken durfte, sogar sehr gutaussehenden, Mann.

Dieser stellte sich ihr mit ein paar Sätzen vor und teilte Ihr mit, dass es schön sei, sie hier im Netz zu treffen. Des Weiteren wollte dieser James wissen, wo sie herkomme und wie sie heißen würde.

Nach kurzer Überlegung, ob es sinnvoll sein würde ihm zu antworten, überwog Gaby´s Höflichkeit, aber auch ihre Neugier. Sie erzählte ihm, dass sie aus Deutschland käme und Gaby heißen würde. Dann wünschte sie ihm noch einen schönen Tag und verließ die Messages wieder. Eigentlich wollte sie heute noch nach diversen Architekturfotos Ausschau halten, jedoch ging ihr die kurze Mitteilung des Fremden nicht mehr aus dem Sinn.

Es war wie ein Zwang schon nach kurzer Zeit nachzusehen, ob er sich nochmals bei ihr gemeldet hatte – und tatsächlich fand sie schon die nächste Nachricht von ihm.

Er erzählte, dass er ein Mitglied der US Army wäre und derzeit in Syrien, zum Schutz der Bevölkerung dort, eingesetzt wäre.

Gaby teilte ihm mit, dass sie von dem Krieg in Syrien wusste und dass es aufgrund des Krieges dort, in Deutschland viele syrische Flüchtlinge gäbe. Dann entschuldigte sie sich noch für ihr fürchterliches Englisch und erklärte James, dass sie in ihrer Schulzeit das letzte Mal Englisch gesprochen hätte.

Aber James war sehr charmant, er entgegnete einfach nur, dass er sie sehr gut verstehen würde. Er sagte ihr auch, dass er sich wünschen würde, dass er und sie wirkliche Freunde werden könnten. Er erzählte ihr, dass er im nächsten Monat 59 Jahre alt werde, worauf sie entgegnete, dass sie noch in diesem Monat die 55 Jahre erreichen würde.

Aber dann verabschiedete sie sich hastig, weil ihr dieses Gespräch plötzlich Angst machte. Warum erzählte sie diesem Fremden, wann sie geboren wurde? Was würde er ihr sonst noch alles entlocken und warum? Nein, da wollte sie erst einmal drüber nachdenken. Jetzt war es besser das Gespräch zu beenden. Sie erzählte ihm, dass sie noch weg müsse, was auch tatsächlich der Fall war. Beinahe hätte sie es vergessen, dass sie noch einen Termin hatte.

James wünschte Gaby noch einen schönen Tag und sagte, dass er sich auf die Weiterführung des Gespräches zu einem späteren Zeitpunkt freuen würde und hinterließ damit eine etwas verwirrte Gaby, die sich fragte, ob es ein weiteres Gespräch überhaupt geben würde.

Aber warum eigentlich nicht. Es war ja ein nettes Gespräch gewesen. Sie würde einfach morgen schauen, ob es eine weitere Nachricht von ihm gab.

Jetzt aber eilte sie schnell zu ihrem Termin. Anschließend musste sie noch etwas einkaufen und dann war auch schon der Abend hereingebrochen. Eine Weile wollte sie noch fernsehen, aber sie war eigentlich schon ziemlich müde. Sie duschte und fiel dann todmüde ins Bett.

Kaum, dass sie im Bett lag, dachte sie wieder an den Chat mit James. Dieser beschäftigte sie sehr. James schien ein sehr höflicher Mensch zu sein, aber konnte sie das überhaupt nach den ersten gewechselten Worten beurteilen? Nein eigentlich nicht. Das wusste sie, aber dennoch fand sie diesen fremden Mann ausgesprochen sympathisch und anziehend. Doch nun wollte sie schlafen und nicht mehr über den geheimnisvollen Fremden nachdenken.

Am nächsten Morgen ging sie gut gelaunt ins Büro. Sie arbeitete gerne, die Kollegen waren nett und sie waren ein eingespieltes Team, in dem sich jeder auf jeden verlassen konnte.

Wie immer morgens las sie zunächst die Tageszeitungen, was zu ihrem Job gehörte, und dann wurde ihr Blick plötzlich magisch zu ihrem Smartphone gelenkt, obwohl sie dieses im Büro immer stumm stellte. Doch das Symbol des Social Media Accounts verriet ihr, dass es Neuigkeiten gab. Sie schaute nach und da war sie, die Nachricht von James, die sie komplett verwirrte und nach der sie sich nicht mehr auf ihre Arbeit konzentrieren konnte.

Um zu verstehen, was James ihr da schrieb, musste sie die Message zweimal lesen. Da stand wörtlich:

“Good morning, dear. Let me fill your morning with tenderness, care, love and attention from now and until the end of our days“

("Guten Morgen, Liebes. Lass mich deinen Morgen von jetzt an und bis zum Ende unserer Tage mit Zärtlichkeit, Fürsorge, Liebe und Aufmerksamkeit füllen".)

Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Das war wirklich charmant, aber wie kam der Fremde dazu so etwas zu schreiben? Das war schon komisch, aber irgendwie musste sie ihm antworten. Sie bedankte sich bei ihm für die netten Worte, sagte ihm aber auch, dass sie nun arbeiten müsse und ihm erst später wieder schreiben könne.

Die Antwort kam prompt. Er wünschte ihr einen schönen Tag und machte deutlich, dass er sich darauf freue, später wieder mit ihr reden zu können und dass er sich wünschte, dass sie beide mehr voneinander erfahren sollten, Sie wäre eine sehr nette Frau.

Gaby´s Herz hüpfte. Sie wusste, dass dies gegen jegliche Vernunft war. Aber so nette Worte hatte schon lange niemand mehr zu ihr gesagt, obwohl sie sehr beliebt bei vielen Menschen war. Ihre offene und ehrliche Art wusste man in ihrem Job genauso zu schätzen wie im privaten Bereich.

Sie kannte eine ganze Menge Leute, die ihre Gesellschaft schätzten und sie war ein gern gesehener Gast auf jeder Party, weil sie in den meisten Fällen gute Laune verbreitete. Aber wenn ihr etwas nicht passte, dann sagte sie es auch unverblümt und direkt. Auch dies rechneten die meisten Menschen ihr hoch an.

Ein sehr guter Freund, der Fotograf Andreas, hatte einmal zu ihr gesagt, als sie wieder einmal unzufrieden mit ihrer Figur in den Spiegel schaute:

„Weißt Du, Gaby, das, was Dich so sehr attraktiv macht, ist nicht Deine Figur, aber es ist die Tatsache, dass Du scheinbar immer auf der Sonnenseite des Lebens stehst und dass Du bereit bist, Deine Freude zu teilen. Deine gute Laune wirkt ansteckend auf Deine Umwelt und deshalb ist man gerne an Deiner Seite. Das Leuchten in Deinen Augen vergisst man nicht mehr, wenn man es einmal gesehen hat.“

Diese Worte fielen ihr gerade wieder ein. Sie lächelte in sich hinein. Ja – gute Laune hatte sie meistens. Das stimmte und dass die meisten Leute lächelten, wenn sie sie anschaute stimmte auch. Aber ihr wäre nie in den Sinn gekommen, dass sie es war, die dieses Lächeln verursachte.

Nun aber schwenkten ihre Gedanken wieder zu James. Er war so charmant. Gleich nach ihrem Job im Büro wollte sie wieder mit ihm schreiben. Sie freute sich darauf.

Aber nun rief erst einmal die Pflicht. Sie musste sich gehörig anstrengen, um sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Irgendwie quälte sie sich heute durch die Dienstzeit, dann aber eilte sie nach Hause, um sich dort sofort wieder an ihr Notebook zu setzen.

Er war da und er wollte wissen, was sie heute noch tun würde. Gaby erzählte ihm vom Training in einer chinesischen Kampfsportart. Er frage, scheinbar verwundert, warum sie sich für diesen Sport interessierte. Sie sagte, dass eine geeignete Form der Selbstverteidigung nützlich für jede Frau wäre, die ihr überdies noch Spaß machen würde.

Das akzeptierte er und wünschte ihr viel Freude beim Training. Aber nun wollte er von Gaby wissen ob sie verheiratet sei und Kinder habe. Diese Frage fand sie unangenehm. Sie befürchtete nämlich, dass er das Interesse an ihr schnell verlieren würde, wenn er wüsste, dass sie verheiratet wäre. Aber da sie Lügen hasste, bestätigte sie ihm verheiratet zu sein und zwei erwachsene Kinder zu haben. Sie erzählte ihm sogar, wann sie geheiratet habe und wie alt ihre Kinder sind.

Verdammt, was ging ihn das eigentlich an? Sie war gerade dabei ihm persönliche Dinge zu erzählen. Warum machte sie das? Es war doch gar nicht ihre Art über ihre Privatsphäre zu plaudern. Sie verstand es selbst nicht.

Von James erfuhr sie, dass er seine Frau durch einen Autounfall verloren habe und es noch einen 12-jährigen Sohn in den USA gäbe.

Das schockierte sie. Sie drückte ihm ihr Mitgefühl zum Verlust seiner Frau aus und fragte, ob sein Sohn damit zurecht käme seine Mum verloren zu haben.

James erzählte ihr, dass das Leben manchmal so ist und dass sein Sohn und er damit klarkommen müssten. Nach dem Tod seiner Frau, hätte er sich in seine Arbeit gestürzt. Aber die Abende wären doch sehr einsam und traurig. Er tat ihr unendlich leid.

Mittlerweile war es spät geworden. Sie war müde und wollte schlafen. Daher musste sie das Gespräch nun beenden.

2

Am nächsten Morgen gab es keinerlei Nachricht von James. Gaby wurde nervös und stellte sich Fragen über Fragen. War es tatsächlich so, dass er sein Interesse an dem Gespräch mit ihr verloren hatte, weil sie verheiratet war? Hatte sie etwas Falsches gesagt? Warum meldete er sich nicht? Sie machte sich Sorgen und ihr Blick flog immer und immer wieder zu ihrem Smartphone, aber den ganzen Tag über war keine Nachricht für sie von James im Posteingang.

Erst war sie enttäuscht, dann war sie ärgerlich aber zum Schluss wurde sie halb verrückt vor Sorge um ihn. All ihre Gedanken kreisten um James. Was war passiert. War er einem terroristischen Angriff zum Opfer gefallen? Seine Arbeit in Syrien war sicher gefährlich.

Vielleicht war er auch beleidigt, weil sie gestern das Gespräch beendete? Aber sie war wirklich so müde gewesen. Sie hatte Probleme die Augen offen zu halten. Wenn er deswegen nun beleidigt war, dann konnte sie es auch nicht ändern.

Genervt, traurig und beunruhigt versuchte sie ihren Tag zu meistern. Dies gelang schließlich auch, wenngleich mehr schlecht als recht. Nach der Arbeit fuhr Gaby zu ihrem kleinen Shetlandpony. Die kleine wuschelige Stute schaffte es immer wieder sie zum Lächeln zu bringen. Sie fühlte sich dann gleich besser. Sie liebte es zwischen den Tieren Entspannung zu finden. Sie fühlte sich bei den Vierbeinern glücklich.

Gestärkt fuhr sie nun nach Hause zurück. Für einen Moment hatte sie bei ihrem Pony sogar James vergessen, aber so nach und nach kehrte er wieder in ihren Kopf zurück. Sie öffnete das Notebook, schaute in sein Profil und entdeckte ein Foto, auf dem seine tiefbraunen Augen richtig zur Geltung kamen. Lange konnte sie ihren Blick nicht von diesem Bild abwenden – ja in seinen Augen konnte sie sich verlieren. Ihr Kopf sagte plötzlich, dass sie sich endlich losreißen und etwas Produktiveres machen sollte als dieses Foto anzustarren, aber ihr Herz forderte noch ein wenig in seine Augen zu sehen.

Was war das nur? Sie benahm sich wie ein pubertierender Teenager. Aber sie genoss es auch irgendwie. Sie fühlte sich so lebendig. Wenn er nur bald schreiben würde. Da! Plötzlich ertönte der kurze Signalton, der sie wissen ließ, dass eine Nachricht eingegangen war. Ihr Herz stockte, es war die so sehr ersehnte Nachricht von James.

Es tat ihm so leid, dass er sich nicht früher hatte melden können, aber er hatte einen stressvollen Tag und war gerade erst von der Streife zurückgekehrt. Dann hatte er sofort den Computer hochgefahren und ihr geschrieben. Nun wollte er seinem Sohn noch eine E-Mail schreiben in dem er ihm sagen wollte, dass er ihn sehr vermisse, aber dass er bald wieder bei ihm sein werde. Auf ihre Frage hin, erklärte er ihr, dass er damit rechnen würde in einem Monat Syrien verlassen zu können. Darüber freute sie sich aufrichtig. Sie gönnte ihm so sehr schnellstmöglich wieder nach Hause zu können. Im weiteren Verlauf des Gespräches wollte James noch ein paar Sachen über Deutschland wissen. Sie beantwortete seine Fragen so gut es ihre schlechten Englischkenntnisse zuließen und plötzlich war es schon kurz nach Mitternacht und sie hatte Geburtstag.

Gerade war diese Tatsache in ihr Bewusstsein gedrungen da wünschte James ihr auch schon alles Gute zum neuen Lebensjahr. Seitdem sie ihm ihr Geburtsdatum genannt hatte, hätte er es nicht mehr vergessen können. Sie war entzückt. James war der erste, der ihr gratulierte. Er war so ein charmanter und aufmerksamer Mann.

Gaby konnte es nicht erwarten am nächsten Tag das Gespräch fortzuführen.

Nachdem sie ihren Kaffee am Morgen getrunken hatte, wollte sie ihm schnell einen guten Morgen wünschen, aber er war schon vor ihr im Chat gewesen. Er sagte ihr, dass er den Tag nicht mehr beginnen könne, ohne ihr einen guten Morgen gewünscht zu haben und er fragte wie es ihr ging.

Frech antwortete sie, dass es ihr gut gehen würde, weil sie eine Nachricht von ihm bekommen hatte. Sie kannte sich irgendwie selbst nicht mehr wieder. Normalerweise war sie wesentlich distanzierter zu Fremden. In ihrer Freude über die netten Worte von James passierte ihr jedoch ein Fehler. Statt ihm eine Nachricht zu schreiben drücke sie aus Versehen auf den Button für Videoanrufe. Erschrocken wollte sie den Anruf stoppen, aber irgendwie reagierte das Handy nicht. Es klingelte und klingelte und sie war der Panik nahe. Was, wenn er ran gehen würde. Sie würde ihn nicht verstehen. Das wusste sie genau. Aber er ignorierte den Anruf oder war nicht mehr da.

Erleichtert hierüber schrieb sie ihm von ihrem Missgeschick. Er bedauerte, dass er keine Webcam habe, weil dies in dem Kampfgebiet nicht erlaubt sei. Aber er könne Fotos mit ihr austauschen. James wollte unbedingt ein Foto von ihr. Damit hatte sie ein Problem. Gaby ließ sich nicht gerne fotografieren, so dass sie wirklich nach Fotos von sich selbst suchen musste. Aber das musste auf den Abend verlegt werden, denn im Büro hatte sie ganz sicher nichts in der Art.

Blöderweise hatte Gaby heute eine Menge im Büro zu tun und musste länger arbeiten als gewöhnlich. Wie gerne wäre sie nach Hause gefahren, um mit James zu chatten. Wieder einmal dachte sie viel zu oft an ihn.

Heute Abend wurde sie mit fünf Fotos empfangen, die ihn zunächst allein, dann mit seiner verstorbenen Frau und letztlich mit seinem Sohn zeigten. Es waren schöne Fotos und auf einem fielen ihr wieder diese tief dunklen freundlichen Augen auf. Sie konnte nicht anders, als immer wieder in sie hinein zu schauen. Diese Augen berührten sie einfach sehr. Sie strahlten Freundlichkeit und Wärme aus. Wie gerne würde sie ihn persönlich kennen lernen, um dann real in seine Augen sehen zu können. Der Gedanke förderte eine tiefe Sehnsucht in ihr zu Tage, was sie wieder, einmal mehr, verwirrte. Gaby bat ihn bis morgen zu warten bis sie ihm ein Foto von sich schicken könne. Er antwortete, dass das okay sei und er gespannt darauf warten würde. Ihr wurde unwohl, denn sie fand Fotos von sich alle blöde. Aber nun hatte sie es ihm versprochen. Ihr blieb nichts anderes übrig als auf die Suche nach einem einigermaßen ordentlichen Bild von sich zu suchen. Dies gestaltete sich ziemlich schwierig. Sie hatte tausende Fotos auf dem Computer, aber nur ein oder zwei, auf denen sie zu sehen war. Gut, dass sie die Bilder alle gut organisiert in Ordnern abgelegt hatte. Sie würde also eins finden, ganz sicher. Aber ob das seinen Erwartungen entsprechen würde, fragte sie sich. Sein nächster Satz lautete nämlich, dass er sich darauf freuen würde in das wundervolle, ehrliche, nette und fürsorgliche Gesicht der Frau zu blicken, mit der er gerade sprach. Das brachte sie schon fast in Stress. Gut, dass sie das Bild erst morgen versenden musste. So hatte sie noch ein wenig Zeit zu überlegen, ob sie ihm überhaupt ein Foto von sich schicken sollte. Irgendwie war ihr nicht wohl dabei.

Aber Gott sei Dank hatte sie dies ja nun bis morgen aufgeschoben. An ihn schrieb sie dann, dass es nicht in ihrer Verantwortung stehen würde, wenn er den Schock seines Lebens bekommen würde.

Nein, das glaubte er nicht, er war überzeugt, dass Gaby sehr süß sei. Wie konnte sie ihm das denn ausreden? Sie erzählte ihm, dass es doch sein könne, dass sie eine Hexe mit einer Warze auf der Nase und einer schwarzen Katze auf ihrer Schulter wäre.

Oder eine andere Möglichkeit wäre, dass sie aussehen würde wie eine alte Oma?

Aber was sie auch zu bedenken gab – er glaubte ihr kein Wort. Er meinte Gaby könne gar nicht aussehen wie eine alte Oma, dafür wäre sie noch zu jung und eine Hexe könnte sie auch nicht sein, dass würden ihm seine Gedanken an sie verraten.

Er wolle abwarten, bis sie ihm ein Foto von sich geschickt hätte.

Um das Thema zu wechseln erzählte sie ihm vom Tag der Deutschen Einheit, die die Deutschen am 3.10. feiern würden. James wünschte sich sehr dabei sein zu können, um den Tag mit ihr und ihren Freunden zu feiern.

Gaby fragte, ob er denn gar nicht müde sei. James bestätigte, wirklich müde zu sein, weil es schon so spät sei und so verabschiedeten sie sich und wünschten sich eine gute Nacht mit wundervollen Träumen.

Diese wundervollen Träume hatte Gaby dann schon als sie noch wach war. Sie stellte sich vor, wie es sein würde, wenn sie James einmal persönlich kennen lernen würde. Würde sie sich tatsächlich in seinen Augen verlieren? War er tatsächlich so bezaubernd wie hier im Chat? Wie groß mochte er sein? Fragen über Fragen tauchten in ihrem Kopf auf, doch mit einem ungeduldigen Griff zur Fernbedienung ihres Fernsehers, wollte sie ihren Gedanken Einhalt gebieten. Das konnte doch nicht wahr sein. Der unbekannte, charmante Mann verdrehte ihr gerade gehörig den Kopf und das durfte nicht sein. Sie hasste es die Kontrolle über sich selbst zu verlieren.

Sie nahm sich für den nächsten Tag vor, frühestens abends einen Blick in den Chat zu werfen. Dann schlief sie ein.

Es kam der Morgen. Sie öffnete die Augen und bevor sie klar denken konnte war er bereits wieder in ihren Gedanken präsent. Also nahm sie ihr Smartphone zur Hand und wünschte ihm einen guten Morgen und einen schönen Tag. Er solle gut auf sich aufpassen. Ihre Gedanken würden bei ihm sein.

Sofort kam die Antwort. Er schrieb wieder so bezaubernd, dass ihr ganz warm um´s Herz wurde. Heute erzählte er ihr, dass er nach seiner Pensionierung mit seinem Sohn nach Deutschland kommen wolle, um hier zu leben.

Gaby wollte James unbedingt kennen lernen. Mittlerweile war er ein Teil von ihr geworden Er hatte ihr Herz gestohlen. Würde er es ihr irgendwann zurückgeben? Sie wusste nichtmals, ob sie das wollte. Sie war so sehr verwirrt und fast schon überfordert mit der Situation, vor allem mit ihren Gefühlen.

Es war unglaublich. Hunderttausende von Leuten benutzten die Social Media und er hatte ausgerechnet sie angeschrieben. Das musste man dann wohl Schicksal nennen oder Fügung.

Sie fühlte sich so wunderbar, wenn er da war, um mit ihr zu schreiben und sie fühlte sich so schlecht, wenn er nicht da war. So sehr sie sich auch über ihr Gefühlschaos wunderte, so sehr genoss sie seine Anwesenheit im Chat. Er war ein wundervoller Mann, der ihr nicht mehr aus dem Sinn ging.

Manchmal, wenn er traurig war, weil er Sehnsucht nach seinem Sohn hatte, versuchte sie ihn irgendwie aufzuheitern. Sie merkte an dem was er schrieb schnell, ob ihr das gelingen würde. Wenn sie das Gefühl hatte, er war einfach nicht in der Lage seine Gedanken von seinem Sohn abzulenken, dann war sie einfach nur für ihn da – ohne viel Worte. Sie litt mit ihm und hoffte, so sein Leid teilen zu können.

Er merkte, trotz der Distanz zwischen Ihnen, dass sie für ihn präsent war. Dafür bedankte er sich von ganzem Herzen. Er sagte ihr:

„Du bist für mich da, wenn ich verwirrt bin, Du bist für mich da, wenn ich traurig bin, Du bist für mich da, wenn ich aufgeregt bin, Du bist für mich da, wenn ich Dich am meisten brauche. Danke für Deine Unterstützung. Keine Komplimente können Dir zeigen wie dankbar ich Dir bin. Es gibt nur einen Weg, um Dir meine Dankbarkeit zu zeigen und dass ist eine Bitte an Dich. Bitte bleib in meinem Leben und bleib mein treuer Freund.“

Ja James, das wollte Gaby mehr als alles andere in der Welt in diesem Moment.

Er hatte ihr in einer traurigen Stimmung gesagt, dass das einzige stabile in seinem Leben zurzeit ihre Freundschaft zu ihm sei. Das berührte ihr Herz sooo tief. Gerne hätte sie ihn in den Arm genommen, aber bis er Syrien verlassen konnte war ein Treffen sowieso nicht möglich. Also musste ein hugging smiley für´s erste reichen. Das schickte sie ihm sofort.

Sie erzählte ihm von ihrem Wunsch einmal so richtig verrückt mit ihm zu sein. So wolle sie gerne einmal mit ihm auf einem Vulkan tanzen. Gaby schmückte ihre Vision vom Tanz auf dem Vulkan aus. Es machte ihr Spaß eine kleine Geschichte zu erfinden.

Sie stellte sich vor, wie sie nachts in einem roten Kleid und er in einem dunklen Anzug auf einem heißen, Feuer speienden Vulkan tanzen würden. Sie konnte förmlich die Hitze der Nacht spüren. Gaby fragte sich, ob er es sich auch so bildlich vorstellen konnte.

3

Um sich abzulenken in der Zeit wo sie nicht mit James reden konnte, baute Gaby nun den alten Kontakt zu einer kleinen Gothic Gruppe wieder auf. Sie rief einen alten Bekannten an und erfuhr, dass die Leute sich jeden Donnerstag um 23:30 Uhr am Friedhof treffen würden. Bevor sie das erste Mal nach ewiger Zeit zu diesem sogenannten Meeting gehen würde suchte sie in ihrem Kleiderschrank nach ihrem blutroten Kleid, zog es an, schminkte sich mit schwarzem Kajal die Augen, dann noch ein wenig Lipgloss, dann ging sie zum Treffen. Sie hatte erwartet, dass die Gruppe aus etlichen sehr jungen Leuten bestehen würde. Aber sie hatte sich getäuscht. Über 80% der Leute waren in einem Alter von plus/minus 10 Jahren zu ihr selbst. Sie hörten, als Gaby eintraf gar keine harte Goth Music aus dem Darkwave-Bereich, sondern sie hörten sehr melodische Stücke, die mehr der irischen Folkmusik entsprangen. Die Gruppenmitglieder hießen sie aufs herzlichste willkommen. Sie fühlte sich sofort wohl unter ihnen. Die Musik wurde allerdings im Laufe der Nacht etwas härter, aber sie genoss es hier zu sein. Was würde James wohl dazu sagen. Gaby glaubte, dass er nicht in diese Gruppe passen würde, aber das war auch nicht schlimm.

Nach etwa einer Stunde, in der sich jeder mit jedem unterhalten hatte, bat ein mittelalter Mann, es war Jürgen, um Aufmerksamkeit. Jürgen richtete das Wort an Gaby und fragte sie, ob sie sich vorstellen könne, wieder ein richtiges Mitglied dieser Gruppe zu werden. Gaby fand die Frage zum jetzigen Zeitpunkt zwar etwas verfrüht, aber sie hatte sich heute Abend so wohl gefühlt, dass sie Jürgen´s Frage spontan bejahte.

Ein zweiter Mann, Peter, mischte sich ein und sagte ihr, dass sie alle einander bedingungslos vertrauen würden. Um zu beweisen, dass sie auch fähig wäre der Gruppe zu vertrauen, müsse sie einen kleinen Aufnahmetest ablegen.

Gaby wurde mulmig. Was hatten die jetzt mit ihr vor. Ohne ein Wort zu sagen, schaute sie abwechselnd Jürgen und Peter fragend an. Jürgen bat sie aufzustehen und zu ihm zu kommen, was sie auch tat. Dann zeigte er auf eine kleine Mauer und sagte: „Stell Dich bitte darauf, mit dem Rücken zu uns. Dann lass Dich einfach nach hinten fallen und vertraue darauf, dass wir Dich auffangen werden.“

Es kostete sie Überwindung den Anweisungen von Jürgen zu folgen. Eigentlich fand sie das kindisch, andererseits sollte dies wirklich ihr Vertrauen in die Gruppenmitglieder zeigen und stärken. Gaby fasste sich ein Herz und kletterte zwei Stufen hoch, um auf die Mauer zu gelangen. Diese hatte eine Höhe von etwa einem Meter. Dies war nicht sonderlich hoch, aber sie konnte sich doch sehr verletzen indem sie sich einfach rückwärts fallen ließ, wenn keiner da wäre, der sie auffangen würde. Als Gaby oben war, hörte sie Jürgen´s Stimme wieder: „Nun wende Dich von uns ab, breite Deine Arme ganz weit aus und lass Dich einfach nach hinten fallen.“

Sie fühlte sich plötzlich durch die Musik und Jürgen´s Stimme wie in Trance. Sie breitete langsam ihre Arme aus, stellte sich vor es wären Flügel und ließ sich einfach nach hinten fallen. In der gleichen Sekunde fühlte sie sich von 50 Händen getragen. Das war so ein unglaubliches Gefühl, dass sie in diesem Moment absolute Glückseligkeit empfand. Wieder auf den Boden gestellt, blickte sie erstaunt in die Augen der anderen, die sie jubelnd als neues Gruppenmitglied feierten. Die Gruppe saß noch eine halbe Stunde zusammen, dann gingen alle nach Hause, da die meisten von ihnen am nächsten Tag arbeiten mussten.

Auch Gaby wanderte nach Hause. Gerne hätte sie James sofort von ihrem Erlebnis erzählt, aber der würde sicher schon schlafen. So schrieb sie ihm zwar noch, aber lesen konnte er es erst am Morgen. Bestimmt würde er die ganze Sache verrückt finden. Wenn Gaby so recht überlegte, war es das ja auch. Aber es war auch so wunderbar gewesen, dass sie dies immer wieder machen würde. Immer noch war sie gefesselt von diesem sonderbaren, schönen Abend.