Neue Mündlichkeit (E-Book) - Stefan Hofer-Krucker Valderrama - E-Book

Neue Mündlichkeit (E-Book) E-Book

Stefan Hofer-Krucker Valderrama

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Beschreibung

Warum beteiligt sich kaum jemand im Unterricht? Warum melden sich so wenige freiwillig? Schüler*innen sind in der Regel nur im stark vorstrukturierten Unterrichtsgespräch oder in Vorträgen mündlich präsent. Diese Situation ist unbefriedigend. Und die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz werden bislang vor allem im schriftlichen Kontext genutzt. Die Autoren zeigen auf, wie man mündliche Sprachkompetenzen in unterschiedlichen Lernsituationen und an verschiedenen Orten des Unterrichtsgeschehens fördern kann – analog und mithilfe von digitalen Medien und KI, innovativ und alltagsnah. Dieses E-Book enthält Bildbeschreibungen zu allen Grafiken. Es wird empfohlen, einen E-Reader zu verwenden, auf dem die Bilder vergrössert werden können.

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Seitenzahl: 226

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Für Daniela, Johanna und Mascha

 

Stefan Hofer-Krucker Valderrama, Rémy Kauffmann

Neue Mündlichkeit

Kommunikation und KI im Unterricht

ISBN Print: 978-3-0355-2892-3

ISBN E-Book: 978-3-0355-2893-0

1. Auflage 2025

Alle Rechte vorbehalten

© 2025 hep Verlag AG, Bern

hep Verlag AG

Gutenbergstrasse 31 | Postfach | CH-3001 Bern

[email protected] | hep-verlag.ch

Inhalt

Warum es eine «neue Mündlichkeit» braucht und wie sich diese im Unterricht umsetzen lässt

Unterrichtsszenarien

Mein Votum zum Einstieg

Check-in

Catch of the Day

Blick zurück

Feedback, das wirkt

Mit KI Interesse wecken

Value Line

Tonausfall

Ganz Ohr

Klüger fragen

Intermezzo 1:

Die Sicht der Schüler:innen

Klassen-BookTok

Mein stärkstes Argument

Rezo-Battle

Wir müssen reden

Intermezzo 2:

Tipps & Tricks

Halb voll, halb leer

Charakter-Rap

Konfliktgespräche führen

Der unwissende Kommilitone ChatGPT

Perspektivenübernahme

Schule in Dystopia

Von «Randnotiz» bis «Breaking News!»

«Audio to go»

Statt eines Schlusswortes

Von «Einfach grauenhaft!» bis «Genial!»

Anhang

Literatur

Dank

Autoren

Endnoten

Warum es eine «Neue Mündlichkeit» braucht und wie sich diese im Unterricht umsetzen lässt

Die letzten Jahrzehnte waren geprägt von tiefgreifenden Innovationen im Bereich der digitalen Technologien: Personal Computer, Internet, Smartphones und Social Media entstanden innerhalb weniger Jahre, verbreiteten sich rasant und prägten bald die gesellschaftliche Entwicklung in einschneidender Weise. Im Zuge dieser Entwicklung setzten wir uns in den letzten zwanzig Jahren intensiv mit den Möglichkeiten auseinander, die digitale Medien für den Unterricht bieten. Vor zehn Jahren begannen wir eine enge Zusammenarbeit, die 2019 in die Veröffentlichung des Bandes «Neue Medien – neuer Unterricht?» im hep-Verlag mündete. Im letzten Teil dieses Buches finden sich Reflexionen über die Schule der näheren Zukunft. Es ist ein Symbolbild (siehe Abb. 1) abgedruckt, das wir mit unseren Schüler:innen inszeniert hatten, um zu zeigen, was passieren könnte, wenn das Konzept des Bring your own device (BYOD) auf ein traditionelles Klassenzimmer trifft, in dem am Unterricht nichts verändert wurde: Die Lernenden sind in ihre Bildschirme versunken, arbeiten isoliert und ohne Austausch.

Abbildung 1: BYOD trifft auf traditionelles Schulzimmer (Symbolbild von 2019)

Die letzten Jahre brachten weitere technologische Entwicklungsschritte, mit dem Resultat, dass ein Blick ins Klassenzimmer heute an nicht wenigen Orten genau diese Unterrichtssituation zeigt, die wir 2019 im Sinne einer zu vermeidenden Zukunftsvision inszeniert hatten. Mit dem Unterschied, dass inzwischen der Siegeszug der Künstlichen Intelligenz (KI) auch die Schule erreicht hat und den Lernenden auf ihren Laptops und Handys zusätzlich KI-Hilfsmittel zur Verfügung stehen. Lehrkräfte wie Schüler:innen sind damit heute nicht nur privat, sondern auch an der Schule in digitale Infrastruktur – Laptop, Tablet, Smartphone, Internet, Mail, Chats, KI – geradezu verstrickt. Verstärkt werden dürfte dieser Trend zur Technologisierung und zu einem digitalen Lernen, das ganz auf das Individuum zugeschnitten ist, durch weitere digitale Begleiter, sogenannte KI-Buddies, die die Schüler:innen in naher Zukunft in ihrem individuellen Lernprozess begleiten. Vor diesem Hintergrund hat sich unser Fokus in den letzten Jahren verschoben: Nach wie vor finden wir die digitalen Möglichkeiten faszinierend, weil sie viele Lernchancen eröffnen, gerade im Bereich der Wissensaneignung. Doch zunehmend hat sich bei uns ein neuer Schwerpunkt herauskristallisiert, der in unserem Unterricht schon immer wichtig war, durch die neueren Entwicklungen aber deutlich stärker in den Vordergrund rückt: die Mündlichkeit im Unterricht.

Mündlichkeit als eine Antwort auf die Herausforderung KI

Lange Zeit galt Mündlichkeit im Unterricht als nur schwer fassbar: spontane Beiträge, Diskussionen oder mündliche Prüfungen wurden oft als zu «flüchtig» oder stark «subjektiv» abgetan – zu unkontrollierbar, um daraus in verlässlicher Weise Rückschlüsse auf Wissensaneignung und Kompetenzentwicklung ziehen zu können. Entsprechend fristete die Mündlichkeit an der Schule ein Mauerblümchendasein. Schriftliche Leistungen erschienen demgegenüber viel strukturierter, leichter dokumentierbar, dazu objektiver, valider – insgesamt einfach besser geeignet, um Wissen zu erarbeiten und Leistungen abzurufen und zu messen. Doch die rasante Entwicklung der künstlichen Intelligenz hat diese Gewissheiten massiv erschüttert: Wenn KI innert Sekunden ganze Aufsätze generiert, Multiple-Choice-Tests erstellt und sogar komplexe Problemlösungen simuliert, verliert die schriftliche Einzelleistung als zentraler Kompetenznachweis an Aussagekraft.

Hier schlägt die Stunde der Mündlichkeit: Denn KI kann heute zwar viele Aufgaben, die sich automatisieren lassen, übernehmen; aber sie kann nicht die authentische menschliche Kommunikationsfähigkeit ersetzen, die auf genauem Zuhören, Empathie sowie auf der Fähigkeit zu zwischenmenschlicher Resonanz und situationsangemessener Reaktion gründet. Mündlichkeit wird damit zum neuen «Goldstandard». Sie spielt ihre vielfältigen Möglichkeiten aus, um Fähigkeiten sichtbar zu machen, an denen die KI (noch) scheitert. In der direkten Interaktion – im Debattieren, im Hinterfragen von KI-generierten Inhalten, im spontanen Entwickeln von Ideen – offenbaren Schüler:innen, was Algorithmen nicht leisten können: kritisches Denken, kreative Adaptionsfähigkeit, emotionale Intelligenz. Die «Flüchtigkeit» der mündlichen Kommunikation wird damit zu ihrer Stärke: Sie vermittelt Authentizität und situative Urteilskraft und spiegelt die Fähigkeit, Gedanken in Echtzeit zu strukturieren. Mündlichkeit ist damit nicht länger bloßes Anhängsel, keine bloße Ergänzung mehr, sondern der eigentliche Schlüssel, um Lernprozesse und Leistungsüberprüfungen weiterhin auf den Menschen zugeschnitten und damit wirklich sinnvoll zu gestalten und gleichzeitig überprüfbar zu halten.

Mündlichkeit: Vom schulischen Randphänomen zum Werkzeug der Selbstbehauptung

Zentral sind heute und in Zukunft nicht nur in der Berufswelt, sondern auch für das Leben als mündige:r Bürger:in – neben den oft zitierten 4Ks: Kommunikation, Kollaboration, Kritisches Denken und Kreativität – Kompetenzen wie Problemlösefähigkeit, Teamorientierung, Selbstwirksamkeit, perspektivisches Denken sowie Sprach- und Ausdruckskompetenz. Denn angesichts der globalen Herausforderungen wie KI, Klimawandel oder politischem Extremismus ist es an uns, die Zukunft, die wir wollen, gemeinsam auszuhandeln, innovative Lösungen zu suchen und die gesellschaftliche Entwicklung in jene Bahnen zu lenken, die ein lebenswertes Miteinander möglich machen. Dazu braucht es die Fähigkeiten, auf der Basis von Wissen Probleme zu analysieren, zu besprechen und zu klären, ein echtes Gespräch zu führen, Interessen zu bekunden, sich in Diskussionen und Debatten einzubringen und kompromissbereit Lösungen auszuhandeln – kurz: es braucht kommunikatives Geschick.

In einer Zeit, in der KI immer mehr Routineaufgaben übernimmt, ist daher entscheidend, dass Menschen weiterhin und zunehmend verstärkt in der Lage sind, kreativ zu denken, kooperativ zu agieren und kommunikativ gut miteinander umzugehen. Derart lassen sich die gesellschaftliche Entwicklung aktiv gestalten und die großen Herausforderungen, die anstehen, gemeinsam meistern. Deshalb ist es unerlässlich, mündliche Kommunikation und Zusammenarbeit in der Schule als grundlegende Bestandteile der Bildung stärker zu fördern. Dies auch mit Blick darauf, dass mündliche Kommunikation inzwischen als gesellschaftliche Schlüsselkompetenz gilt, die in allen Bereichen zunehmend wichtiger wird – etwa bei Bewerbungsvideos oder in Team-Meetings im Beruf. Vor allem bildet das Gespräch und der Dialog auch die Basis einer demokratischen Gesellschaft – woran zu erinnern gerade in Zeiten dringlich ist, in denen die Fronten verhärtet sind und der Dialog schwierig.

Diese Verschiebung von der praktisch ausschließlich schriftbasierten hin zu einer stärker auf Mündlichkeitsformate setzenden Bildung erfordert ein tiefgreifendes Umdenken in der Unterrichtspraxis. Die Lehrkraft ist nun angehalten, in viel höherem Maße als bisher mündliche Kommunikationsformen gezielt zu gestalten und im Unterricht einzusetzen – sei es durch reflexive Diskursräume, kollaborative Denkexperimente oder dialogische Prüfungssettings. Gleichzeitig erweitert sich ihre eigene Rolle: Zur Wissensvermittlerin hinzu kommt die Moderatorin, die Impulse setzt, Denkprozesse für die Lerngruppe sichtbar macht und Schüler:innen darin bestärkt, ihre eigenen Stimmen in einer digitalisierten Welt zu entfalten und als Werkzeug der Selbstbehauptung zu nutzen.

Schule als Ort der Begegnung und des lebendigen Gesprächs

Das Zusammenspiel von Digitalisierung und KI eröffnet im Bereich der (mündlichen) Kommunikation ganz neue und vielfältige Möglichkeiten. Diese neue Vielfalt ist jedoch ein zweischneidiges Schwert. Denn insbesondere bei Kindern und Jugendlichen treten heute vermehrt psychische Probleme wie Einsamkeitsgefühle und Isolation auf. Dies hat unweigerlich auch mit den neuen digitalen Kommunikationsformen und einigen ihrer Ausprägungen, etwa den Social Media, zu tun. Deshalb plädieren wir dafür, in der Schule der mündlichen Kommunikation mit einem realen Gegenüber und echten face-to-face-Situationen, in denen alle Gesprächspartner:innen präsent sind, viel Raum zu geben. Das Gespräch und der persönliche Austausch in der Lerngruppe sind daher wesentlich zu stärken: Die Schüler:innen sollen bereits in jungem Alter regelmäßig zur Sprache kommen und also das Wort ergreifen dürfen, dabei Wertschätzung erfahren und Selbstvertrauen gewinnen.

Wir wünschen uns – in Anlehnung an das obige Symbolbild – die Schule von heute und morgen nicht als eine Ansammlung von Menschen, in der sich Einzelkämpfer:innen mittels algorithmisch perfekt abgestimmter Lernprogramme individuelles Fachwissen aneignen.

Vielmehr möchten wir Schule als Stätte der Begegnung verstehen, als Ort des lebendigen Austauschs, als Forum des Erkenntnisgewinns, des Zusammen-Nachdenkens, der gemeinsamen Erprobung und Anwendung von Wissen, der kritischen und kreativen Reflexion, aber auch der Verortung in der Gruppe und der persönlichen Identitätsfindung. Die Schriftstellerin Elif Shafak bringt die Wichtigkeit des Austauschs für das Lernen folgendermassen auf den Punkt (2021: 18 f.):

Sobald wir aufhören, uns andere Meinungen anzuhören, lernen wir auch nichts mehr. Denn die Begegnung mit dem immer Gleichen, Monotonen, erweitert kaum den Horizont. Der Mensch lernt hauptsächlich aus Unterschieden. Die meisten Erkenntnisse entspringen dem Austausch mit abweichenden, oft provokanten Ansichten und der Begegnung mit zuvor unbekannten Informationen und kritischen Anmerkungen, die dann innerlich verarbeitet wurden. Aus Diskussionen, Lektüren und Beobachtungen erwächst Verständnis wie aus Samenkörnern.

Wir sind der Überzeugung, dass Schule ein sozialer Erfahrungsraum ist, der den von Shafak skizzierten Dialog unter Ungleichen wesentlich fördern kann. Uns schwebt damit das Ideal eines Bildungsprozesses vor, in dem wir im Unterricht nicht nur Wissen vermitteln, sondern vor allem miteinander ins Gespräch kommen, mit- und voneinander lernen, einander zuhören, Argumente respektvoll austauschen, Erfahrungen teilen und so Bildung zu einem gemeinsamen, wirklich bereichernden Erlebnis machen.

Resonanzraum Unterricht

Der Einbezug von digitalen Medien und KI ist dabei für uns eine Selbstverständlichkeit. Es gilt, diese Hilfsmittel in transparenter und lernförderlicher Weise zu nutzen und sie nicht der Mündlichkeit entgegenzustellen, sondern mit ihr zu verknüpfen. Gerade mit Blick darauf, dass in der mündlichen Zusammenarbeit auch eine neue Verbindlichkeit möglich ist. Denn ich stehe – anders als bei schriftlichen Produkten, die auch an der Schule zunehmend unter Nutzung von KI verfasst werden – für meinen mündlichen Beitrag, den ich live einbringe, unmittelbar ein, gewissermaßen als ganzer Mensch. Das ist daher besonders wertvoll, weil ich mich so zeige, so gesehen werde, dazu unmittelbar auch eine Rückmeldung zu meinem Beitrag erhalten kann. Wegen der Live-Situation vor der Klasse ist dies aber durchaus auch eine Herausforderung. Ein Arbeiten mit Audio-Aufnahmen ist daher eine willkommene Alternative, die eine sinnvolle Distanzierung zum eigenen Sprechbeitrag erlaubt und die Möglichkeit bietet, im Feld des Mündlichen etwas Abstand zu schaffen.

In Zeiten, in denen die Frage, warum soll ich das noch tun oder lernen, wenn die KI ohnehin alles besser kann und mir Antworten in Sekundenschnelle liefert, enorm virulent ist, hat der direkte Austausch in der Schule auch das Potenzial, als neuer Motivator zu dienen. Motivierend wirkt dieser Austausch in erster Linie dann, wenn darin Bildung erfahrbar gemacht und als wertvolle und sinnhafte Ressource erlebt werden kann; wenn also ein Ort des kommunikativen Miteinanders und des gemeinsamen Lernens geschaffen wird, in dem auch persönliche Erfahrungen ihren Platz haben. Bedenkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der Unterricht heute einer der ganz wenigen Orte ist – bzw. sich auf diese Weise inszeniert lässt –, an dem alle Beteiligten zumindest phasenweise auf digitale Geräte ganz verzichten, sich gemeinsam auf eine Sache einlassen und sich in sie vertiefen. Damit ist auch die Chance gross, dass die Beteiligten im Rahmen eines so gestalteten Unterrichts Resonanz erfahren. Darunter versteht der Soziologe Hartmut Rosa eine lebendige, sinnhafte Begegnung mit der Umwelt, an der man als ganzer Mensch beteiligt ist und sich als Person mit seinen Gedanken und Gefühlen einbringen kann. Resonanz ermöglicht den Beteiligten auf diese Weise intensive und erfüllende Erfahrungen in der Begegnung mit der Welt und den Mitmenschen und erlaubt ihnen, ihre Fähigkeiten, miteinander umzugehen, weiterzuentwickeln.

«Neue Mündlichkeit» oder: Wozu dieses Buch?

Nun könnte man einwenden, dass Schule und Unterricht seit jeher die Mündlichkeit intensiv pflegen und fördern. Das ist richtig – und zugleich falsch. Tatsächlich wird im Unterricht zwar viel mündlich kommuniziert und häufig miteinander gesprochen. Mündlichkeit als Teil der kommunikativen Kompetenz wird also im Unterricht stets mitgedacht – ihre Umsetzung bleibt aber weit hinter den Möglichkeiten zurück. Denn die Unterrichtskommunikation ist in der Regel wenig abwechslungsreich und hoch ritualisiert gestaltet: Etwa 80 Prozent der gesprochenen Äußerungen stammen von der Lehrkraft, wobei der größte Anteil auf Vortrag und Informationsvermittlung entfällt. Hinzu kommen Anweisungen und Fragen, die den Unterrichtsverlauf steuern. Auch die meisten Interaktionen gehen von der Lehrkraft aus, so dass Schüler:innen meist auf Vorgaben reagieren, statt selbst aktiv Gesprächsbeiträge zu initiieren. So auch im Unterrichtsgespräch, der weiterhin am häufigsten praktizierten Form der kommunikativen Zusammenarbeit. Darin beschränkt sich die mündliche Mitarbeit der Schüler:innen in der Regel auf das Einbringen von zeitökonomischen Kurzantworten, die in den Unterrichtsskript der Lehrkraft passen. Das ist nicht nur hinsichtlich der Förderung von mündlichen Kompetenzen suboptimal, sondern auch mit Blick auf die oben genannten Fähigkeiten, die in der Schule heute gestärkt werden sollten. Erhellend ist in diesem Zusammenhang die folgende Beobachtung des Bildungsforschers John Hattie: «Untersuchungen zeigen, dass Lehrkräfte täglich 200 bis 300 Fragen stellen, die mit weniger als drei Wörtern beantwortet werden können. Eine Schulklasse stellt pro Tag nur etwa zwei Fragen zu Dingen, die sie nicht versteht. Wohlgemerkt, nicht ein Schüler, sondern eine ganze Klasse stellt nur zwei Fragen pro Tag!» (Hattie 2025) Schulunterricht kehrt damit eine spezifische Verfahrensweise, die aus Alltagssituationen bekannt ist, um: Der:die Wissende – die Lehrkraft – fragt, der:die Unwissende – der:die Schüler:in – antwortet. Anders gesagt: Schüler:innen werden täglich mit unzähligen Fragen konfrontiert, bringen sich aber kaum mit eigenen Fragen ein. Ihre Rolle beschränkt sich in der Regel auf das Zuhören und Mitarbeiten, während echte kommunikative Teilhabe kaum gefördert wird. Mündlichkeit wird auf Reaktionsfähigkeit oder Reproduktion reduziert, statt sie als Raum für echtes Diskutieren und Argumentieren zu nutzen. Das Ergebnis: Die Lernenden trainieren zwar das (bruchstückhafte) Sprechen vor der Klasse, aber nicht das Sprechen mit der Klasse. Damit gelingt es nicht, sprachliche Eigeninitiative zu begünstigen und echtes Interesse auszulösen.

Mündlichkeit wird derzeit an der Schule also zu wenig gefördert. Denn ihr wird, abgesehen von den Sprachfächern, nur wenig Beachtung geschenkt. Unser Ziel ist daher, die Lernenden aktiver und mit mehr Eigenverantwortung in den Unterricht einzubinden. Das wollen wir erreichen, indem wir vorschlagen, Mündlichkeit im Unterricht aller Fächer deutlich zu stärken. Es braucht hierzu eine «Neue Mündlichkeit» in der Schule. In ihrem Rahmen, in einem auf Austausch, Gespräch und Dialog bauenden Unterricht, können Schüler:innen – und die Lehrkräfte! – nicht nur fachlich, sondern auch im Bereich Mündlichkeit und Kommunikation dazulernen, gleichzeitig fortlaufend Kooperation einüben, sich mit eigenen Interessen einbringen, auf diese Weise Resonanz erfahren, Wertschätzung und Anerkennung erleben und ganzheitlich wahrgenommen werden; und sich dabei – fast schon by the way – nicht nur fachlich verbessern, sondern auch an den Kompetenzen arbeiten, die oben als zentral für die Schule von heute herausgestellt wurden. In diese Richtung sollte sich Unterricht unseres Erachtens entwickeln: daher dieses Buch. Wir richten uns damit in erster Linie an Lehrkräfte der Sekundarstufen, weil wir selbst auf dieser Stufe unterrichten und unseren Ansatz in diesem Kontext entwickelt haben; aber auch auf der Primar- wie auch der Hochschulstufe sollte er in vielerlei Hinsicht anwendbar sein.

Grundidee des Konzepts «Neue Mündlichkeit»

Die Grundidee des Konzepts «Neue Mündlichkeit» haben wir im Aufsatz «Mündliche Interaktionen. Ein Konzept zur gezielten Förderung der 4K-Schlüsselkompetenzen im Bereich ‹Mündlichkeit›» ausführlich skizziert und begründet.[1] Sie besteht darin, den Schüler:innen die Möglichkeit zu eröffnen, sich regelmäßig mit kurzen, eigenständigen mündlichen Beiträgen ganz unterschiedlicher Art einzubringen. In einem Unterricht, der nach dem Konzept der «Neuen Mündlichkeit» organisiert ist, nehmen die Lernenden über einen längeren Unterrichtszeitraum hinweg – z. B. während eines Semesters – immer wieder in vielfältiger Form mündlich am Unterrichtsgeschehen teil. Und zwar nicht wie im Unterrichtsgespräch lediglich als Stichwortgeber:innen. Vielmehr tragen sie – trotz der relativen Kürze der Beiträge – in ganz unterschiedlichen Sprechsituationen, die immer wieder auch kommunikative Praktiken und den Mediengebrauch der Jugendlichen berücksichtigen, Wesentliches zum Unterrichtsgeschehen bei. Mal geht es um sorgfältiges Formulieren, um präzises Argumentieren, um dezidiertes Eintreten für eine Sache, um anschauliches Erklären, dann wiederum um packendes Erzählen, um konzises Zusammenfassen, um pointiertes Unterhalten oder aber um spezifisches Nachfragen und um förderliches Rückmelden. Die überblickbaren, wenig umfangreichen Aufträge dienen den Schüler:innen als Übungsmöglichkeiten, ihre Beiträge werden im Unterricht genutzt, besprochen und mit einem Feedback gewürdigt. Aus den gesammelten Beiträgen resultiert eine Beurteilung, die in die Leistungsbeurteilung des jeweiligen Fachs einfliesst. Entscheidend ist dabei, dass nicht nur die Inhalte, die in den kurzen Mündlichbeiträgen geäußert werden, im Unterricht aufgegriffen werden, sondern dass auch die Medien – die mündliche Sprache und die verschiedenen analogen und digitalen Hilfsmittel – immer wieder in den Fokus rücken; denn die Sprechsituationen mit den unterschiedlichen sprachlichen Handlungsmustern und wechselnden medialen Dispositiven werden in unserem Konzept regelmäßig im Unterricht beleuchtet, mündliche Kommunikation damit als Unterrichtsmedium wie auch als Unterrichtsgegenstand thematisiert. Derart werden in unserem Unterricht die Schüler:innen über die Schuljahre hinweg kontinuierlich für das Mündliche sensibilisiert und Mündlichkeit erhält insgesamt mehr Gewicht. Die Schüler:innen ergreifen also das Wort, bringen sich ein und erfahren dabei Wertschätzung, gewinnen dadurch an Selbstvertrauen. Anders als der fragend-erörternde Unterricht, der oft nur Scheindialoge produziert, zielt die «Neue Mündlichkeit» damit auf emanzipatorische Interaktion, indem Sprechen zum Instrument der Selbstermächtigung wird. Auf diese Weise trägt der so gestaltete Unterricht tatsächlich zur Förderung von mündlichen Kompetenzen bei.

Unterricht und die jeweils spezifischen Lehr-/Lernsituationen variieren freilich je nach Stufe, Fach, Klasse, Lektionenzahl und Rahmenbedingungen wie etwa der Schulhauskultur stark. Diese Vielfalt an kontextueller Variation ist grundsätzlich bereichernd, vor allem daher, weil sie den Lehrkräften ermöglicht, sich mit eigenen Stärken und Vorlieben einzubringen und den Unterricht ein Stück weit persönlich zu interpretieren. In unserem Konzept der «Neuen Mündlichkeit» versuchen wir, diesen unterschiedlichen schulischen Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen. Wir präsentieren daher zwei Umsetzungsmöglichkeiten unseres Konzepts. Die erste setzt die Freiwilligkeit ins Zentrum, betont damit die Eigenverantwortung und die Schüler:innen-Autonomie. Die zweite fokussiert stärker auf ein systematisches Vorgehen und auf die kontinuierliche Förderung der mündlichen Kompetenzen aller Schüler:innen. Je nach Vorliebe und je nach den Möglichkeiten, die einem der persönliche Unterrichtskontext bietet, passt möglicherweise die eine oder andere Umsetzung besser zur eigenen Situation. Auch eine Kombination oder ein alternierendes Vorgehen ist denkbar, indem etwa je Semester unterschiedlich verfahren und die Intensität der mündlichen Zusammenarbeit im Unterricht variiert wird.

Abbildung 2: Informationsfolie zur Einführung des Konzeptes «Neue Mündlichkeit»

(Quelle: Unplash, Pixabay)

Umsetzung I:Fokus Ermutigung und Schüler:innen-Autonomie

In der ersten Umsetzung unseres Konzepts motiviert die Lehrkraft die Schüler:innen immer wieder, sich mit kurzen eigenständigen Beiträgen in den Unterricht einzubringen. Sinnvoll ist zu Beginn ein Impuls durch die Lehrkraft, in der sie das Konzept erläutert und auf die Wichtigkeit von mündlichen Beiträgen für ihren Unterricht eingeht. Den Schüler:innen muss klar sein, dass Unterricht hier als etwas Gemeinsames verstanden wird, an dem sie sich potenziell immer aktiv beteiligen und wahlweise eigene Akzente setzen können. In dieser Variante geht es also darum, die Schüler:innen mit möglichst wenig Druck zur aktiven mündlichen Beteiligung zu ermutigen. Die Lehrkraft schafft eine Atmosphäre, in der die Bühne frei ist für Schüler:innen, die etwas zu den jeweiligen thematischen Einheiten beitragen wollen. Diese Beiträge werden in den Unterricht eingespielt, im Plenum diskutiert und mit Hilfe eines Feedbacks aus der Klasse gewürdigt. Auch die Lehrkraft gibt regelmäßig mündliches oder schriftliches Feedback, um Stärken und Entwicklungspotenziale aufzuzeigen. Man kann es bei diesem Feedback bewenden lassen. Das funktioniert gut in Lerngruppen, in denen die Schüler:innen bereits erkannt haben, dass mündliches Mittun in erster Linie einem selbst zugutekommt und dass dieses damit dem eigenen Lernfortschritt dient. Am Ende eines Semesters kann dieses Engagement, möglicherweise kombiniert mit einer Selbsteinschätzung, in Form eines Lobes oder einer umfassenderen Rückmeldung sichtbar gemacht werden.

Nicht wenige Schüler:innen begrüssen jedoch, wenn auch im Bereich Mündlichkeit Leistungen mit Noten gewürdigt werden. Hier bieten sich viele Spielarten an: Soll etwa besonders niederschwellig gearbeitet werden, ergeben die freiwillig geleisteten Beiträge eine mündliche Note, die aber nur dann zählt, wenn sie besser ist als der Notenanteil, der aus den schriftlichen Leistungen resultiert. Die mündliche Mitarbeit eröffnet damit klar erkennbar die Möglichkeit, die schriftliche Note zu verbessern. Etwas weniger stark auf Freiwilligkeit basierend ist die Umsetzung, nach der jede:r Schüler:in einmal im Semester einige wesentliche Inhalte einer Lektion (Erkenntnisse, offene Fragen, Probleme) zu Beginn der nächsten zusammenfasst; diese Beiträge dienen jeweils als Einstieg und tragen damit zu einer erkennbaren Kontinuität im fachlichen Zusammenhang über die einzelnen Lektionen hinweg bei. Zusätzlich fordert die Lehrkraft einmal pro Semester eine aktive Beteiligung in Form eines frei wählbaren mündlichen Beitrags. Denkbar sind z. B. ein «Bericht aus der Gruppe» nach einer Gruppenarbeitsphase, ein «Themen-Impuls» zu einer laufenden Unterrichtseinheit oder eine «Methodenreflexion», wenn die Lehrkraft eine neue Methode eingeführt hat. Die Schüler:innen müssen sich hier zwar engagieren, sind aber insofern recht autonom unterwegs, als der Zeitpunkt des Beitrags selbst bestimmbar ist; die Lehrkraft weist die Klasse zu Beginn jener Lektionen, die sich für Mündlichbeiträge eignen, auf die Partizipationsmöglichkeit hin. Für jede dieser beiden Aktivitäten gibt es einen Punkt. Ziel ist, bis zum Ende des Semesters zwei Punkte zu erreichen; diese fließen in die Semesternote ein.

Unsere erste Umsetzung lebt also in erster Linie von der Freiwilligkeit der Beiträge und der Autonomie der Schüler:innen. Die Lehrkraft muss dabei einerseits von der Wichtigkeit der Mündlichbeiträge im eigenen Unterricht überzeugt sein und diesen partizipativen Ansatz mit einer gewissen Verve und Begeisterung vertreten und auch vorleben. Andererseits ist wichtig, dass die Beiträge der Schüler:innen angemessen gewürdigt werden, so dass diese das Feedback als valablen Ertrag für den geleisteten Aufwand anerkennen. Die folgenden Einblicke in die schulische Kommunikation zwischen Lehrkraft und Schüler:innen – hier im Kontext des Geschichtsunterrichts bei Rémy Kauffmann – zeigen, dass Autonomie und Eigenverantwortung die Lernenden durchaus zu Eigenleistungen motivieren:

Robin Taing 05.12.2024 20:47 Bearbeitet

Guten Tag Herr Kauffmann

Vielleicht haben Sie von den Unruhen in Südkorea gehört. Ich würde morgen (06.12.2024) gerne darüber Berichten. Es würde maximal 10 Minuten gehen.

Liebe Grüsse

Robin Taing

Nora Sabani 09.01.2025 17:20

Guten Abend Herr Kauffmann

In den Ferien habe ich mich mit einem sehr interessanten Thema beschäftigt: Frauen der Reformation. Dazu habe ich eine kleine PowerPoint und einen kurzen Vortrag vorbereitet. Dürfte ich diesen morgen in der Klasse halten? (Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn sie vor meinem Vortrag das Thema meines Vortrags noch nicht erwähnen würden, da dies in meiner interaktiven Einleitung eingeplant ist, dass alle mitdenken können).

Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend und freundliche Grüsse

Nora Sabani, G2h

Da Schüler:innen sich oft sehr unmittelbar durch aktuelle Ereignisse angesprochen fühlen, gleichzeitig – ihrem Alter entsprechend – noch nicht so gewohnt sind, mit viel Vorlauf zu planen, ist damit zu rechnen, dass Vorschläge für Beiträge auch recht spontan eingehen können, wie das folgende Beispiel zeigt. Hier empfehlen wir, wenn immer möglich das benötigte Zeitfenster im Unterricht einzurichten: Denn ein genuines Interesse von Seiten der Lernenden ist zumeist Garant für einen spannenden Beitrag, der die Mitschüler:innen zu packen vermag.

Ivan Kos Donnerstag 01.05.2025 23:08

Guten Abend Herr Kauffmann

Tut mir leid für die späte Benachrichtigung, doch wäre es möglich, morgen einen Teil einer Ihrer beiden Geschichtsstunden für meine Präsentation aufzuwenden?

Freundliche Grüsse und eine gute Nacht

Ivan Kos

Teams-Chatnachrichten von Schüler:innen (Unterschiedliche Jahrgänge, Kantonsschule Baden, Schuljahr 2024/25, Rechtschreibung korrigiert)

Umsetzung II:Fokus Systematik und kontinuierliche Förderung

Die zweite Umsetzung unseres Konzepts «Neue Mündlichkeit» geht etwas systematischer vor als die erste Variante, beruht nur in Teilen auf Freiwilligkeit und Autonomie und bindet alle Schüler:innen kontinuierlich mündlich ein. Zu Beginn des Semesters stellt die Lehrkraft das Programm der folgenden Monate vor. Dabei werden nicht nur die Themen und die unterschiedlichen schriftlichen Leistungserhebungen eingeführt, sondern auch die mündlichen Aktivitäten. Es sind dies kleine Beitrags- und Auftrittsmöglichkeiten, die über das Semester verteilt werden. Die Lehrkraft benennt und erläutert die für das betreffende Semester gewählten Szenarien und die darin enthaltenen Aufträge. Realistisch sind rund vier bis sechs obligatorische Beiträge pro Schüler:in (o), die ergänzt werden können durch fakultative Aufträge (f). Ein Überblick für ein Semester könnte folgende Aktivitäten umfassen:

– «Bericht aus der Gruppe»: das Resultat aus einer Gruppenarbeit referieren (o);

– «Mein Votum zum Einstieg»: ein Einstiegsvotum in eine Diskussion abgeben (o);

– «Feedback, das wirkt»: ein mündliches Feedback zuhanden einer Mitschülerin/eines Mitschülers formulieren (o);

– «Horizont-Erweiterung»: einen Online-Beitrag zum aktuellen Thema vorstellen (o);

– «Wir müssen reden»: im Dialog mit der KI einen Text vertieft erarbeiten und das Resultat daraus live präsentieren (f);

– «Expert:innen-Interview»: im Zweierteam ein kurzes Interview mit einer Fachperson zu drei spezifischen Fragen aus der laufenden Unterrichtseinheit durchführen (f);

– «One-Minute-Speech»: ein 60-Sekunden-Votum zu einem strittigen Sachverhalt aufnehmen (f).

Die Lehrkraft verweist zum Abschluss dieser Einführung auf die spezifischen Kommunikationssituationen der verschiedenen Auftragsformate und bespricht mit der Klasse die Funktionen der jeweiligen Sprechhandlungen, z. B. mit Blick auf die ganz wichtige Wirkungsabsicht oder die Angemessenheit. Derart sind die Schüler:innen gut gerüstet, um in den folgenden Wochen diese Aufträge anzupacken. Ein konkretes Beispiel soll hier zur Veranschaulichung etwas genauer beschrieben werden, das Szenario «Experiment auf den Punkt»:

«Experiment auf den Punkt»

Im Chemieunterricht steht eine Lektionenreihe an, in der die Schüler:innen angeleitet Experimente durchführen. Der Auftrag, der pro Experiment jeweils von jemandem allein oder von zwei Schüler:innen zusammen übernommen wird, besteht darin, das Experiment, das durchgeführt und analysiert wurde, am Ende der Lektion knapp und prägnant in eigene Worte zu fassen. Gefragt ist hier also ein sachlicher Beitrag, der einen komplexen Sachverhalt auf den Punkt bringt und die Zuhörer:innen bestmöglich informiert. Der/die Sprecher:in zeichnet den Beitrag auf und stellt das Tondokument, das nicht mehr als rund 60 bis 90 Sekunden dauern sollte, allen zur Verfügung. Die Lehrkraft kann später darauf zurückkommen und diesen Schüler:innen-Beitrag z. B. als Ausgangspunkt der Folgelektion nutzen.

Während des Semesters gibt die Lehrkraft zu den von ihr geplanten Zeitpunkten im Rahmen eines bestimmten Szenarios einen Mündlichbeitrag aus, der in der Regel gleich im Unterricht erarbeitet und für den Unterrichtszusammenhang genutzt wird. Daneben erinnert sie immer wieder an die Möglichkeit, sich zu melden und sich mit einem freiwilligen Beitrag zu beteiligen. Hilfreich ist hierbei, wenn die Aufträge regelmäßig wiederkehrend eingesetzt werden, etwa als Auftakt oder Schlusspunkt einer Lektion. Denn diese Form von Ritualisierung trägt zu einer besseren Übersicht bei; und sie hilft, an das betreffende Szenario sowie das darin enthaltene Gesprächsformat «Mündlichbeitrag» zu erinnern und damit die Sensibilisierung der Schüler:innen für den Bereich Mündlichkeit stetig weiterzuführen.

Ein Dokument, das die Lehrkraft vorbereitet und bereitstellt, verzeichnet die Szenarien, die für das ganze Semester definiert worden sind. Darin werden die Beiträge, welche die Schüler:innen an den Unterricht beisteuern, laufend vermerkt. Alle Schüler:innen haben Zugriff auf das Dokument, so dass jede und jeder einen Überblick über den Stand der Dinge hat und erkennen kann, ob ein freiwilliger Beitrag angezeigt ist. Damit werden die Selbstverantwortung und Mitbestimmung der Schüler:innen auch in dieser zweiten Umsetzung unseres Konzepts ein Stück weit gefördert: Denn die Lernenden können selbst entscheiden, ob sie zusätzliche Beiträge leisten wollen. Möglich ist auch, dass aus gewissen Unterrichtssituationen heraus, die sich hierfür anbieten, ad hoc die Möglichkeit eröffnet wird, einen Mündlichbeitrag zu leisten; dabei kann der Vorschlag von der Lehrkraft selbst oder aber von den Schüler:innen kommen. Und weiter ist auch möglich, dass die Lehrkraft in mündlichen Arbeitsphasen auf die Metaebene wechselt und Beiträge, die in qualitativer Hinsicht besonders auffallen, spontan und ohne dass diese als mündlicher Auftrag deklariert worden wären, herausgreift und als (gelungenen) Mündlichbeitrag vermerkt. Sie praktiziert derart den ressourcenorientierten Blick auf Schüler:innen-Beiträge. Und sie kann dieses Recht, gelungene Beiträge spontan in den Fokus zu rücken und mit Feedback zu versehen, auch den Schüler:innen selbst einräumen; dies fördert das genaue Zuhören und den Blick auf Mündlichkeit als Medium und als Gegenstand einerseits, den Blick für Qualitäten in der Klasse andererseits. Derart wird Kommunikationskompetenz und werden gute mündliche Leistungen immer wieder in Erinnerung gerufen und der Wert und die Wichtigkeit von adäquaten Beiträgen für den Unterricht unterstrichen.

Mündlich kompetent durch Learning by doing