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Eines Tages stolpert Gustav in einem seiner Tunnel über Isabell, einer Wühlmaus. Sie lernen sich besser kennen und verbringen viel Zeit miteinander. Die kleine Wühlmaus erzählt ihrem neuen Freund viele Geschichten über die Welt außerhalb der Tunnel. Neugierig geworden, möchte Gustav all diese wunderbaren Dinge auch sehen. Doch da gibt es ein kleines Problem. Maulwürfe können nicht gut sehen! Und so tat der kleine Maulwurf etwas, was kein kluger Maulwurf tun sollte - er verließ die Sicherheit seiner unterirdischen Gänge, um "Sehen" zu lernen...
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Seitenzahl: 69
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Nur wenn du siehst was du hast, erkennst du, was du verlieren kannst
(Tulugaq der Weiße)
Kapitel
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1. Kapitel
Dunkelheit. Ringsherum herrschte Dunkelheit. Die Erde war trocken unter den Klauen. Lauschend bewegte Gustav seinen Kopf hin und her. Seine Zunge glitt über eine stattliche Anzahl von spitzen Reißzähnen und seine mächtigen Krallen gruben sich in den Boden.
Da vorne glitt etwas durch die Finsternis. Es kam von der rechten Seite her auf ihn zu.
Seine Tasthaare vermittelten ihm jede Erschütterung, die durch seinen Gegner ausgelöst wurde.
Oh Mann. Das war ein Riesenbrocken, der sich da auf ihn zu bewegte. Endlich würde er sich mal ordentlich satt fressen können. Seiner Nase entging auch nicht die kleinste Duftnote. Sein Gegner war in bester Verfassung.
Und lang, wirklich lang.
Vorsichtig, ohne auch nur das kleinste Geräusch zu machen, duckte sich Gustav gegen die Tunnelwand und wartete geduldig auf den richtigen Moment.
Und da glitt sein Opfer heran.
Mit einem gewaltigen Satz, der einem Panther alle Ehre gemacht hätte, sprang Gustav seinem Gegner auf den Rücken und blitzschnell verrichteten seine scharfen Zähne ihr Werk.
Und schon war der Kampf vorbei, bevor er überhaupt begonnen hatte. Sein Gegner hatte keine Chance gehabt.
Er war das perfekte Raubtier. Angepasst an die Dunkelheit und die Jagd unter der Erde. Hier war er das gefährlichste Raubtier. Hier war sein Reich. Das Reich, des Maulwurfs.
In alle Seelenruhe verputze Gustav den Regenwurm, und schon nach wenigen Minuten war er damit fertig.
„Hmmm“, das war lecker. Jetzt hatte sein Magen erst mal für ein paar Tage etwas zu tun.
Sanft streichelte Gustav sein, nun ziemlich rundes Bäuchlein und putzte sich seine Barthaare und die kleine Schnauze.
Aber ihr kennt ja Gustav noch gar nicht, nicht wahr?
Also, Gustav ist ein Maulwurf.
Ein ganz gewöhnlicher Maulwurf, so wie jeder andere Maulwurf auch. Gustav ist noch sehr jung.
Seinen Papa hatte er leider nie kennen gelernt. Den hat sich das Wiesel geholt, kurz nach Gustavs Geburt. Und seine Mama, nun wie soll ich euch das erklären.
Seine Mama hatte das große Unglück, einem von diesen riesigen Monstern über den Weg zu laufen.
Die kennt ihr doch bestimmt auch, laufen auf zwei Beinen, sind riesengroß und machen einen Heidenlärm.
Besonders ihre gefräßigen Maschinen.
Damit zerschnippeln sie immer das Gras und walzen die schönen Maulwurfshügel platt.
Nun ja, wie soll ich euch das schonend beibringen.
Sagen wir es mal so, Mama Maulwurf hat unvernünftiger Weise einmal nachsehen wollen, wer über dem Esszimmer so ein Theater macht und da, war es auch schon passiert. Tja und darum musste sich der kleine Gustav bis heute alleine durchschlagen.
Aber dann hat er seine beste Freundin getroffen, - Isabell!
Eine hübsche kleine Wühlmaus. Sie hatte zwar ihre Familie noch, aber da sie sehr unternehmungslustig war, stöberte sie am liebsten in der Gegend herum und so, stieß sie eines Tages auch auf einen der Gänge, die Gustav gegraben hatte.
Und an der nächsten Tunnelkreuzung, sind die zwei dann zusammen gerasselt.
„Oh, ‘schuldigung“, riefen Gustav und Isabell gleichzeitig und rieben sich die Köpfe.
„Alles in Ordnung bei dir“, fragte Isabell den kleinen Maulwurf und betrachtete ihn genauer.
„Kannst du nicht aufpassen“ schimpfte Gustav ungehalten. Sein Kopf tat ihm immer noch ein wenig weh. „Was machst du überhaupt hier in meinem Tunnel und wer bist du eigentlich?“
Ein wenig pikiert über die Rüde Abfuhr, rümpfte Isabell die kleine Mäusenase und sagte: „Ich bin eine Wühlmaus! Das kann man doch sehen. Wenn du nicht so blindlings um die Ecke getapst wärst, hättest du mich ja kommen sehen können.“
Oh, oh, oh. Damit hatte sie Gustavs wunden Punkt erwischt.
„Erstens …“, knurrte er sie an, „… ist das hier mein Tunnel. Hier kann ich rumtapsen, wie ich will! Und zweitens, bin ich blind! Ich bin ein Maulwurf, wie „Du“ sicherlich sehen kannst!“
Nun war Gustav richtig sauer und wollte sich verärgert umdrehen und brummend davon stampfen.
Doch ein zaghaftes: „Es tut mir leid“, ließ ihn auf der Stelle verharren.
„Ich habe dich leider nicht kommen hören. Ich hatte da so ein Lied im Kopf und habe nicht auf den Weg geachtet“, erklärte Isabell und schaute Gustav entschuldigend an.
Es tat ihr fürchterlich leid, dass sie dem kleinen Maulwurf vorgeworfen hatte er sei blind.
Sie wusste schließlich, dass Maulwürfe so gut wie nichts sehen können.
Nun, wenn man unter der Erde lebt, braucht man keine guten Augen. Dort ist es eh immer dunkel. Sie selbst, als Wühlmaus war in beiden Welten zu hause. Über und unter der Erde.
Darum musste sie gut sehen können. Aber sich über die Schwäche eines Anderen lustig zu machen, oder sie ihm gar vorzuwerfen, das war unverzeihlich.
Darum bat Isabell den kleinen Maulwurf auch so lange um Entschuldigung, bis er schließlich abwinkte und sagte: „Ist ja gut. Danke, für deine freundlichen Worte. Aber ich muss gestehen, ich war auch ganz in Gedanken versunken und habe selbst auch nicht auf den Weg geachtet.“
Da musste Isabell schmunzeln und lachte erleichtert auf. Gustav stimmte in ihr fröhliches Lachen ein.
Isabell entschuldigte sich auch noch einmal dafür, einfach in seinen Gängen herum spaziert zu sein und Gustav winkte nur ab und meinte: „Das ist doch nicht so schlimm. Ich war halt nur so überrascht.“ Sie einigten sich darauf, in Zukunft höflich zu fragen, wenn sie in den Tunneln des Anderen spazieren gehen wollten. Dann verabschiedeten sie sich und gingen ihrer Wege.
2. Kapitel
V on nun an, passierte es immer wieder, dass Isabell und Gustav sich über den Weg liefen. Zwar rannten sie nicht mehr blindlings ineinander, denn ihre erste Begegnung hatte dafür gesorgt, dass sie sich aufmerksamer in den Gängen bewegten. Aber immer wieder, standen sie sich ganz unversehens gegenüber. Bis sie schließlich anfingen, sich zu verabreden. Und so machten sie immer öfter gemeinsame Erkundungstouren unter der Erde. Manchmal halfen sie sich auch gegenseitig, ihre Tunnel auszubessern. Denn die unterirdischen Gänge brauchen viel Pflege und ständig musste man Erde und Steine aus dem Weg räumen.
Manchmal verabredeten sie sich auch einfach nur zum Essen. Jeder brachte etwas Köstliches zu futtern mit und ein ordentlicher Schluck zu trinken durfte auch nicht fehlen. Erst letztens, hatten sich beide im großen Südtunnel zu einem Picknick verabredet.
Dort roch es so herrlich nach Wurzeln und Erde. Die Wühlmaus liebte den Platz so sehr, weil er von der Morgensonne beschienen wurde und die Sonnenstrahlen durch einige Erdritzen in den Tunnel drangen. Außerdem sorgte die Wärme der Sonnenstrahlen dafür, dass die Staubpartikel so wunderschön in der Luft tanzten. Das alles wusste der kleine Maulwurf nicht, und als Isabell, die Wühlmaus, ihm davon erzählte, wurde er ganz traurig.
„Bitte sei nicht traurig“, bat sie den Maulwurf.
„Du kannst doch nichts dafür, dass du die Sonne nicht sehen kannst.
Weißt du was“, schlug sie Gustav vor: „… ich beschreibe dir genau, wie die Sonnenstrahlen den Staub tanzen lassen.“
Und so gab sich Isabell die größte Mühe, dem kleinen Maulwurf die wundersame Kraft der Sonnenstrahlen zu schildern. In den buntesten Bildern beschrieb sie die Wärme, die wie ein sanftes Streicheln auf dem Pelz war.
Die Leichtigkeit, mit der die Staubpartikel durch die Luft schwebten. Und natürlich den unglaublichen Glanz, den die Sonnenstrahlen den farbigen Blütenblättern und Bäumen verliehen.
Doch das machte alles nur noch schlimmer.
Wie sollte der kleine Maulwurf sich das vorstellen? Er kannte nur die Dunkelheit und fürchtete sich vor dem Licht.
Und ganz besonders, fürchtete er sich vor dem da „Draußen“.
Da „Draußen“, lauerten die Angst und der Tod.
Das Draußen hatte ihm schon seine Familie genommen. Damit wollte er nichts zu tun haben.
„Ich verstehe, dass du dich davor fürchtest“, sagte die Wühlmaus und nahm Gustav tröstend in den Arm.
„Aber glaube mir, dass „Draußen“ ist nur deshalb so furchteinflößend für dich, weil du nicht sehen kannst. Wenn du sehen könntest, dann würdest du bestimmt deine Angst verlieren“, erklärte Isabell dem Maulwurf.
Der, hatte ihr stumm zugehört und fragte sich, ob die Wühlmaus wohl Recht hatte. Konnte es sein, dass ihn seine eigene Angst, im wahrsten Sinne des Wortes, „blind“ machte? Das durfte nicht sein. Er war ein Raubtier, stolzer Nachfahre einer endlos langen Reihe von tapferen und unerschrockenen Jägern der Unterwelt.