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Ein schwerer Motorradunfall reißt Nationalspieler Lukas Reuther aus seinem bisherigen Leben. Wochenlang liegt er im Koma. Als er erwacht, ist nichts mehr wie zuvor. Die Ärzte dämpfen seine Hoffnungen: Seine Verletzungen sind so gravierend, dass er nie wieder Profisportler sein wird. Vom gefeierten Star zum Gescheiterten - Lukas droht, an dieser Wahrheit zu zerbrechen. Doch dann tritt die Physiotherapeutin Theresa in sein Leben: unbeirrbar, klar und überraschend zart im richtigen Moment. Sie erwartet keinen Helden, nur einen Menschen, der bereit ist, wieder aufzustehen. Vielleicht, weil sie selbst in einem Leben feststeckt, das ihr kaum Luft zum Atmen lässt. Langsam beginnt Lukas, sich zurück ins Leben zu kämpfen. Nicht nur für sich selbst, sondern auch für Theresa und ihren kleinen Sohn, denen er mehr schuldet, als er je für möglich gehalten hätte.
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Seitenzahl: 124
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Inhalt
Sein neues Leben im Abseits
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Impressum
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsbeginn
Impressum
Es war eine Nacht, die mich bis heute nicht loslässt. Eine Massenkarambolage im Starkregen, zwölf Fahrzeuge waren ineinander verkeilt, überall Verletzte, überall Chaos. Ich war die erste Notärztin am Unfallort und musste in Sekunden entscheiden, wem ich zuerst helfe.
Ein Motorradfahrer lag eingeklemmt unter einem umgestürzten SUV. Sein Bein war offen gebrochen, die Blutung lebensbedrohlich. Ich wusste nichts über ihn, nur, dass ihm kaum noch Zeit blieb. Also tat ich, was ich konnte, um ihn zu retten.
Später erfuhr ich, wer er war: Lukas Reuther. Fußballnationalspieler, Publikumsliebling, ein junger Mann mit einer glänzenden Karriere – und nun mit zertrümmerten Knochen und einer ungewissen Zukunft.
Heute, Monate später, lese ich einen Artikel über ihn. Darin steht, dass er den Halt verloren hat und dabei ist, sich selbst aufzugeben.
Ich wünsche mir, dass er kämpft. Das er mir zeigt, dass meine Entscheidung in jener Nacht richtig war. Für ihn. Für alle, die ich nicht retten konnte. Und für meinen eigenen Seelenfrieden.
»Tausend Dank, dass du das machst, alter Freund!« Johann Hartung klopfte Lukas auf die Schulter. »Dafür schulde ich dir was.«
»Ich werde dich zu gegebener Zeit daran erinnern.« Lukas grinste seinen besten Freund an.
Sie kannten sich seit ihrer gemeinsamen Schulzeit. Auch wenn diese inzwischen schon ein paar Jahre zurücklag und sie völlig verschiedene berufliche Wege eingeschlagen hatten, hatten sie sich doch nie ganz aus den Augen verloren. Während Lukas in der Welt des Profifußballs lebte, hatte Johann ein kleines Café am Rheinufer eröffnet. Bei Johanns Hochzeit war Lukas Trauzeuge gewesen, und in ein paar Wochen sollte er Taufpate für das erste Kind seines Freundes werden. Die kleine Emilia war der ganze Stolz ihrer Eltern.
»Dieser Hustensaft ist der einzige, der Emilias Husten wirklich lindert und den sie gut verträgt«, stellte Johann nun seufzend fest. »Leider hat ihn nur die Apotheke in der Nachbarstadt vorrätig. Sie würden zwar liefern, aber erst morgen wieder. Das bedeutet eine ganze Nacht Husten.«
»Das muss nicht sein. Es macht mir nichts aus, kurz rüberzufahren und den Hustensaft abzuholen«, beruhigte Lukas seinen Freund.
»Ich würde selbst fahren, aber du siehst ja, was hier los ist.« Johann machte eine Geste, die das gesamte Café Rheinblick mit einschloss. Tatsächlich waren sämtliche Tische besetzt. Lukas hatte den letzten freien Platz am Tresen ergattert, auf einem Barhocker. Lebhaftes Stimmengewirr mischte sich in die gedämpfte Musik, die im Hintergrund spielte.
»Du hast alle Hände voll zu tun, und Meike hängt selbst mit Husten und Fieber in den Seilen«, fasste Lukas die Notlage seines Freundes zusammen.
»So schaut es aus.«
»Ich trinke nur schnell meinen Kaffee aus und mache mich dann gleich auf den Weg«, versprach Lukas. »Welche Apotheke hat den Hustensaft denn vorrätig?«
»Die Rosen-Apotheke am Markt.«
»Die kenne ich. Das ist kein Problem. Mit dem Motorrad bin ich in einer halben Stunde wieder hier.«
»Lukas ...« Sein Freund bedachte ihn mit einem sorgenvollen Blick.
»Was ist denn los?«
»Das Motorrad. Du weißt genau, dass dein Vertrag dir verbietet, die Maschine noch zu fahren. Dein Verein investiert eine Menge Geld in dich. So ein Risiko würden sie dir niemals erlauben.«
»Es ist kein Risiko. Nur eine kurze Fahrt in die Nachbarschaft.«
»Trotzdem dürftest du auf überhaupt keinem Motorrad mehr sitzen. Oder?«
Lukas zuckte die Achseln. »Wo kein Kläger, da kein Richter.«
»Ist das wirklich klug?«
»Klug vielleicht nicht, aber es macht Spaß. Hast du schon vergessen, wie gern du auf deiner Maschine herumgefahren bist? Oft einfach nur aus Freude, ohne ein bestimmtes Ziel.«
»Das war vor meiner Heirat. Jetzt habe ich eine Frau und ein Baby. Ich muss auf mich aufpassen. Die beiden verlassen sich auf mich.« Sein Freund zog die Schultern hoch und ließ sie wieder sinken.
Seine Worte gaben Lukas einen leichten Stich. Er konnte sich selbst nicht genau erklären, warum dieser Satz schmerzte. Wahrscheinlich, weil es bei ihm niemanden gab, der sich auf ihn verließ. Von seinem Verein einmal abgesehen, war da einfach niemand. Keine Familie. Keine Frau. Nicht mal ein Goldfisch.
Er stieß leise den Atem aus.
Bevor er etwas erwidern konnte, schrillte hinter ihm eine Frauenstimme.
»Das ist Lukas! Lukas Reuther! Der Stürmer! O mein Gott!«
Er drehte den Kopf und sah drei junge Frauen auf sich zukommen. Sie reckten ihm Kugelschreiber und Notizbücher entgegen. Eine sogar den nackten Arm.
»Ein Autogramm! Bitte!«
Lukas blickte in leuchtende Augen. Die Frauen umringten ihn.
Sein Kaffee war vergessen. Er verteilte Autogramme und spürte, wie ihm eine der Frauen ein Kärtchen mit ihrer Telefonnummer zusteckte. Das schien ihre Freundinnen zu inspirieren. Eine notierte ihre Nummer auf einer Serviette, die sie ihm in die Hemdtasche schob, und die andere nahm seine Hand und kritzelte die Nummer einfach auf seine Handfläche. Dann entfernten sie sich kichernd wieder.
Johann rollte mit den Augen.
Lukas grinste. »Nur kein Neid«, murmelte er.
»Wer ist hier neidisch?«, brummte sein Freund. »Ich frage mich nur, was du mit den vielen Telefonnummern anfangen willst. Bei deinem straffen Trainingsplan wirst du kaum die Zeit finden, um dich mit den Dreien zu verabreden.«
»Nacheinander nicht, da hast du vermutlich recht.« Lukas zuckte mit den Achseln, während sich ein breites Lächeln auf sein Gesicht schlich. »Aber mit allen dreien gleichzeitig? Warum nicht?«
»Das ist doch wohl nicht dein Ernst?!«
»Das spart Zeit. Davon hab ich leider nicht allzu viel.«
»Lukas!«
»Was denn? Wer hat, der hat.«
»Wie gut, dass du kein bisschen eingebildet bist.« Johann stieß ihn in die Seite.
»Warum soll ich es nicht genießen, dass die Ladys meinem Charme erliegen? Man lebt nur einmal. Darum sollte man das Beste daraus machen.«
»Es kommt wohl auf die Betrachtungsweise an, ob eine Affäre nach der anderen wirklich das Beste im Leben ist.« Sorge schlich sich in die Miene seines Freundes. »Ich wünschte, du würdest dich endlich auf mehr als unverbindliche Flirts einlassen.«
»Selbst wenn ich das wollte – was ich nicht tue – woher sollte ich die Zeit dafür hernehmen? Wenn ich nicht trainiere, bin ich zu Spielen unterwegs. Da bleibt kein Raum für tiefschürfende Beziehungen.« Lukas zuckte mit den Achseln. Fußball war sein Leben. War es schon immer gewesen.
Sein Vater war gestorben, als er fünf Jahre alt war. Damals hatte er sich einer Gruppe von Jungen angeschlossen, die Fußball spielten. Sie waren alle älter als er gewesen und hatten ihn zunächst nicht dabeihaben wollen. Erst als sie merkten, wie gut er war, nahmen sie ihn auf. Sie waren seine Freunde geworden – und der Sport hatte ihm Halt und Trost gegeben.
Wenige Jahre später war er für die Jugendmannschaft entdeckt worden, und seitdem ging es mit seiner Karriere steil bergauf. Er war Stürmer. Nationalspieler. Der Mann mit dem goldenen Fuß. So hieß er, weil er mit dem rechten Fuß selbst die unmöglichsten Bälle in ein Tor verwandeln konnte.
»Sport ist nicht alles im Leben«, mahnte Johann leise.
»Für mich schon. Deshalb hat der Verein auch die Versicherung für meinen Körper erhöht. Die Summe ist inzwischen astronomisch hoch.«
»Im Ernst?«
»Und ob. Jedes Körperteil von mir ist eben wichtig. Darum wurde alles versichert.« Lukas grinste breit. »Selbst mein ...«
»Muss ich nicht wissen. Zu viele Informationen«, unterbrach ihn sein Freund und wedelte mit der Hand.
»... mein Hintern, wollte ich sagen.« Lukas wackelte mit den Augenbrauen. »Was dachtest du denn?«
»Du bist wirklich unverbesserlich«, stöhnte sein Freund.
»Das will ich doch hoffen. Aber keine Sorge, wenn alles nach Plan läuft, werde ich dich in nächster Zeit nicht mehr allzu oft nerven. Mein Verein steht in Verhandlungen mit Paris St. Germain. Ich werde höchstwahrscheinlich zu ihnen wechseln. Für eine siebenstellige Summe.«
»Grundgütiger«, murmelte Johann, »bei diesen Zahlen wird einem ja schwindlig.«
Lukas zuckte die Achseln. »Wer mich bezahlt, bekommt mich.«
»Du weißt schon, wie das klingt, oder?«
»Wie denn?«
»Als wärst du eine Ware.«
»Na ja, im Profisport ist das nicht ganz falsch. Das stört mich auch nicht. Ich will ja Leistung bringen. Und das Leben genießen.« Lukas wandte sich seiner Kaffeetasse zu und leerte sie, ehe er sie wieder abstellte. »So, ich mache mich dann jetzt auf den Weg. In einer halben Stunde hast du den Hustensaft für deine Kleine.«
»Danke dir, Lukas. Das weiß ich wirklich zu schätzen.«
Sein Freund wurde an einen der anderen Tische gerufen, und so winkte er nur noch kurz, bevor er sich wieder in seine Arbeit vertiefte. Lukas jedoch verließ das Café und stapfte zu seinem Motorrad, das er vor dem Lokal abgestellt hatte.
In der kurzen Zeit, die er in dem Café gewesen war, hatte es sich zugezogen. Der Wind war stärker geworden, und die ersten dicken Tropfen fielen. Der violette Himmel verhieß nichts Gutes.
Da braute sich ein Unwetter zusammen. Lukas fluchte leise in sich hinein. Er würde sich beeilen müssen, wenn er vor dem Gewitter zurück sein wollte. Womöglich war es doch nicht seine beste Idee, mit der Maschine zu fahren?
Er zögerte kurz, dann schob er die Zweifel energisch beiseite.
Nur kurz in die Nachbarstadt und wieder zurück. Er wäre wieder hier, bevor das Wetter voll losbrach.
Mit diesem Gedanken stülpte er seinen Helm auf den Kopf, schwang sich auf sein Motorrad und startete den Motor. Das vertraute Vibrieren, das durch die Maschine lief, fühlte sich vertraut an.
Er liebte das Gefühl von Freiheit, das er nur auf seinem Motorrad hatte. Um nichts in der Welt hätte er das aufgegeben.
Und so lehnte er sich nun vor – und gab Gas!
***
»Noch fünf Minuten«, sagte Carl, während er auf die Uhr am Armaturenbrett schaute. »Dann sind wir raus. Wird auch Zeit. War ein langer Tag. Ich hab Karten fürs Kino. Geh mit einem alten Freund in einen Actionkracher. Für ein richtiges Abendessen ist es zu spät, aber mit etwas Glück schaffe ich es gerade noch, mir ein paar Nachos zu kaufen, bevor die Werbung einsetzt. Was sind deine Pläne für heute Abend?«
Dr. Andrea Bergen lächelte. »Pizzaabend mit meinem Mann und unserer Tochter. Selbstgemacht. Mit allem belegt, was uns schmeckt – Oliven, Paprika, extra Käse ...«
»Hört sich fantastisch an. Und dein Mann schnippelt den Knoblauch, was?«
»Natürlich«, sagte sie und lachte leise.
Hinter ihnen lag ein langer Arbeitstag im Notarzteinsatzfahrzeug, kurz NEF genannt. Sie waren kreuz und quer durch die Stadt gefahren und hatten alles getan, um Menschen in Not zu helfen. Dabei glich kein Einsatz dem anderen – das war ein Detail, das Andrea Bergen an ihrer Arbeit gefiel. Ein weiteres war der Zusammenhalt unter den Kollegen. Auf Carl, Rettungssanitäter, Fahrer und in Krisenzeiten auch Zuhörer, konnte sie sich immer verlassen.
Beide waren im Elisabeth-Krankenhaus angestellt, einem modernen Klinikum am Rheinufer. Andrea Bergen arbeitete sowohl in der Notaufnahme als auch im mobilen NEF.
Das schwüle Sommerwetter an diesem Tag hatte für zahlreiche Einsätze gesorgt: Kreislaufturbulenzen, Badeunfälle, Autounfälle aufgrund von Unaufmerksamkeit ... Die Liste war lang und ihr Tag noch länger. Sie sehnte sich nach ihrem Feierabend und konnte es kaum erwarten, ihre Familie in die Arme zu schließen.
Die Schwüle des Tages hatte sich in den frühen Abendstunden über der Stadt gesammelt und entlud sich nun in einem Gewitter. Es regnete in Strömen. Die Scheibenwischer des NEF schafften es kaum, die Wassermassen zur Seite zu schaufeln, die vom Himmel stürzten. Die ersten Hagelkörner mischten sich hinein und trommelten auf das Dach des Fahrzeugs.
Andrea Bergen seufzte leise in sich hinein.
Hoffentlich verschonte das Wetter ihren schönen Garten daheim ...
Plötzlich meldete sich der Funk und ein Ruf kam herein.
»Einsatz für RTW 3 – 83 – 1: Massenkarambolage auf der L142, kurz hinter dem Abzweig Richtung Mühlenau. Mehrere Verletzte, unklare Lage. Notarzt erforderlich.«
Die Stimmung kippte sofort. Andrea Bergen griff nach dem Funkgerät.
»Hier spricht Wagen 3 – 83 – 1. Wir übernehmen. Sind sechs Minuten entfernt.«
Carl stellte keine Fragen, sondern trat das Gaspedal durch.
Wasserfontänen spritzten unter den Rädern des NEF zur Seite. Silbergrelle Blitze zerrissen den Himmel. Der Regen trommelte gegen die Windschutzscheibe, als würde er Einlass begehren. Weitere Hagelkörner schlugen wie kleine Geschosse auf und färbten die Straße vor ihnen weiß.
Carl fluchte leise und verlangsamte das Tempo. Die Notärztin spürte, wie der Wagen immer wieder ins Schlingern geriet und auszubrechen drohte. Sie sagte kein Wort. Carl wusste, was er tat.
Wenige Minuten später erreichten sie die Unfallstelle.
Hier bot sich ihnen ein Bild des Schreckens: Mehrere Fahrzeuge standen quer, waren ineinander verkeilt und zerbeult. Ein Transporter war halb über die Leitplanke gerutscht. Glassplitter, Autoteile und Koffer lagen verstreut. Ein Lkw lag quer im Graben. Das Licht von Scheinwerfern und Blinkern flackerte in der Nacht.
Carl stoppte, und Andrea Bergen öffnete die Tür und stieg aus.
Sofort stürzten die Regenmassen auf sie nieder. Binnen weniger Herzschläge war sie trotz ihrer Wetterjacke vollkommen durchnässt.
Hilferufe wehten ihr entgegen.
Hier und da wurde gehupt.
Dazu der Donner und das Prasseln des Regens.
Eine Kakofonie des Chaos.
Ein kurzer Blick genügte, um ihr zu verraten, dass sie die ersten Einsatzkräfte an der Unglücksstelle waren. Noch war nichts abgesperrt. Weder Polizei noch Feuerwehr oder andere Sanitäter waren zu sehen.
Andrea Bergen fing einen Blick von Carl auf. Er fluchte leise. Offenbar dachte er dasselbe wie sie. Sie musste entscheiden, wo sie mit der Arbeit beginnen. Einem Patienten zu helfen konnte bedeuten, zwei andere zu verlieren, bei denen sie nicht schnell genug war.
Die Notärztin sah sich die Unfallfahrzeuge an und versuchte abzuschätzen, wer ihre Hilfe am dringendsten benötigte. Dann sah sie es: Ein Motorrad lag quer auf dem Asphalt und war halb unter einem umgestürzten SUV eingeklemmt.
Der Fahrer, ganz in schwarzes Leder gekleidet, lag verdreht da. Sein rechtes Bein war grotesk abgewinkelt. Das Leder war zerrissen, weißer Knochen ragte heraus. Eine offene Fraktur. Und nicht nur das: Die klaffende Wunde pulsierte. Bei jedem Herzschlag spritzte Blut in hohem Bogen heraus.
Offener Bruch, Arterienriss. Lebensgefahr.
Andrea Bergen atmete tief durch. »Ich gehe zuerst zu ihm. Wir brauchen das Tourniquet!« Sie packte ihre Einsatztasche fester, zog die Kapuze tiefer in die Stirn und rannte durch das Chaos. Sie rief laut: »Ich bin Ärztin! Wir kümmern uns um Sie! Halten Sie durch!«, während sie sich einen Weg durch die Trümmer bahnte.
Bei dem Verletzten angekommen, warf sie sich auf die Knie.
»Mein Name ist Dr. Bergen. Bleiben Sie ganz ruhig liegen. Ich werde Ihnen helfen!«
Er reagierte nicht. Sein Helm war gesprungen, der Visor war hochgeschoben. Darunter war seine Haut blass und schweißnass, seine Augen flackerten. Kein gutes Zeichen. Sie tastete nach seinem Puls und spürte nur ein schwaches Flattern.
Ein Schock bahnte sich an.
»Tourniquet!«, rief sie, als Carl neben ihr auftauchte.
Er reichte ihr die Manschette. In schnellen, präzisen Bewegungen legte sie den Stauschlauch etwa zehn Zentimeter oberhalb der Wunde an und zog ihn fest, bis der Blutschwall aufhörte.
»Blutung gestoppt«, murmelte sie. »Fürs Erste jedenfalls. Ich brauche einen Zugang – und zwei Liter Ringer-Laktat, Druckinfusion!«
Carl reichte ihr das Infusionsbesteck. Sie waren ein eingespieltes Team. Während sie mit geübten Händen einen großlumigen Venenzugang am rechten Arm des Patienten legte, sprach sie beruhigend auf ihn ein.
»Sie machen das gut. Halten Sie durch. Wie heißen Sie?«