Oberons blutige Fälle - Kevin Hearne - E-Book

Oberons blutige Fälle E-Book

Kevin Hearne

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Beschreibung

Oberon, der irische Wolfshund des Druiden Atticus, steht in diesem Band ganz im Mittelpunkt. Zwei Kriminalfälle fordern seinen Mut und seine Kombinationsgabe, die der eines Sherlock Holmes nicht nachsteht. Ein Muss für alle Hundeliebhaber und Fans der Reihe »Die Chronik des Eisernen Druiden«. Oberon wittert sofort ein niederträchtiges Verbrechen, als er von dem Verschwinden eines preisgekrönten Pudels in Oregon hört. Hat sich doch ein ähnlicher Fall erst kürzlich im Bundesstaat Washington ereignet. Die Polizei kümmert sich nicht weiter um die Angelegenheit, aber Oberon hilft der Gerechtigkeit nach. Wenig später fällt ihm auf einer Fahrt nach Portland, die er zusammen mit der Wolfshündin Orlaith und dem Boston Terrier Starbuck unternimmt, ein zweiter Fall vor die Pfoten. Auf dem Bahnsteig finden sie eine Leiche. Die Sache wird noch unheimlicher als das Hundetrio entdeckt, dass der Tote Atticus zum Verwechseln ähnlich sieht.

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Seitenzahl: 252

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Kevin Hearne

Oberons blutige Fälle

Aus dem Amerikanischen von Friedrich Mader

Impressum

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Hobbit Presse

www.klett-cotta.de/hobbitpresse

Die Originalausgaben erschienen unter den Titeln

»The Purloined Poodle« und »Oberon’s Meaty Mysteries: The Squirrel on the Train« im Verlag Subterranean Press, 2016, 2017

© 2016, 2017 by Kevin Hearne

Für die deutsche Ausgabe

© 2018 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Cover: Birgit Gitschier, Augsburg

unter Verwendung einer Ilustration von © Galen Dara, 2017

Datenkonvertierung: Dörlemann Satz, Lemförde

Printausgabe: ISBN 978-3-608-96295-6

E-Book: ISBN 978-3-608-11108-8

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

Inhalt

Der entführte Pudel

Der Boxer

Der Mann mit der großen Salami

Eine grausige Entdeckung

Schwammig-schwabblige Zeit ist die beste Zeit

Ein Mann mit einem zweifelhaften Erscheinungsbild

Ein dreistes Manöver mit Englischen Settern

Lach nie über ein schlechtes Omen

Holmes und Watson, reloaded

Epilog

Das Eichhörnchen auf dem Zug

Eichhörnchen, auf frischer Tat ertappt

Fragen über Fragen

Der Mann, der die Wurst versteckte

Verschlüsselte Nachrichten

Eule sticht Drohne

Taco-Regeln

Ein Bär am Erdbeerberg

Mord auf Bestellung

Eichhörnchen, spurlos verschwunden

Epilog

Dank

Der entführte Pudel

1

Der Boxer

Menschen nehmen die natürliche Freundlichkeit von Möpsen gar nicht wahr. Sie sehen nur das Knautschgesicht, die panisch hervorquellenden Augen und die Tendenz zum Ausflippen, wenn man ihnen die Zehennägel schneidet, aber sie begreifen nicht, warum Möpse so gut mit anderen Hunden auskommen. Tja, es ist einfach die Art, wie sich der Schwanz nach oben und weg vom Körper kringelt – man fühlt sich förmlich zum Beschnuppern eingeladen, wenn man sie kennenlernt. Der erste Eindruck ist eben entscheidend. Und es gibt nichts Entgegenkommenderes als einen einfachen Zugang von der Rückseite.

In Acht sollte man sich dagegen vor Hunden nehmen, die nicht wollen, dass man ihr Hinterteil beschnuppert. Das bedeutet nämlich, dass sie etwas zu verbergen haben. Das sage ich, weil man durch einen ordentlichen Hauch vom Allerwertesten schlicht alles erfährt, was man über einen Hund wissen muss. Das habe ich Atticus schon fünf Billionen oder Millionen oder Hundert Mal erklärt. Keine Ahnung, welche Zahl richtig ist, jedenfalls ist es ein Haufen. Doch selbst wenn er diese Druidensache macht und sich in einen Hund verwandelt, weigert er sich hartnäckig, die reichhaltigen Informationen am Hinterausgang eines Artgenossen einzuatmen, und das finde ich ziemlich daneben. Schließlich hat er in dieser Gestalt die gleichen Filter in der Nase wie ich, die verhindern, dass einem von dem Gestank schlecht wird. Dank dieser Filter erkennen wir vielmehr das Besondere an Gerüchen, egal ob es ein Hydrant ist, ein Baum oder das lockig verlockende Gesäß einer französischen Pudeldame. Wahrscheinlich wird er seine menschlichen Vorurteile in dieser Frage nie völlig ablegen.

Aber ich darf nicht zu hart mit ihm ins Gericht gehen. Er gibt mir Wurst und Leckerlis, und er krault mir den Bauch. Außerdem habe auch ich meine Vorurteile. Wenn ich da bloß an Katzen denke. Oder an Chihuahuas, die meiner Meinung nach der klare Beweis für die Existenz von Aliens auf der Erde sind. Und dann erst ein Hund, der mir gegenübertritt und nicht zulässt, dass ich seine Kehrseite begutachte! Das ist zwielichtiger als ein Mitternachtsspaziergang auf dem Friedhof.

Genau auf so einen zwielichtigen Zeitgenossen stieß ich im Alton Baker Dog Park in Eugene, Oregon. Wir wohnen inzwischen im Willamette National Forest in der Nähe des McKenzie River, und Atticus nimmt mich hin und wieder mit in die Stadt, damit ich außer Orlaith noch anderen Hunden begegne und damit er sich Sachen wie schlechten Kaffee und noch schlechtere Donuts gönnen kann – er nennt sie Zuckerbomben. Außerdem kauft er sich dann immer eine Zeitung voller Anzeigen für Luxusautomobile, obwohl ihn angeblich nur die Artikel interessieren.

Immer wenn ich einen Park betrete, staunen die anwesenden Vierbeiner Bauklötze, weil sie noch nie so einen großen Hund wie mich gesehen haben. Entweder sie sind begeistert, oder sie kriegen Angst. Oder sie kläffen wie verrückt – zum Beispiel die kleinen Rassen, die meinen, dass so was wie ich gar nicht erlaubt sein sollte. Den Yorkshire-Terriern hingegen ist sowieso alles egal. Die bellen mich immer an.

Mit Boxern kann man super spielen, deswegen war ich ganz aufgeregt, als ich im Park einen erspähte. In der Regel komme ich bestens mit ihnen aus. Ich ließ sogar einen Mops stehen, der zu Vorstellungszwecken praktisch rückwärts auf mich zusteuerte, weil ich den Boxer unbedingt kennenlernen wollte. Aber der Bursche – der nicht kastriert war, wie ich bereits aus der Ferne erkannte – knurrte mich bloß giftig an, als ich näher kam. Ich wedelte mit dem Schwanz und ließ die Zunge heraushängen, um meine freundlichen Absichten zu demonstrieren. Trotzdem zeigte er weiter die Zähne und bellte sogar zweimal, als ich nicht zurückwich.

Auf einmal merkte ich, dass der Boxer ohnehin mit niemandem spielte. Er stand allein neben einer Fichte. Dafür musste es einen Grund geben. Ich schaute mich nach seinem Menschen um, konnte aber niemanden entdecken, der besonderes Interesse an den Tag legte. Atticus saß auf einer Bank und las seine Zeitung mit den Katastrophenmeldungen. Im näheren Umkreis waren noch andere vereinzelte Leute, die nicht aufeinander achteten. Ein Paar war in ein aufgeregtes Gespräch vertieft. Der Mann redete, und die Frau hörte ihm betroffen zu. Alle anderen hielten mit verschränkten Armen Ausschau nach ihren Hunden, damit sie sich nicht mit anderen in die Wolle kriegten. Nur ich und der Boxer waren unbeaufsichtigt.

Ich wollte mich nicht mit ihm in die Wolle kriegen, sondern spielen. Also ging ich mit der vorderen Hälfte nach unten und hielt wedelnd den Schwanz in die Höhe, ein klares Signal, dass ich nichts Böses im Schilde führte und bloß ein wenig herumjagen wollte. So aufmunternd wie nur möglich wuffte ich ihn an. Aber dieser Boxer war wie dieser Katzenfürst Tybalt, von dem mir Atticus erzählt hatte: jemand, der nach einem Vorwand für ein Duell suchte. Er knurrte mit gesträubtem Nackenfell und fletschte die Zähne noch stärker. Da stimmte was nicht. Es war doch so ein herrlicher Tag.

›Äh, Atticus?‹, rief ich meinen Druiden über unsere mentale Verbindung an.

Seine Stimme antwortete in meinem Kopf. Was ist denn, Oberon? Ich würde gern lesen.

›Ach so. Ich wollte dich natürlich nicht von deinem wichtigen Herumfläzen abhalten, sondern dir bloß mitteilen, dass ich vielleicht gleich in eine Rauferei gerate.‹

Bitte nicht. Geh einfach weg.

›Na jaaa … Könnte sein, dass es dafür schon zu spät ist.‹

Und genauso war es. Der Boxer senkte den Kopf und griff an. Rannte ich jetzt weg, bestand die Gefahr, dass er sich auf meine Beine stürzte. An die Kehle konnte er mir nicht gehen, weil ich die Nase ja schon ganz unten hatte. Dafür konnte ich ihm an seine gehen, zumal ich dreißig Kilo schwerer war als er. Angst hatte ich keine vor ihm. Kein bisschen. Ich meine, es steht nun mal zweifelsfrei fest, dass ich ein kampferprobter Hund bin, der von seinem treuen Druiden einen Haufen Tricks gelernt hat.

Ich stürzte ihm also entgegen und rammte ihm den Schädel voll auf die Nase. Er konnte sich in nichts verbeißen und sank benommen von der Wucht des Aufpralls zurück. Dadurch war er ungeschützt meinem Hieb über die Schnauze ausgesetzt. Das weckte ihn auf und erinnerte ihn daran, seiner Bezeichnung Boxer Ehre zu machen. Und er machte ihr Ehre. Er kratzte mich zweimal mit den Krallen und biss mir in die Schulter, weil er nicht an meine Kehle kam. Ich meinerseits wusste mich zu wehren. Schon bald hatte ich seine Angriffsweise durchschaut und griff auf einen Kniff aus der hohen Schule der Kampfkunst zurück, in der mich Atticus unterwiesen hatte. Für Hunde gelten die gleichen Prinzipien wie für Menschen: Man muss die Kräfte des Gegners ablenken, um sich selbst zu schützen und ihn zu besiegen. Als er mit dem rechten Vorderbein zu einem Schwinger ausholte, sprang ich vor, blockierte seinen Schlag mit meiner linken Pfote und riss ihn mit dem ganzen Körper um, bis seine Kehle genau unter meinem Maul lag. Er wollte sich zappelnd befreien, und ich drückte ein wenig zu, damit ihm der Ernst seiner Lage bewusst wurde.

Im nächsten Moment drang Atticus in seinen Kopf vor, und kurz darauf wurde er ruhig. Ich ließ ihn los und wich zurück. Endlich kamen nun auch Atticus und das Paar angerannt. Andere Menschen riefen nach ihren Winzkläffern und verzogen sich, aus Angst, diese könnten zwischen die Fronten geraten.

Der Boxer hatte den einen oder anderen Kratzer und vielleicht auch ein paar Zahnabdrücke abbekommen. Bei mir war es genauso. Nichts Schlimmes also. Aber bei besorgten Menschen braucht es immer eine Weile, bis diese Einsicht zu ihnen durchdringt. Ohne ausgewachsene Panik geht es offenbar nicht.

Die Frau war eine Blondine von der chemischen Sorte. Atticus hat mir verraten, wie man das leicht erkennt: Man muss schauen, ob die Augenbrauen die gleiche Farbe haben wie das Haar. Bei ihr bestand nicht die geringste Ähnlichkeit. Hatte sie womöglich eine Perücke auf? Sie war sonnengebräunt oder hatte vielleicht einfach dunklere Haut – für mich war das schwer zu unterscheiden, weil Hunde Farben anders wahrnehmen als Menschen. Wir sehen Gelb und Blau und ansonsten eher Schattierungen von Grau, vor allem zwischen Rot und Grün. Zum Beispiel war mir anfangs völlig schleierhaft gewesen, warum Atticus immer behauptete, dass ein roter Ball eine andere Farbe hatte als das grüne Gras, auf dem er lag – für meine Augen hatte beides einen fast gleichen dunkelgrauen Ton.

Die Frau trug Laufschuhe, die viel zu sauber wirkten, und enge dunkle Leggins mit Leuchtstreifen an den Waden. Keine Ahnung, was diese Linien signalisierten, die ich in letzter Zeit schon öfter bemerkt hatte. Ich wusste, dass gelbe Streifen an den Schultern bei Menschen manchmal auf einen militärischen Rang schließen ließen. Vielleicht bedeuteten Striche am Bein, dass sie im Vergleich zu anderen Leuten superschnell war. Auf jeden Fall war sie schneller als der Typ, mit dem sie sich unterhalten hatte. Sie roch auf künstlich seifige Weise nach Zitrone und toten Blumen, mit einem Hauch von diesen Gemüseleckerlis, die Atticus als Futter für Hipsterwauwaus bezeichnet. Wuäh!

Der abgehängte Typ kam ziemlich ins Schnaufen und rief etwas, das klang wie Aldi und Schluss. Das fand ich ziemlich sinnlos, weil wir ja schon längst aufgehört hatten. War das wirklich der Name des Boxers? Wer nannte seinen Hund denn nach einem Supermarkt?

Der Mann war dunkelhaarig und eher bleich, die Wangen ganz fleckig vor Aufregung, Wut oder irgendeiner Menschenkrankheit, keine Ahnung. Trotzdem war er mir sofort sympathisch, weil er ein T-Shirt mit der Aufschrift OPA UND DIE CANTERBURY trug, ein Verweis auf die Sciencefiction-Fernsehserie The Expanse. Außerdem roch er nach echter Wurst und einem anhaltenden, aber aussichtslosen Kampf gegen Fußschweiß. Er und die Frau fixierten mich mit grimmiger Miene – anscheinend hielten sie mich für einen bösen Hund – und drängten sich ängstlich um den Boxer.

Inzwischen war auch Atticus eingetroffen und schaute nach mir. Ah, alles halb so wild.

›Ja, stimmt.‹

Was ist denn passiert?

›Ich wollte nur ein bisschen mit ihm herumjagen, ehrlich, Atticus! Bloß er war gleich auf hundertachtzig und ist auf mich losgegangen. Dieser Kläffer ist total verstört. Ich möchte jetzt nicht behaupten, dass er Tollwut hat oder so was. Aber er ist kurz vorm Ausrasten wie Jack Nicholson in jedem Film, wo er mitspielt.‹ Atticus schien nicht überzeugt, also legte ich nach. ›Mach doch deinen Druidenspuk und schau nach, wenn du mir nicht glaubst! Klar, du hast ihn beruhigt, doch das heißt noch lange nicht, dass damit sein Problem beseitigt ist, oder?‹

Während er mich tätschelte, richtete Atticus den Blick auf den Boxer. Nach ein paar Stunden oder Minuten oder so stellte er fest: Du hast recht. Er ist ganz aufgewühlt.

Dann wandte er sich an das Paar. »Den beiden fehlt nichts. Ein kleines Pflegebad, und alles ist wieder in Ordnung.«

»Sicher«, antwortete der Mann. »Hast du mitgekriegt, was der Auslöser war?«

»Mein Hund wollte spielen, und deiner hatte wahrscheinlich keine Lust darauf.«

»Ah! Das überrascht mich nicht. Algy ist in letzter Zeit ein bisschen launisch.«

›Atticus, heißt der Boxer wirklich Aldi?‹

Nur so ähnlich. Das ist die Kurzform des britischen Namens Algernon.

»Das tut mir leid«, sagte Atticus. »Hast du eine Ahnung, was ihn bedrückt?«

»Na ja, gerade hab ich ihr erzählt … oh, Entschuldigung. Das ist Tracie Chasseur, und ich bin Earnest Goggins-Smythe.«

»Sehr erfreut. Ich bin Connor Molloy.« Das war der Name, den Atticus seit einiger Zeit benutzte. Er verbraucht Namen wie ich Kauspielzeug. »Chasseur? Klingt schweizerisch.«

»Französisch-hugenottisch, aus dem achtzehnten Jahrhundert«, erwiderte die Frau mit einem Hauch von Gekränktheit. Anscheinend hatte sie was dagegen, wenn man sie für eine Schweizerin hielt. Oder sie hatte einfach was gegen Atticus. Das passierte manchmal. Ich habe mit eigenen Augen beobachtet, dass Leute ihn töten wollten, ohne auch nur Hallo zu sagen. Und das ist für menschliche Verhältnisse ziemlich unhöflich, wenn nicht sogar rüpelhaft, da bin ich mir ziemlich sicher. Auf bestimmte Leute hat er einfach diese Wirkung.

»Also«, fuhr Earnest fort, »was ich ihr gerade erzählt habe, Algy hat in der Nacht, als Jack entführt wurde, einen Betäubungspfeil abbekommen.«

»Moment mal – wer wurde entführt?«

»Mein Rassepudel Jack, ein Grand Champion. Und er ist nicht der erste Grand Champion aus der Gegend, der entführt wurde.«

Tracie schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme. »Ich kann einfach nicht glauben, dass jemand so was macht. Wenn die das bei meinen Englischen Settern probieren, dann können sie was erleben.«

Ich drehte den Kopf und hielt Ausschau nach ihren Hunden. Bei meiner Ankunft waren mir keine Englischen Setter aufgefallen. Ah, doch, da waren sie. Flaumig weißes Fell mit blauen Sprenkeln. Unter den Augen eines nervösen menschlichen Beobachters spielten sie in einer entfernten Ecke des Parks mit einem schwarzen Labrador.

»Wenn dein Wolfshund auch ein Grand Champion ist, dann wäre ich vorsichtig.«

»Nein, er ist kein Champion.«

›Hey, ich kann alle schlagen!‹

Ich weiß, Oberon. Das erklär ich dir später.

»Trotzdem, er ist wirklich ein Prachtkerl«, sagte Tracie.

Auf einmal fand ich den Zitronenduft gar nicht mehr so schlimm. Allerdings bewirkte so eine Schmeichelei noch lange nicht, dass ich ihr die Gemüseleckerlis verzieh. Das grenzte ja an seelische Grausamkeit. Noch schlimmer war natürlich, wenn man von seinem Pudel getrennt wurde. Ich wollte mehr über Earnests Tragödie erfahren.

›Atticus, kannst du ihn nach Einzelheiten zu seinem vermissten Pudel fragen?‹

Er tat mir den Gefallen. »Was genau ist denn mit deinem Pudel passiert, Earnest? Du sagst, er heißt Jack?«

»Ja. Sein voller Name ist Jack Frederick Oscar Worthing Chasuble Wilde.«

»Ah, verstehe!« Atticus lachte mit schelmischer Miene, wie immer, wenn er sich von seiner charmanten Seite zeigen wollte. »Du bist ein Fan von Oscar Wilde.«

»Viele Typen mit dem Namen Earnest mögen ihn nicht. Ich schon.«

»Und dein Boxer heißt …?«

»Algernon Oscar Bunbury Moncrieff Wilde.«

Kein Wunder, dass er das zu Algy abgekürzt hatte. ›Was soll denn das Ganze, Atticus?‹

Die Namen stammen alle von Figuren aus Oscar Wildes Theaterstück Ernst sein ist alles. Für eine Registrierung beim AKC braucht man einen richtig langen Namen.

›Keine Ahnung, was AKC ist, aber heißt das, dass ich auch so einen Haufen Namen haben kann? Nicht bloß Sir Oberon Leckerliwert?‹

Tu dir keinen Zwang an.

›Sir Oberon Leckerliwert del Asado en Salsa von Bacon y O’Bœuf!‹

Was meinst du mit O’Bœuf?

›Na, Rind eben, bloß vornehmer. Das ist wie bei dem Namen von Tracie. Französisch-hugenottisch aus dem achtzehnten Jahrhundert.‹

Du bist doch irisch.

›Deshalb heißt es auch O’Bœuf, nicht bloß Bœuf. Irischer Adel, Atticus!‹

Oberon, weißt du überhaupt, was ein französischer Hugenotte ist?

Ausgehend vom Klang des Wortes, wagte ich eine Vermutung: ›Ein Astronaut von einem Stern namens Hugo?‹

Ein mentales Schnauben signalisierte mir, dass ich falsch geraten hatte. Dann musste ich wieder auf das Gespräch mit Earnest und Tracie achten. Im Gegensatz zu mir hat Atticus die Fähigkeit, sich in verschiedenen Kopfräumen zu bewegen. Ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung, wie das funktioniert. Jedenfalls kann er sich mental mit mir unterhalten und gleichzeitig mit jemand anders ein Gespräch führen.

»Ist Algy auch ein Grand Champion?«, fragte er gerade.

»Nein, er ist einfach bloß ein Liebling.« Earnest betrachtete seinen Hund mit einem innigen Lächeln. »Traumatisiert, aber im Moment anscheinend ganz zufrieden.«

Der Boxer wirkte tatsächlich entspannt, wie er so mit hängender Zunge dasaß. Jede Aggression war aus seinen Muskeln gewichen. Ein Druide im Kopf kann sehr beruhigend wirken.

»Die Täter waren also auf Algy vorbereitet. Sie hatten es auf deinen Pudel abgesehen. Bloß weil er ein Pudel ist oder weil er ein Grand Champion ist?«

»Ich glaube, es geht um den Titel Grand Champion, weil wir in jüngster Zeit eine Welle von Entführungen hatten.«

»Das hast du vorhin schon erwähnt – das passiert also öfter?«

»Überall in den Staaten Oregon und Washington.« Stirnrunzelnd musterte Tracie Earnest. »Angefangen hat es mit Julia Garcias Italienischem Windspiel oben in Tacoma, oder?«

»Nein, das war das zweite Opfer«, korrigierte Earnest. »Das erste war Ted Lumberghs Bretonischer Spaniel drüben in Bend.«

»Stimmt, den hatte ich ganz vergessen.«

»Und danach kamen die Französische Bulldogge in Bellingham und der Airedale Terrier in Hillsboro. Dann war Jack dran.«

»Unglaublich«, sagte Atticus. »Weiß die Polizei Bescheid?«

Earnest zuckte die Achseln. »Wir haben sie natürlich verständigt, aber das Interesse hält sich in Grenzen. Die Beamten glauben nicht mal, dass es derselbe Täter ist. Sie meinen, dass sie einfach ausgerissen sind, weil das bei Hunden schon mal vorkommen kann. Bloß dass wir hier nicht von Straßenkötern reden. Das sind Grand Champions, die besttrainierten und verwöhntesten Hunde der Welt. Und dass Algy mit einem Betäubungspfeil ruhiggestellt wurde, ist ein ziemlich deutlicher Hinweis auf ein planvolles Vorgehen. Wahrscheinlich haben sie es immer so gemacht: den Hund betäubt, damit er nicht bellt und den Besitzer aufweckt. Alles schön heimlich im Schutz der Dunkelheit.«

»Wahnsinn. Und wozu das Ganze?«

»Zum Züchten, das ist wenigstens der einzige Grund, der mir einfällt. Jemand, der Konkurrenten für die Wettbewerbe ausschalten möchte, kann es nicht sein, weil es sonst immer die gleiche Rasse wäre. Da will sich einfach jemand bereichern.«

»Entschuldige, das habe ich nicht ganz verstanden. Wie kann man sich damit bereichern?«

»Grand Champions erzielen Höchstpreise bei der Decktaxe. Wenn man mehrere hat, kann man davon wahrscheinlich ganz ordentlich leben.«

›Was ist eine Decktaxe, Atticus?‹

Wenn jemand eine Hündin hat und will, dass sie die bestmöglichen Welpen kriegt, bezahlt er den Besitzer eines hervorragenden Rüden, damit dieser sie schwängert. Das nennt man dann Decktaxe.

›Boah. Warte mal. Soll das heißen, dass ich, als der allerhervorragendste Rüde der Weltgeschichte, mich fürs Bespringen von Hündinnen bezahlen lassen könnte?‹

Nein, das Geld würde ich kassieren. Aber das spielt keine Rolle, weil wir so was nicht machen.

›Nein?‹

Auf keinen Fall. Das ist eine Frage der Ethik.

›Ach so. Da geht es um Ethik? Du meinst, die Ethik des Bespringens ist ein riesiges Forschungsfeld?‹

Ja. Außerdem musst du Rücksicht auf Orlaith nehmen.

›Stimmt!‹ Sobald ich es ausgesprochen hatte, wurde mir klar, dass das nur einigermaßen stimmte. Hunde sind nicht monogam wie die meisten Menschen. Wir heiraten nicht und führen auch keine festen Beziehungen. Deswegen kommen mir viele menschliche Dramen auch ziemlich albern vor. Orlaith ist allerdings die einzige Hündin, mit der ich reden kann. Das macht sie zu etwas Besonderem, und ich fände es unfein, hier mal eine Hirschhündin und dort mal eine Dänische Dogge zu bespringen, während sie mit unseren Welpen trächtig ist. ›Das wäre mir sowieso in einem Jahrzehnt oder einem Jahrhundert oder einer Sekunde gleich wieder eingefallen! Ich war bloß erschüttert, dass es so was tatsächlich gibt.‹

»Wie habt ihr von all diesen Entführungen gehört?«, wollte Atticus wissen.

»Wir haben ein Onlineforum«, antwortete Tracie. »Da sind alle Besitzer und Trainer angemeldet, die zu Hundeausstellungen in der Gegend fahren.«

»Verstehe. Vielleicht werden so ja auch die Opfer ausgesucht?«

Tracie und Earnest schauten sich mit großen Augen an. Bei Menschen bedeutet das, dass sie entweder überrascht sind oder etwas in die Hose gegangen ist.

»Möglich«, räumte Earnest ein.

»Und wie kann jemand erfahren, wer einen Grand Champion hat?«

Earnest schloss die Augen – nein, er drückte sie wirklich fest zu und machte ein knurriges Gesicht mit aufblitzenden Zähnen. Von Atticus weiß ich, dass man das Zusammenzucken nennt. Auch das hätte natürlich bedeuten können, dass bei ihm was in die Hose gegangen war. Wahrscheinlicher war allerdings, dass er in seinem Kopf gerade so eine Rede von wegen o Gott, was bin ich für ein Idiot hielt. »Unsere Namen sind mit Sternchen gekennzeichnet. Und in den Biografien taucht es auf jeden Fall auf. Eine Egosache. Schließlich sind wir stolz auf unsere Champions.«

»Mist«, entfuhr es Tracie. »Auf diese Weise finden sie uns. Ich muss sofort meinen Stern löschen und die Bio umschreiben.«

»Wenn das stimmt … Weißt du, was das heißt, Tracie?« Earnest machte eine Pause. »Dass der Täter einer von uns ist. Ein Trainer, meine ich. Jedenfalls ein Hundekenner.«

»Scheiße, Scheiße, Scheiße«, zischte sie. »Ich muss sofort mein Profil ändern. Entschuldigung.« Sie warf Atticus einen kurzen Blick zu. »Schön, dich kennengelernt zu haben, Connor. Vielleicht treffen wir uns mal wieder hier im Park.« Dann lief sie zu ihren Hunden. »Lizzie! Mr Darcy!«

Atticus gab ein amüsiertes Glucksen von sich.

›Was ist daran so komisch?‹

Die Namen stammen aus Stolz und Vorurteil von Jane Austen.

›Ah, du meinst den Film mit dem irischen Wolfshund, der bei den Bennets wohnt?‹

Ja, das ist die Kinofassung mit Keira Knightley. Davor war es ein Roman. Mir gefallen diese Leute, die ihre Hunde nach literarischen Figuren benennen.

›Bei mir ist es auch so, nicht wahr? Du hast mich nach diesem Typen aus einem Stück von Shakespeare benannt.‹

Stimmt. Atticus wandte sich wieder dem Mann und seinem Boxer zu. »Wie viele Leute sind wohl in diesem Forum? Was schätzt du, Earnest?«

»Zweihundert vielleicht? Da müsste ich nachschauen. Ich meine, ich schaue auf jeden Fall nach. Das ist ein handfester Hinweis für die Polizei. Danke!«

»Keine Ursache. Wenn ich fragen darf – wie viele von diesen zweihundert sind Besitzer eines Grand Champions?«

»Bestimmt nicht mehr als fünfzig.«

»Das ist eine ziemlich große Gruppe möglicher Opfer. Da könnten noch einige Entführungen dazukommen.«

»Meine Güte, wahrscheinlich hast du recht.«

Atticus überlegte. »Hör zu, ich habe einen Bekannten bei der Polizei hier in Eugene, einen Detective.«

Ha, das war eine glatte Lüge! Atticus vertrug sich nicht besonders gut mit der Polizei.

Earnest konnte das natürlich nicht wissen. »Wirklich? Nicht zufällig Detective Callaghan?«

»Doch!«, rief Atticus begeistert. »Woher …?«

»Er arbeitet an Jacks Fall. Wenn man das als arbeiten bezeichnen möchte. Sehr groß ist sein Interesse jedenfalls nicht.«

»Vielleicht kann ich da was ausrichten. Könntest du mir die Adresse des Onlineforums sagen und mir die Namen der anderen Opfer nennen? Bisher habt ihr nur Julia Garcia und Ted Lumbergh erwähnt.«

Die Webadresse war für mich bloß Kauderwelsch. Immerhin verstand ich, dass der Mensch der Französischen Dogge in Bellingham Delilah Pierce und der des Airedale Terriers in Hillsboro Gordon Petrie hießen.

Atticus bedankte sich. »Also angenommen, ich bin ein Gauner, der gerade einen Grand Champion gestohlen hat. Oder fünf. Wie kann ich damit Geld verdienen? Gebe ich im Netz oder in Zeitungen Anzeigen auf?«

»Ach, nach solchen Anzeigen hier im Umkreis habe ich mich schon umgeschaut, das kannst du mir glauben«, erwiderte Earnest. »Bis jetzt habe ich nichts gefunden.«

»Nur im Umkreis? Oder landesweit?«

»Na ja, wie soll ich denn erkennen, welche sich auf meinen Jack bezieht? Die Zahl der Pudelrüden ist groß. Wenn ich das überprüfen will, muss ich überall persönlich vorsprechen, und das ist nicht machbar.«

»Klar. Wir können also davon ausgehen, dass der Täter die Hunde in eine andere Gegend bringt und sie dort vermarktet.«

Earnest wirkte ernüchtert. »Wahrscheinlich. Jack könnte überall sein.«

»Immerhin haben wir als Anhaltspunkt die fünf verschiedenen Hunderassen. Da können wir mit der Suche ansetzen. Vielleicht lässt sich die Sache dann noch stärker eingrenzen, weil man inzwischen ja fast alles im Netz findet. Außerdem liefert uns euer Onlineforum einen Kreis potenzieller Verdächtiger.«

»Da ist was dran.«

»Lass den Kopf nicht hängen. Ich rede mit dem Detective, dann sehen wir weiter.«

»Toll. Vielen Dank, Connor.«

»Keine Ursache.«

Sie tauschten Telefonnummern aus und schüttelten sich die Hand, dann verabschiedete sich Atticus. Hoffentlich war Algernon besser drauf, wenn wir uns mal wiedersahen. Jedenfalls verstand ich seine Aufregung jetzt. Ich wäre bestimmt auch sehr verstört, falls jemand Orlaith verschleppt hätte. In letzter Zeit war sie sowieso ständig mit Granuaile in Polen und sonstwo unterwegs – schwanger mit unseren Welpen – und verbrachte immer nur ein paar Tage bei uns, bevor sie wieder aufbrach. Sie fehlte mir entsetzlich, wenn sie fort war. Es machte einfach Spaß, mit einer Artgenossin reden und spielen zu können. Mit den Besuchen im Hundepark wollte mich Atticus ablenken und mir die Möglichkeit zum Spielen mit anderen Hunden geben, aber das war immer bloß eine Woche oder so am Tag.

»Komm, Oberon.« Er steuerte auf den Baum zu, mit dem wir hergewechselt waren.

›Hey, du willst doch nicht vor ihren Augen einfach verschwinden, oder?‹ Ich trottete ihm nach.

Natürlich nicht. Wir passen auf, dass uns niemand beobachtet.

›Werden wir nach Jack suchen? Das sollten wir nämlich, finde ich. Algy ist ziemlich traurig ohne seinen Freund, und Earnest bestimmt auch.‹

Darüber wollte ich sowieso mit dir reden. Im Grunde geht es uns ja nichts an.

›Unsinn! Ungerechtigkeit geht uns immer an, egal, wo sie ihr Haupt erhebt!‹

Da hätten wir viel zu tun, Oberon.

›Komm mir nicht mit vagen Mathebegriffen wie viel! Hier handelt es sich um eine konkrete Ungerechtigkeit, von der wir wissen. Ein Grand Champion wurde geraubt – ein Pudel, der weitere Pudel zeugen kann –, und niemand interessiert sich dafür außer sein Mensch! Wenn die Polizei nicht handelt, ist es unsere Aufgabe, die Initiative zu ergreifen!‹

Eigentlich ist das nicht unsere Aufgabe.

›Was sollen wir denn sonst mit unserer Zeit anfangen, solange Orlaith und das schlaue Mädchen in Polen sind? Wir dürfen uns nicht drücken, Atticus! Wir müssen uns verhalten, als hätten wir gerade eine Mahnung zur Selbsthilfe gelesen: Wir selbst müssen die Veränderung sein, die wir von der Welt erwarten!‹

Der Spruch stammt nicht von einem Selbsthilfeguru, sondern von Mahatma Gandhi.

›Von mir aus! Du verhedderst dich in Details, statt dich auf das große Ganze zu konzentrieren. Entscheidend ist allein, dass wir helfen müssen, weil wir es können!‹

Also gut, ich bin einverstanden. Vergiss aber bitte nicht, dass das ziemlich arbeitsintensiv werden kann. Möglicherweise langweilst du dich.

›Keine Chance! Ich wollte schon immer Detektiv sein!‹

Stimmt, das hast du schon öfter erwähnt. Allerdings immer als Reaktion auf eine Fernsehsendung, und so läuft das nicht im wirklichen Leben. Da ist die Sache nicht nach eineinhalb Stunden geklärt. Der Laborbefund liegt nicht schon nach wenigen Minuten auf dem Tisch – ganz abgesehen davon, dass uns sowieso kein Labor zur Verfügung steht. Wir haben keinen Zugang zu Polizeiakten und -ausrüstung und auch keine rechtlichen Befugnisse. Möglicherweise finden wir überhaupt nichts raus.

›Willst du, dass ich in eine Depression verfalle? Du musst nicht alles ins Negative ziehen.‹

Tu ich ja gar nicht. Ich möchte nur deine Erwartungen dämpfen. Jedenfalls bin ich bereit zu einem Versuch, weil ich einfach was dagegen habe, dass jemand diese Hunde missbraucht.

›Was?! Wer würde denn jemals einen Pudel missbrauchen?‹

Atticus zuckte die Achseln. Möglich ist alles. Menschen sind zu schrecklichen Taten fähig.

›Wie zum Beispiel, dass sie Senf aufs Essen schmieren?‹

Ja, und sogar noch Schlimmeres. Auch wenn ich nichts Genaues weiß, bin ich mir ziemlich sicher, dass Jack und die anderen im Moment nicht so glücklich sind wie bei ihren Besitzern.

›Dann ist die Entscheidung gefallen, wir müssen sie finden. Das Wild ist auf!‹

2

Der Mann mit der großen Salami

Als ich zum ersten Mal den Spruch Das Wild ist auf von Sherlock Holmes hörte, musste Atticus mir und seinem Erzdruiden Owen auf die Sprünge helfen, weil wir uns natürlich fragten, worauf es denn war.

»Soll das heißen, es treibt sich irgendwo auf einer Wiese rum?«, knurrte der Erzdruide. »Oder dass es auf Drogen ist und dir gleich einen Tritt in den Arsch verpasst?«

Atticus erklärte, dass es sich um eine Metapher handelte. Das Wild war das Ziel, den Schurken zu fassen. Und wenn es auf war, hieß das, dass der Verbrecher zu entwischen drohte und höchste Eile geboten war, um ihn doch noch zu kriegen.

›Wir fangen damit an, dass wir die anderen Leute befragen, deren Hunde entführt worden sind, richtig?‹

Genau. Das heißt, wir müssen erst mal nach Hause. Sobald ich die Adressen rausgefunden habe, können wir loslegen.

Wir kamen zu dem Baum, und Atticus schaute sich nach allen Seiten um, ob uns jemand beobachtete. Als er den Stamm berührte, richtete ich mich auf den Hinterbeinen auf und legte eine Pfote an den Baum und die andere auf seine Schulter. Sofort brachte er uns nach Tír na nÓg, das mit allen anderen Gefilden verknüpft ist, und dann zu unserem neuen Haus im Willamette National Forest, wo gleich beim McKenzie River ein gebundener Baum stand. Wir sprangen die Stufen zur hinteren Veranda hinauf und durch die Tür. Atticus lief gleich zu seinem Notebook, und ich lief gleich zum Wasser. Er wollte unbedingt, dass ich aus der Schüssel trank und nicht aus dem Fluss. Anscheinend hatte er Angst, dass mich irgendwelche Bakterien krank machen könnten. Allerdings hatte ich das Flusswasser schon ein paarmal probiert, als er nicht herschaute. Es war irrsinnig kalt und erfrischend, und ich wurde auch nicht krank, daher war mir nicht klar, was der ganze Aufstand sollte. Trotzdem folgte ich jetzt dem Protokoll. Als Detektiv muss man sich ans Protokoll halten. Außer man ist einer von diesen unorthodoxen Ermittlern aus dem Fernsehen, die Drogen- und Eheprobleme haben und ständig entlassen werden.

Als ich mit der Flüssigkeitsaufnahme fertig war, hatte Atticus schon fast alles nachgeschlagen. Der Bildschirm zeigte eine Landkarte, die ich nicht verstand. Er dagegen kam mühelos damit klar und musste sich nichts aufschreiben oder ausdrucken. Das war so ähnlich wie bei mir mit Gerüchen. Die muss ich mir auch nicht aufschreiben, damit ich mich später daran erinnern kann.