Niemand weiß wohin es ihn trägt - Daniela Noitz - E-Book

Niemand weiß wohin es ihn trägt E-Book

Daniela Noitz

4,8

Beschreibung

Fünf Hundeschicksale werden erzählt, alltäglich und banal, denn so oder zumindest so ähnlich geschehen sie tagtäglich fast überall auf der Welt. Der Missbrauch, die Misshandlung oder die Verelendung von Hunden ist noch alltäglich, aber das muss es nicht bleiben. Fünf Schicksale, die vielleicht irgendwann nur mehr in Geschichten aus früheren Zeiten existieren - das wäre meine Hoffnung.

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Inhaltsverzeichnis

HINFÜHRUNG

NIEMALS GIBT ES GEWISSHEIT

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ANA FÄHRT GERNE MIT DEM

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EBOREN UM ZU GEHORCHEN

DAS LEBEN IST VOLLER ÜBERRASCHUNGEN

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KLAVEN WERDEN NICHT GEBOREN

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DAS HAPPY END

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Hinführung

Das Leben ist nicht gerecht. Das Leben ist nicht ungerecht. Recht und Unrecht sind keine Kategorien, die das Leben ausmachen. Es ist wie es ist. Es ist auch kein Verdienst. Es gibt keine Schuld.

Wird man in einem reichen Land geboren, mit all den vielfältigen Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, so ist es nicht, weil man ein Verdienst erworben hätte. Es ist keine persönliche Leistung. Es ist wie es ist. Ebenso ist jemand, der in einem armen Land geboren wurde, nicht der Urheber dieser Tatsache. Er trägt keine persönliche Schuld. Es ist wie es ist. Das gilt für Menschen ebenso wie für Hunde. Ob einer in einer behüteten Zucht das Licht der Welt erblickt oder in einem stillgelegten Bahnhofswagon oder in einem engen, verdreckten Käfig der Massenzucht, all das ist Zufall. Das Schicksal ist blind gegenüber dem Leid aber auch dem Glück des Einzelnen. Es mag sich nicht verzetteln. Wie fünf Erbsen in einer Schote, die herauspurzeln in die Hand eines Jungen, der sie mit seiner Pistole in die Welt hinausschießt. Wo sie landen, das ist völlig ungewiss. Weder Verdienst noch Schuld.

Jeder Hund auf dieser Welt hat sein eigenes Schicksal. Wo und welchen Umständen er geboren wird, darauf hat der Mensch in vielen Fällen keinen Einfluss. Aber er hat Einfluss darauf wie er mit Hunden umgeht, die in seiner Gewalt sind. Misshandelte, missbrauchte, vergewaltigte Hunde sind Menschenwerk.

Willkürlich habe ich fünf Schicksale herausgegriffen, wie die fünf Erbsen, die aus der Schote in eine ungewisse Zukunft geschossen werden. Die erzählten Geschichten sind namenlos und exemplarisch, denn sie wiederholen sich, zu jeder Zeit und an vielen verschiedenen Orten. Dabei gäbe es noch viele weitere Formen des Missbrauchs, wie die Nutzung von Hunden für die Erprobung von Kosmetika oder für die Befriedigung menschlicher sexueller Bedürfnisse in sog. „Tierbordellen“ oder auch der ganz „normale“ Sadismus Einzelner. Willkürlich wie das Schicksal ist die Auswahl, aber es gibt wohl Einblick in die Leiden, die die Menschen nach wie vor den Tieren zumuten.

Laut Schätzungen leben weltweit 375.000.000 Hunde auf der Straße. Das bedeutet, dass 75% der auf der Welt lebenden Hunde kein Zu Hause haben und oft unter elenden Bedingungen hausen. Die Gründe dafür sind vielfältig, doch die Lösungen sehr naheliegend. Denn wenn nur ein Paar dieser Hunde kastriert werden würde, bedeutete das Elend für weitere 8.000 Tiere über fünf Jahre zu verhindern. Doch nicht nur, dass sie verelenden, der Mensch weiß dieses Elend auch noch für seinen Profit und seine Bequemlichkeit zu nutzen.

So werden tausende Hunde illegal und unter den miserabelsten Bedingungen gezüchtet, weil viele einen Rassehund haben wollen, der nichts kostet. Die Hündinnen werden zu Zuchtmaschinen und, sobald funktionsuntüchtig, auch ebenso entsorgt.

Hunde werden aufgenommen, weil der menschliche Nachwuchs Freude daran hat, und ebenso entsorgt, wenn er keine Freude mehr zeigt, wenn man merkt, dass ein Lebewesen Verantwortung und Einschränkung bedeutet. Hunde werden zu Kampfhunden ausgebildet und dazu gebracht sich gegenseitig im Ring zu zerfleischen, aber auch mit fragwürdigen Methoden zu Jagdhunden ausgebildet.

Hunde werden auf jegliche erdenkliche Art gequält oder einfach irgendwo zurückgelassen, dem Hungertot preisgegeben.

Hunde werden willkürlich ermordet, und ihr Fell zu billigem Pelzbesatz verarbeitet.

Die beschriebenen Beispiele sind willkürlich und wahllos gewählt, doch es sind welche, die überall auf der Welt zu jeder Zeit geschehen. Natürlich können wir nicht von heute auf morgen 375.000.000 Straßenhunde retten, aber wir können durch unser Konsumverhalten andere Grausamkeiten verhindern.

Wir können der illegalen Welpenzucht und damit dem Elend dieser Tiere ein Ende machen, indem wir keine Hunde aus fragwürdigen Quellen beziehen.

Wir können dem Treiben der Pelztiermafia ein Ende setzen, indem wir konsequent keine Kleidungsstücke mehr kaufen, die mit Pelz versehen sind.

Denn letztlich gibt es nur ein Argument, das im Kapitalismus zählt, der Gewinn. Sobald etwas keinen Gewinn mehr abwirft, wird es eingestellt. Damit tragen wir die Verantwortung, mit jeder einzelnen Kaufentscheidung.

Viele Vereine und Initiativen haben es sich zur Aufgabe gemacht, für ausgesetzte, vertriebene oder einfach ungewollte Hunde ein neues Zu Hause zu finden. Sie wirken vor allem in Ländern, die gegenüber dem privilegierten Westen immer noch benachteiligt sind, da die Menschen dort aufgrund der prekären wirtschaftlichen Situation nicht in der Lage sind, sich angemessen um ihre Tiere zu kümmern. Die, die kein Heim mehr haben und nicht direkt vermittelt werden können, kommen nach Österreich. Die, die ihre Tiere behalten werden mit Futter, aber auch medizinischer Betreuung, die sich die ansässigen Hundehalter oft nicht leisten können, unterstützt. Darüber hinaus werden die Tiere kastriert, so dass weiteres Elend von vornherein verhindert werden kann. All diese Aktivitäten sind nur durch Spenden möglich.

Lassen Sie sich Ihre Verantwortung nicht abnehmen, sondern tragen Sie dazu bei, dass immer mehr Hunde auf dieser Welt ein Leben führen können, das eines Lebewesens würdig ist.

Tragen Sie dazu bei, indem Sie die richtigen Kaufentscheidungen treffen, indem Sie andere informieren und es damit schwerer machen, dass nach wie vor weggesehen wird.

Und tragen Sie dazu bei, indem Sie die großartige Arbeit und den Einsatz für Hunde in Not unterstützen. Einen Anfang haben Sie damit gemacht, dass Sie dieses Buch kauften, denn ein Teil des Verkaufserlöses kommt direkt den Hunden zugute.

I. Niemals gibt es Gewissheit

Es war einmal eine Erbsenschote, die war durch die Sonne gereift. Zunächst waren die Erbsen in der Schote so winzig, dass sie sich wie verloren vorkamen, doch dann wuchsen sie heran, und mittlerweile waren sie so groß, dass sie sich wie gequetscht vorkamen. Es war Zeit, dass die Schote aufbrach und sie in die Welt entließ. Was würde wohl mit ihnen geschehen? Würden sie abgepflückt von einer braven Hausfrau, die sie in ihre Schürze packte, mitsamt all den anderen Schoten vom Strauch, um sie sorgfältig auszulösen, und alle miteinander in einen Topf zu geben, auf dass sie ein schmackhaftes Mahl abgäben? Oder würde sich gar niemand um sie kümmern, so dass die Schote einfach aufplatzte und sie hinaus in die Freiheit kullerten? Doch was war dann? Sie wussten es nicht und konnten es auch nicht wissen, denn ihre Welt endete am Innenrand der Schote. Von allem anderen wussten sie nichts. Doch dann ging ein Ruck durch die Schote. Sie wurde gepflückt, von einer Kinderhand, einer kleinen Kinderhand. Den Erbsen in der Schote erschien die Hand gleichwohl riesig und mächtig.

* * *

Fang das Licht

Fünf Erbsen waren in der Schote. Fünf Erbsen kamen aus der Schote in die Hand des Jungen, der sie in seine Pistole tat und abfeuerte. Eine flog auf ein Fensterbrett, ein hölzernes, schmales Fensterbrett vor einem verwitterten, windschiefen, alten Fenster, hinter dem eine Mutter mit ihrer Tochter lebte. Und mit ihnen eine schwere Krankheit, eine Krankheit, die man weder mit dem Stethoskop noch mit dem Fieberthermometer messen konnte, eine Krankheit, die nicht ans Bett fesselt und nicht in ein Krankenhaus zwingt, sondern die einfach da ist wie das Wetter. Oft ungesehen. Und die Erbse landete auf dem Fensterbrett und wurde in einem Spalt, den das alte Holz durchzog, eingezwängt. Verwundet war sie und gefangen. Die eine der fünf Erbsen aus der Schote.

* * *

Die Maisonne fiel durch die Blätter der Bäume und warf Muster auf den Boden, die sich immerzu veränderten, wenn der Wind die Blätter bewegte. Sonnenstrahlen und Wind spielten miteinander, während ein kleines tapsiges Welpenmädchen voller Lebens- und Abenteuerlust von einem glitzernden Flecken zum nächsten hopste. Dabei musste sie achtsam sein, dass sie die anderen nicht aus den Augen verlor. Doch es war einfach zu verführerisch. Ab und an ließ sich ein kleines helles Quietschen vernehmen. Mit sehr viel Phantasie könnte man es für ein Bellen gehalten haben, allerdings auch nur dann, wenn man das kleine Wollknäuel zuvor als Hund identifiziert hätte. Es tat aber niemand. Es war eben so. Ein kleiner Hund, im Spiel versunken, und gleichzeitig begierig Schritt zu halten mit den Großen und den Geschwistern. Gerade mal acht Wochen war sie alt, doch ihre Mutter hatte befunden, dass es Zeit für sie war sich abzunabeln, in die Welt hinaus zu gehen und für sich selbst zu sorgen. Am Morgen noch hatten sie energische Versuche unternommen an die Zitzen zu gelangen. Mehr um die Nähe noch ein wenig zu spüren, als dass die verbleibende Milch wirklich gesättigt hätte. Milch, die mehr fürs Herz war als für den Magen. Doch die Hündin hatte genug von den kleinen Saugern und biss sie weg.

Bloß nicht alleine sein. Tollpatschig, wie sie nun mal waren, hüpften sie mit den anderen mit. Wo die großen Hunde leichtfüßig dahinschlenderten, mussten sie sich schon ordentlich anstrengen. Fielen auf die Schnauze. Standen wieder auf. Kugelten im Gras und übereinander. Bissen sich spielerisch in die Ohren, die Beine oder was ihnen gerade zwischen die kleinen, spitzen Zähnchen kam. Der übermütigste aus dem Wurf hatte gerade den Schwanz des größten Rüden ins Visier genommen, doch das sollte ihm nicht gut bekommen. Verärgert schleuderte er den Welpen von sich, denn Welpenschutz, das ist eine Mär aus der Menschenwelt. Respekt sollten sie haben. Der kleine, dreiste Kerl flog durch die Luft und schlug zwei Meter weiter auf, zum Glück gedämpft durch das üppig wuchernde Gras, so dass er sich aufrappelte, schüttelte und kein bisschen weniger frech war. Nur den Schwanz des großen Rüden, das hatte er doch begriffen, den würde er nun in Ruhe lassen. Zumindest eine Zeit lang.

Und die Kleine war in das Spiel mit den Sonnenstrahlen vertieft. Mit anhaltender Begeisterung sprang sie weiter und weiter, schlang die Vorderpfoten um den glitzernden Flecken ohne etwas Haschen zu können. Da sah sie auf. Sie fand sich alleine. Wo waren sie nur hingegangen? Sorgfältig schnupperte sie und folgte dem Geruch, der satt und eindrucksvoll in der Luft hing, und dann sah sie es auch schon wieder, das ganze Rudel.

Der große alte Rüde, dem man als Welpe am besten nicht zu nahe kam. Der war knorrig wie eine alte Eiche und verstand gar keinen Spaß. Dann war da noch der kleinere Rüde, und wahrscheinlich der Vater von dem Wurf, aber wer konnte das schon so genau sagen. Dann waren da noch zwei Hündinnen, die Mutter und eine alte, ehrwürdig ergraute, die sich immer öfter zurückzog und sich immer weniger rührte. Doch an diesem warmen Tag im Mai, da waren sie alle unterwegs. Vielleicht weil es der erste warme Tag war in diesem Frühjahr. Die Sonne vermag alle zu locken. Verstreut lagen sie nun auf der Straße, gähnend, während ihnen die Sonne aufs Fell schien und es aufheizte.

Endlich hatte sie ihr Rudel eingeholt, als sich das Glitzern wieder zeigte. Hurtig sprang sie auf, bereit es zu haschen. Immer wieder wich es vor ihr zurück. Was nur dazu führte, dass sie immer eifriger hopste. Irgendwann würde es ihr gelingen es zu fangen. So gingen ihre Vorderpfoten mal nach links, mal nach rechts. Die kleinen Ohren, die sich nicht entscheiden hatten können, ob sie Hänge- oder Stehohren hatten werden wollen, flatterten bei jedem Hopser. Es wäre lustig anzusehen gewesen. Es sah aber niemand. Es war eben so.

Aus den Augenwinkeln sah sie wie die anderen davonliefen, als hätten sie es plötzlich eilig. Dann ging alles sehr schnell. Sie fragte sich noch wo sie denn alle hingelaufen waren, so schnell. Als sie es endlich sah. Ein großer Schatten, der auf sie zuraste. Verzweifelt versuchte sie einen Sprung. Weg von diesem Ungetüm, das auf sie zukam. Die Reifen quietschten und der Motor heulte auf. Der Lärm durchschnitt ihre Ohren, so wie der Schmerz ihren Körper. Wie brennende Lava ergoss er sich über sie und lief durch sie hindurch. Sie hätte achtsamer sein müssen. Sie hätte mit den anderen mitlaufen sollen. Doch jetzt war es zu spät. Jetzt konnte sie sich nicht mehr bewegen. Wie gelähmt blieb sie liegen, während der Motor nochmals aufheulte und sich dann entfernte. Vielleicht hätte sie nicht so verspielt sein dürfen. Einfach weglaufen. Verzweifelt versuchte sie ihren Körper zu bewegen, doch der folgte ihr nicht. Blieb einfach liegen. Und der Laut, der sich ihrer Kehle entrang, war kein Fiepen mehr, sondern ein markerschütterndes Jaulen. Ausdruck unsäglichen Schmerzes. Es hätte einen das Herz durchschnitten. Es hörte aber niemand. Es war eben so. Auch die Verzweiflung.

* * *

Lana fährt gerne mit dem Auto

Fünf Erbsen waren in der Schote. Fünf Erbsen kamen aus der Schote in die Hand des Jungen, der sie in seine Pistole tat und abfeuerte. Eine nach der anderen schoss er hinaus, eine nach der anderen wurde in die Welt hinauskatapultiert und landete wo sie eben landete. Die erste wurde in einen Spalt in einem morschen Fensterbrett katapultiert, und schien dort, festgesteckt zu bleiben. Die zweite hingegen fand sich auf üppiger, dunkler Erde wieder, und das Schicksal schien ihr hold zu sein.

* * *

Lana liebte es mit dem Auto zu fahren. Das lag aber weniger am Auto fahren selber, sondern daran, dass es bedeutete, in das Gefährt einzusteigen, sich zu ihrem kleinen Frauchen, der zwölfjährigen Tochter ihres Besitzers, Julia, zu kuscheln, sanft geschaukelt zu werden, um dann wieder auszusteigen, an einem ganz anderen Ort, der ihr oftmals fremd , aber dennoch immer schön für sie war, da es so wahnsinnig viel zu entdecken gab. Umgeben von Menschen, die ihr Sicherheit und Geborgenheit schenkten, konnte sie es wagen ihre Entdeckerfreude auszuleben.

Einmal, da war sie noch ein ganz ein kleiner Hund gewesen, da hatten sie einen Ausflug gemacht, auch mit dem Auto. Am Waldrand hielten sie. Neugierig sah Lana aus dem Fenster. So viele fremde Geräusche und Gerüche. Es war das erste Mal in ihrem kurzen Hundeleben, dass sie einen Wald sah. Aufgeregt forderte sie, dass sie endlich aus dem Auto aussteigen dürfe, indem sie an der Tür hin- und hersprang und ihr Schwanz wie ein Propeller rotierte. Wieso brauchten die Menschen auch immer so lange? Endlich ging die Türe auf und an ihr neues Halsband wurde die Leine angehängt. Sofort versuchte sie davonzuspringen, doch die Leine riss sie unsanft zurück. Was sollte das nun wieder sein? Da gäbe es so vieles zu entdecken, und man konnte nicht hin, obwohl es vor der Nase lag. So gingen sie eine Zeitlang dahin, als sich die Bäume lichteten und eine Wiese kam, mitten im Wald. Ihr Frauchen kniete sich neben Lana und befahl ihr sich niederzusetzen. Lana fiel es schwer ihren Blick in einer Richtung zu halten, doch ihr Frauchen meinte es offenbar ernst, als sie immer wieder ihre Aufmerksamkeit einmahnte. Ein bisschen würde es schon gehen. Dann sprach sie einiges. Wann würde sie endlich fertig sein? Die Menschenworte endeten und dann wurde die Leine abgehängt. Lana war sich als erst nicht ganz sicher und probierte vorsichtig. Ein, zwei, drei, vier Schritte vorwärts ins Gras. Tatsächlich, da war plötzlich nichts mehr, was sie zurückhielt. Vorsichtig ging sie ein paar Schritte. Das Gras wurde höher, so dass sie nicht mehr darüber sehen konnte, aber die Gerüche waren sowieso interessanter.

„Lana“, hörte sie plötzlich Julias Stimme. Kurz überlegte sie ob sie hinlaufen oder doch lieber ihren Entdeckungsspaziergang fortsetzen sollte. „Lana“, ertönte es nochmals. Die Stimme klang ungeduldiger, um beim dritten Mal, als Lana immer noch mit sich rang ob sie dem inneren Drang oder doch Julias Stimme Folge leisten sollte, als durchaus scharf bezeichnet werden zu können. Endlich lief Lana auf Julia zu, die sie freudestrahlend in die Arme schloss. Was immer sie auch zu Lana sagte, sie bekam ein Leckerli dafür. Dann durfte sie wieder laufen, mitten hinein ins hohe Gras. Doch was war das für ein Geruch? Lana kannte ihn nicht, aber er war verlockend.

Die Nase am Boden ging sie ihm nach, immer weiter und weiter. Eine unsichere Stimme klang wie von Ferne zu ihr, die ihren Namen rief, aber sie hörte es nicht mehr. Immer weiter ging sie, bis sie aufschaute und sich einem Hirsch gegenübersah. Stolz reckte er sein Geweih in die Höhe. Groß war er, viel zu groß. Es war wohl ratsam sich aus dem Staub zu machen. Und das tat Lana, rannte los, völlig kopflos. Endlich hielt sie inne. Die Stimme war nicht mehr zu hören. Ganz allein war sie und wusste nicht wohin. So irrte sie durch den unbekannten Wald. Wie lange, das wusste sie nicht. Endlich fand sie den Weg wieder auf dem sie gekommen waren. Erschöpft legte sie sich nieder. Nichts war zu vernehmen als das Rauschen des Windes. Irgendwann müssten sie zurückkommen. Da drang eine Stimme an ihr Ohr, eine bekannte Stimme. Lana zog vorsichtshalber den Schwanz ein und ließ den Kopf hängen, dass auch jeder sehen konnte wie zerknirscht sie war. Doch da lag kein Ärger in der Stimme, sondern nur Erleichterung.

„Ich bin so froh, dass ich Dich wiedergefunden habe“, sagte Julia, aber das verstand Lana nicht. Was sie sehr wohl verstand war, dass offenbar niemand böse mit ihr war, dass Julia sich freute sie zu sehen. Erschöpft stieg Lana zu Julia in den Wagen, der sie zurück brachte zum Haus und dem Kuschelkissen. Ja, Lana fuhr gerne mit dem Auto.

So sprang Lana auch an diesem sonnigen Maitag mit Freude in das Auto. Julia saß schon drinnen. Die Leckerlis wären gar nicht notwendig gewesen, aber Lana fraß sie trotzdem, nicht nur um ihrem Ruf als Vertreterin der Rasse Labrador, die wohl nicht zu unrecht als fressfreudig gelten, alle Ehre zu machen, sondern auch um ihr kleines Frauchen nicht zu enttäuschen, die immer so froh war, wenn Lana ihr vorsichtig das Leckerli aus den Fingern zog. Das Herrchen stieg bei einer anderen Türe ein und brachte das Auto dazu zu fahren. Alles war wie immer. Wo sie wohl diesmal hinfahren würden? Ob es dort wieder andere Hunde zum Spielen geben würde? Ob es vielleicht gar einen See gäbe, in den sie springen könnte? Dann würde sie den Stock aus dem Wasser fischen, den sie für sie warfen, zurückbringen und das nasse Fell ausschütteln. Daran hatten ihre Besitzer immer große Freude. Das erkannte Lana regelmäßig daran wie aufgeregt sie mit den Händen herumfuchtelten und sich ihre Gesichter verzogen. Das alles bot sie ihnen gerne, denn sie waren so gut zu ihr. Regelmäßige Fütterungen und Spaziergänge, Spielen und Streicheln, ein warmes Plätzchen im Haus und in ihren Herzen. Was, oh Hundeherz, begehrst Du mehr? Lana wähnte sich einen glücklichen Hund. Natürlich hatten diese Menschen auch ihre Macken, aber das lag wohl in der Natur der Rasse. Und so schloss Lana die Augen, den Kopf in Julias Schoss gebettet, entspannt und voller Vorfreude. Auf diese Menschen konnte sie sich voll und ganz verlassen. Alles hätte sie ihnen anvertraut, alles, was sie hatte, sogar ihr eigenes Leben. Andererseits war sie auch jederzeit bereit ihre Menschen mit ihrem Leben zu verteidigen. Das Leben war wunderschön, geordnet und vertraut. Nichts konnte die Idylle trüben.