NSU - Was die Öffentlichkeit nicht wissen soll... - Udo Schulze - E-Book

NSU - Was die Öffentlichkeit nicht wissen soll... E-Book

Udo Schulze

4,3

Beschreibung

Mitte November 2011 brachte ein aus zwei Männern und einer Frau bestehendes Trio Deutschlands Ermittlungsbehörden an den Rand des Wahnsinns, denn die drei aus Thüringen sorgten ungewollt dafür, dass Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt, Bundesnachrichtendienst und Landeskriminalämter schonungslos als das offenbart wurden, was sie zweifelsfrei sind: Totalversager oder gefährliche Taschenspieler. Die Verhältnisse um die Thüringer Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos machen einfach nur sprachlos − bis zum heutigen Tage. Alles begann im Jahr 2000 mit einer Mordserie, wie es bis dahin in Deutschland noch keine gegeben hatte. Über sechs Jahre hinweg wurden insgesamt acht türkische Kleinselbständige und ein Grieche durch Kopfschüsse regelrecht hingerichtet. Ermittlungsbehörden, Journalisten und Kriminalisten sahen sich offiziell mit einem schier unlösbaren Fall konfrontiert. Dann, im April des Jahres 2007, wurde eine junge Polizistin in ihrem Streifenwagen auf der Heilbronner Theresienwiese erschossen, ihr Kollege lebensgefährlich verletzt. Monatelang geisterte nach dem Mord an der Beamtin eine ominöse DNA-Spur durch Deutschland, die von einem angeblichen weiblichen Phantom stammte und an den unterschiedlichsten Tatorten bei Einbrüchen, Schlägereien und auch Morden auftauchte. Schließlich stellte sich heraus, dass die Spur von kontaminierten Wattestäbchen stammte, mit denen die Kripo an den jeweiligen Ereignisorten gearbeitet hatte. Eine dicke Panne oder mehr? Inzwischen gehen Beobachter verstärkt davon aus, die Geschichte mit der falschen Phantom-Spur sei von verschiedenen Behörden bewusst gelegt worden, um die Öffentlichkeit von den wahren − wahrscheinlich schon kurz nach Heilbronn −, bekannten Tätern abzulenken. Diese sollen gar nicht mal ausschließlich in den vermuteten rechtsradikalen Kreisen zu finden gewesen sein, sondern einen Hintergrund haben, vor dessen Aufdeckung sich hohe und höchste Kreise in der Bundesrepublik geradezu fürchten. Von Mafia-Banden in Zusammenarbeit mit dem Staat, von Bosnien-Söldnern und US-Geheimdiensten, von Schmugglern, Mördern und Drogenkurieren ist da die Rede. Sie alle spielen unter der Marke "NSU" eine Rolle. Und weil sich die etablierten Medien − aus welchen Gründen auch immer − weigern, über diese Merkwürdigkeiten zu berichten, werden sie in vorliegendem Buch genannt und aufgezeigt. •Wieso verbrannte der Zeuge Florian H. in seinem Auto am Cannstatter Wasen, nur wenige Stunden vor einer erneuten Aussage beim Staatsschutz? Er sollte weitere Fakten zu einer bislang unbekannten rechten Terrorgruppe neben dem NSU liefern. •Was machte die Russenmafia auf der Theresienwiese in Heilbronn, und warum wimmelte es am Tag des Polizistenmordes dort von V-Leuten und Agenten, auch welchen aus den USA?

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Email: [email protected]

Druck und E-Book-Konvertierung:CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

Satz und Layout:Jan Udo Holey

Umschlaggestaltung:Jan Udo Holey

Print-ISBN 978-3-938656-17-4

E-Book-ISBN 978-3-938656-18-1

INHALTSVERZEICHNIS

Einleitung

Kapitel 1Der merkwürdige Tod im Wohnmobil

Kapitel 2Gesucht: Die dritte Person im „Sunlight"

Kapitel 3Beate Zschäpe und die Ruine von Zwickau

Kapitel 4Erst Bankräuber, dann Serienkiller?

Kapitel 5Und plötzlich gab es Tote

Kapitel 6Steckt eine türkische Parallelwelt hinter den Attentaten?

Kapitel 7Die Spur zum Konfliktherd Zypern

Kapitel 8Was so ein Trio alles können muss

Kapitel 9Waffe, Waffe, du musst wandern

Kapitel 10Das Wunder-Video von Zwickau

Kapitel 11Sonderfall Heilbronn: Die tote Polizistin und das Geheimnis von der Theresienwiese

Kapitel 12Exkurs: Was der Staat uns in Sachen Heilbronn verschweigt

Kapitel 13Zur Person Kiesewetters

Kapitel 14Zur Person Martin A

Kapitel 15NSA und NSU

Kapitel 16Parallelen zur RAF

Kapitel 17Wie mit Toten schmutzige Politik betrieben wird

Anhang 1 von Thomas Moser (Journalist)Ein Verfassungsschützer am Tatort und eine Anklagebehörde, die Akten unterdrückt

Anhang 2Antwortschreiben der Staatsanwaltschaft Berlin

Über den Autor

Quellen- und Fußnotenverzeichnis

Bildquellenverzeichnis

Abb. 1:Fahndungsplakat des Bundeskriminalamts

Einleitung

Seine Bedeutung geht weit über das hinaus, was die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland aus den 1970-er und 1980-er, bis hinein in die 1990-er Jahre von der „Roten Armee Fraktion“ (RAF) kennt. Terror im Land war bis zum Auftauchen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) praktisch eine Angelegenheit von links. Nur selten gab es Anschläge aus dem rechten Lager, nur selten wurden hier organisierte Strukturen gebildet. Mit dem Wegfall der RAF im Jahr 1998, als ein der Gruppe zugerechnetes Papier, eine Selbstauflösungserklärung, den Weg an die Öffentlichkeit gefunden hatte, war es mit dem linken Terror in Deutschland schlagartig vorüber. Der Begriff verfing nicht mehr, machte der Bevölkerung keine Angst mehr und war nicht mehr geeignet, neue „Sicherheitsgesetze“ einzuführen. An die Stelle des RAF-Terrors trat jener der Islamisten. Und nun, nachdem auch dieser in seiner Wirkung auf das Gefühl der Eigenbedrohung innerhalb der Gesellschaft stark schwächelt, wurde zwischen Flensburg und Radolfzell, von Frankfurt/Oder bis Aachen ein neuer Gegner ausgemacht – der NSU. Längst sind wir davon abgerückt, diese Gruppe als Drei-Mann-Betrieb aufzufassen. Längst sind die Zweifel an den Darstellungen des Staates zu diesem Thema größer und unübersehbar geworden. Ein Untersuchungsausschuss jagt den anderen, doch wahre Aufklärung will sich einfach nicht einstellen. Allem Anschein nach deswegen, weil sie umfassend von Justiz, Politik, Polizei und Teilen der Bevölkerung nicht gewollt ist. Zu viel würde dabei zutage treten, von dem die Deutschen aus Sicht der Herrschenden besser nichts wissen sollten. Verquickungen und Verstrickungen von Terror, Organisierter Kriminalität und staatlichen Stellen würden gewiss in einem Maße offenbar, dass dadurch das Gefüge dieses Staates ins Wanken geriete.

So tischt man uns nach wie vor das Geschichtchen von den drei Rechts-Terroristen auf, die eine Mordserie, einen Polizistenmord und zahlreiche Banküberfälle zu verantworten hätten. Am Ende sollen sich Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in einem Wohnmobil selber getötet haben.

Durch die jahrelangen Recherchen zu terroristischen sowie geheimdienstlichen Themen, die ich in mehreren Büchern verarbeitet habe, gelang es mir, ein ziemlich gutes Informationsnetzwerk aufzubauen. Es war daher nur eine Frage der Zeit, dass ich bei meiner Recherche zum NSU-Fall tiefer in diese Vorgänge Einblick nehmen würde. Zunächst wurden mir Insiderinformationen nur mündlich zugetragen – was schon spannend genug war und zeigte, dass die Öffentlichkeit an der Nase herumgeführt wird. Die wirkliche Brisanz der Thematik wurde mir allerdings dann erst bewusst, als ich Kopien von Dokumenten zugespielt bekam – zum Beispiel interner Schriftverkehr und Akten − die mir erst die immense Tragweite all dessen verdeutlichten.

Zu Beginn, als ich über den Dokumenten saß und erkannte, wo Material zurückgehalten wurde, wo verdreht oder gar gelogen wird, war ich mir nicht sicher, ob ich das veröffentlichen möchte, aufgrund einer möglichen Gefährdung meiner Person. Doch je länger ich recherchierte, die Tatorte aufsuchte, Interviews führte, wurde mir klar, dass dieses Wissen veröffentlicht werden muss!

Vorliegendes Buch räumt nun auf mit dieser haarsträubenden Story, nennt Hintergründe, Fakten und Geheimnisse im Zusammenhang mit der angeblich beispiellosen Terrorwelle von rechts.

NSU – was die Öffentlichkeit nicht wissen soll!

1. Der merkwürdige Tod im Wohnmobil

Die beiden Männer im weißen Wohnmobil der Marke „Sunlight“ hatten gerade einen Banküberfall hinter sich. Auf Fahrrädern waren sie geflüchtet, hatten sich anschließend völlig ruhig und harmlos in ein Wohnmobil gesetzt und in eine gutbürgerliche Siedlung begeben. Es war ihr vierzehnter Überfall, eigentlich Routine. Doch irgendetwas war an diesem Tag anders. Irgendetwas störte, veränderte die Atmosphäre. Gefahr lag für die beiden Täter in der Luft, das spürten sie, ganz deutlich sogar. Doch diese unstrittig vorhandene Gefahr war nicht genau zu orten, nicht zu greifen, erst einmal unsichtbar.

Sie wurde sichtbar in Gestalt zweier Streifenpolizisten, die sich dem weißen Gefährt vorsichtig näherten. Wenige Minuten nach Ankunft der Bankräuber waren auch die Beamten in der Wohnstraße in Eisenach eingetroffen. Es war der 4. November 2011, und plötzlich gab es zwei Knallgeräusche. Wenige Sekunden danach drang dichter Rauch aus dem Wohnmobil, Flammen wurden sichtbar. Erst in diesem Augenblick wagten sich die inzwischen von Kollegen verstärkten Polizisten aus ihrer Deckung. Nachdem das Auto von der Feuerwehr gelöscht worden war, machten die Beamten eine grausame Entdeckung. Im Brandschutt lagen zwei Männer. Wie sich später herausstellte, handelte es sich um Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, gesuchte Rechtsextremisten und Mitglieder einer terroristischen Vereinigung, die sich „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) nannte. Neben den entsetzlich zugerichteten Leichen fanden die Ermittler eine Pistole „Ceska“ VZOR 70, Kaliber 7.65, dazu die Dienstwaffe der am 25. April 2007 in Heilbronn erschossenen Polizistin Michele Kiesewetter, einen Radioscanner zum Abhören des Polizeifunks plus dazugehöriger Frequenzliste, eine Brille mit schwarzem Gestell (Eigentümer unklar), zwei Bahncards, eine kleine Plastikpuppe, eine Wasserpistole, Süßigkeiten, einen Kinderschuh Größe 33, eine Maschinenpistole Pleter 91,9 mm Luger, eine Sturmhaube, eine Handgranate, einen umgebauten Schreckschussrevolver und einen Teddy. Daneben die Beute aus dem Überfall auf die Sparkasse Eisenach – exakt 71.950 Euro.(1)

Die beiden Gangster, später zusammen mit ihrer Freundin Beate Zschäpe für eine Mordserie an türkischstämmigen Migranten (und einem Griechen) sowie für den Mord an Kiesewetter bereits weit vor einem Gerichtsverfahren öffentlich verantwortlich gemacht, hatten Suizid begangen. Schnell war klar: Dritte waren an diesem Tag nicht involviert. Die Männer hatten die Aussichtslosigkeit ihrer Lage erkannt, weil ihr Fahrzeug von zwei Polizisten „umstellt“ war und Verstärkung anrückte, also erschossen sie sich und setzten den Camper zuvor in Brand.(2) Wenige Stunden später explodierte in der Frühlingsstraße in Zwickau eine Wohnung. Es war die Bleibe von Zschäpe. Mundlos und Böhnhardt, die von der damals 31-jährigen Frau in Brand gesetzt worden war. Eine brennbare Flüssigkeit, so die Ermittler, war von Zschäpe in den Räumlichkeiten verschüttet und angezündet worden, dadurch sei es zu einer Verpuffung gekommen. Vorher soll die Frau ihre beiden Katzen noch bei einer Nachbarin abgegeben haben. Daraufhin sei sie verschwunden.(3)

Wie das deutsche Nachrichtenmagazin FOCUS herausgefunden haben will, erfuhr Zschäpe von der Sache mit dem Wohnmobil „vermutlich über das Internet“(4), was einigermaßen erstaunlich anmutet, denn warum soll sie zuvor ihre Wohnung in Brand gesetzt haben, wenn sie vom Tod ihrer Komplizen zu diesem Zeitpunkt noch nichts wissen konnte, weil sie die Nachricht ja erst danach durchs Internet erhielt? Doch das Netz als Überbringer der Todesnachricht kommt nach einem Bericht der „Berliner Zeitung“ gar nicht in Frage. Ermittler, so die Zeitung, hätten Zschäpes Laptop untersucht und festgestellt, auf welchen Seiten sie am Todestag von Böhnhardt und Mundlos unterwegs gewesen sei.(5) Demnach habe sie nach Meldungen zu Autounfällen vom Vortag gesucht und die Begriffe „natürliche Mittel gegen Übelkeit“, „Greenpeace“, „gegen Pelze“ und „Biobauern in Zwickau“ gesucht.(6) Die Mischung der Suchbegriffe lässt eher auf eine Anhängerin grüner Lebensweise, denn auf eine „Nazi-Braut“ schließen. Zschäpe, so der Bericht weiter, habe zu diesem Zeitpunkt von der Situation in Eisenach aus dem Netz noch gar nichts lesen können, weil die Meldung dort noch nicht verbreitet gewesen sei.(7) Also muss sie auf andere Art benachrichtigt worden sein. Von einer bis heute unbekannten vierten Person?

Mit wenig Gepäck soll sich Beate Zschäpe dann auf die Flucht gemacht haben, die sie erst einmal zum Bahnhof von Zwickau führte – „auf unbekanntem Weg“, wie es heißt.(8) Vom Bahnhof Zwickau aus konnten die Behörden den Fluchtweg der als „Nazi-Braut“ titulierten Frau angeblich nahezu lückenlos rekonstruieren. Demnach sei sie von Zwickau aus nach Chemnitz gereist, weiter nach Leipzig, wo sie Bekennerbriefe verschickt habe.(9) Warum sie dafür nicht den Briefkasten direkt vor ihrem Haus in der Zwickauer Frühlingsstraße benutzte, ist nicht leicht zu erklären. Eventuell war ein ganz spezieller Briefkasten in Leipzig ausgesucht worden – von wem auch immer. Dann führte sie ihr Weg weiter nach Eisenach, wo sie den Schauplatz des Vorfalls besucht haben soll, bei dem Böhnhardt und Mundlos ums Leben gekommen waren. Schließlich flüchtete die Frau weiter nach Bremen, kaufte sich dort ein Schönes-Wochenend-Ticket und machte sich auf den Weg über Hannover, Uelzen, Magdeburg und Halle/Saale nach Eisenach. Von dort ging es wieder über Weimar nach Halle/Saale. In der Stadtmitte sei sie beinahe von einer Straßenbahn erfasst worden, hätte sie eine Passantin nicht noch rechtzeitig zurückgerissen. Danach reiste Zschäpe den Unterlagen zufolge nach Dresden und schließlich Jena, wo sie sich stellte.(10) Wie sich im Prozess gegen Beate Zschäpe vor dem Oberlandesgericht München am 2. Juni 2013 herausstellte, wurde die Frau von Jena zur Polizei nach Zwickau gebracht und dort einer als „Unterhaltung“ getarnten Vernehmung unterzogen, in der sie allerdings nur Belanglosigkeiten äußerte. Allerdings stellt sich die Frage, warum denn eine Beamtin der Polizei Baden-Württemberg damals in Zwickau an dieser „Unterhaltung“ teilnahm.(11)

Rein zufällig kann die Frau nicht anwesend gewesen sein! Vielmehr war es wohl so, dass die Behörden bereits wussten, wen sie mit Beate Zschäpe auf dem Stuhl sitzen hatten und dass es offenbar irgendeinen Zusammenhang mit Heilbronn gab. Der Gedanke, Zschäpe habe in dieser Situation schnelle Hilfe durch den Staat erfahren, ist nicht so einfach wegzuwischen. Sollte die Frau tatsächlich in Diensten des Verfassungsschutzes stehen, war das natürlich ein eminent gefährlicher Augenblick, in dem die Möglichkeit einer Verzweiflungstat Zschäpes in Form von unliebsamen Aussagen gegeben war.

Dass die mögliche Verbindung zum Geheimdienst keine kruden Einfälle sind, belegt ein Artikel der Tageszeitung DIE WELT.(12) Hier ist die Rede davon, es habe bereits in der Zeit zwischen 1998 und 2011 Kontakte zwischen der Frau und dem Landeskriminalamt (LKA) Thüringen gegeben. Zschäpe sei staatlicherseits gelenkt, heißt es. Sie habe mit Informationen aus der rechten Szene gedient und insgesamt fünf Alias-Namen gehabt. Im Jahr 2003 sollen demnach auch Verbindungen aus Justizkreisen zu Verwandten der Untergetauchten bestanden haben. Damals soll ausgelotet worden sein, ob und wie sich Beate Zschäpe wieder hätte legalisieren können.(13)

Während Zschäpe sich 2011 in Jena gestellt hatte, waren das Wrack des Wohnmobils und der Schutt in der Wohnung von Ermittlungsbeamten bereits untersucht worden. Und schnell war klar: In dem Caravan hatten sich die meistgesuchten Rechtsterroristen Deutschlands aufgehalten, in der Wohnung hatte ihre Komplizin Feuer gelegt. Wie durch ein Wunder „überlebten“ in dem völlig ausgebrannten Fahrzeug Kunststoffgegenstände (Spielzeug und Kinderschuhe), Geldscheine und sogar Munition, die nicht explodierte. Doch nicht nur materielle Mirakel ereigneten sich in dem weißen Camping-Fahrzeug, auch noch ganz andere Dinge lassen in diesem Zusammenhang erstaunen.

2. Gesucht: Die dritte Person im „Sunlight“

Das weiße Wohnmobil, eine Ausführung neuester Art, hatten Böhnhardt und Zschäpe offenbar am 25. Oktober 2011, also wenige Tage vor dem Showdown in Eisenach, bei einer Verleihfirma abgeholt. Zum Gelände der Firma waren sie mit einem kleinen Kind gekommen, von dem Beate Zschäpe mit „Mama“ angesprochen worden sein soll. Das zumindest glaubt der Bundesgerichtshof in Karlsruhe aufgrund von Zeugenaussagen. Das Paar wollte nach Darstellung der Spitzenjuristen einen Familienurlaub vortäuschen.(14) Da stellt sich unweigerlich die Frage, warum die beiden denn einen Familienausflug hätten vortäuschen sollen. Niemand schöpft Verdacht, wenn ein Paar ohne Kind ein Wohnmobil beim Verleiher abholt. Selbst einer der Erwachsenen alleine hätte weder einen Gedanken an Terroristen, noch an Bankräuber oder andere Gesetzesbrecher in den Angestellten der Firma aufkeimen lassen. Wie dem auch sei, die Abholer verließen das Gelände mit dem Wagen wie völlig normale und harmlose Campingfreunde. Was in der Zeit zwischen der Anmietung und dem Banküberfall in Eisenach mit dem Fahrzeug geschah, ist nicht klar. Gesehen wird es von Zeugen allerdings einen Tag vor dem erwähnten Raub an genau jener Stelle, an der später der Brand im Wohnmobil ausbrach. Auch vor der überfallenen Sparkasse wollen Zeugen ein solches Fahrzeug beobachtet haben. Aber auch hier gibt es wieder unterschiedliche Angaben. Während einige Beobachter den Wagen auf einem Gelände vor einer Disko gesehen haben wollen („Das Auto stand auf dem heruntergekommenen Gelände der Disko MAD, wo normalerweise keine Autos stehen“), (15) nahmen andere ihn auf dem Parkplatz eines Baumarktes wahr („Das Auto stand auf dem Parkplatz von OBI“).(16) Bei dem Beobachter, von dem die erste Beschreibung stammt, soll es sich übrigens um einen ehemaligen DDR-Grenzer gehandelt haben.

Ähnlich verwirrend geht es dann mit der Fahndung nach dem Wagen weiter. Da die Polizei darüber informiert war, dass zwei Radfahrer vom Tatort an der Sparkasse flüchtig waren, konzentrierte sie sich bei der Suche auf Fahrzeuge, in denen Räder leicht transportiert werden können. Dazu zählen natürlich auch Wohnmobile, aber nicht nur! Dass die Männer aus der Sparkasse in ein solches Mobil umgestiegen waren, hatte ein Zeuge den Beamten gemeldet. Doch wie kamen sie darauf, den Caravan ausgerechnet in der Wohnstraße zu suchen, in der er schließlich auch stand – Zufall? Unter normalen Umständen wären die Gangster mit ihrem Fahrzeug längst von dort verschwunden, weil eben ein solches Auto in einer solchen Straße besonders auffällt, wenn es nicht dorthin gehört. Unterwegs – so ist das bei Bankräubern nun einmal üblich – werden normalerweise die Fluchtmittel gewechselt, wird also in ein anderes Fahrzeug umgestiegen, was Mundlos und Böhnhardt direkt nach dem Überfall ja auch getan hatten, indem sie von den Rädern ins Wohnmobil wechselten. Deswegen ist es umso unverständlicher, dass sie in der Wohnsiedlung einfach stehen blieben − mit einem auffälligen Auto, das vor Waffen und Beutegeld strotzte. Weitaus sicherer wäre ein Standort irgendwo abseits gewesen.

Dieses seltsame Verhalten der Täter lässt unter anderem zwei Schlüsse zu. Der eine: Sie blieben in der Siedlung, weil sie genau dort jemanden erwarteten. Der andere: Sie konnten dort nicht weg, weil sie bereits tot waren, als der Wagen in der Straße eintraf. Und tatsächlich spricht einiges dafür, dass eine dritte Person mit den Geschehnissen in Eisenach in direktem Zusammenhang steht. Diese Person könnte der Mörder von Böhnhardt und Mundlos sein. Und: Bei dem Sammelsurium an Waffen, Geld und Munition aus dem Wohnmobil wurden die zwei größten Gegenstände, die nach Aussagen von Zeugen in dem Wagen hätten stehen müssen, eben nicht gefunden! Es handelt sich dabei um die beiden Fahrräder der Männer, denn die Polizei suchte eigenen Angaben zufolge ja nach einem Fahrzeug, mit dem sich solche Räder leicht transportieren lassen. Infolgedessen können die Räder nicht in unmittelbarer Nähe zum Sparkassen-Tatort gefunden worden sein. Wo also sind sie geblieben? Diese Frage führt zu der Annahme, die Fahrräder seien niemals in dem Wohnmobil gewesen.

Weitere Unstimmigkeiten:

• Angeblich sollen Mundlos/Böhnhardt einen Schuss auf die beiden zuerst eingetroffenen Beamten gefeuert haben. Im Wohnmobil fand sich allerdings kein Durchschussloch.(17)

• Im Wagen, unter dem Herd, sollen sich zwei Gasflaschen befunden haben, die jedoch bei dem Brand nicht explodierten. Zwei Schalter des Herdes waren aufgedreht, wobei Gas nur dann ausströmen konnte, wenn die Schalter gedrückt blieben. Als Brandbeschleuniger oder Explosionsauslöser war diese Maßnahme mithin ungeeignet. Böhnhardt und Mundlos müssen das gewusst haben, weil sie in dem Fahrzeug einige Tage gelebt hatten. Hat also ein Dritter, der über die Funktionsweise des Herdes nicht genau im Bilde war, die Schalter manipuliert?(18)

• Nach Angaben der Behörden und der beiden ersten Polizisten vor Ort soll das Feuer im Auto innerhalb von sieben bis zwanzig Sekunden nach dem ersten Schuss ausgebrochen sein. Anschließend stand das Wohnmobil innerhalb von Minuten lichterloh in Flammen. Die Hitzeentwicklung ließ Dach und Fenster des Fahrzeugs bersten.(19) Um das Feuer zu entfachen, soll einer der Täter nach offizieller Darstellung Papier in der Mitte des Wagens angehäuft und entzündet haben. Kann dadurch in kürzester Zeit ein solches Inferno entstehen?

• Die Polizeibeamten vor Ort wollen kurz vor den Knallgeräuschen eine Art Möbelrücken aus dem Mobil vernommen haben.(20) Möbel kann man allerdings in einem Wohnmobil nicht verrücken, sie sind fest eingebaut! Was also tat sich dann in dem Fahrzeug?

• Ein unbekannter Dritter soll sich nach Zeugenaussagen kurz vor Ausbruch des Feuers aus dem Wohnwagen entfernt haben.(21)

• Noch Tage nach dem Vorfall suchten Beamte des LKA Thüringen nach Projektilen in Häuserwänden, fanden das Gesuchte aber nicht. Allem Anschein nach deswegen, weil es keine Einschüsse gab.(22) Im Februar, also drei Monate nach Eisenach, wurden im Wohnmobil Glassplitter und ein Projektil unter (!) dem Schutzbezug des Beifahrersitzes gefunden. Von allein konnte weder Glas noch Geschoss dort hinkommen. Was also war zwischen November und Februar mit und in dem Wagen geschehen?(23)

• Die Ermittler sollen eine Zeitlang von der These ausgegangen sein, das Feuer im Wohnmobil sei per Fernzündung über ein Handy ausgelöst worden.(24) Technisch scheint das durchaus möglich zu sein.(25)

• Im Auto wurde die frische DNA einer dritten Person gefunden. Diese Spur soll sich auch auf einer Patrone befinden, die bei einer Schießerei unter Rockern der Hells Angels und der Bandidos in Berlin-Wedding anfiel. Die Verbindung zum Wohnmobil ist unklar. Die Behörden vermuten, das Projektil sei im Besitz früherer Neonazis gewesen, die jetzt zu den Rockern gehören (eine wirklich naive Annahme), oder stamme aus einem illegalen Waffenhandel zwischen beiden Gruppen.(26) BKA-Präsident Jörg Ziercke warnte in einer Meldung der „Deutschen Presseagentur“ (DPA) vom 5. April 2013 vor einer wachsenden Zusammenarbeit von Rockern und Rechtsextremisten. Dieses habe man im Verlauf der zurückliegenden Jahre beobachtet, hieß es. Anderen Berichten zufolge soll die Kugel nicht im Wohnmobil, sondern in der Zwickauer Wohnung gefunden worden sein.(27) Immerhin wäre die Verbindung von Ultrarechten zu Rockern und umgekehrt nicht neu. Schon Arnulf Winfried Priem, einer der führenden Rechtsradikalen und Chef der „Kampfgruppe Priem“, gab sich in den 1970-er Jahren als langhaariger Typ mit deutlichem Hang zum Rockermilieu.(28) Zeitweise führte er gar eine eigene Gruppe von Rockern. Der 1948 auf dem Gebiet der DDR geborene Mann war einst von der Bundesrepublik aus Ost-Berlin freigekauft worden, wo er wegen Unzucht und staatsgefährdender Propaganda im Gefängnis saß. Priem selber betätigte sich später von West-Berlin aus auch als Fluchthelfer, was in der DDR rechtlich als Menschenschmuggel gewertet wurde und dementsprechend strafbar war.

• Angeblich waren die Täter im Campingmobil auf eine Schießerei mit der Polizei vorbereitet, haben sich mit ihr aber keine geliefert − warum?

• Ermittler sollen im ausgebrannten Wagen zwei Löcher im Wagendach entdeckt haben, die von Durchschüssen stammen könnten. Eines der Löcher befand sich im hinteren, das weitere im vorderen Teil des Autos, dort, wo die Leichen Böhnhardts und Mundlos‘ gefunden wurden.(29)

• Bei den Untersuchungen des Wracks fand sich offenbar auch ein unversehrter und sauberer Rucksack auf einer Ablage. Der Inhalt: mehrere Bündel Geld mit Banderolen aus dem kurz zuvor erfolgten Sparkassen-Überfall und ein Päckchen Patronen. Angeblich wurde dieser Fund erst am 1. Dezember 2011 gemacht.(30)

• Nach unterschiedlichen Beschreibungen soll Böhnhardt tot im Wohnmobil gehockt, mal gelegen haben.(31)

• Die beiden Männer im Wohnmobil sollen nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins FOCUS durch Schüsse aus einer Pumpgun ums Leben gekommen sein. Demnach habe sich Böhnhardt zuerst umgebracht und Mundlos danach zu der Waffe gegriffen, um sich selber zu töten. Im Wageninneren seien zwei Hülsen der Winchester 1300 neben den Leichen gefunden worden.(32) Doch diese werden bei einem Repetiergewehr erst nach erneutem Durchladen ausgeworfen. Deswegen hätte nur eine Hülse im Auto liegen dürfen, denn Mundlos konnte schließlich nach Eintritt des Todes nicht mehr durchladen, so dass die zweite Hülse ausgeworfen worden wäre.

• Am 14. November 2011 griff der damalige Thüringer Innenminister Jörg Geibert (CDU) in der MDR-Sendung „Fakt ist…!“ im Zusammenhang mit dem Tod von Mundlos und Böhnhardt zu einer seltsam unmissverständlichen Formulierung. Der Politiker sprach von der „Erschießung der Täter im Wohnmobil“. Weder der Begriff „Suizid“ noch der des „erweiterten Suizids“ (Selbstmörder bringt eine oder mehrere Personen aus seinem unmittelbaren Umfeld, zum Beispiel eigene Kinder, Ehepartner oder Freunde, um und tötet sich anschließend selbst) findet hier Verwendung. Geibert spricht eindeutig davon, dass Böhnhardt und dessen Komplize erschossen worden sind. Es fand eine Erschießung statt.(33)

Hier haben wir also eine ganze Reihe von Indizien, die für die zeitweise Anwesenheit einer dritten Person im Wohnmobil sprechen. Die DNA-Spur zu den Rockern allerdings wird vom BKA inzwischen kritisch betrachtet.(34) Immerhin stellte sich im Laufe der NSU-Ermittlungen heraus, dass Fahnder erneut Probleme mit den Wattestäbchen zur Aufnahme solcher Proben an den Tatorten hatten; so wie im Fall des „Phantoms von Heilbronn“.(35) Der vollendete Mord an der Polizistin Michele Kiesewetter und der versuchte Mord an ihrem Kollegen Martin A. wird ebenfalls dem NSU zugerechnet (s. eigenes Kapitel dazu).

Interessant im Zusammenhang mit den Ereignissen von Eisenach liest sich ein Artikel in der „Stuttgarter Zeitung“ vom 11. November 2012, der sich mit dem Polizistenmord von Heilbronn beschäftigt. Dort wird über eine Sonderkommission „Capron“ berichtet, die den Überfall von Eisenach aufzuklären hatte.(36) Benannt wurde die Kommission nach dem Hersteller des Wohnmobils, in dem Böhnhardt und sein Komplize gefunden worden waren. Demnach habe der Überfall in relativer Nähe zu einem Döner-Imbiss stattgefunden, der im Jahr 2000 Ziel eines Anschlags war, für den ein NPD-Funktionär verurteilt worden sei. Der Kommission sei es nicht möglich gewesen, wegen des Bankraubes in der Neonaziszene Thüringens zu ermitteln, weil es ihr nicht erlaubt gewesen sei, schreibt das Blatt. Zudem seien Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe mit falschen Pässen in Belgien, auf dem Balkan und in Südamerika unterwegs gewesen. Hinter vorgehaltener Hand würden Mitglieder der Sonderkommission als Verursacher dieser Umstände Geheimdienste vermuten.(37) Darüber hinaus stellt der Autor des Artikels die Frage, warum sich die vermeintlichen Bankräuber im Wohnmobil so erschießen, dass ihre Gesichter unkenntlich sind. Und angeblich, so der Artikel weiter, sollen weder Mundlos noch Böhnhardt, sondern Beate Zschäpe das Gefährt in Brand gesetzt haben. Anschließend sei von ihr die Wohnung in Zwickau in die Luft gejagt worden. Wie der Autor des Artikels zu dieser Annahme gelangt, teilt er seinen Lesern allerdings nicht mit.

Der Linken-Politiker Bodo Ramelow äußerte in einem Radio-Interview ein paar bedenkenswerte Sätze. Er habe erfahren, dass sich kurz nach dem Tod der beiden Verdächtigen plötzlich Mitarbeiter des „Militärischen Abschirmdienstes“ (MAD) und des „Bundesnachrichtendienstes“ (BND) in Thüringen aufhielten und besonderes Interesse an dem Bankraub von Eisenach gezeigt hätten. Für einen „normalen“ Sparkassenüberfall sei das ein völlig ungewöhnliches Vorgehen, so Ramelow.(38)

Zu Unklarheiten führt nicht nur – vorausgesetzt Ramelow hat Recht – die Anwesenheit zweier deutscher Geheimdienste, sondern auch die Annahme, bei einem von beiden habe es sich um den BND gehandelt. Dieser ist unter normalen Umständen im Ausland und nicht in Thüringen tätig. Allerdings kam es bereits in den 1970-er Jahren in der Bundesrepublik zu Inlandsauftritten der Schlapphüte im Zuge der RAF-Fahndungen, so dass es auch im Thüringen des Jahres 2011 durchaus möglich gewesen sein könnte.

Ein Informant aus deutschen Geheimdienstkreisen erklärte mir dazu, dass eine Zusammenarbeit von MAD und BND in einer „Inlandsangelegenheit“ nicht üblich ist. Für den MAD fehlt hier ein dienstlicher Bezug. Und für den BND ergibt sich weder eine fachliche und schon gar nicht eine territoriale Zuständigkeit. Mein Informant meinte, Ramelow wollte sich wohl nur wichtig machen. Ich weiß allerdings aus meinen eigenen Recherchen zum RAF-Komplex, dass z.B. im Fall der Todesnacht von Stammheim der MAD in Geheimdienstaktionen mit anderen involviert war und der BND damals die Abhörtechnik für die NVA geliefert hatte.

3. Beate Zschäpe und die Ruine von Zwickau

Beate Zschäpe, Schlüsselfigur des NSU, deren Prozess im April 2013 vor dem Oberlandesgericht (OLG) München begann, spielt im Zusammenhang mit dem 4. November 2011 eine ganz besondere Rolle. Die Vermutungen darüber, welche Stellung sie innerhalb des NSU tatsächlich einnahm, reichen von Mitläuferin über Quartiermacherin bis hin zur absoluten Führungsfigur. Wirklich wissen kann das außer ihr selbst eventuell auch der ominöse Anrufer, der Beate Zschäpe am 4. November 2011 händeringend versuchte zu erreichen. Das Handy, mit dem der bislang Unbekannte Frau Zschäpe anrief, war mysteriöserweise auf das sächsische Innenministerium zugelassen.(39) Journalisten einer Berliner Tageszeitung wollen eigenen Angaben zufolge die damals anrufende Nummer selber kontaktiert haben – und ernteten am anderen Ende der Leitung nichts anderes als eisiges Schweigen.(40) Insgesamt achtzehn Mal wurde der Versuch unternommen, die als „Terror-Braut“ bezeichnete Frau an dem bedeutungsvollen 4. November telefonisch zu erreichen.(41) Auch die Polizeidirektion Südwestsachsen hatte solche Versuche nach Darstellung von Medien unternommen, nicht nur das Innenministerium.(42) Unter anderem erreichte ein Ruf das Handy von Zschäpe bereits um 12:11 Uhr, zu einem Zeitpunkt, zu dem die Ereignisse in Eisenach noch in vollem Gange waren. In diesem Fall sprach ein Unbekannter etwas auf die Mailbox des Gerätes.(43) Selbst wenn diese Anrufe – was wohl niemand glaubt – harmlosen Charakters gewesen wären, stellen sich in diesem Zusammenhang drängende Fragen. Eine davon: Wieso, gleich zu welchem Zweck, verfügten die Behörden überhaupt über die Handynummer von Beate Zschäpe?

Die Frau muss also bereits weit vor den Ereignissen vom 4. November 2011 bei bestimmten Behörden ein gewisses Interesse hervorgerufen haben. Die offizielle Erklärung für die massenhaften Anrufe seitens des Innenministeriums und der Polizei gibt ein jämmerliches und wenig durchdachtes Bild ab. Man habe Frau Zschäpe deswegen erreichen wollen, um ihr von der Explosion des Hauses, in dem sie wohnte, zu berichten.(44) Diese Erklärung ist deswegen lächerlich, weil Zschäpe in dem Moment, in dem das Haus zu brennen begann, ihre Katzen einer Nachbarin gegeben hat.(45) Und da sofortige Umfeldbefragungen zum festen Bestandteil einer jeden Brandermittlung der Polizei gehören, wird auch die Nachbarin von den Beamten befragt worden sein. Nachbarn werden allein schon deswegen angehört, weil die Retter schließlich feststellen müssen, wie viele Personen in dem Haus leben und ob eine oder mehrere davon vor Brandausbruch das Haus verlassen haben.

Beate Zschäpe hatte das Haus zuvor verlassen. Somit wussten die Helfer, dass sie über das Feuer informiert war. Vielleicht hat ja gerade die Frau mit den Katzen die Rettungskräfte alarmiert. Alles in allem wird die Begründung für die Anrufe seitens der Behörden angesichts dieser Tatsache als bloßer Schein entlarvt. Genauso wie der offizielle Hinweis, man habe die Handynummer, eben weil man Beate Zschäpe von der Hausexplosion unterrichten wollte, von einer Nachbarin bekommen. Wie kann es dann sein, dass die Verdächtige bereits angerufen wurde, als das Wohnmobil in Eisenach brannte und nicht das Haus in Zwickau? Schon um 12:11 Uhr erreichte ein auf das Innenministerium zugelassenes Handy jenes von der Zwickauerin, deren Behausung aber erst nach 15 Uhr in die Luft flog.(46)

Noch eindeutiger wird die „Süddeutsche Zeitung“ mit einer Beschreibung der letzten Minuten vor der Hausexplosion. Hier heißt es: „Am Nachmittag des 4. November 2011, um 15:05 Uhr, knallt es ganz laut. Aus dem ersten Obergeschoss des Hauses steigt Rauch auf. Auf der Etage lebt seit gut drei Jahren Beate Zschäpe mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Gisela I. aus dem Nachbarhaus arbeitet im Garten und sieht Zschäpe kommen. Die schreit: ‚Ruft die Feuerwehr’.“(47) Seltsam, dass Beate Zschäpe dann nach Darstellung der Behörden von dem Vorfall nichts gewusst haben soll. Immerhin soll sie ja selber nach der Feuerwehr verlangt haben. Und weiter: „Eine andere Nachbarin, die gerade ihr Kind aus dem Hort geholt hat, sieht den Qualm, und dann nähert sich eine Frau, die zwei Katzenkörbe trägt. ‚Was ist denn hier los?’, fragt sie die Frau. Nach ihrer Erinnerung dreht sich die Frau um, schaut ins Feuer und sagt: ‚Ach, du Scheiße.’ Dann bittet sie, auf die Katzen aufzupassen und läuft davon.“ Genau diese Aussagen der Nachbarinnen von Zschäpe können der Polizei vor Ort nicht verborgen geblieben sein. Zudem ist es unmöglich, dass alle Beteiligten plötzlich und kollektiv an schweren Gedächtnisstörungen litten. Ergo können Beobachter des Komplexes den Gedanken, hier handele es sich um eine Irreführung der Öffentlichkeit seitens der Sicherheitsorgane, so gut wie gar nicht mehr verdrängen. Bei allem Wohlwollen: Die Anrufeskapaden aufs Handy von Zschäpe müssen einen anderen Grund als den offiziell angegebenen gehabt haben!

Was bislang in der Öffentlichkeit kaum bekannt ist, ist die zweite Anschrift des Trios in Zwickau. Vom 1. Mai 2000 bis zum April des Jahres 2008 wohnten die drei des Zehnfachmordes Verdächtigen in der Polenzstraße, die zu einem viel einfacheren Viertel als das der Frühlingsstraße zählt. Ihre Wohnung bestand aus vier Zimmern, Küche, Diele, Bad und war 77,3 Quadratmeter groß.(48) Hausbewohnern, auch ausländischen gegenüber, waren die jungen Leute stets höflich. Lediglich der vor Einblicken gesicherte Keller gab den Menschen in der Umgebung dann und wann zu denken. Dort lebten Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt völlig unauffällig, bis sie zur Frühlingsstraße umzogen. Im Brandschutt der neuen Wohnung sollen zum Erstaunen von Feuerwehrleuten und anderen Experten neben belanglosem Zeug auch zwei Mitgliedsausweise von Tennisclubs in Bayern und Niedersachsen sowie die Überreste von drei Überwachungskameras neben einer Maschinenpistole und einem Repetiergewehr gefunden worden sein.(49) Doch damit nicht genug: In der von Feuer, Ruß, einer Explosion und mehreren tausend Litern Löschwasser völlig zerstörten Wohnung förderten Ermittler noch Erstaunlicheres zutage. So angeblich die Handfesseln der in Heilbronn getöteten Polizistin Michele Kiesewetter (da stellt sich gleich die Frage nach dem Verbleib der Handschellen ihres Kollegen Martin A., dem sie samt seiner Waffe ebenfalls abgenommen worden waren). Auch Stadtpläne von Heilbronn, Stuttgart und Ludwigsburg in Baden-Württemberg sollen in Fragmenten vorhanden gewesen sein. Es bleibt die nicht unerhebliche Frage, warum Zschäpe die Wohnung überhaupt in Brand gesteckt haben soll, denn nichts von dem, was später dort gefunden worden sein soll, hätte sie nicht auch mitnehmen und unterwegs entsorgen können.

Das alles riecht – mit Verlaub – nach einer gelegten Spur, denn wie sollten Ausweise und Stadtpläne in der Feuersbrunst nicht total zerstört worden sein? Nun mag der eine oder andere Leser vielleicht meinen, dass ein hochprofessionelles Killer-Team in Zeiten von Navigationsgeräten mit Stadtplänen nicht viel anfängt. Diese würden keinen Sinn ergeben, da doch die Navigationsgeräte schneller und präziser sind und darüber hinaus die modernen Computer während der Fahrt auch Staus und Alternativrouten anzeigen, was im Falle von durch die Polizei errichteten Straßensperren von immenser Bedeutung sein kann. Allerdings habe ich in einem Gespräch mit einem Geheimdienstmitarbeiter erfahren, dass für derartige Planungen die Navigationsgeräte nicht wirklich hilfreich seien, Karten hingegen für einen Überblick über eine Region besser geeignet sind. Daher würde das Vorhandensein solcher Karten schon einen Sinn ergeben. Allerdings glaubt auch dieser Informant, dass die Karten nachträglich dort platziert sein müssen, denn einen Brand würden sie nicht unbeschadet überstehen.

Und nicht weniger interessant als die Stadtpläne sind auch im Brandschutt aufgefundene Fotos, die als Beweis für weitere geplante Morde herangezogen werden. Angeblich sollen diese Bilder von Ausländern betriebene Geschäfte in Stuttgart zeigen, die im Jahr 2003 gemacht wurden und sich auf einer CD befinden sollen.(50) Bei den Geschäften soll es sich um ein türkisches Bistro und ein türkisches Lebensmittelgeschäft in der Nähe des Stuttgarter Nordbahnhofs handeln. Um die Ladenlokale auszukundschaften, seien Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe mit einem Wohnmobil angereist und hätten sich für drei Tage auf einem Campingplatz am Cannstatter Wasen niedergelassen.(51) War Beate Zschäpe auch hier nur Mitläuferin oder mehr?

Als undurchsichtig wird ihre Rolle in den Medien bezeichnet. Die Frankfurter Rundschau notierte, die junge Frau habe in Vernehmungen Mundlos und Böhnhardt als ihre Familie bezeichnet.(52) Ihre leibliche Mutter stammt aus Rumänien, wo sie Zahnmedizin studiert hatte. Die Frau ließ sich zwei Mal scheiden. Beate wuchs bei der Großmutter auf, während die Mutter zurück in ihre Heimat ging. Viel mehr ist über Beate Zschäpe öffentlich nicht bekannt. In die Schlagzeilen geriet sie noch einmal vor Beginn ihres Prozesses in München. Zschäpe soll nach Angaben einer Mitgefangenen in der Kölner Haftanstalt eine Frau damit beauftragt haben, einer farbigen Gefangenen eine „Abreibe“ zu verpassen, weil Beate Zschäpe diese nicht habe leiden können. Als Lohn soll die Zwickauerin Kaffee, dreißig Euro, Tabak und Zucker angeboten haben.(53) Die Angesprochene will abgelehnt haben. Bei der Frau soll es sich um eine Jenny R. (25) handeln, die jetzt in einer anderen Justizvollzugsanstalt untergebracht wurde.(54) Die Folge: verschärfte Haftbedingungen für Beate Zschäpe.

In Wirklichkeit aber soll der Vorgang um die Gewaltanstiftung von einer Gefangenen erfunden worden sein. Zschäpes Anwälte wollten Anzeige wegen Verleumdung erstatten. In diesem Zusammenhang wird eine ebenfalls in Köln einsitzende türkische Linksextremistin genannt.(55) Hinter einem solchen Manöver kann leicht vermutet werden, es habe sich dabei um eine gesteuerte Aktion gehandelt, ein Agent Provocateur sei da am Werk gewesen. Die Beschuldigte selbst soll in ihrer Anhörung zu dem Fall angegeben haben, sie suche keine Konflikte, sondern weiche ihnen aus. Außerdem erkaufe sie sich keine Freundschaften.(56) Freundschaften pflegte Beate Zschäpe allerdings zu Nachbarinnen in der Polenzstraße in Zwickau. Das zumindest berichten zwei Frauen in der NDR-Dokumentation „45 Min: Die Nazi-Morde“, in der das Umfeld des NSU-Trios beleuchtet wird. Die beiden jungen Frauen berichten in dem Film, sie hätten eine enge Freundschaft zu Zschäpe gepflegt.(57) Richtig interessant wird es, als der Sprecher in dem Streifen berichtet, die Freundinnen in der Polenzstraße hätten niemals Zschäpes Handynummer erfahren. Wie will dann die Polizei in der Frühlingsstraße die Nummer der Frau von einer dortigen Nachbarin erhalten haben, die nicht einmal mit der 38-jährigen Zschäpe näher bekannt war?

Apropos Telefon: Spannend klingt auch, was ein Zeuge vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages in Berlin zum Besten gab: