Noah, Elaine und wie alles enden könnte - Pascal Farin - E-Book

Noah, Elaine und wie alles enden könnte E-Book

Pascal Farin

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Beschreibung

Das Konzept der gegenseitig versicherten Zerstörung (engl: Mutually Assured Destruction, kurz: M.A.D.) kratzt nur an der äußersten Oberfläche dessen, was im Kontext von Atomwaffen bedacht werden muss. M.A.D. schafft nur eine scheinbare Sicherheit: Unfälle oder Kommunikationsfehler können stets zum Einsatz vom Atomwaffen führen, auch wenn niemand die Intention hat, einen nuklearen Krieg zu beginnen. Dies ist ein wesentlicher Grund dafür, dass man gedanklich über M.A.D. hinausgelangen muss, um die Erde und ihre Bewohner nachhaltig vor dem Einsatz ATomwaffen zu schützen. Ein zweiter Grund, Atomwaffen abzulehnen ist eher spiritueller Natur: Sollte es ein Werkzeug geben, mit dem eine einzelne Spezies - und von ihr nur sehr wenige Individuen - dafür sorgen können, dass fast alles Leben auf der Erdoberfläche zerstört wird, während alle anderen Lebewesen dem mehr oder weniger schutzlos ausgeliefert sind? Um diese Themen zu diskutieren, sind keineswegs grausame Geschichten von Krieg und Zerstörung notwendig. Vielmehr folgen die Leser*innen Ausschnitten aus dem Leben zweier junger Freunde, Noah und Elaine, zu Beginn ihrer Freundschaft gerade einmal zehn Jahre alt, die gemeinsam Abenteuer erleben, mit ähnlichen Themen konfrontiert sind, wie jene, die in der Diskussion über Atomwaffen relevant sind und, wie Kinder es gern und oft tun, tiefgründige und fundamentale Fragen an das Leben stellen. Aufgrund des ernsten Hintergrunds der Geschichten findet sich vor all jenen Kapiteln, die Überlegungen symbolisieren, die für Atomwaffen relevant sind, in kursiver Schrift eine kurze fachliche Einleitung.

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Seitenzahl: 142

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Noah, Elaine und wie alles enden könnte

Noah, Elaine und wie alles enden könnte

Von dort wo ich stehe sehe ich einen blinden Mann auf einem Hügel Von dort wo ich stehe sehe ich den Lehrer im Tal Von dort wo ich stehe sehe ich den blinden Mann auf einem Hügel und er steht ganz still

Ian Gillan, Mutually Assured Destruction, 1981

Impressum

© Dr. rer. nat. Pascal Farin ([email protected]) Illustrationen: Barbara Farin Herstellung: epubli - ein Service der neopubli GmbH Köpenicker Straße 154a, 10997 Berlin Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung [email protected]

Vorwort

Wir leben seit dem Jahre 1945 in einer Welt, in der es möglich ist, ganze Städte durch eine einzige Bombe, die aus einem einzigen Flugzeug abgeworfen wird, dem Erdboden gleich zu machen. Im Jahre 1952 hat die Zerstörungskraft der Atomwaffen noch einmal zugenommen, als die ersten Wasserstoffbomben entwickelt wurden. Nur wenige Jahrzehnte später genügte die Menge an Bomben, fast jeden Bewohner der Erdoberfläche innerhalb von weniger als einer Stunde zu töten oder dem Tode zu weihen, denn die Flugzeit von Interkontinentalraketen wird in Minuten und nicht in Stunden gemessen (Air Power Development Centre 2018). Viele von Ihnen werden die Debatte kennen: Land A hat Atomwaffen, Land B auch. Beide wissen, dass jeder Einsatz ihr Ende bedeutet, also setzt niemand die Waffen ein. Dieses Prinzip nennt man gegenseitig versicherte Zerstörung (engl.: Mutually Assured Destruction) kurz M.A.D (engl.: wahnsinnig). Viele Menschen, inklusive Staatschefs, glauben, dass die Welt dank dieses Konzeptes sicherer geworden sei. Manche mögen sogar in die Richtung gehen, Atomwaffen in ihrer Existenz zu begrüßen, gar als Lösung verschiedener menschlicher Probleme und internationaler Konflikte zu feiern. Dies ist eine Geisteshaltung, die nach dem Psychiater Robert Jay Lifton, der sich unter anderem mit den Ärzten der Konzentrationslager der NS Zeit, Kulten und auch den Hibakusha (Überlebende der Angriffe auf Hiroshima und Nagasaki) auseinandersetzte, als (extremer) Nuklearismus bezeichnet werden kann (Lifton and Falk 1982; Lifton 2017). Es ist dieser Nuklearismus, der in irgendeiner Form jede öffentliche Diskussion über das Thema Atomwaffen zu durchziehen scheint. Alles, was Atomwaffen jedoch können, ist zu zerstören (Lifton 2017). Es ist bemerkenswert, dass oft, wenn man in einer Diskussion über Atomwaffen über das Thema der gegenseitig versicherten Zerstörung hinauszugehen versucht, einem entgegengehalten wird, dass es Atomwaffen nun aber einmal gibt und, da die Technologie noch weniger verschwinden würde als die Bomben selbst, irgendjemand sie immer herstellen würde. Dass es sehr viele Gegenstände gibt, die prinzipiell hergestellt werden könnten, aber es nicht werden, wird dabei völlig verdrängt. Außerdem ist die Herstellung von Atombomben ein komplexes Unterfangen, was eine signifikante Schwelle zur Wiederaufnahme ihrer Produktion darstellt, sobald die Infrastruktur zurückgebaut wurde. Letztlich fällt an dieser Geisteshaltung insbesondere ein Aspekt auf: Jede Art dieses Arguments beinhaltet völlige Akzeptanz der Existenz von Atomwaffen. Jenen Menschen, die nicht dem Nuklearismus verfallen sind, mag ihre Existenz nicht gefallen, jene die es sind, wiegen sich in falscher Sicherheit. Alle nehmen jedoch bei solcher Argumentation hin, dass es diese Waffen gibt und weiter geben wird. Während M.A.D. durchaus eine tragende Rolle in großen internationalen Konflikten spielt, kratzt dieses Konzept jedoch nur an der äußersten Oberfläche der Überlegungen, die zu Atomwaffen und ihrem Gebrauch gemacht werden müssen. Tatsächlich ist es so, dass Atomwaffen ständig verwendet werden – im selben Sinne wie eine Pistole, die, ganz ohne je abgefeuert zu werden, doch genügt, um den Willen anderer Menschen zu beugen (Ellsberg 2017d). Zudem hat die Geschichte gezeigt, dass, auch wenn die Staatschefs zweier Atommächte eigentlich keine Atomwaffen einsetzen wollen, sehr wohl Situationen entstehen können, in denen der tatsächliche Einsatz der Waffen geschehen kann (Ellsberg 2017c) Dies ist ein wichtiger Grund, Nuklearismus abzulehnen und die Existenz der Atomwaffen eben nicht als gegeben hinzunehmen. Die Kubakrise (Ellsberg 2017c) ist nur ein besonders eindrucksvolles Beispiel für dieses Phänomen. Zum Höhepunkt der Krise, Ende Oktober 1962, befanden sich vier sowjetische und mit nuklearen Torpedos ausgestattete U-Boote vor der Küste Kubas, von denen nur drei überhaupt von den Amerikanern entdeckt wurden. Niemand auf der amerikanischen Seite wusste um diese Bewaffnung. Nach dem Leiter der Spezialabteilung für Funkaufklärung in einem der U-Boote, Vadim Orlov, herrschten an Bord dieses U-Boots Lufttemperaturen von etwa 45 Grad Celsius bei den Torpedos, 50 Grad Celsius in den anderen Abteilen und 60 Grad Celsius im Maschinenraum. Der Kohlenstoffdioxidgehalt der Luft war zudem so hoch, dass dadurch, in Verbindung mit den hohen Temperaturen, einige Mitglieder der Crew das Bewusstsein verloren (Ellsberg 2017c). Unter solchen Bedingungen sind menschliche kognitive Leistung und insbesondere strategisches Denken signifikant beeinträchtigt (Taylor et al. 2016; Karnauskas et al. 2020). Der Grund für die extremen Bedingungen war, dass das U-Boot vom Typ Foxtrot, eigentlich für kühle Gewässer gebaut, zu tief abgetaucht war. Dies war eine Reaktion auf die Angriffe eines amerikanischen Zerstörers, die das sowjetische U-Boot zum Auftauchen zwingen sollten. Hinzu kam noch, dass der Funkkontakt nach außen nicht mehr bestand. Dadurch konnte die sowjetische Crew nicht einschätzen, ob es sich bei den Angriffen tatsächlich nur um ein Manöver der USA handelte, sie zum Auftauchen zu zwingen. Die Angriffe hätten auch den Beginn eines großen Krieges darstellen können, der die Reaktion erfordert hätte, die nuklearen Torpedos zu nutzen. Zwei der Offiziere an Bord, Ivan Maslennikov und Valentin Savitsky, hatten sich unter den extremen Bedingungen bereits für das Abfeuern eines nuklearen Torpedos entschieden. In diesem Fall jedoch war - rein zufällig - der Stabschef der Brigade, Vasily Aleksandrovich Arkhipov, mit an Bord. Seine Mitbestimmung war hier notwendig, doch er erteilte diese mit der Begründung, dass es keine offizielle Autorisierung aus Moskau gab, nicht. Er sorgte somit dafür, dass kein nuklearer Torpedo abgefeuert wurde (Savranskaya 2005). Wäre er auf einem anderen U-Boot gewesen, wäre es zum Abfeuern des Torpedos und damit möglicherweise auch zum Ausbruch eines großen Atomkriegs gekommen. Wahrscheinlich verdankt also jeder einzelne diesem Mann und anderen Personen in ähnlichen Situationen das Leben (Ellsberg 2017c). Dies ist nur ein berühmtes Beispiel aus einer langen Liste von Zwischenfällen, falschen Alarmen und Unfällen (Atomwaffen A-Z 2023), durch die es unbeabsichtigt beinahe zu einem Einsatz von Atomwaffen oder sogar zu einem nuklearen Erstschlag gekommen wäre. Ein zweiter Grund, Nuklearismus abzulehnen ist eher spiritueller Natur: Sollte es ein Werkzeug geben, mit dem eine einzelne Spezies - und von ihr nur sehr wenige Individuen - dafür sorgen können, dass fast alles Leben auf der Erdoberfläche zerstört wird, während alle anderen Lebewesen dem mehr oder weniger schutzlos ausgeliefert sind? Es ist das Anliegen dieses Buches, diese Themen zu diskutieren. Damit dies gelingt, sind keineswegs grausame Geschichten von Krieg und Zerstörung notwendig. Vielmehr folgen wir Ausschnitten aus dem Leben zweier junger Freunde, Noah und Elaine, zu Beginn ihrer Freundschaft gerade einmal zehn Jahre alt, die gemeinsam Abenteuer erleben, mit ähnlichen Themen konfrontiert sind, wie jene, die in der Diskussion über Atomwaffen relevant sind und, wie Kinder es gern und oft tun, tiefgründige und fundamentale Fragen an das Leben stellen. Natürlich haben alle Kapitel einen sehr ernsten Hintergrund, der sich darauf bezieht, dass sich die gesamte Menschheit unter dem Damoklesschwert völliger nuklearer Zerstörung befindet. Aus diesem Grund findet sich vor all jenen Kapiteln, die Überlegungen symbolisieren, die für Atomwaffen relevant sind, in kursiver Schrift eine kurze fachliche Einleitung. Sie stellt den Bezug der Geschichte zu Atomwaffen und den damit verwandten Problemen her, die Noah und Elaine auf ihre Weise im jeweils folgenden Kapitel erleben. Erst am Ende des Buches lernen Noah und Elaine, welche Zerstörung durch Atomwaffen herbeigeführt werden kann. Liebe Eltern, sollten Sie Ihren Kindern von Noah und Elaine erzählen, so behalten sie die Einleitungen lieber für sich.

Die Namen der Charaktere

Wie denkt man sich als Autor am besten Namen für seine Charaktere aus? Oftmals ist dies keine leichte Aufgabe, doch für ein Buch mit einem solchen Thema gibt es einen einfachen Weg:

Noah Berg – Noam Chomsky / Daniel Ellsberg

Noam Chomsky ist Professor für Linguistik, Aktivist und Autor von über 100 Büchern sowie die meist zitierte lebende Person der Welt, mindestens von 1980 bis 1992 (MIT 1992). Seine Leistungen, akademisch wie politisch, sind zu enorm um ihnen in einer kurzen Einleitung gerecht zu werden. Noam Chomsky kämpft bereits fast sein gesamtes Leben lang für soziale Gerechtigkeit und Frieden.

Elaine Alice Sky – Daniel Ellsberg / Noam Chomsky

Daniel Ellsberg, ehemaliger Analyst in der RAND Corporation und späterer Aktivist, veröffentlichte bereits vor über 50 Jahren die Pentagon Papers (Ellsberg 2003), um der amerikanischen Öffentlichkeit den Schrecken des Vietnamkrieges aufzuzeigen und so den Krieg zu verkürzen. Er riskierte dafür eine 115 Jahre lange Haftstrafe, wurde jedoch nicht verurteilt. Jahre später veröffentlichte er das Buch The Doomsday Machine – Confessions of a nuclear war planner(Ellsberg 2017h). Hierin erläutert Ellsberg detailliert anhand seiner Erinnerungen an einen ebenso großen Schatz von geheimen Dokumenten wie die Pentagon Papers, die jedoch leider verloren gingen, viele der Themen, die, dadurch inspiriert, in diesem Buch diskutiert werden.

Edwald Berg – Edward Snowden

Edward Snowden war Mitarbeiter der National Security Agency (NSA) der USA und sorgte durch Veröffentlichung geheimer Dokumente dafür, dass das riesige Ausspähprogramm der USA durch die NSA weltbekannt wurde. Er lebt im russischen Exil, da ihn in den USA eine jahrelange Haftstrafe erwarten würde.

Chelsea Berg – Chelsea Manning

Chelsea Manning veröffentlichte auf der Plattform Wikileaks die Iraq und Afghan War logs, darunter unter anderem das Video Collateral Murder(Manning 2010), welches die Grausamkeit der Kriege der USA im mittleren Osten ins Licht rückt. Dafür verbrachte Chelsea Manning bereits mehrere Jahre im Gefängnis, teils in Einzelhaft.

Julia Sky – Julian Assange

Julian Assange ist Gründer der Plattform Wikileaks, über die es Whistleblowern aus aller Welt möglich ist, anonym Dokumente zu veröffentlichen. Julian Assange befand sich sieben Jahre lang in de facto Hausarrest in der Ecuadorianischen Botschaft in London und anschließend ab April 2019 im Belmarsh Prison in der selben Stadt. Er kämpfte in diesem Gefängnis zwischen Serienmördern und anderen Gewaltverbrechern unterstützt durch seine Familie und Aktivisten aus aller Welt um seine Gesundheit, seine Freiheit und die Freiheit des globalen Journalismus. Im Jahr 2024 kam er frei und lebt nun mit seiner Frau und zwei Kindern in seinem Heimatland Australien.

Randall Sky – Randy Kehler

Randy Kehler verweigerte 1969 den Wehrdienst in den USA, um gegen den Vietnamkrieg zu protestieren und war bereit, dafür 22 Monate in Haft zu gehen. Diese couragierte Entscheidung trug wesentlich dazu bei, dass Daniel Ellsberg den Mut fasste, die Pentagon Papers zu veröffentlichen und sich selbst dafür der Möglichkeit einer lebenslangen Haftstrafe auszusetzen (The Ellsberg Archive Project 2023-06).

Carl - Carl Sagan

Carl Sagan war von 1969 bis zu seinem Tod im Jahr 1996 Direktor des Labors für Planetenforschung der Cornell University und moderierte sowie schrieb die preisgekrönte Fernsehsendung Our Cosmos sowie zahlreiche populärwissenschaftliche Bücher. Unter anderem war Carl Sagan auch an der Suche nach außerirdischer Intelligenz (engl.: Search for extraterrestrial intelligence [SETI]) beteiligt und leitete die Entwicklung der goldenen Datenplatte an Bord der Raumsonde Voyager I. Auch die Idee, die Sonde Voyager I noch einmal zu drehen, um etwa aus der Entfernung Plutos die Erde zu fotografieren, stammt von ihm. Das resultierende Foto, pale blue dot(Sagan and Druyan 1994), ist weltberühmt.

Ernst - Ernst Mayr

Ernst Mayr war von 1953 bis 1975 ein mit zahlreichen akademischen Würden bedachter Professor für Zoologie an der Harvard Universität, der maßgeblich dazu beitrug, die Darwin’sche Evolutionstheorie mit der Disziplin der Genetik in Einklang zu bringen (Mayr 1942). In diesem Buch ist er aufgrund seiner Debatte mit Carl Sagan zur Frage nach der Wahrscheinlichkeit intelligenten Lebens im Universum bedacht (Mayr 1995; Sagan 1995; Johnson 2014-08).

Amy, Nermeen, Juan - Amy Goodman, Nermeen Shaikh, Juan Gonzalez

Amy Goodman, Nermeen Sheikh und Juan Gonzalez sind unabhängige Journalisten, die unter anderem gemeinsam die Sendung Democracy Now! moderieren, in der seit über 25 Jahren danach gestrebt wird, Bürgerrechtsbewegungen, marginalisierten Gruppen und Ähnlichem aus aller Welt, die in den Massenmedien kaum diskutiert werden, eine Stimme zu geben.

Kapitel 1

Ein neuer Tag

Es war ein schöner früher Morgen dort im ländlichen Außenbezirk der großen Stadt, wo jeder Mensch und alles andere in der Welt, was wichtig war, zu sein schienen. Der Himmel erstrahlte bereits teilweise in blassblau während die Feuerspiele des frühen Morgens am Horizont noch sichtbar waren. Vögel zwitscherten und Fliegen summten in den ersten wirklich warmen Sonnenstrahlen, die nach einem recht milden, aber dafür einem besonders nassen Februar und März auf die Erde trafen. Heute begannen sogar die ersten Blumen sich zu öffnen und der Geruch des Frühlings hing in der Luft. Gelegentlich hörte man ein leises Platschen aus dem Teich des Nachbarn, da einige Frösche umher sprangen und Jagd auf Insekten machten. Ein sanftes Rauschen, welches gelegentlich durch den großen Weidenbaum neben dem Teich wanderte, ließ eine frische Brise erahnen. All dieser Zauber des Lebens drang jedoch im Moment noch ganz und gar nicht zu Noah vor. Keine Sorge, ihm ging es gut, doch er und seine Eltern waren gestern spät nach Hause gekommen. Als die Sonne gerade aufging, tat Noah also genau das, was die Welt von einem zwölf Jahre alten Jungen am frühen Samstag Morgen erwartete. Er schlief - fest eingewickelt in seine Bettdecke. Ein kleines bisschen seines Bewusstseins schlich sich jedoch langsam in seinen Körper zurück. Der Geruch frisch gebackenen Brotes schien seine Träume von irgendwo weit her zu betreten. Als er zum ersten Mal seine Augen öffnete, stellte er mit Freude fest, dass dieser ferne Ort tatsächlich die Küche war und die sanfte Stimme seiner Mutter sorgte für das erste hinreichend laute Geräusch um ihn zu wecken. "Noah! Mach die Augen auf mein Schatz, Du willst das hier nicht verpassen!"

Kapitel 2

In diesem Kapitel geht es vor allem darum, Noah und Elaine kennenzulernen und ihre Beziehung zur Natur zu betonen. Lediglich Noahs Angst am Ende des Kapitels zeigt an, dass unsere seelische Welt nie ganz friedlich sein kann, so lange das, was wir lieben, von völliger Vernichtung bedroht ist.

Noah und Elaine

Noah Berg war einer dieser Menschen, deren Erinnerungen, Pläne und Ideen nicht gleich beim Aufwachen da waren. Vielmehr war es ein Prozess, der einen kleinen Moment dauerte. All die Erinnerungen, Pläne und Ideen kehrten langsam zurück oder stürzten auf ihn herab - je nachdem, ob es sich um schöne oder weniger erfreuliche Gedanken handelte. Heute war Noah glücklich. Es gab Frühstück, seine Mutter Chelsea hatte frisches Brot gebacken, sein Vater Edwald hatte sicher gleich nach dem Aufstehen den Tisch gedeckt und schon bald würde er Zeit mit Elaine verbringen. Elaine Sky. Seit zwei Jahren kannten sie sich nun und hatten immer schon in ihrer Freizeit zusammen gespielt, wie die Eltern sagten. Die Welt entdecken, die Natur verstehen und Abenteuer erleben, so fühlten sich die Ausflüge in den Wald, das Klettern auf Bäume oder die Spaziergänge zum nahegelegenen Bauernhof schon eher an. Am besten gefiel beiden, dass sie nie einen Plan brauchten, denn die nächste faszinierende Beobachtung und das nächste Experiment ergaben sich von ganz allein. Noah erinnerte sich gerne daran, wie ihre Freundschaft begann und träumte heute im Halbschlaf noch einen Moment von der Vergangenheit. Elaine war, als sie sich zum ersten Mal trafen, in der Klasse 4a, Noah in der Klasse 4b, doch in diesem speziellen Schuljahr stand etwas Besonderes an: Ein gemeinsames Gartenprojekt der Klassen a und b unter Aufsicht der jeweiligen Klassenlehrer - Der Mathematiklehrerin Frau Gärtner der 4a und dem Biologielehrer der 4b, Herrn Winkel. Frau Gärtner war eine ältere und kleine Frau mit schulterlangen grauen Haaren und einer prominenten Brille. Sie hatte die Fähigkeit, ihr Fach der Schülerschaft auf eine Weise nahe zu bringen, wie es nur wenigen gelang. Alle Schüler waren durch ihre Art zu lehren überzeugt, dass ihnen alle notwendigen Aufgaben gelingen würden und sie dadurch viel lernten. Für jene, die das Fach liebten, gab es aufgrund des schier unerschöpflichen Wissens der Lehrerin auch immer wieder neue Herausforderungen. Diese brachten alle irgendwann an ihre Grenzen. Dennoch fühlten sich die Kinder stets sicher, auch in gelegentlichem Scheitern. Nicht toleriert wurden Verspätungen und Arroganz. Die Aufgabe der schneller Lernenden war es stets, nur die Hälfte ihrer verbleibenden Zeit für neue Aufgaben zu verwenden. Die andere Hälfte galt es, anderen zu helfen. Das führte zu einem guten Zusammenhalt in der Klasse und großem Respekt, der Frau Gärtner entgegengebracht wurde. Herr Winkel war weniger streng. Er war noch keine 40 Jahre alt, groß und warmherzig. Er verfolgte die Idee, alle Kinder frei entdecken zu lassen. Die Natur war seiner Meinung nach zu komplex und lebendig, um all zu oft nur aus Büchern über sie zu lernen. Aus diesem Grund gab es oft Exkursionen. Diese mündeten jedoch stets in sehr detaillierte Arbeit. Meist machte Herr Winkel auf der Exkursion ein Foto einer bestimmten Pflanze oder eines bestimmten Tieres. Aufgabe der Klasse war es dann, dieses Lebewesen zu zeichnen, zu beschreiben, herauszufinden, wie und wo es lebte, was es konnte, was es auszeichnete und wo auf der Welt es in anderer Form noch zu finden war. Das war immer eine ganze Menge Arbeit, doch alle Kinder wussten auf diese Weise wirklich gut, was die anderen Lebewesen der Gegend jeden Tag so trieben und kannten sich rund um die Schule hervorragend aus.