Accidental Hero - Nicole Snow - E-Book

Accidental Hero E-Book

Nicole Snow

0,0

Beschreibung

Als mein Stalker in der Schule auftauchte, sprang Brent mir zur Seite und gab sich als mein Verlobter aus. Und der Kuss mit ihm war echt heiß. Obwohl ich schon seit dem ersten Treffen in ihn verknallt bin, darf ich mich auf keinen Fall mit ihm einlassen, da er der Vater meiner Schülerin Nat ist. Ein absolutes No-Go! Aber wie soll ich je diesen Kuss vergessen? Und dann gräbt meine verrückte Familie auch noch Brents dunkle Vergangenheit aus, die ihn bis heute verfolgt …

 Alle Titel der "Marriage by Mistake Reihe" können unabhängig voneinander gelesen werden.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 458

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.

Beliebtheit




Liebe Leserin, lieber Leser,

Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.

Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

Als mein Stalker in der Schule auftauchte, sprang Brent mir zur Seite und gab sich als mein Verlobter aus. Und der Kuss mit ihm war echt heiß. Obwohl ich schon seit dem ersten Treffen in ihn verknallt bin, darf ich mich auf keinen Fall mit ihm einlassen, da er der Vater meiner Schülerin Nat ist. Ein absolutes No-Go! Aber wie soll ich je diesen Kuss vergessen? Und dann gräbt meine verrückte Familie auch noch Brents dunkle Vergangenheit aus, die ihn bis heute verfolgt …

Alle Titel der »Marriage by Mistake Reihe« können unabhängig voneinander gelesen werden.

Über Nicole Snow

Nicole Snow ist eine Wall Street Journal und USA Today Bestseller Autorin. Sie entdeckte ihre Liebe zum Schreiben, als sie sich in ihren Mittagspausen oder in langweiligen Büromeetings Liebesszenen ausdachte und sich in Liebesgeschichten wegträumte.

Im Mittelpunkt von Nicole Snows Büchern stehen sexy Alpha-Helden, viel Spannung und noch mehr Leidenschaft.

Cécile Lecaux ist Diplom-Übersetzerin und Autorin. Sie lebt in der Nähe von Köln.

ABONNIEREN SIE DEN NEWSLETTERDER AUFBAU VERLAGE

Einmal im Monat informieren wir Sie über

die besten Neuerscheinungen aus unserem vielfältigen ProgrammLesungen und Veranstaltungen rund um unsere BücherNeuigkeiten über unsere AutorenVideos, Lese- und Hörprobenattraktive Gewinnspiele, Aktionen und vieles mehr

Folgen Sie uns auf Facebook, um stets aktuelle Informationen über uns und unsere Autoren zu erhalten:

https://www.facebook.com/aufbau.verlag

Registrieren Sie sich jetzt unter:

https://www.aufbau-verlage.de/newsletter-uebersicht

Unter allen Neu-Anmeldungen verlosen wir

jeden Monat ein Novitäten-Buchpaket!

Nicole Snow

Accidental Hero – Brent

Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Cécile G. Lecaux

Kapitel 1 Ein wandelndes Meisterwerk (Izzy)

Die Stille versetzt mich immer noch in Aufregung, sodass ich nervös auf meiner Unterlippe herumkaue. Dabei habe ich doch genau davon all die Jahre geträumt. Ein Saal voller Talente. Leuchtende Augen und junge kreative Menschen, die darauf brennen zu zeigen, was sie können.

Alle meine Schüler sind extrem fokussiert. Sie werfen immer mal wieder einen Blick auf das Bild auf der Staffelei neben meinem Schreibtisch, um sich dann wieder auf ihre eigene Bleistiftzeichnung zu konzentrieren.

Ich wusste nicht, was mich erwartete, als ich die Vertretungsstelle annahm, mal abgesehen davon, dass sie mich meinem Ziel ein Stück näher bringen und gleichzeitig meine Einkünfte ein wenig aufbessern würde. Ein weiterer Vorteil ist, dass sie mir die perfekte Ausrede liefert, den wöchentlichen Abendessen bei meinen Eltern fernzubleiben.

Dass mir diese Klatsch-und-Tratsch-Orgien jetzt erspart bleiben, ist für sich allein schon mehr wert als mein Nebenverdienst. Denn die Zusammenarbeit mit den bemerkenswerten jungen Künstlern ist den Tiraden meiner Mom definitiv vorzuziehen – ebenso wie den endlosen Unkenrufen meiner Cousine Clara, die mir jedes Mal wieder prophezeit, dass ich als alte Jungfer mit einem Haus voller Katzen enden würde.

Das ist offenbar meine Zukunft: Isabella Derby, die exzentrische Katzen-Oma.

Dass meine Familie der festen Überzeugung ist, dass mir eine trostlose Zukunft bevorsteht, und es nicht lassen kann, mir mein vermeintlich trauriges Schicksal bei jeder sich bietenden Gelegenheit unter die Nase zu reiben, bringt mich jedes Mal wieder auf die Palme. Egal, wie oft ich den Schwachsinn schon gehört habe, es regt mich maßlos auf.

Wir leben im 21. Jahrhundert. Eigentlich. Ich habe gar keine Katze und bin gerade einmal dreiundzwanzig.

Drei. Und. Zwanzig.

Keine frustrierte Mittfünfzigerin. Ich habe noch viele Jahre vor mir, bevor ich ans Heiraten denken müsste. Ich habe noch einiges vor im Leben. Und im Augenblick steht eine Heirat ziemlich weit unten auf meiner Prioritätenliste.

Wenn das doch die anderen endlich akzeptieren und mich in Ruhe lassen würden!

Ich wünschte, sie würden auch andere Leistungen anerkennen und Erfolg nicht allein an einer Beziehung und der Anzahl der Nachkommen bemessen.

»Miss Derby?«

Ich stehe von meinem Stuhl auf und gehe um den Schreibtisch herum, dankbar für die Ablenkung von den Gedanken an meine neugierige, nervige Verwandtschaft.

Ich bleibe lächelnd neben dem Mädchen stehen. »Ja, Natalie?«

Natalie ist das, was man gemeinhin als Wunderkind bezeichnet. Mit gerade einmal zehn Jahren ist sie schon weiter als viele andere, die fünfmal so alt sind, und das nicht nur in Kunst.

In ihrer Anmeldung stand, dass sie die achte Klasse besucht. Andere Kinder in ihrem Alter sind Drittklässler. Ich beuge mich zu ihr hinunter. »Kann ich dir helfen?«

Sie zeigt auf meine Zeichnung auf der Staffelei. »Na ja, mir ist nur etwas aufgefallen … Der Hund, den Sie gezeichnet haben, hat keine Wimpern.« Sie spricht sehr leise, fast flüsternd. »Ist es okay, wenn ich meinem welche male?«

»Aber natürlich! Eigeninitiative ist immer gut.« Ich werfe einen Blick auf ihre Zeichnung. Mir stockt buchstäblich der Atem angesichts der Detailtreue. Alles, was Natalie zeichnet, ist geradezu fotorealistisch. Ihr Collie sieht aus, als würde er jeden Moment vom Papier springen. So lebendig wie alle ihre Bilder.

Ihre Zeichnung könnte glatt eine Schwarz-Weiß-Fotografie sein, was angesichts ihres Alters umso verblüffender ist. Jeden Strich setzt sie mit einem unbeschreiblichen Gespür und Talent.

Verdammt, ihre Zeichnung ist fast besser als meine, und ich habe viele Jahre gebraucht, um so weit zu kommen – mal ganz davon abgesehen, dass ich einen Masterabschluss habe.

Ich blicke von ihrem Hund zu meinem. Ihre Zeichnung ist nicht nur fast besser als meine, sie stellt meine in den Schatten. Ein Meisterwerk.

Es verschlägt mir die Sprache, als sie vor meinen Augen mit ein paar sicheren Strichen Wimpern hinzufügt, die dem Collie endgültig Leben einhauchen. »Mach weiter so. Du machst das toll!«

»Danke«, entgegnet sie leise.

Daran, wie sie sich auf die Zungenspitze beißt, ist zu erkennen, wie hochkonzentriert sie ist. Ich lächle wieder, richte mich auf und drehe eine Runde durch die Klasse.

Am heutigen Abend sind nur fünf weitere Schüler hier, alle deutlich älter als Natalie. Ihr Dad hat wohl ein paar Beziehungen spielen lassen, um seine Tochter in diesem Kurs unterzubringen, da dieser eigentlich für Schüler gedacht ist, die mindestens im ersten Jahr an der Highschool sind.

So wurde es mir zumindest gesagt. Da ich neu hier bin, sind mir bislang weder die Schüler und deren Eltern noch die anderen Lehrkräfte sonderlich vertraut, aber das wird schon werden, da bin ich mir ganz sicher. Immerhin sind wir gerade erst in der dritten Woche des neuen Schuljahrs.

Die Zeichnungen der anderen Schüler entsprechen meinen Erwartungen. Sie zeugen von Leidenschaft und Talent, aber keines ist annähernd so gut wie Natalies.

Ich frage mich, ob sie ihr Talent von ihrem Vater geerbt hat. Dem Mann, den ich mich stets bemühe aus meinen Gedanken zu verdrängen.

Wenn es heute so läuft wie in den vergangenen beiden Wochen müsste er bald hier sein. Zwanzig Minuten vor Unterrichtsende. Er wird sich mit einem Notizblock ganz hinten in den Klassenraum stellen, diesen aufschlagen und mit seinen großen, kräftigen Händen einen Stift über das Papier führen.

Am ersten Abend dachte ich noch, er würde eine Liste erstellen oder sich Notizen machen, aber beim nächsten Mal war ich mir dann fast sicher, dass er ebenso wie die Kinder zeichnete.

Letzte Woche ging es um die Skizze eines Hundes, nachdem ich einen kurzen Vortrag über die Anatomie des Tieres gehalten hatte. Heute habe ich den Schülern dann gezeigt, wie man weiße, schwarze und graue Schattierungen im Fell erreicht.

Ein kleiner, alberner Teil von mir fragt sich, ob Natalies Vater sich womöglich an der Aufgabe beteiligt und dabei einfach den theoretischen Teil überspringt.

Ein noch albernerer Teil von mir brennt darauf, einen Blick auf seine Zeichnungen zu erhaschen.

Vielleicht sind sie ja ebenso ein Meisterwerk wie die seiner Tochter.

Optisch ist er auf jeden Fall eins. Und das ist das größte Problem. Denn er entspricht total dem Klischee des Bad Boy, von dem man tunlichst die Finger lassen sollte: groß, dunkelhaarig, leicht abweisend, irgendwie geheimnisvoll und wahnsinnig männlich mit seinem durchtrainierten Körper. Eine beeindruckende Erscheinung. Die ideale Verkörperung eines Beschützers.

Er ist genau der Typ Mann, den ich gerne zu einem Abendessen bei meinen Eltern mitnehmen würde.

Nurein einziges Mal.

Das würde schon reichen. Clara würde es die Sprache verschlagen, und Mom würde aufhören, mir diese mitleidigen Blicke zuzuwerfen. Dann hätte ich endlich mal meine Ruhe.

Jedes weibliche Mitglied der Familie Derby wäre zu sehr damit beschäftigt, um Atem zu ringen und sich Luft zuzufächeln, statt mich weiter mit dummen Kommentaren zu nerven.

Ich muss gestehen, dass es mir selbst nicht anders ergangen ist, als er das erste Mal hereingekommen ist. Und auch beim zweiten Mal, um ehrlich zu sein. Aber wenigstens habe ich mir nichts anmerken lassen.

Die Militärabzeichen an seiner schwarzen Lederjacke waren keine große Überraschung. Er sieht aus wie ein Soldat.Bürstenhaarschnitt, kerzengerade Haltung, erhobenes Kinn. Er strahlt Disziplin und Härte aus. Jede Bewegung, jeder Blick wirkt zielgerichtet.

Ein Mann, vor dem brave Mädchen sich in Acht nehmen sollten und zu dem sie sich doch unwiderstehlich hingezogen fühlen.

Gott. Ich sollte nicht einmal in diese Richtung denken.

Immerhin ist er der Vater einer Schülerin. Wahrscheinlich verheiratet. Und wenn nicht, stellt sich die Frage: Warum nicht?

Tatsächlich habe ich in Natalies Anmeldung keine Mutter als Kontaktperson gesehen, was mein schlechtes Gewissen wegen der unanständigen Gedanken, die ich seinetwegen hege, ein wenig dämpft, wenngleich mir das Fehlen einer Mutter auch Sorgen bereitet.

Ich hoffe, Natalie hat nicht unter einem allzu ehrgeizigen Vater zu leiden, der sie zu Leistungen antreibt, die sie überfordern.

Ich weiß, wie das ist.

Als ich gerade an meinen Schreibtisch zurückkehre, spüre ich ein Kribbeln im Nacken. Es ist beinahe so, als hätte ich einen sechsten Sinn, der mir das Eintreffen dieses Prachtexemplars von einem Mann ankündigt. Ich schließe kurz die Augen und wappne mich innerlich für den Anblick, der sich mir bieten wird, sobald sich die Tür öffnet.

Das Herz schlägt mir bis zum Hals, und ich halte die Luft an, als ich mich umdrehe.

Er ist es wirklich.

Brent Eden. Er hat das gleiche schwarze Haar wie seine Tochter. Und sie haben auch die gleichen smaragdgrünen Augen.

Allerdings liegt in seinen ein abweisender, zurückhaltender, beinahe misstrauischer Ausdruck.

Seine markanten Gesichtszüge unterstreichen seine maskuline Ausstrahlung. Ebenso wie die kleine verblasste Narbe, das Tattoo am Arm, die kräftige Hand.

Er sieht wirklich verboten gut aus.

Der dichte, ordentlich getrimmte Bart fühlt sich sicher ebenso rau an, wie er aussieht. Ganz kratzig auf weicher Frauenhaut. Vor allem meiner Haut, die so jungfräulich ist wie alles andere an mir.

Verdammt. Die Unterhaltung mit Clara nach dem Abendessen letzte Woche hängt mir offensichtlich noch nach.

Sie ist schuld, dass ich mich seitdem mit Dingen beschäftige, über die ich mir bis dato keinen Kopf gemacht habe. Seitdem denke ich nämlich ständig darüber nach, einen Mann zu finden, den ich mit zu meinen Eltern nehmen kann. Und wenn möglich auch gleich mit ins Bett.

Was zum Teufel tue ich da? Ich kneife mich in den Oberschenkel. Mache einem Mann schöne Augen, dem anzusehen ist, dass er nichts als Ärger bringt.

Er schließt die Tür und geht leise an der hinteren Wand entlang, um an exakt derselben Stelle stehen zu bleiben wie in den letzten zwei Wochen. Er lehnt sich an ein Pult, nimmt den Kugelschreiber ab, der am Deckel seines Notizbuchs steckt, und schlägt es auf.

Schau weg, Izzy.

Ich spüre, dass er jeden Moment aufblicken wird. Trotzdem kann ich einfach nicht wegsehen. Es ist, wie wenn jemand einem sagt, man solle nicht an einen pinken Elefanten denken. Der Mann ist viel zu attraktiv und geheimnisumwittert, zu verführerisch.

Die Hitze, die mir in die Wangen steigt, verrät mir, dass er mich dabei erwischt hat, wie ich ihn anstarre, noch bevor meine Augen ganz nach oben wandern und seinem Blick begegnen. Verdammt!

»Miss Derby?«

Tad Gomez, einer der älteren Schüler, ruft nach mir, aber als ich mich ihm zuwende, bewege ich mich wie in Zeitlupe. Brents Blick ist durchdringend. So konzentriert wie ein Laserstrahl. Beinahe so, als wollte er mich daran hindern, den Blick abzuwenden.

Ich bin eigentlich nicht besonders mutig, aber aus irgendeinem Grund möchte ich dieses Blickduell nicht verlieren. Aber die Pflicht ruft. Ich ziehe eine Braue hoch, reiße meine Augen von ihm los und gehe zu Tad.

Ich bin dankbar für diese paar Sekunden, die ich dringend brauche, um meine Stimme wiederzufinden. »Brauchst du Hilfe?«

»Ja, Ma’am. Ich krieg bei der Nase einfach keinen 3D-Effekt hin.«

Ich sehe mir Tads Zeichnung an, die gut ist, aber, wie er selbst schon bemerkt hat, zweidimensional. »Das liegt an der Perspektive. Ich zeige es dir.«

Er nickt und reicht mir seinen Bleistift. Ich skizziere mit leichten Strichen, wie er die Ausrichtung der Nase nach unten korrigieren soll, um ihr mehr Tiefe zu verleihen. »Siehst du? Kleine Ursache, große Wirkung.«

»Ja, Miss Derby. Super, danke!«

Ich gebe ihm den Bleistift zurück, und er macht sich daran, die neuen Umrisse auszumalen. »Nicht zu kräftige Striche. Mit feineren Strichen erzielst du ein noch lebendigeres Ergebnis.«

Er nickt und führt den Stift ganz sachte über das Papier. »Danke.«

»Gerne, Tad. Weiter so. Das machst du richtig gut.«

Er schiebt sich mit dem Finger die dicke Brille höher auf den Nasenrücken. »Der Zeichenunterricht ist echt klasse, Miss Derby!«

So ein lieber Junge. Ich muss lächeln. »Mir macht es auch Spaß mit euch.«

Wieder das Geräusch der Tür. Diesmal ist es Ester Odens Mutter. Sie ist Erzieherin an der Schule und macht Überstunden, wenn Ester Zeichenunterricht hat, um sie hinterher mit nach Hause zu nehmen. Ich lächle ihr zu, während ich meine Runde durch den Klassenraum fortsetze, mir die Fortschritte jedes Schülers anschaue und mal Hilfestellung leiste, mal ermutige.

Es fühlt sich gut an, meine Arbeit zu tun. Und es bietet mir eine willkommene Ablenkung von dem Mann, den ich nicht so anstarren sollte. »Noch fünf Minuten«, sage ich, als ich wieder an meinem Schreibtisch bin.

Es gibt keine hörbaren Reaktionen, aber ich spüre die Enttäuschung der Schüler, weil das Ende des Kurses naht. Es freut mich, dass sie gerne länger bleiben würden.

Genau das ist der Grund, warum ich so viel Zeit und Geld in meine Ausbildung investiert habe. Darum habe ich jahrelang jeden erdenklichen Nebenjob gemacht, um mich über Wasser zu halten und mir meinen Traum zu erfüllen, eines Tages an der renommiertesten Privatschule in und um Phoenix zu unterrichten.

»Miss Derby?«

»Ja, Ben?« Ben Pritchard ist ein typischer Teenager – schlaksig, hager und mit schlimmer Akne.

»Darf ich ein Foto von Ihrer Zeichnung machen, damit ich später an meiner weiterarbeiten kann?«, fragt er und hält sein Handy in die Höhe.

»Na klar! Aber keine Snapchat-Fotos von mir, und glaub ja nicht, dass ich das nicht mitbekommen würde. Ich sag’s nur einmal.« Ich hebe das Kinn und drohe mit erhobenem Zeigefinger, sehr zur Erheiterung meiner Schüler.

Ich nicke den anderen zu und trete beiseite, damit sie alle Fotos schießen können.

Ich höre das digitale Klicken ihrer Smartphones und das eine oder andere Kichern.

Dann wandert mein Blick wieder automatisch zum hinteren Teil des Klassenraums. Erleichtert sehe ich, dass Brent den Kopf nun gesenkt hält. Er zeichnet wieder. Hochkonzentriert.

Ich beiße mir auf die Unterlippe. Der Mann ist unfassbar sexy, und seine Konzentration macht ihn noch anziehender.

Nachdem die älteren Schüler ihre Fotos gemacht haben, warte ich darauf, dass er aufblickt. Ich nehme an, dass Natalie noch kein eigenes Handy hat, sodass er wohl ein Foto für sie machen wird. Aber er hält den Kopf weiter gesenkt.

Ich atme tief ein und halte die Luft an, in der Hoffnung, die Hitze in den Griff zu bekommen, die sich in mir ausbreitet. Ich schaue auf die Uhr und lächle in die Runde. »Okay, Zeit, zusammenzupacken. Bringt bitte eure fertigen Bilder nächste Woche mit.«

Während ich mich von meinen Schülern verabschiede, fange ich ebenfalls an, meine Sachen einzupacken, lasse meine Zeichnung aber noch auf der Staffelei stehen.

Was ist los? Warum macht Brent kein Foto für Natalie als Vorlage für zu Hause?

Er ist immer noch ganz versunken in seiner eigenen Welt und zeichnet mit hastigen Strichen. Als wollte er unbedingt noch etwas zu Ende bringen, bevor er geht. Wie gern ich wüsste, was er da so hektisch skizziert!

»Mr. Eden? Möchten Sie vielleicht auch ein Foto machen?«, spreche ich ihn direkt an.

Als er aufschaut, ist sein Blick so intensiv, dass mir fast das Herz stehen bleibt.

»O ja, das wäre super! Bitte, Daddy, machst du ein Foto?«, bettelt Natalie und dreht sich zu ihm um. Ich bin froh darüber, weil sie so nicht mitbekommt, dass ihre Lehrerin gerade dahinschmilzt wie Butter in der Sonne.

Sein Blick wandert von mir zu seiner Tochter, und das Lächeln, das seine Züge erhellt, raubt mir den Atem, obwohl es nicht für mich bestimmt ist.

Ich habe schon viele Männer lächeln sehen und viele lächelnde Männer gezeichnet, daher weiß ich, wie schon das kleinste Verziehen der Mundwinkel ein Gesicht verändern kann.

Aber dieser Typ verwandelt sich schlagartig von einem knallharten Bad Boy in einen großen Teddybären. Grenzenlose Liebe lässt seine Augen erstrahlen, als Natalie ihn Daddy nennt. Wenigstens eins habe ich heute über ihn gelernt: Er betet seine Tochter an.

Sofort habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich mir Sorgen gemacht habe, er könnte zu streng und herrisch sein im Umgang mit dem kleinen Mädchen. Diese Bedenken hat er soeben zerstreut.

»Klar, Liebes. Gleich«, sagt er und klappt sein Notizbuch zu.

Mein Herz beginnt wieder zu schlagen. Mit jedem Schritt, den er näher kommt, klopft es lauter in meiner Brust.

Ich bin ihm schon einmal so nah gewesen. Ein einziges Mal. Am ersten Abend, als er Natalie gebracht und sich vorgestellt hat. Ich habe mir damals alle Mühe gegeben, nicht zu erstarren, was jedoch gründlich misslungen ist. Stattdessen habe ich nur kaum hörbar meinen Namen genuschelt.

Das darf mir nicht wieder passieren. Ich will mir nicht noch einmal eine solche Blöße geben, auch wenn das rätselhafte Prachtstück von einem Mann meine Hormone noch so durcheinanderbringt.

Ich gebe mich völlig ungerührt von seiner Anwesenheit und verabschiede Ester und ihre Mutter, bevor die beiden den Klassenraum verlassen. Im nächsten Moment schubse ich in meiner mühsam kontrollierten Nervosität einen Stapel Blätter von meinem Schreibtisch.

»Schei…benkleister!« In letzter Sekunde kriege ich noch die Kurve. Um ein Haar hätte ich in Gegenwart meiner Schülerin und ihres Vaters geflucht. Mein loses Mundwerk hat mich schon öfter in Verlegenheit gebracht, und ich arbeite immer noch daran, mir die saloppe Ausdrucksweise abzutrainieren, die ich mir während des Studiums angewöhnt habe.

Natalie stürzt sofort vor. »Ich helfe Ihnen, Miss Derby!«

Ich hocke mich neben sie und fange an, die Blätter einzusammeln. »Danke, Natalie. Ich bin manchmal ein richtiger Tollpatsch. Das muss daran liegen, dass es schon so spät ist.«

Muss es. Sonst müsste ich ja zugeben, dass ihr Vater mich total aus dem Konzept bringt.

»Missgeschicke passieren doch jedem mal«, sagt sie. »Das ist gar nicht schlimm.«

Ich lächle und nicke langsam. Das kleine Mädchen klingt viel älter, als es ist.

Ihr Vater hat Natalie zu einem höflichen, freundlichen, hilfsbereiten Kind erzogen.

Da wir schon fast fertig sind mit Einsammeln, greift er nach ihrem Rucksack, den sie auf dem Boden abgestellt hat.

Ich nehme die Blätter entgegen, die Natalie eingesammelt hat, und lege sie oben auf meinen Stapel. »Danke für deine Hilfe, Natalie. Das war sehr lieb von dir.«

»Bist du so weit, Süße?«, fragt Brent.

»Jep!« Natalie strahlt mich an. »Bis nächste Woche, Miss Derby. Ich kann es kaum erwarten, meine Zeichnung fertig zu machen.«

»Ich bin schon gespannt«, entgegne ich und ärgere mich sofort, dass mir nichts Originelleres einfällt.

Brent nickt mir zu. Er hat Natalie eine Hand auf die Schulter gelegt und führt sie in Richtung Tür. Ich nicke zurück. Glaube ich. Ich bin mir in meiner Verlegenheit nicht ganz sicher.

Puh. Am liebsten würde ich mich jetzt auf meinen Stuhl fallen lassen und durchschnaufen, bevor ich gehe. Ich könnte ein paar Minuten brauchen, um mich zu sammeln, fürchte aber, dass dafür keine Zeit bleibt. Das ist der einzige Abendkurs, und Oscar Winters, der Hausmeister, der gleichzeitig der Wachmann ist, wartet sicher schon darauf, dass auch ich gehe, damit er endlich abschließen und Feierabend machen kann.

Seufzend lege ich den Blätterstapel zurück auf den Schreibtisch und hoffe, dass die Lehrerin, die sonst in diesem Klassenraum unterrichtet, morgen früh nicht allzu böse ist, wenn sie feststellt, dass die Blätter durcheinandergeraten sind.

Ich packe meine restlichen Sachen ein und bin so vertieft, dass ich gar nicht mitbekomme, wie jemand das Klassenzimmer betritt.

»Da bist du ja! Warum zum Teufel ignorierst du meine Anrufe und Nachrichten?«

Beim Klang der zornigen Stimme läuft mir ein kalter Schauer wie eine riesige, haarige Spinne den Rücken hinunter.

Scheiße.

Mit einem Seufzer blicke ich auf. »Was machst du denn hier, Preston?«

Preston Graves hat sich mit seinen ganzen eins siebzig vor mir aufgebaut und tut so, als wäre er der Hausherr. Vermutlich hält er sich tatsächlich dafür.

Der Kerl ist die personifizierte Arroganz und der Inbegriff eines Blind-Date-Reinfalls. Gebleichtes blondes Haar, blaue Augen und geradezu unanständig reich. Außerdem ist er das größte Arschloch, das mir je untergekommen ist.

Auf seinem Profilfoto in der Dating-App sah er deutlich besser aus. Ich war ganz aufgeregt, als die App eine hohe Übereinstimmung anzeigte, wenn auch vor allem deshalb, weil ich wusste, dass er meiner Mutter gefallen würde. Leider war ihm auf den ersten Blick nicht anzusehen, was für ein Idiot er war.

Das wurde mir dann bei unserem ersten und einzigen Date klar.

»Isabella, stell dich nicht dümmer, als du bist. Du weißt genau, warum ich hier bin: Du hast keine einzige SMS beantwortet. Du ignorierst mich.« Er stützt sich mit der Hand auf die Ecke des Schreibtischs. »Zu deiner Information: Preston Graves mag es gar nicht, wenn man ihn ignoriert.«

So redet er immer von sich. In der dritten Person. Das ist so drüber und nervig. Falsch: Er ist so drüber und nervig.

»Ich hatte viel um die Ohren«, erwidere ich.

Ich überlege, wie verrückt der Typ tatsächlich sein könnte. Wird er womöglich handgreiflich, wenn ich versuche, an mein Handy zu kommen?

»Das sind doch nur Ausreden. Was glaubst du eigentlich, mit wem du es zu tun hast? Niemand ist zu beschäftigt für Preston Graves. Warum reagierst du nicht auf meine Anrufe und Nachrichten?«

Der Kerl ist echt zum Kotzen. »Das Schuljahr hat gerade angefangen.«

Ich zwinge mich zu einem schwachen Lächeln. Wie idiotisch von mir, in der Dating-App meinen Arbeitsplatz anzugeben!

»Und?« Preston tippt ungeduldig mit seinem auf Hochglanz polierten Schuh auf den Boden und kratzt sich am Kopf.

Uff. Ist der Typ wirklich so schwer von Begriff?

Ich hatte unser Date frühzeitig beendet und ihm gesagt, dass ich keine Zeit haben würde für weitere Treffen, was er aber offensichtlich nicht kapiert hat.

Daher probiere ich es jetzt anders. »Hör zu, Preston, du dürfest gar nicht hier sein. Das hier ist ein gesicherter Bereich, eine Schule, auch wenn die Unterrichtszeit vorbei ist. Es gibt Hausregeln.«

»Quatsch. Preston Graves hat überall Zutritt. Mein Onkel Theo ist im Vorstand der größten Bankenkette von Maricopa County. Ich kenne mich mit Sicherheitsvorgaben aus. Es ist ja schön, dass du dich an Vorschriften hältst, Isabella, aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen, solange du …«

So ein Dummschwätzer! Das Ganze ist so lächerlich. Höchste Zeit, dem Theater ein Ende zu bereiten.

»Wie bist du eigentlich an dem Wachmann vorbeigekommen, Preston?«

»Du meinst den Hausmeister? Den Typen, der ein paar Räume weiter staubsaugt?« Er stolziert hochnäsig um den Schreibtisch herum, wobei er mit der manikürten Hand am Tischrand entlangfährt. »Sehr witzig, Isabella. Du bist ja heute richtig feurig. Warum sollte ich noch mehr Zeit verlieren? Wenn Preston Graves etwas will, ist er nicht aufzuhalten.« Er bleibt dicht vor mir stehen. »Von nichts und niemandem.«

Mir schlägt plötzlich das Herz bis zum Hals. Dieser aufgeblasene Vollpfosten entwickelt sich immer mehr zum durchgeknallten Fiesling. Das Glitzern in seinen Augen gefällt mir ganz und gar nicht. Er ist nicht nur aufdringlich, sondern richtig widerlich.

Ich erkenne ein psychotisches Arschloch, das mit einem silbernen Löffel im Mund geboren wurde, wenn ich eins sehe. Das Date mit ihm war ein Riesenfehler. Aber ich hätte nicht erwartet, dass er so hartnäckig sein würde. Niemals wäre ich auf die Idee gekommen, er könnte mich hier belästigen.

Ich erstarre und versuche mir nicht anmerken zu lassen, was in mir vorgeht. Ich wage es nicht einmal, den Blick von ihm abzuwenden. Ich will auf gar keinen Fall den Eindruck erwecken, ich hätte Angst vor ihm, auch wenn das tatsächlich der Fall ist. Dieser Irre hat es tatsächlich geschafft, dass es mir die Kehle zuschnürt.

»Ist jetzt Schluss mit den Spielchen?« Er tritt noch dichter an mich heran, ein Lächeln auf dem Gesicht, bei dem sich mir die Nackenhaare sträuben. »Ich weiß, dass du Preston magst, Isabella. Jeder tut das. Du hast nur eine seltsame Art, das zu zeigen.«

Ein Schauer durchläuft meinen Körper. Ich werfe nun doch hektisch einen Blick auf den Schreibtisch auf der Suche nach irgendetwas, was mir als Waffe dienen könnte. Aber es ist nichts in Reichweite.

Ich bin am Arsch. Als ich gerade noch überlege, ob ich laut genug schreien kann, um trotz des Staubsaugerlärms vom Hausmeister gehört zu werden, passiert etwas Unerwartetes.

Preston taumelt auf einmal rückwärts, wobei er sich an den Rand des Schreibtischs klammert, sodass dieser ein Stück weit über den Fußboden schrammt.

Im nächsten Moment sehe ich Brent Eden. Seine Nasenflügel beben, und er hält mit einer Hand Prestons gestärkten Hemdkragen gepackt.

Preston dreht überrascht den Kopf. »W-wer sind Sie denn?«

»Nichts und niemand«, greift Natalies Vater Prestons Worte von vorhin auf.

Obwohl ich grundsätzlich gegen Gewalt bin, hätte ich in diesem Moment nichts dagegen, wenn Preston eine ordentliche Abreibung bekäme.

Er versucht sich aus Brents eisernem Griff zu befreien. »Sie machen einen großen Fehler! Ich bin Preston Graves der Dritte und …«

»Ich scheiß drauf, wer du bist«, unterbricht ihn Brent knurrend und packt noch fester zu.

Wow.

Preston windet sich, Panik in den Augen. »Aber … das ist doch verrückt. Isabella ist meine Freundin.«

Brent schaut mich aus seinen tiefgrünen Augen an. Mir schlägt immer noch das Herz bis zum Hals, aber es gelingt mir, ein Kopfschütteln zumindest anzudeuten. Nach dem ersten und einzigen Date mit Preston Graves war mein Interesse restlos erloschen. Jede Minute, die ich in seiner Gegenwart verbracht habe, war eine zu viel.

»Das glaube ich nicht«, sagt Brent.

»Doch, es stimmt. Wir sind ein Paar«, beharrt Preston. »Sag es ihm, Isabella!«

Brents Augen glitzern plötzlich. »Das kann nicht sein, weil sie nämlich meine Freundin ist.«

Moment mal. Was?!

Preston versucht jetzt noch verzweifelter, sich zu befreien. »Unmöglich!«

Brent dreht Preston zu sich herum, sodass die beiden Männer sich gegenüberstehen. »Dann wirst du mir vermutlich auch nicht glauben, dass wir verlobt sind. Und dass ich jeden Mann, der sich an meine Verlobte ranmacht, zu Brei schlage.«

Mir wird ganz schwindlig. Seine Verlobte?

Er versetzt Preston einen Schubs, packt mich, legt mir eine Hand auf den Hinterkopf und küsst mich.

Es ist augenblicklich um mich geschehen.

Ich stehe in Flammen. Seine Lippen entfachen ein Feuer in mir, das mich verzehrt. Das Blut jagt wie glühende Lava durch meine Adern.

Meine Lippen öffnen sich wie von allein, und seine Zunge schiebt sich in meinen Mund. Heiß. Besitzergreifend. Atemberaubend.

Brents freier Arm legt sich um mich und drückt mich an seinen stahlharten Körper. Es ist, als würde man Eis an einen Heizlüfter halten. Mein ganzer Körper schmilzt dahin.

Heilige Scheiße!

Jede Frau träumt davon, so geküsst zu werden. Es ist ein Kuss, der den Rest der Welt verblassen lässt. Ich bin so hin und weg, dass mir erst nach einer ganzen Weile einfällt, dass er mich eigentlich gar nicht küssen sollte – und erst recht nicht so.

Wir kennen uns ja kaum. Und er ist der Vater einer Schülerin.

Ein Dutzend weitere Gedanken schießen durch mein benebeltes Hirn, und ganz am Rande nehme ich auch Prestons Stimme wahr.

Widerstrebend löse ich mich von ihm. Noch zu aufgewühlt, um selbstständig stehen zu können, lehne ich mich an Brent und atme ein paarmal tief durch.

»Niemand gibt Preston Graves den Laufpass!«, murmelt er erst wie betäubt und keift gleich darauf los. »Die blöde App hat drei Dates garantiert. Drei!«

Er hält sogar drei Finger in die Höhe, als könnte ich nicht bis drei zählen. Wobei mir nach diesem Kuss das Denken tatsächlich gerade schwerfällt.

»Das gibt ein Nachspiel. Ich verklage die von der App und dich gleich mit! Euch alle!«, tobt er weiter und stampft mit dem Fuß auf wie ein bockiges Kind. »Du hast einen großen Fehler gemacht, Isabella Derby. Du und dein Schlägertyp. Ich werde euch ruinieren, und ich werde dafür sorgen, dass man dich feuert. Wart’s nur ab. Du wirst schon noch sehen, wozu Preston Graves fähig ist!«

Brent kräuselt verächtlich die Oberlippe und schüttelt den Kopf. »Preston Graves sollte zusehen, dass er schnellstens seinen Arsch hier wegbewegt, sonst muss er mich auch noch auf Schmerzensgeld verklagen.«

»Hey! Gibt es hier ein Problem?«

Ich löse mich hastig von Brent, als Oscar Winters und Natalie hereinkommen. Das arme Mädchen sieht verwirrt aus und scheint nicht zu verstehen, was hier gerade abgeht. Kein Wunder.

»Allerdings. Ein großes«, erwidert Brent und zeigt auf Preston. »Haben Sie diesen Mann ins Gebäude gelassen?«

»Nein.« Oscar ist sichtlich bestürzt, als er den Ernst der Lage erkennt. Er sieht zwar nicht so durchtrainiert und attraktiv aus wie Brent, ist aber mit über einem Meter achtzig und hundert Kilo eine durchaus imposante Erscheinung.

Der Wachmann steuert auf Preston zu. »Wie sind Sie hereingekommen, Sir?«

»Himmelherrgott, bin ich denn nur von Idioten umgeben? Preston Graves kann hingehen, wo er verdammt noch mal …«

»Nein, das kann er nicht«, fällt Brent ihm ins Wort. »Ich weiß nicht, wie er reingekommen ist, aber ich habe ihn aus der Herrentoilette schleichen sehen. Er kam mir verdächtig vor, und da bin ich ihm gefolgt.«

»Sie haben hier nichts zu suchen!« Oscar packt Preston am Arm. »Es tut mir wirklich sehr leid, Miss Derby. Kommt nicht wieder vor.«

»Das will ich auch hoffen«, sagt Brent ernst. »Sie sind hier der Sicherheitsbeauftragte.« Er nickt in Natalies Richtung. »Sie sollten das nicht auf die leichte Schulter nehmen.«

»Tue ich nicht, Mr. Eden. Sie haben völlig recht. Glauben Sie mir, ich finde heraus, wie Mr. Graves hereingekommen ist.« Unsanft zerrt Oscar Preston in Richtung Tür.

Preston wirkt angesichts der Überlegenheit der beiden Männer bei Weitem nicht mehr so arrogant, aber sein hasserfüllter Blick beunruhigt mich. Ich ahne, dass die Sache noch nicht erledigt ist. Ich lasse die Schultern kreisen und tue so, als würde ich meine Muskeln lockern, während ich damit tatsächlich einen weiteren kalten Schauer überspiele.

Brent lässt seine Hand von meiner Schulter und an meinem Rücken hinuntergleiten. Die Geste ist erstaunlich beruhigend. »Holen Sie Ihre Sachen«, sagt er ruhig zu mir. »Ich begleite Sie noch zu Ihrem Wagen.«

»Ich hole Ihren Zeichenblock!«, sagt Natalie unbekümmert.

Ihr Lächeln lässt darauf schließen, dass sie nur ein wenig von dem mitbekommen hat, was sich im Klassenzimmer abgespielt hat, vermutlich durch den Glaseinsatz in der Tür. Es scheint sie zumindest nicht zu stören, was zwischen mir und ihrem Vater vorgefallen ist.

Brennende Röte steigt mir ins Gesicht. Ich bin mehr als froh, dass sie so reif ist für ihr Alter. Wenigstens brauche ich keinen Tratsch zu fürchten, der mich in große Schwierigkeiten bringen könnte.

»Danke«, sage ich und höre das nervöse Zittern meiner Stimme. Dann wende ich mich Brent zu. »Vielen Dank, aber das ist wirklich nicht nötig.«

»Keine Widerrede. Ich begleite Sie zu Ihrem Wagen«, entgegnet er und nimmt meine Tasche vom Schreibtisch. »Haben Sie alles?«

Der Mann weiß, was er will. Das Funkeln in seinen Augen ist mir Warnung genug, sodass ich nicht weiter widerspreche. »Ja«, bestätige ich, gehe los und nehme von Natalie meinen Zeichenblock entgegen. »Danke dir.«

»Gern geschehen, Miss Derby.« Mit einem breiten Grinsen beugt sie sich zu mir vor und flüstert: »Ihnen auch vielen Dank. Dad spielt gerne den Helden. Er hat für seinen Geschmack viel zu selten Gelegenheit, den Ritter in schimmernder Rüstung zu spielen.«

»Nat.« In Brents Stimme schwingt ein warnender Unterton mit.

Natalie schüttelt leicht den Kopf. Ihre grünen Augen blitzen. »Er ist gut als Ritter.« Da ich dem nicht widersprechen kann, nicke ich nur.

»Wo ist dein Rucksack, Kleines?«, fragt Brent.

»Oh. Ich glaube, den habe ich auf dem Flur stehen lassen, als du mich losgeschickt hast, um Mr. Winters zu holen«, entgegnet Natalie.

»Geh ihn doch schon mal suchen. Wir treffen uns dann am Ausgang.«

»Okay, Daddy!« Mit hüpfenden Schritten eilt sie davon.

Wieder suche ich nach Worten, als ich an Brents Seite die Tür ansteuere. Ich muss mich bei ihm bedanken, fürchte aber, albern zu klingen.

»Nur eine Frage: Wie kann man mit einem Kerl ausgehen, der von sich selbst in der dritten Person spricht?«, fragt Brent, als Natalie außer Hörweite ist.

Ich bin mir sicher, dass er damit nur die Stimmung auflockern möchte. Trotzdem erröte ich wieder, peinlich berührt. »Weiß der Geier. Was für ein blöder Scheiß!« Ich zucke zusammen und beiße mir auf die Zunge.

Das ist keine Ausdrucksweise für eine Lehrerin, erst recht nicht für eine, die älteren Kindern abends Kunstunterricht gibt. Eine Sekunde legt er den Kopf schief, dann lacht er zu meiner Verblüffung. Ich mag sein Lachen. Und es bricht das Eis zwischen uns. »Das war eine verdammt gute Antwort, Miss Derby.«

»Danke für die … Rettung«, sage ich verlegen. »Ich wusste sofort, dass es ein Fehler war. Ich dachte, die Sache wäre erledigt. Ich habe versucht, ihm auf die sanfte Tour zu verstehen zu geben, dass ich nicht an ihm interessiert bin. Niemals, nicht in meinen wildesten Träumen, hätte ich damit gerechnet, dass er hier aufschlägt.«

Er zieht eine Augenbraue hoch, als wir auf den Flur hinaustreten. »Preston Graves kommt in Ihren wildesten Träumen vor?«

»Scheiße, nein!« Wieder zucke ich zusammen wegen meiner Ausdrucksweise. »Ich meine, natürlich nicht. Himmel. Eine Dating-App hat uns gematcht. Ich werde den Namen nicht erwähnen, ich bin nämlich mehr als unzufrieden.«

»Wie oft waren Sie denn mit ihm aus?«

»Nur ein einziges Mal.« Ich schüttle den Kopf. »Genau genommen war es noch nicht einmal ein ganzer Abend. Ich hatte die Speisekarte des Restaurants in Scottsdale noch nicht zu Ende gelesen, als mir bereits klar war, dass das ein Griff ins Klo war. Ich wollte nur noch weg.«

Meine Bemerkung scheint ihn daran zu erinnern, dass das mit uns auch nur Zeitverschwendung ist. Er setzt sich wieder in Bewegung, und ich folge ihm.

Natalie wartet mit Oscar am Haupteingang. Es ist ein sehr langer Flur. Brent hat die beiden auch gesehen, scheint es aber nicht besonders eilig zu haben.

»Und was haben Sie dann gemacht?«

»Ich habe einen Zwanziger auf den Tisch gelegt für mein Glas Wein, habe der Bedienung ein großzügiges Trinkgeld gegeben und meinem Begleiter eine Lüge aufgetischt.«

»Sie haben ihn angelogen?«

»Jep. Ich habe behauptet, es wäre mir ein Vergnügen gewesen, ihn kennenzulernen, was glatt gelogen war, aber dass wir uns leider nicht wiedersehen könnten, weil ich einfach keine Zeit für weitere Dates hätte.«

»Wann war das?«

»Vor knapp drei Wochen. Nachdem ich keinen seiner Anrufe entgegengenommen und auch seine SMS nicht beantwortet habe, herrschte seit letzter Woche Funkstille. Ich dachte, er hätte es endlich kapiert.«

Es ist peinlich, ihm das alles zu erzählen, aber es ist die Wahrheit, und er hat es verdient, dass ich ehrlich zu ihm bin, nachdem er mich aus dieser peinlichen Lage befreit hat. Tatsächlich hat mich die Begegnung mit Preston mehr aufgewühlt, als mir lieb ist.

»Ich habe immer noch keinen Schimmer, wie er sich Zutritt verschafft hat«, sagt Oscar, als wir ihn und Natalie fast erreicht haben. »Die Türen waren abgeschlossen. Ich habe persönlich jeden rein- und rausgelassen. Ich prüfe immer zweimal, ob die Türen auch abgeschlossen sind. Und ich bin mir hundertprozentig sicher, dass ich nicht vergessen habe abzusperren!«

Oscar schaut mich mit einem frustrierten Stirnrunzeln an. »Er ist jetzt weg, Miss Derby. Hab ihn zu seinem Wagen gebracht und mich davon überzeugt, dass er auch wirklich wegfährt. Ich begleite auch Sie gerne zu Ihrem Auto.«

»Das ist nicht nötig, Oscar. Ich bringe sie hin«, sagt Brent. »Haben Sie ihn nach einer Zugangskarte durchsucht?«

Der Hausmeister schaut total entgeistert drein und schüttelt dann den Kopf. »Nein, Sir, aber ich werde einen Bericht schreiben und eine Sicherheitslücke melden. Wie Sie wissen, nimmt die Schulleitung das Thema Sicherheit sehr ernst.«

Brent wendet sich wieder an mich. »Könnte er Ihre Schlüsselkarte gestohlen haben?«

»Nein, die habe ich hier.« Ich ziehe den Anhänger, den ich um den Hals trage, unter meinem T-Shirt hervor. Mein Ausweis und meine Zugangskarte baumeln am Ende der Schnur. »Ich habe sie nie aus den Augen gelassen.«

Brent nickt und sieht wieder Oscar an. »Ich schlage vor, dass Sie in Erfahrung bringen, wer kürzlich eine Schlüsselkarte verloren hat, und geben eine Personenbeschreibung von Preston Graves an alle durch. Weisen Sie darauf hin, dass er Hausverbot hat.«

Oscar nickt. »Selbstverständlich, Sir, ich kümmere mich darum. Ich schreibe den Bericht heute noch.«

Eine Million Fragen gehen mir durch den Kopf, aber ich verkneife sie mir, bis wir draußen sind.

Obwohl es schon Abend ist, gibt der Asphalt noch die Hitze des Tages ab, sodass ich mir am liebsten Luft zufächeln würde. Der Hochsommer, und damit die heißeste Zeit des Jahres, ist eigentlich vorbei, aber die Nächte sind immer noch viel zu warm.

Als wir den langen, betonierten Weg zum Parkplatz entlanggehen, kann ich meine Neugier nicht länger zügeln. »Also, Mr. Eden, arbeiten Sie womöglich als Detektiv? Oder sind Sie Polizist?«

»Weder noch«, antwortet er.

»Aber er hat ständig mit Polizisten zu tun«, erklärt Natalie. »Mein Dad hat seine eigene Firma.«

Ich warte darauf, dass einer von beiden das näher erläutert, aber sie schweigen, und ich wage es nicht, nachzuhaken.

Obwohl er mich gerettet hat und ich ihm den heißesten Kuss meines bisherigen Lebens verdanke, schrillen bei mir immer noch sämtliche Alarmglocken. Dieser Mann ist für mich tabu.

Er ist der Vater einer Schülerin, und die Schule verbietet private Beziehungen zwischen Lehrkräften und Schülern respektive deren Angehörigen. Es gibt ein endloses Regelwerk strenger Vorschriften, an die ich mich zu halten habe. Das hier ist die renommierteste Privatschule im ganzen County, und es ist ebenso schwer, als Schüler angenommen zu werden, wie eine Stellung als Lehrer zu ergattern. Meine Stelle zu bekommen war schon ein Riesenglücksfall. Gleiches gilt für den Abendkurs in Kunst, den ich als Vertretung übernommen habe.

Das darf, kann und werde ich nicht aufs Spiel setzen.

Nicht einmal für einen brandheißen Typen mit Raubtieraugen, der küsst, dass einem Hören und Sehen vergeht.

»Ist das da vorne Ihrer?«, fragt Brent und reißt mich aus meinen Gedanken.

Ich blicke auf und nicke. Ein Mustang Cabrio. Alt. Ein Modell, das man nicht unbedingt bei einer Lehrerin erwarten würde. »Der hat mal meinem Vater gehört.«

Er zeigt keinerlei Reaktion und äußert sich auch nicht dazu, sondern geht einfach schweigend weiter. Als wir den Wagen erreicht haben, öffnet er die Tür und wirft einen Blick ins Wageninnere, bevor er beiseitetritt.

»Sie sollten den Wagen immer abschließen.«

»Tue ich normalerweise auch.« Ich war spät dran gewesen und hatte mich in der Hektik nicht auch noch damit aufhalten wollen. Ich schwöre mir, in Zukunft nicht mehr so leichtsinnig zu sein. Ich nehme ihm meine Tasche ab, fische meinen Schlüsselbund heraus und lege Tasche und Zeichenblock auf den Rücksitz. »Danke noch mal. Für alles«, sage ich, wobei ich Natalie bewusst mit einschließe.

»Nicht nötig, es war uns ein Vergnügen, Miss Derby!« Die zehnjährige Natalie klingt wie eine Vierzigjährige. Ich lächle wie eine Geisteskranke. Sie tritt vor und schlingt die Arme um meine Mitte. »Es braucht Ihnen nicht unangenehm zu sein. Wir haben Ihnen wirklich sehr gerne geholfen.«

Gerührt erwidere ich die Umarmung. Wir lassen einander wieder los, und Natalie dreht sich zu ihrem Vater um. »Das stimmt doch, Dad, oder? Dass wir Miss Derby gerne geholfen haben?«

Wieder erhellt dieses strahlende Lächeln seine Züge. »Klar doch, Kleines.« Sein Lächeln verblasst, als er wieder mich ansieht. »Unser Truck steht gleich da drüben. Wir warten, bis Sie weg sind. Oder sollen wir Sie bis nach Hause begleiten?«

»Nein, auf keinen Fall!« Sofort tut mir meine heftige Erwiderung leid. »Ich meine, danke, aber das ist wirklich nicht nötig. Sie haben schon mehr als genug getan.«

Unsicher mache ich einen Schritt auf ihn zu und zögere. Ich weiß nicht, ob ich ihm die Hand schütteln oder ihn umarmen soll. Umarmen, ruft meine innere Stimme.

Also gut. Noch ein Schritt, und ich drücke ihn kurz. Er steht stocksteif da, und ich wünschte, ich hätte mich für einen Händedruck entschieden. Mist.

Ich bin so eine Idiotin! Andererseits habe ich keinerlei Erfahrung mit heißen Typen, die küssen, als gäbe es kein Morgen.

»Machen Sie’s gut.« Ich wende mich ab, steige in meinen Mustang und ziehe die Tür zu, damit ich nicht noch einen Fehler machen kann. Dann warte ich, bis die beiden sich abgewandt haben und die drei freien Parkplätze überqueren, um zu ihrem Truck zu gehen, bevor ich den Kopf auf das Lenkrad sinken lasse. Das Ganze ist mir so peinlich.

Und die Hitze macht mir zu schaffen – innerlich und äußerlich. Das war ein mörderischer Sommer. Heiß und stürmisch. Ich sehne jetzt schon die Herbstferien herbei. South Arizona ist eine trockene Region, und die brütende Hitze der letzten Wochen war körperlich und psychisch anstrengend.

Ich kurble die Scheibe herunter, um Luft hereinzulassen. Ein Wagen hält plötzlich neben meinem. Es ist nicht Brents Truck.

Mein Puls schießt direkt in die Höhe, verlangsamt sich aber schnell wieder, als ich die Person am Steuer erkenne: Clara. Verdammt!

Nach den Ereignissen des heutigen Abends hatte ich völlig vergessen, dass wir uns hier treffen wollten, um mich mit einem ihrer köstlichen Pies zu beglücken.

Es ist schon zu spät, um die Kettenreaktion aufzuhalten. Ich sehe, wie Brent Natalie wild gestikulierend auffordert, in den Truck zu steigen, bevor er schnurstracks wieder auf mich zukommt. Ich öffne eilig die Fahrertür, steige aus und hebe beschwichtigend die Hände. »Alles in Ordnung! Das ist nur meine Cousine Clara«, rufe ich ihm zu.

Clara verfolgt die Szene sehr aufmerksam. Sie ist furchtbar neugierig, und wenn sie eine Katze wäre, hätte sie längst alle neun Leben ausgeschöpft.

»Isabella Derby!« Sie schüttelt entrüstet den Kopf.

O Gott. Jetzt wird es ernst.

Clara steigt ebenfalls aus und geht mit ausgestreckter Hand mit schnellen Schritten auf Brent zu. »Wer um alles in der Welt ist denn dieser gut aussehende Mann?«

Hastig laufe ich um das Heck ihres Wagens herum und eile an ihre Seite. Aber es ist zu spät. Natalie ruft von Weitem: »Er ist der Held des Tages!«

Ich stöhne innerlich und würde mich am liebsten in einem Loch verkriechen. Leider sind Erdlöcher, die groß genug sind für einen Menschen, dünn gesät.

»Held?« Clara macht große Eulenaugen und blinzelt. »Isabella Derby!«

Ein Erdloch zum Verkriechen reicht bei Weitem nicht. Bei dem Anblick ihres breiten Grinsens möchte ich mich am liebsten einfach in Luft auflösen. Und ich dachte, ich hätte den Tiefpunkt des Abends schon hinter mir.

Ich habe Clara wirklich sehr lieb, aber sie ist das größte Klatschmaul in unserer Familie. Überhaupt glaube ich, dass Derby-Blut nicht zusammengeht mit Diskretion.

»Das ist nur … der Vater einer Schülerin. Nichts Besonderes«, sage ich hastig.

Mit einem zuckersüßen Lächeln wendet sie sich Brent zu und streckt die Hand noch etwas weiter vor. »Guten Tag. Freut mich wirklich sehr, Sie kennenzulernen. Ich bin Clara Derby.«

Brent schüttelt ihr mit einem unbehaglichen Lächeln die Hand. Ich schließe die Augen und sehne das Ende dieses Unglückstags herbei. Dieser Tag stand vom ersten Läuten des Weckers an unter keinem guten Stern.

»Sehr erfreut, Miss Derby«, höre ich ihn sagen. »Ich fürchte, ich muss jetzt los. Schön, dass jemand bei Isabella ist.«

Er wirft mir einen vielsagenden Blick zu. Der Blick aus seinen smaragdgrünen Augen raubt mir ebenso den Atem, wie meinen Vornamen aus seinem Mund zu hören. Diese Stimme …

»Brent«, entgegne ich leise. Sein Vorname anstatt des unpersönlichen Mr. Eden fühlt sich wunderbar an auf der Zunge.

»Gute Nacht, die Damen.«

Ich schaue ihm nach, als er zu seinem Truck zurückgeht. Clara steht der Mund offen. Fast hätte ich gelacht. So furchtbar das alles sein mag, ist es doch auch geradezu lächerlich surreal. Wie er meine Cousine gerade abgefertigt hat, ohne ihr einen Namen zu nennen, den sie googeln kann, ist einfach zu komisch.

Er steigt in seinen Truck und lässt den Motor an.

Clara starrt mich mit weit aufgerissenen Augen an. Auch ihr Mund steht noch offen. Aber eine Nanosekunde später fängt sie sich wieder. »O mein Gott!«, zischt sie. »Der Typ ist ja der Knaller, Izzy!«

Ich kann dem nicht zustimmen. Na ja, ich könnte schon, tue es aber nicht.

Ich kann immer noch nicht fassen, dass ich sie und ihren blöden Pie vergessen habe.

So ein Mist. Das ist wirklich der Abend der lästigen Begegnungen.

Claras langes, dunkles Haar weht im Wind, als sie zu seinem Truck hinübersieht und sich dann wieder mir zuwendet. »Ist das dein Date aus der Dating-App? Warum hast du mir nicht erzählt, dass du einen absoluten Traummann kennengelernt hast?«

»Was? Nein, nein, nein, so ist das nicht!«, wehre ich ihre Fragen energisch ab.

»Schäm dich, dass du das für dich behalten hast. Immerhin bin ich deine Cousine! Du hast nie erzählt, wie dein Date gelaufen ist. Offenbar war es ein Volltreffer. Was für ein Mann.«

Ich schüttle den Kopf. »Es ist schon spät, Clara. Ich möchte nur noch heim.«

»Warte, ich habe dir doch extra einen Pie mitgebracht! Mit Kokoscreme.« Clara zwinkert mir zu und greift durch die offene Tür ihres Wagens, den sie mit laufendem Motor hat stehen lassen. »Dein Lieblings-Pie, Cousinchen.«

Na toll. Ich bin eigentlich gar nicht so scharf auf Kokosnuss. Aber das behalte ich für mich, um des lieben Friedens willen. Immerhin liefert mir der Kuchen eine gute Ausrede, um mich davonzumachen.

»Toll!« Mit gespielter Begeisterung nehme ich ihr den Pie aus der Hand. »Dann werde ich mich mal beeilen, damit er in der Hitze nicht zerläuft. Schönen Abend noch, Clara!«

»Du brauchst wirklich ein neues Auto, Izzy. Eins mit Klimaanlage.«

»Irgendwann, wenn ich mir eins leisten kann.« Ich halte den Pie hoch und strahle, als könnte ich es kaum erwarten hineinzubeißen. »Mmmm. Lecker Nachtisch. Danke noch mal!«

»Weiß deine Mom schon von Big Daddy?«

Claras Frage erreicht mich auf halbem Weg zu meinem Mustang, und ich erstarre mitten in der Bewegung. Das Herz rutscht mir in die Kniekehlen. »Nein. Und dabei wird es auch bleiben, weil es da nämlich nichts zu wissen gibt.«

»Er ist übrigens noch da und schaut zu uns rüber.« Sie lächelt, nickt in Richtung des Trucks und winkt rüber.

»Reine Höflichkeit.« Ich setze mich wieder in Bewegung. »Und du bist gerade echt rücksichtslos, Clara. Er muss seine Tochter ins Bett bringen. Und er wartet nur darauf, dass wir endlich losfahren.« Dabei belasse ich es, um Preston nicht erwähnen oder auch nur an ihn denken zu müssen.

»Dann gibt es keine dazugehörige Mutter? Keine Ehefrau? Und wenn doch – es gibt immer Mittel und Wege. Lass dich von so was nicht abhalten!«

»Clara!«

»Okay, okay. Ich bin nur neugierig.«

»Misch dich verdammt noch mal nicht immer in anderer Leute Angelegenheiten«, murmle ich leise und lasse mich auf den Fahrersitz fallen. Der Motor erwacht schnurrend zum Leben, und ich winke Clara zu. »Noch mal danke für den Pie.«

Sie steigt in ihren Wagen und fährt los. Ich folge ihr, und Brent folgt mir. Ich möchte erleichtert aufatmen, aber dafür reicht meine Luft nicht. Ich hänge bis zum Highway an Claras Rücklichtern.

Ich bete, dass Brent nicht vorhat, mir bis nach Hause zu folgen. Und so wie ich Clara kenne, überlegt sie bestimmt schon, wie sie es anstellen kann, sich an ihn dranzuhängen, um herauszufinden, wo er wohnt. Meine Gedanken rasen schneller als der Verkehr auf der vierspurigen Schnellstraße.

Etwas von der Anspannung fällt von mir ab, als ich im Rückspiegel sehe, wie Brent an einer Ausfahrt abfährt. Claras Wagen ist ebenfalls nicht mehr zu sehen.

Dann holt mich die Realität wieder ein.

Der Abend war eine einzige Katastrophe, aber es hätte noch schlimmer kommen können. Wenn Clara mitbekommen hätte, wie Brent sich gegenüber Preston als mein Verlobter ausgegeben hat, wäre ich am Arsch gewesen. Und er auch.

Denn es gibt im ganzen Universum nichts Schlimmeres als ein Derby-Drama.

Kapitel 2 Blue (Brent)

Es ist brütend heiß, aber nicht einmal der Schweiß, der mir in Bächen den Rücken hinunterläuft, kann meine Konzentration stören. Was zum Teufel habe ich mir nur dabei gedacht, gestern Abend die kleine Lehrerin zu küssen?

Okay, ich weiß genau, was ich mir dabei gedacht habe. Am liebsten hätte ich noch viel mehr getan, als sie nur zu küssen.

Ich war klar schwanzgesteuert. Wie ein notgeiler Irrer, der sich schon viel zu lange den Arsch aufreißt und keine Zeit hat für Sex.

Zumindest rede ich mir das ein, um die Lust zu vertreiben, die mein Denken vernebelt. Wenn es doch nur so einfach wäre.

Als ich diesen schleimigen Mistkerl gesehen habe, der sich aus der Herrentoilette geschlichen hat, ist bei mir die Sicherung durchgebrannt. Eifersucht pumpte durch meine Adern wie Gift nach dem Biss einer Klapperschlange, bevor ich realisierte, was da überhaupt abging zwischen dem Kerl und Blue.

Ich muss unwillkürlich lächeln. Blue.

So nenne ich sie wegen der leuchtend blauen Strähnen in ihren dunkelblonden Haaren. Nur auf einer Seite, und es sind nur ein paar wenige Strähnen, die mehr an die Emo-Girls von vor zehn Jahren erinnern als an einen Punk-Rock-Style.

Sie sticht aus der Masse hervor. Sie ist besonders. Verdammt anziehend.

Ich denke daran zurück, wie ich sie im Licht der Laternen zum Parkplatz begleitet habe. Je nach Lichteinfall auf ihrem Gesicht schimmerten ihre Augen im gleichen Blau wie die Strähnen in ihrem Haar. Vielleicht eine Nuance heller.

Beinahe so, als wären sie mit blauen Diamanten gesprenkelt. Durch und durch blau wie das Meer, sogar als sie mit flammend roten Wangen neben ihrer redseligen Cousine stand.

Die Frau ist wirklich einmalig. Sexy. Wunderschön.

Ich lege Wert darauf, jeden von Natalies Lehrern und jede ihrer Lehrerinnen persönlich zu kennen, und daran werde ich auch noch festhalten, wenn sie studiert. Doch bisher war noch niemand dabei, der mich aus der Ruhe gebracht hätte. Und diese Frau hat mich nicht nur nervös gemacht, sondern völlig aus der Bahn geworfen.

Seit zwei Wochen steht sie im Mittelpunkt meiner feuchten Träume. Seit ich sie am Abend von Nats erstem Kunstunterricht das erste Mal gesehen habe, beherrscht sie meine Gedanken.

Und das kann nicht angehen, schon gar nicht, wenn es zu Ausrastern führt wie am gestrigen Abend. Wenn eine viel zu persönliche Ebene entsteht, die uns beiden nur schaden kann.

Ich knalle die Fahrertür zu, ramme den Zündschlüssel ins Schloss und schalte die Klimaanlage ein. Es wird einen Moment dauern, bis die Temperatur im Wageninneren auf ein erträgliches Maß heruntergekühlt ist, und noch etwas länger, bis ich aufhöre zu schwitzen.

Dieser Job ist die Hölle. Das sind die meisten Aufträge in Zusammenhang mit Asbestsanierungen.

Aber sie sind auch lukrativ. Als ich vor fünf Jahren ganz klein anfing, hätte ich mir nicht träumen lassen, wie viel Geld sich mit der Sanierung von asbestverseuchten Gebäuden verdienen lässt. Die Mühe zahlt sich aus, und es wird noch Jahre dauern, bis das inzwischen verbotene Asbest vollständig aus der Bausubstanz von Bestandsgebäuden verschwunden ist.

Während die Temperatur im Wageninneren langsam sinkt, hole ich meinen Notizblock aus dem Handschuhfach. Nach der ersten Begegnung mit Miss Derby beim ersten Kursabend bin ich zum Truck gegangen und habe hastig eine Skizze von ihr angefertigt, während Natalie noch damit beschäftigt war, ihre Sachen zusammenzupacken.

Da fing ich auch an, sie in meinen wirren Gedanken Blue zu nennen.

Ich blättere durch die Seiten und betrachte meine Zeichnungen, die mit der Zeit immer detaillierter geworden sind.

Zu Beginn war sie auf allen Zeichnungen noch angezogen: weiße Bluse und schwarzer Rock, wie in der ersten Unterrichtsstunde. Aber schon bald habe ich die Kleidung weggelassen und sie nackt gezeichnet, dazu noch in verführerischen Posen. Verdammt.

Dieser Kuss gestern Abend, die Hitze ihrer Lippen, wie ihr Körper sich an meinen geschmiegt hat … Die Erinnerung daran lässt mich einfach nicht mehr los. Sie hat so gut geschmeckt wie in meiner Fantasie und sich sogar noch besser angefühlt.

Eine gefährlich verführerische junge Frau. Unwiderstehlich für einen Mann, der schon eine halbe Ewigkeit keinen Sex mehr hatte.

Die Situation hätte leicht eskalieren können, wenn wir anderswo gewesen wären. Wenn Nat nicht gewesen wäre. Oder der Arsch, der die Situation überhaupt erst heraufbeschworen hat, dieser Vollpfosten Preston Graves.

Ein Schatten fällt in den Wagen, und ich lege das Notizbuch schnell zurück ins Handschuhfach. Ich schaffe es gerade noch, mein schmutziges Geheimnis verschwinden zu lassen, als Juan Lopez, der Bauleiter des Projekts, die Beifahrertür öffnet.

»Das Zeug ist jetzt raus, Boss. Wir sind fast durch, nur noch ein bisschen aufräumen.« Juan nimmt den Helm ab und wischt sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. »Ich schätze, in einer Stunde können wir abrücken.«

»Gut. Das habe ich auch den Eigentümern gerade gesagt.« Ich schüttle den Kopf. »Ich verstehe nicht, warum manche Leute meinen, sie könnten die Absperrung ignorieren.« Die Eigentümer, die gerade weggefahren sind, hatten alle Register gezogen, um in den mit Plastikfolie abgedichteten Bereich vorzudringen, in dem meine Leute arbeiten.

»Danke, dass du hergekommen bist. Ich habe denen gesagt, dass das Betreten der Baustelle verboten ist, aber die haben sich nicht abwimmeln lassen und darauf bestanden, mit dir persönlich zu sprechen.«

»Kein Problem, Juan. Manche Leute begreifen einfach nicht, welche Gefahr von dem Zeug ausgeht. Ich war sowieso in der Gegend, um mir eine potenzielle neue Baustelle anzusehen.«

Juan grinst. Ich kann förmlich die Dollarzeichen in seinen Augen sehen. »Das war ein guter Sommer.«

»Und der Herbst wird noch besser. Zumal wir jetzt auch noch das führende Tatortreinigungsunternehmen in der Gegend sind.«

Juan setzt den Helm wieder auf. »Du wirst nie erleben, dass ich mich über zu viel Arbeit beklage.«

»Ich weiß, und das schätze ich sehr an dir.«

»Die fetten Gehaltsschecks reichen als Dankeschön.« Juan klopft mit der Hand auf den Sitz. »Ich muss wieder rein. Wir sehen uns später, Brent.«

»Immer locker bleiben«, sage ich, als er die Tür zuschlägt. Ich werfe einen Blick auf die Zeitangabe auf dem Radio und schaue Juan hinterher. Ich zahle ihm gerne einen Spitzenlohn, weil er es mir ermöglicht, Nat der Vater zu sein, den sie verdient. Dank zuverlässiger Mitarbeiter kann ich ihr nicht nur finanziell ein sorgenfreies Leben bieten, sondern auch viel Zeit mit ihr verbringen. Ich lege beispielsweise großen Wert darauf, sie morgens selbst zur Schule zu fahren und am Nachmittag wieder abzuholen.

Ich lege den Rückwärtsgang ein, parke aus und fahre in Richtung Highway.

Blue dürfte heute zu beschäftigt sein, sodass eine Begegnung unwahrscheinlich ist. Aber ich möchte mit dem Schuldirektor sprechen, um sicherzustellen, dass die Schlüsselkarte, die irgendwie in Graves’ Besitz gelangt sein muss, gefunden oder gesperrt wird.

Natalies Sicherheit geht immer vor.