One bossy Proposal - Nicole Snow - E-Book

One bossy Proposal E-Book

Nicole Snow

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Beschreibung

Manche Männer drehen durch, wenn man ihnen die letzte Zimtrolle wegschnappt. Manche schimpfen, manche bieten absurde Bestechungsgelder – und manche entpuppen sich als neuer Chef.  

Dakota hätte nie gedacht, dass Lincoln Burns, dieser kaltherzige Workaholic mit einem Modeimperium, ihre größte Versuchung wird. Sie sollte Abstand halten, doch sein großzügiges Jobangebot ist einfach zu verlockend – genau wie ihre hitzigen Wortgefechte, die bald zu etwas viel Gefährlicherem werden.  Denn er macht ihr ein unmoralisches Angebot: eine Fake-Verlobung für die perfekte PR. Lächeln, posieren, Hochzeitsträume verkaufen.

Doch Gefühle für den Boss? Die sind nicht Teil des Deals...

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Seitenzahl: 723

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Liebe Leserin, lieber Leser,

Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.

Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

Manche Männer drehen durch, wenn man ihnen die letzte Zimtrolle wegschnappt. Manche schimpfen, manche bieten absurde Bestechungsgelder – und manche entpuppen sich als neuer Chef.

Dakota hätte nie gedacht, dass Lincoln Burns, dieser kaltherzige Workaholic mit einem Modeimperium, ihre größte Versuchung wird. Sie sollte Abstand halten, doch sein großzügiges Jobangebot ist einfach zu verlockend – genau wie ihre hitzigen Wortgefechte, die bald zu etwas viel Gefährlicherem werden.  Denn er macht ihr ein unmoralisches Angebot: eine Fake-Verlobung für die perfekte PR. Lächeln, posieren, Hochzeitsträume verkaufen.

Doch Gefühle für den Boss? Die sind nicht Teil des Deals...

Über Nicole Snow

Nicole Snow ist eine Wall Street Journal und USA Today Bestseller Autorin. Sie entdeckte ihre Liebe zum Schreiben, als sie sich in ihren Mittagspausen oder in langweiligen Büromeetings Liebesszenen ausdachte und sich in Liebesgeschichten wegträumte.

Im Mittelpunkt von Nicole Snows Büchern stehen sexy Alpha-Helden, viel Spannung und noch mehr Leidenschaft.

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Nicole Snow

One bossy Proposal

Aus dem Amerikanischen von Cécile Lecaux

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Grußwort

Informationen zum Buch

Newsletter

I: EINSAM, TRÜB UND TRAURIG SINNEND (DAKOTA)

II: VERKLUNG’NE MÄR UND LEHR’ (LINCOLN)

III: EINZIG DIES UND SONST NICHTS MEHR (DAKOTA)

IV: GESPENSTIGE GESTALTEN WARF DES FEUERS SCHEIN UMHER (LINCOLN)

V: HIER, ACH, NENNT SIE NIEMAND MEHR! (DAKOTA)

VI: MITTERNACHT UMGAB MICH SCHAURIG (LINCOLN)

VII: GANZ ERSTAUNT WAR ICH, ZU HÖREN DIES GESCHÖPF MICH SO BELEHREN (DAKOTA)

VIII: HEREINSTOLZIERT – O WUNDER! EIN GEWALT’GER, HOCHBEJAHRTER RABE (LINCOLN)

IX: OHN’ ERBARMEN SCHLUG DAS UNGLÜCK (DAKOTA)

X: SANN ICH, HIN UND HER MICH WIEGEND, WAS DES WORTES DEUTUNG WÄR (LINCOLN)

XI: DES VOGELS NICHT VERGESSEND, DESSEN FEUERAUGEN JETZT MIR DAS HERZ BEKLEMMTEN (DAKOTA)

XII: DIESES SASS ICH STILL ERMESSEND, DOCH DES VOGELS NICHT VERGESSEND (LINCOLN)

XIII: VOGEL ODER TEUFEL! (DAKOTA)

XIV: GESPENSTIGE GESTALTEN WARF DES FEUERS SCHEIN UMHER (LINCOLN)

XV: JEDES RAUSCHEN DER GARDINEN FÜLLTE NUN MEIN HERZ MIT SCHRECKEN (DAKOTA)

XVI: WIE MEIN HERZ BEBTE, WIE ES ZAGTE (LINCOLN)

XVII: SCHRECKEN NIE GEFÜHLT VORHER (DAKOTA)

XVIII: LENORE (LINCOLN)

XIX: DARKNESS THERE (DAKOTA)

XX: TRÜB UND TRAUERSCHWER (LINCOLN)

XXI: TROTZ MEINER TRAUER BRACHTE ER DAHIN MICH, DASS ICH LACHTE (DAKOTA)

XXII: KEIN FEIGER KNABE (LINCOLN)

XXIII: SPRACH DER RABE »NIMMERMEHR!« (DAKOTA)

XXIV: MIT TIEFEM BANGEN (LINCOLN)

XXV: FORTUNATO UND ICH (DAKOTA)

XXVI: FÜR IMMER UND EWIG (LINCOLN)

Impressum

Lust auf more?

I: EINSAM, TRÜB UND TRAURIG SINNEND (DAKOTA)

Die Frühlingssonne strahlt auf Seattle herab wie die Klinge eines Schwerts, das auf meine finstere Stimmung gerichtet ist. Ich bin traurig und hungrig – eine gefährliche Kombination.

Vor genau einem Jahr habe ich mein Herz zu Grabe getragen – und den Dreckskerl zum Teufel gejagt, der es mit Füßen getreten, mit Kerosin übergossen und angezündet hat, sodass nur ein verkohltes Häufchen übrig war –, aber es kommt mir vor wie eine Ewigkeit.

Mit manchen Dingen lernt man zu leben, ohne sie wirklich überwunden zu haben.

Manches vergisst man nie.

Schluss mit dem Selbstmitleid, Dakota. Du bist ohne ihn besser dran. Du bist tausend Meilen weg von zu Hause, hast dir ein neues Leben aufgebaut, ermahne ich mich.

Die verführerische Auslage der Bäckerei zu studieren, hilft. Es stimmt. Ich habe neu angefangen. Irgendwie.

Ich habe die Ödnis der Kleinstadt und meinen Herzschmerz hinter mir gelassen. Nächste Woche habe ich ein Vorstellungsgespräch für einen super Job, und wenn das nicht klappt, werde ich weiter Bewerbungen schreiben, bis ich eine richtig gut bezahlte Stelle bekomme und eine Gelegenheit, mein schriftstellerisches Talent zu beweisen.

Ohne den tränenreichen Abschied im vergangenen Sommer wäre ich jetzt nicht hier in Seattle und würde nicht lechzend vor den Kalorienbomben stehen, von denen eine verführerischer aussieht als die andere.

Und dann hätte ich auch weniger Zeit zum Schreiben, säße noch in diesem winzigen Kabuff, das großspurig als Marketing-Agentur bezeichnet wird.

Danke, Herzschmerz.

Danke, Jay Foyt.

Seiner Blödheit verdanke ich ein völlig neues Leben.

»Haben Sie Hunger, oder sind Sie nur hier, um die Auslage zu bewundern?« Die Barista erscheint mit einem mädchenhaften Lachen hinter der Theke.

»Wie? Oh, Entschuldigung …« Verdammt, Dakota, reiß dich zusammen. »Ich hätte gerne eine Regis-Zimtschnecke und einen kleinen Caramel Nirvana Latte, bitte.«

»Kommt sofort!« Lächelnd greift sie mit der Zange nach der großen Zimtschnecke mit extra viel Zuckerguss. Das Teil ist so riesig, dass es mir wahrscheinlich einen Zuckerschock bescheren wird. »Sie haben Glück, das ist die letzte! Unser Vorrat war heute sehr begrenzt. Uns wurde zu wenig Zimt geliefert, weiß der Himmel, warum.«

Ich bin ein Glückskind.

Ich wünschte nur, ich hätte in anderen Lebensbereichen ebenso viel Glück. Beispielsweise in der Lotterie oder im Beruf, da könnte es nämlich nicht schaden, wenn ein paar mehr Zigarre paffende Verleger sich für meine Gedichte erwärmen würden. Und ich würde mich auch über ein Tinder-Date freuen, das es nicht nur auf Sex abgesehen hat.

Aber das ist wohl zu viel verlangt.

Immerhin ist mir das Glück heute zumindest insoweit hold, als es mir die letzte klebrige Zimtsünde aus der Auslage zugesteht, auch wenn die vermutlich direkt auf meinen Hüften landet.

Das ist immerhin ein Anfang, oder?

Ich gehe zur Kasse und bezahle.

»Freut mich, dass ich die letzte ergattert habe«, sage ich und lege meine Karte auf das Lesegerät. »Ich werde sie umso mehr genießen …«

»Was soll das heißen, Sie haben die letzte ergattert?«, fragt eine donnernde Stimme hinter mir. »Ich komme seit Weihnachten dreimal die Woche zur gleichen Zeit her, und es waren immer noch Regis-Zimtschnecken da.«

Du lieber Gott.

Und ich dachte, ich hätte einen schlechten Tag.

Ich werfe einen Blick zur Theke, um zu sehen, was da für ein Oger aus dem Sumpf gekrochen ist, um einen Aufstand zu machen wegen einer Zimtschnecke.

»Tut mir leid, Sir. Die Dame vor Ihnen hat die letzte Zimtschnecke gekauft«, entgegnet die Barista mit einem entschuldigenden Lächeln. »Offenbar ist Zimt derzeit knapp …«

»Soll das heißen, es gibt in der ganzen verdammten Bäckerei keine einzige Regis-Zimtschnecke mehr?« Der Mann ist groß, kräftig und offensichtlich stinksauer.

»Äh, richtig. Wie gesagt … Zimt ist knapp.« Die Barista lächelt jetzt etwas gequält. »Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, fürchte ich. Morgen kann ich Ihnen gerne eine zurücklegen.«

Sie nickt mir knapp zu.

Der Mann wendet sich mir abrupt zu und funkelt mich mit vernichtendem Laserblick an.

Alarmstufe Rot.

Der Typ hat tatsächlich Manieren wie ein Oger, aber was sein Aussehen betrifft, ist er alles andere als ein Shrek. Anstatt eines Schmerbauchs und leuchtend grüner Haut, ist der finster dreinblickende Fremde muskulös und braun gebrannt.

Mir stockt der Atem.

Ich habe noch nie solche Augen gesehen. Sie schimmern im Morgenlicht bernsteinfarben wie Whisky.

Wenn er nicht die Zähne fletschen würde wie ein tollwütiger Vielfraß, wäre er verführerischer als die noch warme Zimtschnecke in meiner Hand. Die hellen Augen bilden einen faszinierenden Kontrast zu seinen dunklen Haaren, und die unheilvoll gerunzelte Stirn und das kantige Gesicht erinnern mich an die Götter der Antike.

Ich schätze ihn auf Anfang dreißig. Seine Züge wirken jungenhaft und gleichzeitig erwachsen.

Dazu dieser durchtrainierte Körper. Er sieht aus wie ein ehemaliger Quarterback und ist gekleidet, als käme er geradewegs vom Set von Suits.

Ein in Gucci gehüllter Leckerbissen, der ist bestimmt eine Sünde wert.

Ich bin mit Sicherheit nicht die einzige Frau, bei der er sofort wilde Fantasien auslöst.

Aber wenn man eine – sehr – entfernte Verwandte von Edgar Allan Poe ist, ist das erst recht kein Wunder.

Ich frage mich unwillkürlich, ob er schon übel gelaunt aufgewacht ist, um ein so finsteres Gesicht hinzubekommen.

Ich fange an, ein Muster in der Stadt zu erkennen. Irgendwie gibt es in Seattle eine besonders große Dichte an grimmigen Sexgöttern.

Liegt das am vielen Regen?

Schlimmer noch. Er überragt mich wie Goliath, der es als sein gutes Recht erachtet, Normalsterbliche, die sich ihm nicht sofort zu Füßen werfen, zusammenzustauchen.

Obwohl er geradezu unverschämt gut aussieht und sein Anzug wahrscheinlich so viel gekostet hat, wie ich in einem halben Jahr verdiene, frage ich mich, weshalb es ihn so in Rage versetzt, dass er sein Lieblingsgebäck einmal nicht bekommt.

Sicher, ich verstehe schon, dass diese Zimtschnecken einen fast um den Verstand bringen können, aber eben nur fast.

Während Hades mich weiter anstarrt, verdrehe ich die Augen und gehe zur Getränkeausgabe am anderen Ende der Theke.

Ich bin froh, etwas Abstand zwischen uns bringen zu können.

Nachdem er eine volle Minute vor sich hin geschimpft hat, folgt er mir um die Theke herum.

Oh-oh.

Er wird doch seinen Zorn nicht an mir auslassen, oder?

Nein, niemals.

Dann steht er direkt neben mir.

Er funkelt mich immer noch so böse an, als hätte ich seinen Erstgeborenen auf dem Gewissen.

Er öffnet seine Brieftasche, nimmt einen druckfrischen Schein heraus und hält ihn mir hin, als würde er brennen.

»Fünfzig Dollar«, knurrt der sexy Shrek.

»Wie bitte?«

»Fünfzig Dollar. Ich gebe Ihnen das Zehnfache des Kaufpreises, wenn Sie mir die Regis-Zimtschnecke überlassen.«

»Was?«, frage ich blinzelnd. Ich habe ihn gehört, kann aber nicht glauben, dass er das wirklich gesagt hat.

Er zeigt auf die weiße Papiertüte in meiner Hand, in der sich das begehrte Gebäck befindet.

»Im Ernst? So viel ist Ihnen meine Zimtschnecke wert?«

»Sagte ich das nicht gerade? Außerdem ist es eine Regis-Zimtschnecke«, entgegnet er schroff. »Für die lohnt es sich zu sterben. Das Originalrezept ist aus Heart’s Edge in Montana und wurde von einem Kerl mit hässlichen Brandnarben für gut befunden, der landesweit Schlagzeilen gemacht hat und für seine Kurzauftritte in Filmen berühmt ist.«

Ich muss lachen. Genau so bewirbt Sweeter Grind’s ihre Zimtschnecken. Das ist eine Kette von Süßigkeitenläden, die Clarissa und Leo Regis gehört, die vor ein paar Jahren im Zusammenhang mit einem spektakulären Kriminalfall berühmt geworden sind.

»Vergessen Sie’s«, sagt er barsch. »Verkaufen Sie mir das Teil jetzt?«

»Sie sollten Werbefilme drehen«, entgegne ich angesäuert. »Oder ist das gerade tatsächlich irgendein Guerilla-Marketing-Ding?«

Ich halte die Luft an. Wenigstens würde das erklären, warum Mr. GQ-Model wegen einer solchen Lappalie dermaßen durchdreht.

Andererseits ist heute der Jahrestag des demütigendsten Erlebnisses meines ganzen Lebens.

Ich brauche diese Zuckersünde so sehr, wie ich daran glauben möchte, dass die Welt nicht durch und durch schlecht ist. Und überhaupt, welcher Psycho ist bereit, den zehnfachen Preis für eine Zimtschnecke zu zahlen?

»Sehe ich aus wie ein Komiker?«, zischt er und verdreht die Augen. »Fünfzig Dollar. Leicht verdientes Geld. Abgemacht?«

»Sie sind doch verrückt«, antworte ich.

»Das bin ich nicht«, faucht er, noch etwas verzweifelter. »Ich versichere Ihnen, dass ich voll zurechnungsfähig bin. Ich brauche diese Schnecke, und ich bin bereit, viel Geld dafür zu bezahlen. Und ich bin sicher, dass Sie das Geld nötiger haben als ich.«

Ich schnaube so heftig, dass es wehtut.

Streu noch Salz in die Wunde. Du erwartest wohl, dass ich vor Ehrfurcht erstarre, weil du dich dazu herablässt, mit einer Normalsterblichen zu sprechen, du Zimtschneckenjunkie.

»Wie schön für Euch, o Gott des Feingebäcks. Was bekomme ich denn für ein Stück Apfelkuchen? Einen Laptop?«, entgegne ich kopfschüttelnd.

»Dakota!« Ein männlicher Barista ruft meinen Namen und stellt mein Getränk auf dem Tresen ab.

Super. Jetzt kann ich diese Irrenanstalt verlassen und zurückkehren in die Normalität draußen, wo Vögel zwitschern und Blumen blühen und sich niemand aufregt, weil Zimt knapp ist.

Ich schnappe mir meinen Becher und gehe zur Tür.

»Warten Sie!«, ruft Sexy Shrek mir hinterher. »Dakota.«

Oha.

Mein Name sollte aus dem Mund eines Mannes nicht so verführerisch rau klingen. Schon gar nicht, wenn dieser Mann exorbitante Summen für ein einfaches Gebäckstück bietet.

Obwohl ich jetzt schon weiß, dass ich es noch bereuen werde, bleibe ich stehen und blicke zurück.

»Was?«, sage ich knapp.

»Wir sind noch nicht fertig.«

»Doch. Ich habe nicht die Absicht zu verkaufen«, sage ich und wende mich wieder ab.

Okay. Bis gerade eben habe ich mich einfach nur darauf gefreut, mich über das zuckersüße klebrige Teilchen herzumachen, aber jetzt brauche ich die Zimtschnecke plötzlich wie die Luft zum Atmen.

Wenn ich den heißesten Bekloppten der Stadt auflaufen lasse, habe ich später etwas zu lachen.

Wie ich es der Barista versprochen habe, werde ich mein Gebäck genießen und mich damit etwas über meine Traurigkeit hinwegtrösten, während ich mir einrede, dass mein Leben sich zum Besseren entwickelt hat, weil mich sogar wildfremde Leute stalken, um mir Geld nachzuwerfen.

»Warten Sie. Ich brauche die Zimtschnecke dringender als Sie. Ehrlich«, sagt er brüsk, legt mir eine Hand auf die Schulter und dreht mich zu sich herum.

Ich schlage seine Hand fort, überrascht und gleichzeitig genervt.

»Sie sind doch nicht ganz dicht. Wenn Sie mich noch einmal anfassen, zeige ich Sie wegen Nötigung an. Das ist eine Zimtschnecke, Mann. Beruhigen Sie sich und kommen Sie morgen wieder, wenn Nachschub da ist.« Ich genehmige mir auf den Schreck einen großzügigen Schluck von meinem Latte und verlasse das Café.

Doch Stalker-Shrek lässt sich nicht entmutigen.

Er folgt mir, als ich in den Sonnenschein hinaustrete und dabei tief Luft hole.

»Fünfundsiebzig!«, ruft er mir nach.

»Was?«

»Fünfundsiebzig Dollar.«

»Äh, nein.« Ich haste zu den Fahrradständern und entriegle mit einer Hand meinen Drahtesel, während ich in der anderen die Zimtschnecke und den Latte balanciere.

»Einhundert«, ruft er verzweifelt.

Himmel, wie viel will er noch bieten?

»Hundertfünfzig!«, ruft er zwei Sekunden später.

Jetzt fällt mir die Kinnlade herunter.

Mir läuft ein kalter Schauer über den Rücken. Ich fürchte, damit ist die Grenze von exzentrisch zu geistesgestört überschritten.

Ein Teil von mir möchte, dass er weiterspricht, aus Angst, er könnte gleich handgreiflich werden und mir den Schatz entreißen. Oder mich verschleppen. Ich male mir einen Lagerraum aus, der bis zur Decke mit zerknüllten Zimtschneckentüten vollgestopft ist.

»Haben Sie mir wirklich gerade einhundertfünfzig Dollar für eine Zimtschnecke geboten?« Ich stelle den Latte in den Becherhalter am Lenker und steige aufs Rad.

Er schenkt mir einen eisigen Blick, als wüsste er, dass er mich jetzt am Haken hat, als hätte ich sein bizarres Angebot schon angenommen.

»Genau. Sie können ein Uber nehmen und haben dann noch ein nettes Sümmchen übrig.«

Ich mustere ihn von Kopf bis Fuß und halte den Blick demonstrativ etwas zu lange auf seine polierten Lederschuhe gerichtet. Jemand anders hätte ihm jetzt einen großen Schluck Latte auf die Schuhe gespuckt, aber so ticke ich nicht.

Ich habe so etwas wie Würde. Außerdem möchte ich schnellstens Abstand zwischen uns bringen.

»Das mag Sie schockieren, aber nicht alle Menschen sind käuflich, König Midas«, sage ich.

»Was soll denn das heißen?«, entgegnet er schnaubend und strafft die breiten Schultern.

»Sie sind bekloppt. Völlig irre.« Ich schaue flüchtig auf seine Handgelenke, wie um mich zu vergewissern, dass er kein Krankenhausbändchen trägt.

»Keineswegs. Haben Sie schon einmal eine Regis-Zimtschnecke von Sweeter Grind probiert? Der führende Food-Kritiker der Stadt hat sie mal mit einer Zehn bewertet und als Gaumenorgasmus bezeichnet.«

Meine Lippen zucken. Ich habe Mühe, nicht in schallendes Gelächter auszubrechen.

»Ich habe nicht vor, mit Ihnen über Orgasmen jedweder Art zu sprechen«, antworte ich.

»Darum geht es doch gar nicht«, kontert er scharf. »Helfen Sie mir, Ihnen zu helfen, Miss Dakota. Ich gebe Ihnen dreihundert Dollar, und Sie sehen mich nie wieder.«

»Drei… hundert?«, sage ich langsam, und wieder klappt meine Kinnlade herunter.

»Das sagte ich.« Seine Augen blitzen hoffnungsvoll auf, und er greift nach seiner Brieftasche.

Bleib hart.

Ich bekreuzige mich in Gedanken.

Taugt der Latte ersatzweise als Weihwasser?

Weiche von mir, Satan.

»Sehen Sie, Sie erklären sich nicht, sondern geben mir nur einen weiteren Beweis für Ihre Unzurechnungsfähigkeit.« Ich mustere ihn argwöhnisch. Vielleicht hat er den Anzug ja nur gestohlen und ist aus der Psychiatrie geflohen.

Das wäre jedenfalls die plausibelste Erklärung für das, was hier gerade passiert.

Und weit weniger angsteinflößend als die Vorstellung, dass Typen, die aussehen wie Millionäre, fremde Leute mit unanständig hohen Summen im Tausch für Gebäckstücke in Versuchung führen könnten.

»Verdammt. Dann eben fünfhundert«, knurrt er. »Aber das ist mein letztes Wort.«

Meine Kinnlade springt fast aus dem Gelenk.

Fünfhundert Scheine?

Das ist mehr als die Studienkreditrate für diesen Monat.

Fast meine halbe Miete. Ich bin beinahe so weit, meine Seele dem Teufel zu verkaufen, aber meine Finger krallen sich fester in die Tüte. Jetzt nicht weich werden.

Heute nicht, Luzifer.

Er lächelt so flehentlich, dass es beinahe komisch aussieht.

Verflucht. Er sieht sogar noch heißer aus, wenn er lächelt und diesen Dackelblick aufsetzt. Ein Gesicht, für das man einen Waffenschein brauchen sollte.

»Wie ich sehe, hat mein Angebot Ihre Aufmerksamkeit erregt«, sagt er leise.

»Hat es das?«

»Ihr Mund hat offen gestanden«, sagt er, und mir wird eindringlich bewusst, dass sein Blick auf meine Lippen geheftet ist. Ich weiß nicht, was ich von alledem halten soll.

Er tritt näher und greift nach meiner Tüte.

»Hey, nicht! Ich sagte doch schon, dass ich nicht interessiert bin, Mann.«

Es gefällt mir nicht, wie beiläufig er mir viel zu nahe kommt. Ich habe diese Eigenschaft, mir von niemandem etwas gefallen zu lassen. Und die hat sich im vergangenen Jahr noch weiter verfestigt.

Und dann erinnert mich der Kerl auch noch an Jay.

Nur ist er reicher, muskulöser, attraktiver und sogar noch arroganter.

Ihm diese Zimtschnecke, auf die er so scharf ist, vorzuenthalten, ist für Dakota Poe ein kleiner Sieg über den Rest der Welt. Über jeden Dreckskerl, der sein selbstsüchtiges Ego einsetzt wie eine Keule.

»Ich bin völlig normal, ich brauche nur diese Regis-Zimtschnecke. Ich kann einfach nicht mit leeren Händen dastehen«, erklärt er.

»Wissen Sie, ich bin heute Morgen in der Stimmung zu schreiben aufgewacht. Ich habe aber nicht damit gerechnet, dass die Realität mir in Gestalt einer Witzfigur konkrete Inspiration liefert.«

»Keine Ahnung, was Sie damit ausdrücken wollen, aber ich brauche die Zimtschnecke, und Sie brauchen das Geld. Sind wir uns einig?«

»Warum überrascht es mich nicht, dass Sie mit einer simplen Ansage überfordert sind? Haben Sie auch einem armen Wicht fünfhundert Dollar bezahlt, damit er Ihre Noten pimpt?«

Er funkelt mich an wie ein wütender Stier.

»Vorsicht, Großmaul. Sie wissen nicht das Geringste über mich. Lassen Sie uns endlich handelseinig werden, damit wir unserer Wege gehen können. Das würde unser beider Blutdruck deutlich senken.« Er mustert mich abschätzig und lässt den Blick so langsam an mir herabgleiten, dass ich erschauere. »Sie fahren ein Leihfahrrad, also erzählen Sie mir nicht, dass Sie das Geld nicht brauchen können.«

»Es könnte aber auch sein, dass ich so viel Kohle habe, dass mir ein Energiekonzern gehört, der nur grüne Energie anbietet, und ich Fahrrad fahre, um glaubwürdig zu sein«, entgegne ich. »Außerdem hilft Fahrrad fahren beim Abreagieren. Sollten Sie auch mal versuchen.«

Mit grimmiger Miene greift er wieder nach der weißen Papiertüte.

Ich weiche im letzten Moment aus und schlage seine Pranke weg. Jetzt habe ich aber genug.

Ich kneife die Augen zusammen, erwidere seinen wütenden Blick, greife in die Tüte und hole die noch warme Zimtschnecke heraus. In Zeitlupe hebe ich sie an den Mund und beiße ein großes Stück ab.

Ich schmatze dabei, so laut ich kann. Eine unmissverständliche Kriegserklärung. »Mmmmmmmmm«, seufze ich so genüsslich wie nur möglich.

Dann stecke ich den Rest der Zimtschnecke zurück in die Tüte, lecke mir die Finger sauber und wische sie dann an meiner Jeans ab.

»Sehen Sie? Nicht jeder ist käuflich. Ich verkaufe nicht.«

Gott.

Mir sind in meinem Leben schon viele Egoisten begegnet, aber der hier übertrifft sie alle. Und genau darum bekommt er auch die Zimtschnecke nicht. Der Tobsuchtsanfall, der sich auf seinem Gesicht zusammenbraut, als er erkennt, dass er seinen Willen diesmal nicht bekommt, würde jede Erzieherin erblassen lassen.

Er knirscht mit den Zähnen.

In seine bernsteinfarbenen Augen tritt ein neuer Glanz. Es ist, als würden sie von innen heraus glühen.

Es ist nicht fair.

Wenn er fuchsteufelswild ist, ist er noch hundert Mal heißer, als er es schon auf den ersten Blick war.

Er starrt wieder für eine atemlose Sekunde auf meine Lippen.

So intensiv, dass ich die Arme um den Körper lege und versuche, mich vor der Intensität dieses glühenden Blicks zu verstecken, der sich anfühlt, als könnte er mich in eine Salzsäule verwandeln.

Ich möchte etwas sagen, mit einem Scherz die drückende Stille auflockern, bin mir aber nicht sicher, ob das überhaupt möglich ist.

Soll ich ihn daran erinnern, dass er ein ausgemachter Idiot ist?

Dass er froh sein kann, dass ich ihm nicht einen Bissen Zimtschnecke im Wert von geschätzten hundert Dollar ins Gesicht spucke?

Wie sich herausstellt, sind meine Überlegungen müßig.

Bevor mir eine passende Bemerkung einfällt, kehrt er mir den breiten Rücken zu und marschiert leise vor sich hin schimpfend von dannen.

Er biegt um die Ecke des Cafés und geht immer weiter, ohne noch einen Blick zurückzuwerfen.

Alter Falter. Müsste ein Typ mit so viel Kohle und noch mehr Ego nicht eigentlich einen fahrbaren Untersatz haben?

Egal.

Nicht mein Problem.

Ich muss an die Arbeit.

Die Miete schert sich nicht um Jahrestage oder Begegnungen mit fremden Männern, die sich wegen einer Zimtschnecke mit mir anlegen.

Mit den drei Vierteln meiner Zimtrolle breche ich auf ins Büro. Ich werde das köstliche Gebäck in vollen Zügen genießen, aber meine kostbare Fracht vor dem Zugriff eines sexy Shrek bewahrt zu haben, hat mehr Endorphine ausgeschüttet als der Zuckerschock.

Captain Grimmig hat mich mit seinem Aufstand so wütend gemacht, dass ich in die Pedale trete, als ginge es um mein Leben. Ich erreiche das Büro viel zu früh und verschlinge mein klebriges Zimtteilchen draußen vor der Tür, um mich zu stärken, bevor ich mich ins hektische Getümmel stürze.

Noch ein paar Wochen, dann hast du es hinter dir. Du hast große Pläne. Du schaffst das.

Dieses Mantra wiederhole ich immer wieder, als jemand, der doppelt so viel verdient wie ich, einen Fehler macht, der das ganze Projekt ins Chaos stürzt.

Ein ganz normaler Tag in meinem Leben als überarbeitete, unterbezahlte Werbetexterin.

Ich habe bis weit nach Feierabend zu tun, um den Fehler zu beheben.

Ich wünschte, mein Zimtschneckenglück und die Euphorie nach meinem Sieg hätten etwas länger angehalten.

Stattdessen hat mich die hässliche Wirklichkeit längst wieder eingeholt.

Ich bin nicht einmal sauer.

Nein, wirklich nicht.

Es ist nach neun und schon dunkel, als ich meinen ausgelaugten Körper zurück in mein winziges Apartment schleppe. Mit etwas Glück kann ich bald mit zweiwöchiger Frist kündigen.

Halte durch.

Es kann nicht schaden, einen guten Eindruck zu hinterlassen, wenn ich zu grüneren Weidegründen aufbreche.

Ich will noch kurz nach der Post schauen und stelle mich auf einen weiteren einsamen Abend ein. Ein Umstand, den ich selbstzentrierten Idioten zu verdanken habe, die regelmäßig über ihren eigenen Schwanz stolpern.

Ich stecke den Schlüssel ins Briefkastenschloss und sperre auf.

Ein Haufen Zeug fällt mir entgegen. Alles, was offensichtlich Werbung ist, geht direkt in die Papiertonne. Bleiben fünf Umschläge übrig. Eine Aufforderung zur Volkszählung, ein Brief von einer Literaturzeitung aus Portland, bei dem ich schon ahne, dass es sich um eine Absage handelt, eine Beileidskarte, die vortäuscht, es handle sich um einen lieben Gruß von der Großmutter, und …

O nein.

Ich stopfe den letzten Umschlag in die Handtasche, lehne mich an die Wand und versuche, nicht zu schreien.

»Hi, Dakota! Was ist los? Sag nicht, du kommst jetzt erst aus dem Büro«, sagt eine fröhliche Stimme.

»Oh, hallo.« Ich werfe einen Blick über die Schulter und sehe, wie Eliza mit ihrem üblichen entwaffnenden Lächeln auf mich zukommt. »Ja, ist spät geworden. Was soll’s? Ist ja bald vorbei.«

»Hast du schon zu Abend gegessen?«, fragt sie und fügt, ehe ich antworten kann, hinzu: »Lass mich nur schnell meine Post holen und komm dann mit zu mir. Dann kannst du meinen neuen Kaffee probieren.«

»Es ist schon fast zehn, Eliza. Zu spät für Kaffee.« Aber mein Magen knurrt und erinnert mich daran, dass ich seit der Zimtschnecke nichts mehr gegessen habe.

»Trau dich was.«

Ich lache, und mein Magen entscheidet für mich. Kaffee und Knabberkram klingen verlockender als eine weitere Portion Tiefkühl-Fettucine. Außerdem ist es eine willkommene Ausrede, das Unausweichliche hinauszuschieben.

»Also gut.«

Eliza öffnet ihren Briefkasten, holt zwei Umschläge heraus und zieht mich dann bei der Hand hinter sich her zu ihrer Wohnung. »Du musst die Pekanröstung probieren. Die wird dich umhauen.«

Noch bevor sie die Tür ganz geöffnet hat, weht mir schon der Geruch starken Kaffees entgegen.

Aber es ist nicht nur Kaffee. Ihre Wohnung riecht auch immer dezent nach Gewürzen und Früchten. Allerlei Leckeres vermischt sich bei ihr zu einem verführerischen Duft.

»Rieche ich da Vanille? Köstlich.«

Eliza lächelt. »Dein Lieblingsaroma. Ich habe nur für dich noch eine Vanillemischung gemacht. Hast du schon gegessen? Du hast mir vorhin nicht geantwortet.«

Nein, und mir hängt der Magen in den Kniekehlen, aber das möchte ich ihr nicht sagen.

»Was passt gut zu Kaffee?«, fragt Eliza und wackelt mit den Brauen wie der Moderator einer Quizshow.

»Äh … Bagels?«

Sie verdreht die Augen. »Spaßbremse. Willst du mir die koffeininduzierte gute Laune verderben?«

Ich muss lachen. »Im Gegensatz zu dir bin ich kein halber Kolibri und lebe nicht von Zucker allein.«

»Scones! Ich habe vor einer Stunde ein Blech Blaubeerscones gebacken. Die werden dir schmecken.«

Genau mein Ding.

Es ist definitiv ein Pluspunkt, direkt über einem Kaffeejunkie zu wohnen, der ständig auf der Suche nach der perfekten Mischung und dazu noch eine begnadete Backfee ist.

Ich schlüpfe aus den Schuhen und durchquere ihre kleine Wohnung, die fast ebenso eng ist wie meine.

Im Wohnzimmer stehen eine Schlafcouch und zwei Stühle, auf der rechten Seite befindet sich eine kleine Küche. Eliza geht zum Tresen und legt die Post darauf ab.

Meine Wohnung ist auch winzig, aber ihre Küche unterscheidet sich drastisch von meiner.

Messbecher, Einweckgläser, Kaffeebehälter, helles Licht und kleine Topfpflanzen lassen den Raum eher wie ein Labor als wie eine Küche aussehen.

»Sind das neue Pflanzen?«

Ich wage kaum zu fragen.

Sie lächelt. »Ich versuche, eine Hybridbohne zu züchten. Bis jetzt will es noch nicht so recht klappen.«

»Holla. Dann bist du noch einen Schritt weiter gegangen? Du pflanzt im trüben Seattle deinen eigenen Kaffee an, um deine Sucht zu befriedigen?«

»Von Sucht spricht man bei Alkohol. Kaffee ist ein Lebenselixier.« Sie breitet die Arme aus in einer Geste, die das Küchenlabor einschließt. »Das hier ist mehr als ein Hobby. Alles, was ich je hier gekocht und gebacken habe, bildet die Grundlage für das Café, das ich eines Tages eröffnen werde. Liza’s Love.«

»Wenn es so weit ist, verspreche ich, dass ich dort an einem Open-Mic-Abend meine Gedichte vortrage.«

»Dort wird jeden Abend Open-Mic-Abend sein«, entgegnet sie mit erhobenem Zeigefinger, als wäre das bereits in Stein gemeißelt.

»Cool. Dann werde ich jeden Abend dort sein, und du wirst mich durchfüttern wie einen Wanderarbeiter, der gerade sein letztes Geld beim Poker verspielt hat.«

Lachend schenkt sie Kaffee in drei kleine Gläser und packt Scones auf einen Teller.

Dann stellt sie die Gläser und die Scones auf den Tresen zwischen Küche und Wohnzimmer.

»Sag mir, welcher dir am besten schmeckt.«

Ich trinke einen belebenden Schluck des ersten Kaffees und ziehe die Nase kraus. »Uff. Schmeckt nach … Kaffee. Könnte etwas süßer sein.«

Sie mustert mich tadelnd.

Ich hebe beschwichtigend die Hände und nippe an dem zweiten Glas. »Oh, der ist sehr lecker«, sage ich anerkennend, als schaumige Süße meine Geschmacksknospen umschmeichelt.

»Was schmeckst du?« Sie mustert mich gespannt, die Arme vor der Brust verschränkt.

»Vanille. Süße. Fast wie … Kuchen?«

Eliza lächelt und nickt wie ein zufriedener Lehrer.

Ich trinke einen Schluck Wasser und probiere dann aus dem dritten Glas.

»Hmmm. Zimt?«

»Und Pekannuss«, bestätigt sie nickend.

»Interessante Mischung«, lobe ich. »Am besten hat mir die zweite Mischung geschmeckt.«

»Dann bekommst du eine volle Tasse Geburtstagskuchen-Kaffee. Mit Sahne und Zucker?«

»Nur Sahne.«

Eliza öffnet einen Schrank, nimmt eine Tasse heraus und macht sich daran, mein Getränk zuzubereiten.

Ich nehme mir einen überdimensionalen Blaubeerscone vom Teller und beiße hinein.

Wie immer schmeckt es köstlich, erst recht bei meinem Hunger. Ohne mir dessen bewusst zu sein, stopfe ich mich voll wie ein Waschbär.

Ich habe mich den ganzen Tag fast nur von Kohlenhydraten ernährt, und das wird sich unweigerlich an meinen Oberschenkeln bemerkbar machen.

Das ist es mir wert.

Ich hole meine Post aus der Tasche und schaue sie mir genauer an, wobei ich den letzten Umschlag ganz nach unten packe, weil ich Angst davor habe, ihn zu lesen.

Der Absender ist Dickinson, North Dakota.

Zu nah bei meiner Heimatstadt Dallas – einer staubigen Kleinstadt, die um Erdölfelder herum entstanden und mit zu vielen schlechten Erinnerungen verbunden ist, die die guten Zeiten dort überschatten.

Es ist ein Ort, an dem jeder eine märchenhafte Liebesgeschichte erlebt hat – außer mir.

»Was ist?«, fragt Eliza, der mein Stirnrunzeln nicht entgangen ist.

Ich schüttele den Kopf.

»Ach, nichts weiter.« Ich lege die Briefe auf meinen Schoß und greife stattdessen nach der dampfenden Tasse, die Eliza vor mir abstellt.

»Wieder der Vollhonk?«

»… möglich.« Ich nippe an Elizas köstlicher Kaffeekreation und fühle mich sofort besser. Ich schiebe ihr den untersten Brief über den Tresen zu. »Wirfst du ihn für mich weg?«

»Klar. Ganz sicher, dass du ihn nicht vorher lesen willst?«

Ich zögere kurz. Aber dann sage ich mir, dass ich gar nicht wissen will, was mein Ex zu seiner Verteidigung vorzubringen hat. Schon gar nicht heute.

»Nein. Schmeiß ihn einfach in den Müll«, sage ich und schlürfe meinen Kaffee.

Lächelnd zerknüllt sie den Brief und wirft ihn in den rosa Korb mit den Glitzerstreifen, in dem sie das Altpapier sammelt.

»Treffer!« Sie schenkt sich auch einen Kaffee ein und setzt sich zu mir.

»Eliza, ich will dich ja nicht bevormunden, aber … ich denke, du hattest genug Kaffee für heute«, sage ich und klopfe ihr auf die Schulter.

»Schäm dich, das grenzt an Blasphemie.«

»Wirst du heute überhaupt schlafen?«, frage ich lachend.

Sie nimmt sich einen Scone und beißt hungrig hinein.

»Irgendwann schon. Wie war dein Tag? Abgesehen von dem üblichen Stumpfsinn und dem Brief von dem Oberidioten, meine ich.«

»Wie immer, abgesehen von einem … Arschloch.« Als ich an die Szene bei Sweeter Grind zurückdenke, bin ich mir nicht mehr sicher, ob das der richtige Ausdruck ist. »Wobei, das stimmt so nicht ganz. Ich bin heute Morgen bei Sweeter Grind einem echt schrägen Typen begegnet.«

»Aha?« Elizas Brauen schießen in die Höhe. »Ist er dir gefolgt? Ist er aufdringlich geworden?«

»Ja, er ist mir gefolgt, aber er war nicht aufdringlich. Nicht so, wie du das meinst. Er hat sich furchtbar aufgeregt, weil ich vor ihm in der Schlange stand und ihm die letzte Regis-Zimtschnecke vor der Nase weggeschnappt habe.«

»Kann man ihm nicht verdenken. Die sind göttlich.«

Wieder muss ich lachen. Wenn Eliza, der verrückte Kaffeejunkie, einen Altar bauen würde, um dem Gott des Gebäcks Opfer darzubringen, läge in der Mitte eine Regis-Zimtschnecke.

»Mag sein, aber das war dann doch übertrieben. Der Typ ist völlig ausgerastet, als er gehört hat, dass die Zimtschnecken aus sind. Er hat die Barista angeschrien und dann versucht, mir meine Zimtschnecke abzukaufen.«

»Wie bitte?« Sie lacht sich schlapp und kneift dabei ihre Augen auf eine Art und Weise zusammen, dass ich mitlachen muss.

»Oh, wow. Du hättest ihm einen Wucherpreis nennen sollen, um zu sehen, wie viel ihm das Teil wert ist. Du hättest dir ein nettes Taschengeld dazuverdienen können!«

Ich schürze die Lippen.

»Tatsächlich hat er mir von sich aus immer höhere Summen geboten. Zuletzt waren es fünfhundert Dollar.«

»Er … was?« Ihr klappt die Kinnlade herunter. »Dein Ernst? Lass mich das mal rekapitulieren. So ein Typ hat dir bei Sweeter Grind fünfhundert Dollar für eine Zimtschnecke geboten? Ich fasse es nicht. Dann war das ja heute ein echter Glückstag. Wäre mir das passiert, würde ich mich eine ganze Woche lang im Le Panier verwöhnen lassen.«

Ich beiße noch einmal von meinem Scone ab, kaue und zweifle an meinem Geisteszustand. »Na ja, ich habe das Geld nicht genommen.«

Eliza fallen fast die Augen aus dem Kopf, und sie schlägt sich so fest mit der Hand auf den Oberschenkel, dass der Kaffee, den sie in der anderen Hand hält, beinahe über den Tassenrand schwappt.

»Nicht dein Ernst! Warum denn nicht?«

»Darum. Der Kerl hat mal eine Lektion gebraucht. Es war so ein unverschämt gut aussehender reicher Schnösel im schicken Anzug, der meinte, er hätte ein Anrecht auf die letzte Zimtschnecke und könnte sich mit Geld alles erkaufen. Das ist mir einfach übel aufgestoßen. Jemand musste ihm mal seine Grenzen aufzeigen.«

»Aha. Und obwohl er dir so unsympathisch war, ist dir aufgefallen, dass er einen schicken Anzug getragen hat.«

Ich setze zu einer Erwiderung an, aber mir fällt keine ein.

»Dakota. Du hast dir fünfhundert Ocken durch die Lappen gehen lassen und dazu noch die Gelegenheit, mit einem stinkreichen heißen Typen zu flirten, den du nie wiedersehen wirst?« Eliza hebt die Hand und tippt mir an die Stirn. »Bist du noch ganz dicht? Vielleicht ist Edgar Allans Geistesgestörtheit ja erblich.«

»Unsinn. Wir sind nur über tausend Ecken verwandt«, entgegne ich und verdrehe die Augen. »Außerdem hat er gar nicht mit mir geflirtet. Im Gegenteil. Er war ziemlich unfreundlich. Er wurde richtig eindringlich, während er sein Angebot immer wieder erhöht hat, was also sollte ich sonst tun, als ihn auflaufen zu lassen? Ich habe vor seinen Augen in meine Zimtschnecke gebissen, damit er endlich kapiert, dass ich sie ihm nicht überlassen werde, egal zu welchem Preis. Reich zu sein, macht einen nicht allmächtig.«

Sie zuckt mit den Achseln.

»Von einem ethischen Standpunkt aus betrachtet absolut korrekt, aber ganz ehrlich, ich hätte die fünfhundert Scheine genommen«, gesteht sie mit einem schiefen Lächeln.

»Ich gebe zu, dass es verlockend war, aber der Kerl brauchte eine Lektion. Es musste sein, glaub mir.«

»Aber warum musstest ausgerechnet du diejenige sein, die sie ihm erteilt?«

Ich zucke mit den Schultern. »Das hat sich so ergeben.« Ich seufze. »Okay, ich gebe zu, dass es auch Spaß gemacht hat, ihm eins auszuwischen. Es hat mir diesen Tag etwas erträglicher gemacht.«

»Ach ja, stimmt. Heute ist es ein Jahr her, seit … verstehe.« Ihre Züge werden weicher. »Du hattest einen schlechten Tag, und da war ein verzweifelter Zimtschneckenjunkie ein leichtes Opfer. Was soll’s? Ihr seht euch bestimmt nie wieder, und du hast ihn davor bewahrt, fünfhundert Dollar auf den Kopf zu hauen für eine Zimtschnecke. Morgen ist ein neuer Tag, und ihr werdet euch beide besser fühlen.«

»Hoffentlich«, entgegne ich düster.

»Schlimmer kann deine Laune ja nicht mehr werden, oder?«, fragt sie augenzwinkernd.

»Nein«, gebe ich ihr lachend recht.

»Gut. Da hast du’s. Morgen wird ein besserer Tag werden, weil es nicht schlimmer werden kann als heute.«

»Nach deinen Scones geht es mir schon viel besser«, sage ich und schiebe mir den letzten Bissen in den Mund.

»Apropos … was glaubst du, woher der Oberidiot deine neue Adresse hat, wenn ich fragen darf? Oder läuft dein Nachsendeantrag noch?«

»Nein, die Post wird mir nicht mehr nachgeschickt. Vermutlich hat er sie von jemandem daheim bekommen. Ich habe dir ja gesagt, wie schnell in Dallas alles die Runde macht. Als der heiße Mechaniker, der alles flachgelegt hat, was bei drei nicht auf dem Baum war, sich letztes Jahr mit meiner Freundin Shelly verlobt hat, haben die Leute sich monatelang das Maul zerrissen.«

»Oje! Aber jetzt erzähl mir von deinem bevorstehenden Vorstellungsgespräch.«

Und so berichte ich, trinke dabei meinen Kaffee und plaudere bis nachts um eins mit meiner Nachbarin.

Nicht der schlechteste Abschluss eines verhassten Jahrestags, und am Ende bin ich dankbar, dass ich mich immerhin viel besser fühle als noch vor einem Jahr.

Eliza wirkt Wunder, und das nicht nur mit ihrem Kaffee.

Ich hoffe nur, dass ich eines Tages ebenso zufrieden sein werde wie sie, wenn es mir erst gelungen ist, endlich einen Job zu finden, der mich aus meiner deprimierenden Tretmühle befreit.

II: VERKLUNG’NE MÄR UND LEHR’ (LINCOLN)

Als ich das Büro verlasse, bin ich in Gedanken immer noch bei der starrsinnigen Wildkatze aus dem Sweeter Grind. Ein Gesicht wie ein Engel, eine Figur wie eine Sanduhr und eine Zunge, scharf wie ein Skalpell.

Normalerweise hätte mich das angemacht, aber wenn es um meine Zimtschnecken geht, ist Schluss mit lustig.

Niemand stellt sich zwischen Lincoln Burns und seine Regis-Zimtschnecken.

Ja, ich war verzweifelt. Beinahe besessen. Unentschuldbar penetrant.

Aber nicht irre.

Ich hätte ihr nicht fünfhundert Dollar für eine Zimtschnecke geboten, wenn es nicht um Leben und Tod gegangen wäre.

Aktuell ist dieses dämliche Gebäck das Einzige, was Wyatt in seiner depressiven Phase noch am Leben hält. Er hat gerade noch so viel Kraft, sich mir zu widersetzen, wenn ich ihn dazu bewegen will, etwas Gesünderes zu essen, aber nicht mehr genug, um ohne Zuckerbomben zu existieren.

Als diese Schnappschildkröte von einer Frau sich partout nicht von ihrer gottverdammten Zimtschnecke trennen wollte, bin ich ein paar Stunden später zu Sweeter Grind zurückgegangen und habe eine Bärenklaue gekauft.

Ich habe ein Vaterunser gebetet in der Hoffnung, dass mein bester Freund gewillt sein würde, heute mal ein anderes süßes Gebäck zu probieren, um seine Sucht nach Zucker zu befriedigen.

Dann bin ich mit dem Teilchen zu Wyatts Zelt in dem ein paar Blocks entfernten Park gestiefelt, vorbei an vielen anderen gescheiterten Existenzen in der gleichen Situation.

Er wollte nicht einmal seinen Schlafsack verlassen.

Eine Regis-Zimtschnecke ist das Einzige, wofür er zumindest kurz aus seinem Winterschlaf erwacht, und diese Fahrradschnepfe musste ihm aus Prinzipienreiterei diese eine Freude verwehren.

Als ich versucht habe, ihn gewaltsam aus dem Schlafsack zu ziehen, hat er sich gewehrt wie ein wildes Opossum, und das Ende vom Lied war, dass ich die klebrige Bärenklaue im Gesicht hatte.

Ich schätze ihn für seine Konsequenz, auch wenn sie in der aktuellen Situation völlig fehl am Platz ist.

Meine Ma ist auch ganz verrückt nach diesen blöden Zimtschnecken. Tatsächlich habe ich mich schon gefragt, ob sich meine liebe, bescheidene Mutter dazu hinreißen lassen würde, für dieses Gebäck einen Mord zu begehen.

Jedes Mal, wenn ich bei Sweeter Grind vorbeischaue, um Wyatt seine Zuckerdosis zu besorgen, nehme ich auch eine oder zwei Schnecken für Mom mit.

Nicht so heute.

Und das nur, weil ausgerechnet die einzige Frau in der ganzen Stadt, die zu stur ist, um sich mit mir handelseinig zu werden, mir die allerletzte Zimtschnecke vor der Nase weggeschnappt hat. Verdammt. Vielleicht denkt Mom ja auch gar nicht daran.

Mutter ist etwas weniger borniert als Wyatt, wenn es um dieses Gebäck geht, wenn auch nur geringfügig. Ich habe eine Weile Zeit, mich auf die Begegnung vorzubereiten, während ich mit der Fähre nach Bainbridge übersetze, wo sie wohnt, und lasse mir auf der Fahrt den Wind ins Gesicht blasen, um den Kopf freizubekommen.

Kurze Zeit später empfängt Mom mich an der Tür mit einer Umarmung und ihrem üblichen sonnigen Lächeln.

»Da bist du ja! Komm rein. Hast du mir wieder eine von diesen göttlichen Zimtschnecken mitgebracht?«

Sie denkt daran.

Ich seufze tief.

»Ich habe es versucht. Es gab keine mehr, weil angeblich der Zimt aus war – auch wenn ich das für eine billige Ausrede halte und dahinter eher Inkompetenz vermute – und weil eine dumme Pute vor mir die allerletzte Zimtschnecke gekauft hat. Und sie wollte sie mir nicht verkaufen, egal, wie viel ich ihr dafür geboten habe.«

Mom krümmt sich vor Lachen und schüttelt die ergrauenden Locken.

»Entspannt dich, Schatz! Mein Arzt würde sich bei dir bedanken, dass du mir keine Zuckersünde mitgebracht hast. Du brauchst mir nicht jedes Mal etwas mitzubringen. Deine Gesellschaft genügt völlig.«

Richtig.

Sie öffnet die Tür weiter und tritt beiseite, um mich hereinzulassen, dann schließt sie die Tür hinter sich.

»Ich habe nicht einmal für Wyatt eine Regis-Zimtschnecke bekommen, Ma. Ich habe es alternativ mit einer Bärenklaue versucht, aber dafür wollte er nicht mal aus dem Schlafsack kriechen.«

Stirnrunzelnd betrachtet sie die leichte Prellung an meiner Schläfe.

»Ach du meine Güte. Ist das …?«

»Nicht seine Schuld. Ich habe versucht, ihn aus seiner Höhle zu zerren. Ich hätte es besser wissen müssen. Es geht ihm nicht gut.«

Ich muss sie immer wieder daran erinnern, wenn sie sich in anderer Leute Angelegenheiten einmischt. So wie jetzt. Sie mustert mich prüfend und sucht mich mit strenger Mutter-Miene nach weiteren Kampfspuren ab.

»Lincoln … ich finde es wirklich bewundernswert, wie du dich um den armen Mann kümmerst, aber du bist nicht für ihn verantwortlich. Er hätte schon längst zum Arzt gehen sollen. Du hast mehr vom Leben verdient, als zu arbeiten und dich um diese verlorene Seele zu kümmern …«

»Dieser verlorenen Seele habe ich es zu verdanken, dass ich noch lebe«, erinnere ich sie. »Ich habe dir schon tausend Mal gesagt, dass ich ohne ihn längst tot wäre. Also sehe ich mich sehr wohl in der Verantwortung. Noch ist es nicht zu spät, und jemand muss versuchen, ihm da rauszuhelfen. Wyatt ist wie ein Bruder für mich, auch wenn wir keine Blutsverwandten sind.«

Sie presst die Lippen zusammen, wohl wissend, dass jeder Widerspruch zwecklos wäre.

»Hast du schon zu Abend gegessen? Ich habe dein Lieblingsgericht gekocht.«

»Ma, ich bin ein erwachsener Mann«, entgegne ich mit einem frustrierten Seufzen. »Du brauchst mich nicht zu bekochen.«

»Du bist immer so knurrig, wenn du Hunger hast.« Sie lächelt. »Es gibt Schmorbraten mit Knoblauchpüree.«

Diese Frau.

Mein Magen fällt mir in den Rücken, indem er knurrt wie ein bengalischer Tiger.

»Na gut.«

Was soll’s? Sie kennt mich eben zu gut und scheint auch allein mit Blicken meine Blutzuckerwerte messen zu können. Ohne weiteren Protest folge ich ihr ins Esszimmer.

Ich höre sie hinter mir lachen.

»Setz dich schon mal, Lincoln. Ich hole das Essen aus der Küche.«

Eine Minute später steht ein Teller, auf dem sich ein Berg Fleisch, Kartoffelpüree und Buttergemüse türmt, vor mir. Sie nimmt mir gegenüber Platz. Die Portion auf ihrem Teller entspricht etwa einem Drittel der Menge, die sie mir serviert hat.

Ich warte, um das Gesicht zu wahren, mühsam beherrscht, bis sie angefangen hat, bevor ich über das Essen herfalle und ihr zuhöre, während sie ihr Fleisch schneidet.

»Hast du abgesehen von der dickköpfigen Schönheit, die dir die Zimtschnecke geklaut hat, in letzter Zeit sonst noch jemanden kennengelernt?«, fragt sie.

O Gott.

Wenn ich ein Thema noch mehr hasse als Wyatts akute Depression, dann ist es mein nicht existierendes Sexleben.

»Die ›Schönheit‹ war ein sturer Esel«, entgegne ich und stopfe mir noch eine Gabel Fleisch und Püree in den Mund. »Und wie kommst du überhaupt darauf, dass sie hübsch war?«

»Das hat mir dein Tonfall verraten.«

»Sie sah ganz gut aus. Durchschnitt«, lüge ich, und mir entgeht nicht, dass sie ungeduldig wartet, dass ich ins Detail gehe. »Von der Persönlichkeit her war sie in etwa so prickelnd wie ein Wildunfall – oder eine Einweisung in die Notaufnahme nach einer Killerbienenattacke.«

Sie bekommt einen Lachanfall. Wenigstens einer, der meinen Humor zu schätzen weiß.

»Du hättest sie einladen sollen! Das wäre sicher interessant geworden, Lincoln. Du wirst auch nicht jünger.«

»Du aber auch nicht«, kontere ich.

»Ich habe schon eine Familie. Du bist noch Single.«

»Du auch. Technisch gesehen.«

»Ich bin Witwe, Junge.«

»Richtig, tut mir leid. Das war unangemessen. Aber das ist nicht der Punkt.« Ich säble mit so viel Elan ein Stück von meinem Braten ab, dass die Klinge über den Teller kratzt. »Wenn dein Sohn sich nicht hätte blicken lassen, hättest du heute Abend allein essen müssen.«

Sie strahlt mich an.

»Ich hatte das Glück, der Liebe meines Lebens zu begegnen, und ich wünsche mir das Gleiche für dich. Und immer, wenn ich mir Gesellschaft wünsche, brauche ich nur Schmorbraten zu kochen.«

Ich spieße ein großes Stück Fleisch mit der Gabel auf und schiebe es mir in den Mund. Es zergeht förmlich auf der Zunge.

Mag sein, dass sie mich ärgert, aber sie hat nicht unrecht. Wenn sie mir, wenn ich gehe, nicht die Reste einpackt und mitgibt, komme ich morgen wieder.

»Ich meine ja nur, dass hier und da mal ausgehen nicht schaden kann«, fährt sie fort. »Es ist so lange her, seit …«

»Nicht. Sprich ihren Namen nicht aus«, falle ich ihr ins Wort und zeige mit der Gabel auf sie, als wäre sie eine Waffe.

Das Einzige, was mir dieses Essen verderben könnte, wäre, an Regina und den ganzen Scheiß zu denken.

»Aber Lincoln, es ist …«

»So einfach ist das nicht. Und du weißt auch sehr gut, dass, wenn ich mit einer Frau ausgehe, das schnell für öffentliche Aufmerksamkeit sorgen kann. Es gibt da draußen Reporter, die davon leben, Zehn-Sekunden-Clips von jemandem wie mir beim Daten zu posten. Das wäre für beide Seiten unangenehm. Nein, danke. Ich bin mit der Leitung von Haughty and Nice beschäftigt genug, und dabei möchte ich es auch belassen.«

»Ich weiß. Immerhin habe ich die Firma gegründet, oder hast du das vergessen?« Sie mustert mich mit ihrem wissenden Mama-Blick.

»Das weiß ich. Nur dass die Medien zu deiner Zeit noch nicht so schnelllebig waren und auch Modetrends teilweise Jahre lang aktuell blieben.«

»Ach, die Medien«, murmelt sie. »Es gibt bestimmt tausend Möglichkeiten, mit einer Frau auszugehen, ohne dass jemand davon erfährt. Du hast Geld genug, um dich von einem Visagisten so weit verändern zu lassen, dass dich niemand erkennt!«

Ich schnaube bei diesen Worten und blase beinahe mein Püree durch die Nase.

»Super Idee, Ma. Genau das, was ich brauche. Eine arme Frau zum Küssen an einen geheimen Ort lotsen wie ein Bösewicht aus einem B-Movie.« Meine Mutter funkelt mich strafend an, sichtlich unbeeindruckt von meiner Erwiderung. »Du weißt selbst, dass die Presse mich regelrecht gestalkt hat, als ich das letzte Mal so dumm war, mit einer Frau auszugehen. Warum alles nur noch schlimmer machen, indem ich jemand anderen mit reinziehe? Ich verbringe auch so schon genug Zeit damit, möglichst unerkannt zu bleiben. Ich kann nicht einmal ein Bier trinken gehen, ohne dass am nächsten Tag Bilder davon auf Instagram gepostet und Scheiß-Gerüchte verbreitet werden. Als hätten die Leute heutzutage nichts Besseres zu tun, als fremde Menschen online mit Schmutz zu bewerfen.«

Sie legt eine Hand vor den Mund, um ihr Lachen zu verbergen, während sie so tut, als missbillige sie meine Ausdrucksweise.

»Offenbar nicht, wenn es um gut aussehende Junggesellen geht, sonst würden sie dich kaum verfolgen, Junge. Hat denn nicht einmal die neue Hochzeitskollektion dich etwas romantisch stimmen können? Weckt die nicht bei dir den Wunsch, eine nette Frau zu finden und eine Familie zu gründen?«

Ich tue demonstrativ so, als würde ich fünf Sekunden darüber nachdenken, und streiche mir dabei über das Kinn. »Nein«, sage ich schließlich und spieße mit der Gabel noch ein Stück Schmorbraten auf.

Sie schaut mich stirnrunzelnd an und wartet, dass ich fortfahre, obwohl das Thema längst ausgereizt ist.

»Wie wäre es mit ›Überhaupt nicht‹?«, sage ich schließlich.

Sie legt den Kopf schräg. »Du weißt, dass ich nicht so leicht aufgebe, Lincoln Burns. Ich wünsche mir Enkel, und du bist mein einziges Kind. Meinst du nicht, dass es an der Zeit wäre, deiner armen alten Mutter ihren größten Wunsch zu erfüllen?«

»Ich wollte dir ja eine Zimtschnecke mitbringen, Ma.«

»Ach, Lincoln. Das hier ist doch ein bisschen wichtiger als Zimtschnecken«, entgegnet sie so verzweifelt, dass ich beinahe lachen muss.

»Kann ich – abgesehen von Enkelkindern – etwas tun, um dich glücklich zu machen? Immerhin ist die Modemarke, die du aufgebaut hast, dank mir zwölf Millionen Dollar mehr wert, einmal ganz nebenbei bemerkt.«

Moms Dauerlächeln verblasst, und ihre Lippen bilden jetzt einen schmalen Strich. Streng schüttelt sie den Kopf.

»Nein.«

»Siehst du? Und genau darum kann ich dir jetzt kein Enkelkind schenken. Im Augenblick kann nichts an den Erfolg der Firma heranreichen. Du wirst auf den richtigen Zeitpunkt warten müssen, damit du nicht enttäuscht bist.« Ich lasse ihr einen Hauch Hoffnung, schiebe mir noch ein Stück Fleisch in den Mund und hoffe, dass sie das Thema fallen lässt. Ich lächle sie an. »Außerdem ist es mir nicht zuletzt deshalb gelungen, eine so lukrative Kollektion an den Start zu bringen, weil ich Geschäft und Privatleben strikt trenne.«

Technisch gesehen stimmt das. Ich habe kein Privatleben. Abgesehen davon, dass ich Wyatt mit Zimtschnecken versorge und mich ab und zu auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung blicken lasse, aber mir genügt das.

»Kinder und Arbeit gehen nicht zusammen. Punkt und Ende der Diskussion«, sage ich.

»Lincoln. Dein Leben hat doch noch gar nicht richtig angefangen«, sagt sie und steht auf, um Tee zu kochen, wie immer, wenn sie sich aufregt.

Ich wünschte, ich könnte behaupten, meine Mutter wüsste es besser.

Ich wünschte, ich könnte ein guter Sohn sein und sie nicht enttäuschen.

Ich wünschte, ich könnte mein Herz noch einmal öffnen und riskieren, noch einmal verletzt zu werden.

Aber da ich weiß, was für ein grausamer, hinterhältiger Mistkerl Amor sein kann, begnüge ich mich lieber damit, der reiche und angesehene Junggeselle und Sohn zu bleiben.

Ein paar Tage später gehe ich wieder zu Sweeter Grind, um für Wyatt eine Zimtschnecke zu holen. Diesmal gehe ich bewusst früher hin als sonst.

Ich will nicht riskieren, wieder zu spät zu kommen und leer auszugehen. Wyatt braucht seine Zuckerdosis, und daran wird sich auch nichts ändern, bis er sein Tief endlich überwindet oder mich zwingt, ihn in eine Entzugsklinik zu schleifen.

Die Barista bereitet ein Getränk zu, reicht es dem Kunden vor mir und wendet sich dann mir zu.

»Was kann ich für Sie tun?«, fragt sie.

Die Türglocke bimmelt. Ich werfe einen Blick zum Eingang.

Eine schlanke Blondine in einem hautengen schwarzen Kleid, das ihre Rundungen perfekt in Szene setzt, tritt ein. Wäre da nicht das Haar, das im Morgenlicht wie helles, gesponnenes Gold schimmert, wäre sie das Ebenbild eines menschlichen Raben.

Ihre Art, sich zu bewegen, erinnert an einen anmutigen Vogel. Darüber hinaus strahlt sie Geduld aus und hat einen strengen Blick aufgesetzt, der einen einschüchtern könnte, wenn sie einen nur lange genug anblicken würde.

Wach. Elegant. In ihrem schlichten Kleid, das wie angegossen sitzt, von einem Hauch der alten Welt umweht.

Ihr Gesicht hat etwas Unschuldiges und gleichzeitig Geheimnisvolles an sich, und ihre smaragdgrünen Augen fesseln mich.

Unsere Blicke begegnen sich, sie zieht die Nase kraus und verdreht mit abgrundtiefer Verachtung die Augen.

Verdammt.

Das kann doch nicht wahr sein.

Als sie diese abweisende Miene aufsetzt, erkenne ich sie wieder.

In dem Kleid sieht sie sogar noch schärfer aus als in Jeans.

Als sie näher kommt, muss ich unwillkürlich grinsen.

»Sind Sie wieder gekommen, um andere Leute um ihr Lieblingsgebäck zu bringen? Sie haben sich ja richtig in Schale geworfen für Ihren Auftritt«, knurre ich.

Sie stutzt. Dann tut sie so, als ließe mein Spott sie kalt. Sie kneift die Augen zusammen.

»Ich habe heute ein Interview. Und nein, Klugscheißer, ich würde mir an Ihnen nicht die Hände schmutzig machen. Das überlasse ich gerne anderen.«

Klugscheißer? Hände schmutzig machen?

Wie reizend.

Diese kleine Wildkatze mit den grünen Augen und dem frechen Mundwerk braucht dringend jemanden, der sie übers Knie legt und ihr gutes Benehmen beibringt.

In einem anderen Leben wäre dieser Jemand möglicherweise ich, aber ich erinnere mich nur zu gut, wie anstrengend eine Auseinandersetzung mit dieser Frau sein kann.

»Tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen, aber ich habe nicht vor, mich heute wieder abziehen zu lassen. Im Gegenteil. Heute werde ich Sie mal um ihren Zuckerschub bringen. Rache ist süß.«

Sie lacht misstönend, wirft ihr helles Haar über die Schulter und funkelt mich an wie eine wütende Löwin.

»Rache wofür? Weil ich Ihnen das letzte Mal zufällig die letzte Zimtschnecke vor der Nase weggeschnappt habe? Wie kleinlich kann man sein?«

Gute Frage.

Aber das wird sie gleich sehen.

Ich wende mich mit einem bösen Grinsen der Barista zu. »Ich hätte gerne sämtliche Regis-Zimtschnecken, die Sie haben.«

»Sämtliche? Also alle?« Die arme Barista blinzelt.

»Richtig.«

»Wir haben drei, fast vier Dutzend da, die in der Backstube mitgerechnet. Sind Sie sicher …?«

»Ich nehme die vier Dutzend. Eine gute Zahl.«

»Wow. Sie und Ihre Leute scheinen ja ganz verrückt nach unseren Zimtschnecken zu sein.«

Ich nicke, als wäre ich von dem Gebäck so begeistert wie offenbar alle anderen um mich herum.

Tatsächlich sind sie mir viel zu süß. Nachher werde ich Wyatt einen kleinen Vorrat dalassen und die übrigen an die Mitarbeiter verteilen, die diese überbewerteten Zimtschnecken übertrieben feiern, so wie alle anderen in dieser leicht zu beeindruckenden Stadt.

Ich persönlich erfreue mich da mehr an der Zimtschneckenhexe hinter mir, die ich heute um ihr heiß geliebtes Gebäck bringe.

Langsam drehe ich den Kopf und sehe sie über die Schulter hinweg an.

»Ist es zu fassen? Irgend so ein blödes Arschloch hat gerade die letzte Regis-Zimtschnecke gekauft. Vielleicht gibt er Ihnen ja eine ab, wenn Sie ihm genug Geld dafür bieten oder, besser noch, wenn Sie sich bei ihm entschuldigen? Vielleicht beißt er aber auch nur genüsslich hinein und leckt sich hinterher die Finger wie eine Katze, die eine Milchpfütze aufgeleckt hat.«

Sie lächelt zuckersüß, aber ihre grünen Augen glühen.

»Nein, danke. Ich bezahle weder Unsummen für eine Zimtschnecke, noch entschuldige ich mich bei überheblichen Vollidioten, die sich für unfehlbar halten. Ich treffe finanzielle Entscheidungen mit dem Kopf und nicht mit dem Bauch. Sollten Sie auch mal versuchen«, zischt sie. »Außerdem freue ich mich für denjenigen, der die Zimtschnecken bekommt. Offenbar muss er dringend irgendein Defizit kompensieren.«

Dieses Weib.

Sie hebt die Hand, Daumen und Zeigefinger nur wenige Zentimeter auseinander.

Wenn du wüsstest, Baby. Mir unterstellt keine Frau, ich wäre zu klein geraten.

»Außerdem habe ich heute mehr Appetit auf eine Bärenklaue«, fährt sie fort und klimpert aufreizend mit den Wimpern. »Ich freue mich, dass meine Freunde von Sweeter Grind heute alle Zimtschnecken verkaufen und keine übrig bleiben.«

Ich erwäge einen kurzen Augenblick, ganz nah vor sie zu treten, sie in Grund und Boden zu starren und ihr zu sagen, was auf dem Spiel steht.

Ihr zu verraten, dass diese Zimtschnecken das Einzige sind, was einen Obdachlosen am Leben hält, während er eine depressive Phase durchmacht.

Wer ihm sein einziges Nahrungsmittel vorenthält, nur um mir eins auszuwischen, macht sich mitschuldig am Verhungern eines Veteranen. Ich hoffe, Sie können nachts noch schlafen. Natürlich sage ich nichts von alledem.

Der Frau scheint es Spaß zu machen, mich zu quälen. Und wer weiß, vielleicht ist sie ja nicht ganz richtig im Oberstübchen. Warum sollte ich ihr etwas über mich verraten oder darüber, weshalb ich dieses Gebäck kaufe?

»Netter Versuch, Lady. Aber niemand zieht eine Bärenklaue einer Zimtschnecke vor. Niemand«, entgegne ich unfreundlich.

Was rede ich da? Ich selbst kann das Zeug nicht ausstehen.

Ich habe keinen Schimmer, warum alle ein solches Aufhebens um die Dinger machen, seit die kleine Cafékette aus Montana in Seattle eine Filiale eröffnet hat.

Eine innere Stimme flüstert mir etwas zu. Du weißt, dass es nicht ihre Schuld ist, dass Wyatt nichts gegessen hat. Wyatt hat schon lange Probleme, unabhängig von der einen Zimtschnecke, die ihm vorenthalten wurde.

»Wenn Sie meinen. Wie kann man nur so überheblich sein?«, stöhnt sie.

Einen Moment bin ich sprachlos und starre sie nur böse an.

»Wie kommen Sie dazu, mich als überheblich zu bezeichnen? Weil ich Ihnen ein paar Hundert Dollar für eine Zimtschnecke geboten habe?«

»Nein. Sie waren sauer, weil ich Ihnen die letzte Zimtschnecke vor der Nase weggeschnappt habe, obwohl ich vor Ihnen dran war. Und Sie haben auch nicht einfach nur angeboten, sie mir abzukaufen. Sie haben mir einen Betrag geboten, der dem entspricht, was manche Leute in einer ganzen Woche verdienen. Wie schon gesagt, treffe ich finanzielle Entscheidungen mit dem Kopf. Niemand, der für sein Geld arbeiten muss, würde fünfhundert Dollar bieten für ein Gebäckstück, das er am nächsten Tag wieder kaufen kann. Sie brauchen Ihren eigenen Hashtag. #ReichGeboren.«

Was zum Teufel redet sie da?

»Passen Sie besser auf. Sie haben ja keine Ahnung, wen Sie vor sich haben«, warne ich sie.

»O doch, habe ich. Jemanden, der keinen Schimmer hat, wie viel Geld das ist.«

»Sie meinen, ich wüsste nicht, dass das viel Geld ist? Wenn jemand bereit ist, fünfhundert Dollar für eine verfluchte Zimtschnecke hinzublättern, ist ihm das Teil offensichtlich sehr wichtig. Jeder normale Mensch hätte das Angebot angenommen.«

Ich hasse es, wie geschickt sie darin ist, mir mit ihren Krallen unter die Haut zu gehen.

Mein Blut fängt an zu kochen.

»Ich bitte um Entschuldigung, wenn mein eigener Appetit mir wichtiger war als ihr Fünfhundert-Dollar-Appetit. Und mit wem rede ich überhaupt? Klären Sie mich doch auf. Sind Sie ein Prinz aus Europa? Ein Royal? Soll ich vor Eurer Majestät knicksen, Großherzog von Blödistan?«

Ich beiße mir innen auf die Wange, um nicht laut loszulachen. Der Wildfang könnte nebenbei als Stand-up-Comedian auftreten.

»Sie sind zum Totlachen. Und sollte es ein Land dieses Namens geben, sollte man Sie zur Botschafterin ernennen, so diplomatisch, wie Sie sind«, entgegne ich sarkastisch.

Sie zuckt die Achseln und wendet den Blick ab. Endlich ist es mir gelungen, sie etwas aus dem Konzept zu bringen.

»Ich habe es ernst gemeint. Sie sind ein Ekel«, sagt sie, ohne mich anzusehen.

»Und Sie halten sich für unwiderstehlich«, kontere ich.

»Ich nicht, aber Sie offensichtlich«, antwortet sie und schaut mich wieder an.

Ich verschränke die Arme und wappne mich für die Beleidigung, die sie mir gleich an den Kopf werfen wird.

Sie lächelt. »Sie hätten das nicht gesagt, wenn Sie es nicht denken würden.« Verdammt.

Sie hat recht. Sie ist ein echter Hingucker.

Leider ist sie auch ein kaltherziges, rücksichtsloses, unverschämtes, Zimtschnecken klauendes Biest.

»Sir? Ich habe die Zimtschnecken eingepackt. Möchten Sie dann jetzt bezahlen?«, fragt die Barista mit einer Stimme, die aus einer anderen Welt zu kommen scheint.

»Gleich. Ich brauche noch eine Kiste schwarzen Kaffee.«

Die Barista nickt, tritt an den hinteren Tresen und bereitet mein Getränk zu.

»Ich hoffe, das ist für die Unglücklichen, die es mit Ihnen aushalten müssen«, bemerkt die kleine Diebin.

»Das Gebäck ist für meine Angestellten. Ich versorge meine Leute mit Energie, damit sie mit mir mithalten können«, grummele ich, obwohl das nur die halbe Wahrheit ist.

»Wer’s glaubt, Großmaul.« Sie schweigt eine Minute und schnalzt dann mit der Zunge. »Vielleicht haben Sie tatsächlich Angestellte.«

»Was soll das jetzt wieder heißen?«

Was interessiert mich das?

Ich kenne diese Frau nicht, und das Wenige, das ich von ihr weiß, finde ich furchtbar. Wen interessiert, was sie von mir denkt? Mich nicht, und ich hoffe, dass ich sie bald los bin.

Mit etwas Glück sucht sie sich ein anderes Café, und wir begegnen uns nie wieder. Seattle ist groß genug, dass man sich aus dem Weg gehen kann.

Ich bezahle den Kaffee und das Gebäck, ohne einen Blick zurück auf das grünäugige Ungeheuer zu werfen. Die Barista reicht mir drei Kisten mit Zimtrollen und den Kaffee.

Ich hatte nicht geplant, für die ganze Firma einzukaufen.

Ich habe das nicht zu Ende gedacht. Ich versuche, die Kartons zu stapeln und übereinander zu tragen, muss aber an einem Tisch neben der Tür alles wieder abstellen und neu sortieren.

Die Teufelin in dem schwarzen Kleid wartet noch auf ihre Bärenklaue und schaut zu, wie ich meine Boxen sortiere, um einen neuen Versuch zu wagen.

Schon gut, Schätzchen. Halt mir bloß nicht die Tür auf. Ich komme auch allein klar.

Sie scheint meine Gedanken gelesen zu haben und grinst mich an.

»Ich würde Ihnen ja gerne helfen, aber …«

»Nein, danke. Heben Sie sich Ihre Energie für die Bärenklaue auf, die Ihnen ja angeblich so gut schmeckt«, schnauze ich, stoße mit dem Fuß die Tür auf und gehe mit einer Drehbewegung hindurch.

Das Letzte, was ich höre, ist ihr glockenhelles Lachen.

Ich verdrehe die Augen und fluche, als ich über eine Kante des Bürgersteigs stolpere. Bis zu meinem Wagen habe ich mir drei Mal beinahe heißen Kaffee über die Schuhe geschüttet.

»O mein Gott. O mein Gott. Die sind ja göttlich«, seufzt Lucy nach dem ersten Bissen von ihrer Zimtschnecke und lässt sich auf den Stuhl zwischen Idas und meinem fallen.