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Kevin Hearne

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Beschreibung

Der Druide Atticus will nur eines: seine Ruhe haben vor all den Göttern, Hexen und Feen. Aber dieser Wunsch bleibt ihm verwehrt – denn in Tempe, Arizona, wütet ein neuer Hexenclan, der den einst so friedlichen Landstrich mit schmutziger Magie überzieht. Nachdem Atticus in Notwehr eine hohe Gottheit getötet hat, wollen plötzlich alle etwas von ihm. Am ärgsten macht ihm der ortsansässige Hexenorden zu schaffen. Kurz bevor er mit ihnen einen Friedenspakt schließen kann, taucht auch noch eine ganze Heerschar neuer Hexen in Arizona auf. Ihre dunkle Vergangenheit reicht bis zurück in den Zweiten Weltkrieg. Zum Glück hat Atticus ein magisches Schwert und einen Vampir-Anwalt ...

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Seitenzahl: 467

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KEVIN HEARNE

DIE CHRONIK DES EISERNEN DRUIDEN 2

Aus dem Englischen vonAlexander Wagner

Impressum

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Hobbit Presse

www.klett-cotta.de/hobbitpresse

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel

»The Iron Druid Chronicles 2. Hexed«

im Verlag Ballantine Books, New York

© 2011 by Kevin Hearne

Für die deutsche Ausgabe

© 2014 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Printed in Germany

Cover: Birgit Gitschier, Augsburg;

Photo-illustration von Gene Mollica

Datenkonvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Printausgabe: ISBN 978-3-608-93932-3

E-Book: ISBN 978-3-608-10661-9

Dieses E-Book entspricht der 1. Auflage 2014 der Printausgabe

Für meinen Vater,

der dieses Buch niemals gedruckt sah,

der jedoch in dem Wissen von uns ging,

dass sich für seinen Sohn ein Traum erfüllt hat.

1

Du brauchst nur einen Gott zu erschlagen, und schon wollen plötzlich alle möglichen Leute mit dir reden. Paranormale Versicherungsvertreter mit speziellen »Gottesschlächter«-Lebensversicherungen. Scharlatane mit Rüstungen, die hundertprozentigen Schutz gegen Götter bieten sollen, und mit Mietangeboten für außerweltliche Geheimverstecke. Vor allem aber andere Götter, die dir erstens zu deiner Tat gratulieren, dich zweitens davor warnen, je solche Scherze mit ihnen zu versuchen, und dir zu guter Letzt nahelegen, doch einen ihrer Rivalen zu erschlagen – nur so zum Spaß, versteht sich.

Kaum hatte es sich in den diversen Götterwelten herumgesprochen, dass ich nicht nur einen, sondern gleich zwei der TUATHA DÉ DANANN ausgeschaltet hatte – und den mächtigeren der beiden sogar in die christliche Hölle geschickt hatte –, da erhielt ich Besuche von zahlreichen Potentaten, Herolden und Botschaftern der meisten Glaubenssysteme dieser Erde. Alle wollten, dass ich sie in Ruhe ließ, mich stattdessen aber mit jemand anderem anlegte. Und wenn ich diese sie seit Ewigkeiten plagende Pestbeule erst entfernt hätte, würde mir eine Belohnung winken, die meine kühnsten Träume übersteige, Blablabla, Rhabarber, Rhabarber.

Die ganze Geschichte mit den Belohnungen war natürlich ein Riesenmumpitz, um es mal so zu formulieren. BRIGHID, die keltische Gottheit der Dichtkunst, des Feuers und der Schmiede, hatte mir beispielsweise eine Belohnung dafür versprochen, dass ich AENGHUS ÓG unschädlich machte. Aber seit ihn vor drei Wochen der Tod mit in die Hölle genommen hatte, hatte ich noch kein einziges Wort von ihr gehört. Alle anderen Götter der Welt meldeten sich bei mir, aber nicht meine eigenen. Es herrschte das sprichwörtliche Schweigen im Walde.

Die Japaner wollten, dass ich den Chinesen eins auswischte, und umgekehrt. Die alten russischen Gottheiten schlugen vor, ich solle es den Ungarn heimzahlen. Die Griechen forderten in einem bizarren Anfall von Selbstverleugnung und blinder Eifersucht, dass ich ihre römischen Nachahmer vom Sockel stieß. Und am allermerkwürdigsten waren diese Kerle von den Osterinseln, für die ich mich mit irgendwelchen verrotteten Totempfählen in der Gegend von Seattle herumschlagen sollte. Aber alle – zumindest meinem persönlichen Gefühl nach waren es alle – wollten, dass ich, sobald es meine Zeit zuließ, THOR erschlug. Vermutlich hatten sie die Nase gründlich voll von seinen Späßen.

Am lautesten forderte Letzteres mein eigener Anwalt, Leif Helgarson. Er war ein alter isländischer Vampir, der wohl in längst vergangenen Tagen THOR verehrt hatte. Doch aus Gründen, die er mir gegenüber nie erwähnt hatte, hegte er inzwischen einen abgrundtiefen Hass gegen ihn. Leif kümmert sich um meine Rechtsangelegenheiten, trainiert regelmäßig mit mir, um meinen Schwertarm in Form zu halten, und bekommt dafür gelegentlich einen vollen Becher von meinem Blut als Bezahlung.

Ich traf ihn in der Nacht nach Samhain überraschend auf meiner Veranda an. Es war ein kühler Abend in Tempe, und ich war bester Laune, weil es viele Dinge gab, für die ich dankbar sein konnte. Während am Abend zuvor die amerikanischen Kinder das beliebte Halloween-Ritual Süßes oder Saures vollzogen hatten, hatte ich bei meinen eigenen privaten Zeremonien der MORRIGAN und BRIGHID viel Aufmerksamkeit gewidmet. Außerdem hatte ich dabei die angenehme Gesellschaft einer Druidennovizin genossen, deren Ausbildung mir oblag. Granuaile war rechtzeitig zu Samhain aus North Carolina zurückgekehrt, und obwohl wir beide nicht im eigentlichen Sinn einen Druidenzirkel bildeten, hatte ich die heilige Nacht schon seit vielen hundert Jahren nicht mehr so genossen. Ich war der letzte echte Druide auf der Welt, und allein die Vorstellung, nach langen Zeiten als Einzelkämpfer endlich wieder einen Zirkel gründen zu können, erfüllte mich mit Hoffnung. Daher fiel meine Antwort auf Leifs eher formelle Begrüßung, mit der er mich bei meiner Rückkehr von der Arbeit von meiner Veranda aus willkommen hieß, vielleicht etwas zu überschwenglich aus.

»Leif, du grusliger alter Bastard, wie zur Hölle geht’s dir?« Ich grinste breit, während ich mein Mountainbike scharf abbremste und zum Stehen brachte. Er hob die Augenbrauen, musterte mich herablassend über seine lange nordische Nase hinweg, und mir wurde bewusst, dass er eine derart nonchalante Ansprache wohl nicht gewohnt war.

»Ich bin kein Bastard«, erwiderte er trocken. »Gruselig, das sei dir zugestanden. Und während ich mich durchaus wohl befinde« – einer seiner Mundwinkel hob sich minimal –, »so muss ich doch bekennen, dass du mich an Frohsinn bei weitem überbietest.«

»Frohsinn?« Nun hob ich die Augenbrauen. Leif hatte mich früher darum gebeten, ihn auf gewisse Verhaltensweisen aufmerksam zu machen, die sein wahres Alter verrieten.

Doch ganz offenkundig wollte er im Augenblick nicht korrigiert werden. Um seiner Gereiztheit Ausdruck zu verleihen, atmete er geräuschvoll aus. Eine recht amüsante Geste, wie ich fand, da Vampire bekanntlich gar nicht atmen müssen. »Schön«, sagte er. »Dann also doch nicht so frohgemut.«

»Keiner gebraucht mehr solche Worte, Leif, außer uns alten Knackern.« Ich lehnte mein Bike gegen die Veranda, sprang die drei Stufen nach oben und setzte mich neben ihn. »Du solltest wirklich mehr Zeit darauf verwenden, zu lernen, wie du dich besser einfügen kannst. Mach ein persönliches Projekt daraus. Die populäre Kultur wandelt sich heutzutage viel schneller. Das ist nicht mehr wie im Mittelalter, wo die Kirche und die Aristokratie noch dafür gesorgt haben, dass alles hübsch beim Alten bleibt.«

»Nun, dann lehre mich etwas, du Verbalakrobat auf dem Hochseil des Zeitgeists. Wie hätte ich deiner Meinung nach antworten sollen?«

»Zuerst vergiss das vorangestellte ›nun‹. Das verwendet auch niemand mehr. Und heute sagt man so was wie: ›Mir geht’s allererste Sahne!‹«

Leif runzelte die Stirn. »Aber das ist grammatikalisch inkorrekt.«

»Die Menschen legen heutzutage keinen Wert mehr auf Korrektheit. Du könntest ihnen erklären, dass sie beispielsweise ein Adjektiv anstelle eines Adverbs verwenden, und sie würden dich anstarren, als wärst du eine Kröte.«

»Ihr Bildungssystem hat schwere Rückschläge erlitten, wie mir scheint.«

»Wem sagst du das. Also, du hättest weiter sagen können: ›Schön für dich, dass du gut drauf bist, Atticus, aber ich für meinen Teil chille lieber.‹«

»Ich chille? Das bedeutet wohl, es geht mir ausgezeichnet … oder allererste Sahne, wie du sagst?«

»Korrekt.«

»Aber das ist doch völliger Unfug!«, protestierte Leif.

»Es ist moderne Umgangssprache.« Ich zuckte mit den Achseln. »Es ist natürlich dir überlassen, aber wenn du weiter die Ausdrucksweise des 19. Jahrhunderts verwendest, werden dich die Menschen bald für einen gruseligen Bastard halten.«

»Dafür halten sie mich ohnehin.«

»Du meinst, weil du nur nachts herauskommst und ihr Blut trinkst?«, sagte ich mit leiser, unschuldiger Stimme.

»Genau«, antwortete Leif, ohne auf meine kleine Stichelei einzugehen.

»Nein, Leif.« Ich schüttelte den Kopf. »Das finden sie ja erst viel später heraus, wenn überhaupt. Die Menschen gruselt es wegen deiner Ausdrucksweise und deinem Verhalten. Sie merken, dass du nicht dazugehörst. Glaub mir, es liegt nicht an deiner milchweißen Haut. Hier draußen im Valley of the Sun fürchten sich viele Menschen vor Hautkrebs. Aber sobald du den Mund aufmachst, kriegen sie es mit der Angst zu tun. Dann merken sie, wie alt du bist.«

»Aber ich bin alt, Atticus!«

»Und ich habe noch mindestens tausend Jahre mehr auf dem Buckel, hast du das vergessen?«

Er seufzte, der uralte, müde Vampir, der nicht atmen musste. »Nein, das habe ich nicht vergessen.«

»Schön. Beschwer dich also nicht bei mir über das Alter. Ich häng mit diesen Collegekids ab, die keine Ahnung haben, dass ich keiner von ihnen bin. Die glauben, mein Geld stammt von einer Erbschaft oder aus einem Treuhandfonds, und sie gehen gern mit mir einen trinken.«

»Ich finde diese College-Kinder entzückend. Ich würde auch gerne mit ihnen einen trinken gehen.«

»Nein, Leif, du willst von ihnen trinken, und das spüren sie instinktiv, weil du diese raubtierhafte Aura hast.«

Der Ausdruck eines von seiner Gattin gerüffelten Ehemanns verschwand aus seinem Gesicht und er blickte mich scharf an. »Du hast aber immer behauptet, sie könnten meine Aura gar nicht wahrnehmen, so wie du es vermagst.«

»Nein, sie können sie auch nicht bewusst wahrnehmen. Aber sie spüren deine Andersartigkeit; vor allem aufgrund deiner Reaktionen und deines Verhaltens, die nicht deinem äußeren Alter entsprechen.«

»Wie alt sehe ich denn aus?«

»Äh …« Ich musterte ihn eingehend und suchte nach Fältchen. »Du siehst aus wie Ende dreißig.«

»So alt? Ich wurde mit Ende zwanzig verwandelt.«

»Die Zeiten waren härter damals.« Erneut zuckte ich mit den Achseln.

»Vermutlich hast du recht. Übrigens bin ich gekommen, um mit dir über die alten Zeiten zu reden. Vorausgesetzt, du könntest dich für die Dauer einer Stunde freimachen.«

»Richtig«, erwiderte ich und verdrehte die Augen. »Lass mich nur rasch mein Stundenglas und meinen verdammten Gehrock holen. Hör dir doch mal selbst zu, Leif! Willst du dich jetzt einfügen oder nicht? ›Die Dauer einer Stunde‹. Wer sagt denn heute noch so einen Mist?«

»Was ist falsch daran?«

»Niemand redet so steif und förmlich! Du könntest einfach sagen, ›wenn du Zeit hast‹, Punkt. Noch besser wäre allerdings ›wenn du grad nichts Besseres vorhast‹.«

»Aber an ›die Dauer einer Stunde‹ gefällt mir das frei schwingende jambische Metrum …«

»Götter der Unterwelt, komponierst du deine Sätze wie Blankverse? Kein Wunder, dass du dich keine halbe Stunde mit einer Collegestudentin unterhalten kannst! Die plaudern normalerweise mit ihren coolen Mitstudenten, nicht mit shakespeareschen Scholaren!«

›Atticus? Bist du zu Hause?‹ Das war mein irischer Wolfshund Oberon, der durch unsere besondere magische Verbindung direkt zu meinem Bewusstsein sprechen konnte. Vermutlich stand er auf der anderen Seite der Tür und hörte uns reden. Ich bat Leif, einen Moment zu warten, während ich mich an meinen Hund wandte.

Ja, Oberon, ich bin zu Hause. Leif ist hier draußen auf der Veranda und verhält sich seinem Alter entsprechend.

›Ich weiß, ich hab ihn schon gerochen. Er hat eine Duftnote nach Eau de Tod oder so was Ähnliches an sich. Aber ich hab nicht gebellt, wie du mir befohlen hast.‹

Du bist ein braver Hund. Willst du zu uns herauskommen?

›Klar!‹

Aber ich muss dich warnen, möglicherweise wird es langweilig. Er will über irgendetwas länger mit mir sprechen, und er wirkt heute besonders grimmig und nordisch. Es könnte also ein wenig ausufernd werden.

›Das ist in Ordnung. Du kannst mir ja die ganze Zeit über den Bauch kraulen. Ich verspreche auch, ganz leise zu sein.‹

Danke, Kumpel. Sobald er verschwunden ist, gehen wir eine Runde laufen, versprochen.

Ich öffnete die Eingangstür, und Oberon kam freudig herausgesprungen, wobei er, ohne es zu bemerken, mit dem Schwanz kräftige Schläge gegen Leifs Oberarm austeilte.

›Lass uns runter zum Town Lake gehen, wenn sich der tote Kerl verabschiedet hat. Und danach ins Rúla Búla.‹ Das war unser bevorzugter Irish Pub, in dem ich kürzlich Lokalverbot erhalten hatte.

Der Besitzer des Rúla Búla ist immer noch wütend auf mich, weil ich ihm Granuaile abspenstig gemacht habe. Sie war seine beste Barkellnerin.

›Immer noch? Aber das ist doch schon Ewigkeiten her.‹

Das war erst vor drei Wochen, erinnerte ich ihn. Hunde haben kein allzu gutes Zeitgefühl. Ich lasse dich auf dem Golfplatz frei laufen, und du darfst alle Kaninchen behalten, die du fängst. Leg dich auf den Rücken, damit ich dir den Bauch kraulen kann. Ich muss jetzt mit Leif sprechen.

Oberon gehorchte prompt, und die Dielen der Veranda erzitterten, als er sich zwischen Leifs Sessel und meinem auf den Rücken warf.

›Das ist das Größte! Es gibt nichts Besseres als Bauchkraulen. Außer vielleicht französische Pudeldamen. Erinnerst du dich an Fifi? Tolle Zeiten, echt tolle Zeiten.‹

»In Ordnung, Leif, mein Hund ist versorgt«, sagte ich, während ich Oberon die Rippen kraulte. »Worüber wolltest du mit mir reden?«

»Das ist einigermaßen einfach«, sagte er, »aber wie alle einfachen Dinge zugleich außerordentlich kompliziert.«

»Warte. Deine Adverbien sind zu gedrechselt. Benutze wirklich und sehr für alles«, riet ich ihm.

»Wenn du einverstanden bist, würde ich es vorziehen, das nicht zu tun. Da es unnötig ist, vor dir meine wahre Natur zu verbergen, dürfte ich mich da wohl nach Belieben äußern?«

»Natürlich, nur zu«, erwiderte ich und verkniff mir die Bemerkung, dass er sich ruhig etwas knapper fassen könnte. »Tut mir leid, Leif. Ich versuche nur zu helfen.«

»Ja, und ich weiß das zu schätzen. Aber das hier wird ohnehin schwierig genug, auch ohne dass du meine Worte zusätzlich durch ein Sieb der Ungebildetheit presst.« Unnötigerweise holte er tief Luft und schloss beim Ausatmen die Augen. Er sah aus, als versuche er sich zu zentrieren und einen Chakra-Punkt zu finden. »Es gibt viele Gründe, warum ich deiner Hilfe bedarf, und ebenso viele Gründe, warum du mir Beistand leisten solltest. Aber das kann einen Augenblick warten. Hier zunächst die Kurzversion.« Er öffnete die Augen und wandte sich mir zu. »Ich will, dass du mir hilfst, THOR zu töten.«

›Ha! Sag ihm, er soll mal wieder auf den Teppich kommen!‹, bemerkte Oberon. Er schnaubte, wie immer, wenn er etwas besonders komisch fand. Glücklicherweise bekam Leif nicht mit, dass mein Hund über ihn lachte.

»Hmm«, machte ich. »THOR löst offenkundig allgemein Mordgelüste aus. Du bist nicht der Erste, der mit diesem Vorschlag zu mir kommt.«

Leif griff meine letzte Bemerkung auf. »Und das ist nur einer der vielen Gründe, warum du einwilligen solltest. Du hättest reichlich Verbündete, die dir jede gewünschte Unterstützung gewähren, und im Falle eines Erfolgs eine große Schar Bewunderer.«

»Und eine große Schar von Trauernden an meinem Grab, falls ich scheitern sollte? Wenn THOR überall so sehr gehasst wird, warum hat sich bisher niemand an diese Tat gewagt?«

»Wegen Ragnarök«, erwiderte Leif, der diese Frage offensichtlich erwartet hatte. »Wegen der Prophezeiung haben alle Angst vor ihm, und das hat ihn über die Maßen arrogant werden lassen. Ihrer Argumentation zufolge lebt er bis zum Ende der Welt und deswegen scheinen alle Anschläge gegen ihn aussichtslos. Aber das ist Humbug.«

Ich lächelte. »Hast du gerade gesagt, Ragnarök sei Humbug?« Oberon schnaubte erneut.

Leif ignorierte mich und fuhr fort: »Nicht alle prophezeiten Apokalypsen können eintreten, so wie auch nur eine Schöpfungsgeschichte die echte sein kann, wenn überhaupt. Wir dürfen uns nicht von irgendeiner alten Sage einschränken lassen, die sich die gefrorenen Gehirne meiner Urväter zurechtgesponnen haben. Wir können sie hier und jetzt ändern.«

»Hör zu, Leif, du kannst sicherlich einen ganzen Roman an guten Gründen vorbringen, warum ich dies hier tun sollte, doch keiner davon wird mich wirklich überzeugen. Es ist einfach nicht meine Aufgabe. AENGHUS ÓG und BRES haben den Streit mit mir gesucht, und ich habe ihn lediglich beendet. Es hätte aber auch ganz anders ausgehen können. Du warst nicht dabei. Fast wäre ich dabei draufgegangen. Vermutlich ist dir das hier schon aufgefallen?« Ich deutete auf mein verstümmeltes rechtes Ohr. Ein Dämon, der aussah wie das Iron-Maiden-Maskottchen, hatte es mir abgekaut, und bisher hatte ich lediglich eine blumenkohlartige Gewebemasse regenerieren können.

»Natürlich ist es mir aufgefallen«, erwiderte Leif.

»Ich kann froh sein, dass sich der Schaden noch in Grenzen hält. Aber auch wenn ich für das Erschlagen von AENGHUS keinen sonderlich hohen Preis gezahlt habe, so habe ich doch in der Folge diverse unerfreuliche Besuche von anderen Göttern erhalten. Und dabei kann ich von Glück sagen, dass ich immer noch ein kleiner Fisch bin. Jetzt stell dir vor, wie die anderen Götter reagieren, wenn ich jemand wirklich Bedeutenden wie THOR erschlage? Sie würden gemeinschaftlich über mich herfallen, einfach nur, um die drohende Gefahr zu beseitigen. Außerdem halte ich es für schlichtweg unmöglich, ihn zu töten.«

»Oh, es ist durchaus möglich.« Leif hob einen Finger und wackelte damit vor meiner Nase herum. »Die nordischen Götter sind wie deine TUATHA DÉ DANANN. Sie besitzen ewige Jugend, aber sie können getötet werden.«

»Ursprünglich ja«, stimmte ich zu. »Ich hab diesen alten Kram gelesen, und ich weiß, du hast es auf die Version 1.0 von THOR abgesehen. Aber inzwischen gibt es da draußen mehrere Ausgaben von THOR; ebenso wie es viele verschiedene COYOTE-Gottheiten gibt und diverse Versionen von JESUS, BUDDHA und Elvis. Vielleicht könnten wir in Asgard einfallen und THOR 1.0 töten, aber selbst wenn es uns anschließend gelingt, der geballten Schlagkraft der übrigen nordischen Götter zu entgehen, bekämen wir es bei unserer Rückkehr nach Midgard womöglich mit der Comicausgabe von THOR zu tun, die uns aufmüpfiges Fußvolk wie Läuse zerquetschen würde. Hast du darüber schon mal nachgedacht?«

Leif blickte verdutzt. »Es gibt ein Comicheft über THOR?«

»Ja, ist dir das etwa entgangen? Außerdem gibt es einen Film über ihn, der auf dem Comic basiert. Hier in den Staaten ist THOR fast so etwas wie ein Held, und nicht der Blödmann, der er in Wahrheit ist. Er wird dich ignorieren, solange du dich unauffällig verhältst, aber ein Überfall auf Asgard dürfte vermutlich rasch seine Aufmerksamkeit wecken.«

»Hm. Und wenn es mir gelingt, eine Koalition aus Wesen zusammenzustellen, die sich an dem Überfall auf Asgard beteiligen und uns anschließend nach Midgard zurückbegleiten? Könnte ich bei einem derartigen Szenario auf deine Unterstützung zählen?«

Langsam schüttelte ich den Kopf. »Nein, Leif, tut mir leid. Ich bin unter anderem deshalb noch am Leben, weil ich mich nie mit einem Donnergott angelegt habe. Das ist eine gute Überlebensstrategie, und dabei bleibe ich. Aber solltest du tatsächlich etwas Derartiges wagen, dann rate ich dir, halte dich von LOKI fern. Er wird sich als dein Verbündeter ausgeben, aber bei der nächstbesten Gelegenheit bei ODIN alles ausplaudern. Und ehe du dich versiehst, ist das gesamte Pantheon mit angespitzten Holzpflöcken hinter dir her.«

»Was ich an dem Punkt einer weiteren Koexistenz mit ihm bei weitem vorziehen würde. Ich will Rache.«

»Rache wofür genau?« Normalerweise interessiere ich mich nicht für Vampirpsychologie, weil sie äußerst durchschaubar ist: Alles dreht sich immer nur um Macht und Territorium. Allerdings mögen sie es, wenn man ihnen Fragen stellt, denn dann können sie einen ignorieren und durch ihr Schweigen ungemein mysteriös wirken.

Leif kam nie dazu, mir zu antworten, auch wenn er kurz dazu anzusetzen schien. Aber gerade als sich sein Mund zum Sprechen öffnete, fiel sein Blick auf den unteren Teil meiner Kehle, wo mein Eisenamulett hing, und genau in dem Moment fühlte ich, wie sich die Stelle zwischen meinen Schlüsselbeinen zu erhitzen begann – ja geradezu brannte.

»Äh«, sagte Leif in einem seiner wohl unartikuliertesten Momente, »warum leuchtet dein Amulett?«

Glühende Hitze stieg in mir empor wie die Quecksilbersäule eines Thermometers an einem Augustmorgen. Schweiß drang aus den Poren meiner Kopfhaut, und ein Übelkeit erregendes Zischen deutete darauf hin, dass ein Teil von mir brutzelte wie Speck. Instinktiv wollte ich meine Halskette herunterreißen und auf den Rasen schleudern. Aber ich unterdrückte den Impuls, denn das glimmende Stück Eisen – die Antithese zur Magie – war das Einzige, was in diesem Moment mein Leben zu schützen vermochte.

»Ich werde magisch angegriffen!«, stieß ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, während ich die Armlehnen mit weiß hervortretenden Knöcheln umklammert hielt und mich auf das Ausschalten des Schmerzes konzentrierte. Ich versuchte damit nicht nur meine schreienden Nerven zu beruhigen: Wenn ich mich vom Schmerz überwältigen ließ, war das mein sicheres Ende. Schmerz ist der rascheste Weg, das Reptiliengehirn zu stimulieren, und befindet sich das erst einmal in Aufruhr, schaltet es so gut wie alle höheren Hirnfunktionen aus. Man ist unfähig, einen vernünftigen Gedanken zu fassen und jenseits eines primitiven Flucht-oder-Angriff-Reflexes zu reagieren. Ich wäre also nicht mehr in der Lage gewesen, zusammenhängend zu kommunizieren und Leif die Situation zu erklären, falls ihm der springende Punkt bisher entgangen sein sollte: »Jemand versucht mich zu töten!«

2

Leifs Vampirzähne sprangen hervor und er katapultierte sich von seinem Stuhl in meinen Vorgarten, um die Dunkelheit mit all seinen Sinnen nach Angreifern abzusuchen. Auch Oberon rappelte sich auf, knurrte mit aller ihm zu Gebote stehenden Bedrohlichkeit die Finsternis an und was sich darin verbergen mochte.

Ich wusste bereits, dass sie nichts finden würden. Jemand bewirkte dies aus großer Entfernung.

»Hexen!«, spie ich aus, während das Amulett weiter meine Brust verbrannte. Die Wirkung des Fluchs ließ bereits nach, und das rote Glühen verschwand. Doch immer noch stieg mir der Geruch von verbranntem Fleisch in die Nase. Die Bemühungen, den Schmerz auszuschalten und meine versehrte Haut zu regenerieren, verbrauchten rasch meine Reserven, daher hievte ich mich hoch und wankte vorsichtig die Stufen hinunter auf den Rasen, wo ich meine Sandalen abstreifte und frische Energie aus der Erde tankte. Ich beugte mich vor und stützte die Hände auf die Knie, damit sich das Amulett von meiner Haut lösen und frei in der Luft baumeln konnte. Doch es blieb, wo es war – an meinem Fleisch festgebacken. Gar nicht gut.

»Ich würde dir beipflichten, dass du das Opfer von Hexerei geworden bist, dennoch vermag ich hier außer den üblichen Anwohnern niemanden zu entdecken«, verkündete Leif, der weiter nach Gefahren Ausschau hielt. »Wie dem auch sei, da du dieses Thema nun schon einmal dezent aufs Tapet gebracht hast …«

»Hab ich das wirklich?«, fragte ich mit gepresster Stimme. »Das Thema Hexen dezent aufs Tapet gebracht? Denn für mein Gefühl hab ich etwas völlig anderes getan, nämlich verhindert, dass ich bei lebendigem Leib von Hexen gegrillt werde.«

»Ich bitte um Verzeihung. Ich war auf der Suche nach einer geschickten Überleitung, doch offenkundig ist mir das gründlich misslungen, eine passende Wendung zu finden. Also, der berufliche Grund meines Besuchs heute Abend ist folgender: Ich wollte dir mitteilen, dass Malina Sokolowski deine letzten Bedingungen ohne Einwände und Änderungswünsche akzeptiert. Sie ist bereit, den Nichtangriffspakt zu unterzeichnen, sobald du es bist.«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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