Ostpreußen - Das große Buch der Familienrezepte - Harald Saul - E-Book

Ostpreußen - Das große Buch der Familienrezepte E-Book

Harald Saul

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Beschreibung


Alte Zeiten in Rezepten, Fotos und Geschichten


Kaum etwas weckt die Bilder der Kindheit so sehr, wie der Name oder der Duft einer Lieblingsspeise aus der früheren Zeit.

Vor einigen Jahren bat Harald Saul, Küchenmeister und Sammler von traditionellen Rezepten, im „Ostpreußenblatt“ um die Zusendung von privaten Rezeptbüchern, Dokumenten und Erinnerungen aus der alten Zeit. Das Echo war überwältigend. Harald Saul kam in den Besitz von handgeschriebenen Aufzeichnungen, private Fotoalben wurden für ihn geöffnet und in zahlreichen Gesprächen haben ihm die Menschen ihre ganz persönlichen Geschichten erzählt.

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Seitenzahl: 193

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Das Ostpreußenlied

Land der dunklen WälderUnd kristallnen Seen, Über weite FelderLichte Wunder gehn.

Starke Bauern schreitenHinter Pferd und Pflug; Über AckerbreitenStreicht der Vogelzug.

Und die Meere rauschenDen Choral der Zeit. Elche steh’n und lauschenIn die Ewigkeit.

Tag ist aufgegangenÜber Haff und Moor.Licht hat angefangen,Steigt im Ost empor.

ERICH HANNIGHOFER, UM 1930

(geb. 1908 in Königsberg/Ostpreußen, vermißt 1945 in Rußland)

Inhalt

Karte von Ostpreußen in den Grenzen von 1939

Vorwort

Geschichten und Rezepte

Ella Brachmann und die Schloßberger Küche um 1925

Erinnerungen an den Königsberger Koch Meinhardt

Rezepte der Familie Lube aus Königsberg

Küchenmeister Karl-Eduard Frick (1839–1944)

Die Lachsgerichte der Floßners an der Kurischen Nehrung

Der Schiffskoch Albin Noll aus Bartenstein

Die Haferrezepte der Emma Kumpert aus Rastenburg

Ein Koch aus Allenstein am rumänischen Königshof

„Das Deutsche Haus“ – Dorfkneipenrezepte der „Waldfrau“ Emma Linde, Schippenbeil 1904

Die Hausrezepte der Emma Becker, Domnau um 1900

Aus dem Familienkochbuch der Else Wiegbrecht, Tapiau 1910–1925

Familie Andersen – eine über 100jährige Familiengeschichte in Meml

Rudolf Schmidt, der Tilsiter Meisterkoch

„Schuppnis“ und „Kakalinski“: Waltraud Raksch und die Geheimnisse der Trappener Küche

Wilhelm Braemer, der „Wilderer-Koch“ aus Pillkallen

Aus dem Düring-Kochbuch (1800–1914)

Rezepte aus der Schloßküche Schlobitten

Eine Kindheit im Memelland: Aus einem Briefwechsel mit dem Ostpreußen Klaus Hardt

Reuschenfeld: Ein untergegangenes Dorf und seine Rezepte

Küchentradition von der Weichsel: Familie Kubert aus Groß Weide

Johannisburg und das jüdische Ostpreußen – Erinnerungen von Hedwig Kluge

Rezeptverzeichnis

Quellenangaben

Impressum

Vorwort

Kann man es einem „Nicht-Ostpreußen“ abnehmen, wenn er sich für ein Land interessiert, das es schon lange nicht mehr gibt?

Ich war 12 Jahre alt, als mir ein Lehrer von Königsberg erzählte und mich neugierig machte. Ich hörte von britischen Bombern, die in den Augustnächten 1944 Phosphor über der Stadt versprühten, und lauschte seinen Erzählungen über den Festungskampf, der mit der Kapitulation am 9. April 1945 endete.

Er sprach vorsichtig von Breschnew, der die fremde Kultur im früheren Königsberg, das nun Kaliningrad hieß, ausmerzen wollte und 1969 die Reste des Königsberger Schlosses sprengen ließ. Er konnte wunderbar erzählen von den alten Vierteln an den beiden Pregelarmen und von der Dominsel.

Ich ging in die Stadtbibliothek und fragte nach Büchern über Königsberg. Pikiert antwortete mir die Bibliothekarin, daß Kaliningrad jetzt eine moderne, sowjetische Großstadt sei …

Als ich im Frühjahr 1999 im „Ostpreußenblatt“ für ein recht persönliches Kochbuch um Übermittlung von Rezepten, Erinnerungen und Dokumenten bat, erhielt ich ein überwältigendes Echo. Briefe, Pakete und persönliche Gespräche erbrachten eine erstaunliche Fülle an einmaligen Erinnerungen.

Nun ist das „Ostpreußen-Geschichts-Kochbuch“ fertig und vieles an Material konnte nicht berücksichtigt werden. Deshalb habe ich vor allem die Speisen und Menüfolgen in das Buch aufgenommen, die noch weitgehend unbekannt sind oder nur einem kleinen regionalen Kreis zugänglich waren.

Alle Rezepte sind, wenn nicht anders vermerkt, für vier Personen berechnet.

Liebenswerte Menschen lernte ich kennen in den neuen und alten Bundesländern, die mit großer Verbundenheit von ihrer ehemaligen Heimat sprachen. Ich danke ihnen für die unvergeßlichen Gespräche und ihre Bereitwilligkeit, mir das historische Material uneigennützig zu schenken oder leihweise zu überlassen.

Ich lernte ein Land kennen, das über eine hohe Kultur verfügte und von der Bescheidenheit und dem schöpferischen Einfallsreichtum seiner Menschen geprägt war. Bemerkenswert und für mich als sehr ähnlich empfindenden Thüringer beeindruckend der Stolz der Ostpreußen auf ihre Familientraditionen, auf alte Bräuche und das weite schöne Land.

Von Ella Brachmann und ihren Eintopf-Spezialitäten aus der Kalcherschen Werksküche in Schloßberg bis zu den Traditionsgerichten von Schloß Schlobitten spannt sich ein bunter, erstaunlich vielfältiger Bogen. Das liegt sicher daran, daß die Erinnerungen der Befragten so lebhaft und gegenwärtig sind – vieles wurde wieder und wieder in den Familien erzählt. Und diese Erinnerungen sind wohl auch Ausdruck der patriarchalischen Verbundenheit der Ostpreußen mit ihrem Land und den Menschen, resultierend aus starkem Traditionsbewußtsein und dem Aufeinanderangewiesensein im arbeitsreichen Alltag. So werden alltägliches Leben und außergewöhnliche Schicksale nacherlebbar.

Wandel der Geschichte: Heute ist es wieder möglich, jenes versunkene Land, seine Städte und Dörfer zu bereisen. Ostpreußen, das Kernland Preußens, das nach dem Alliierten Kontrollratsgesetz vom 25. Februar 1947 nicht mehr existiert, lebt in seinen früheren Bewohnern und ihren Nachkommen weiter, wie auch in seinem historischen Erbe, das aus der preußisch-deutschen Geschichte nicht mehr herauszulösen ist.

Ich bedanke mich bei allen, die mir geholfen haben, daß dieses Buch entstehen konnte. Besonderen Dank auch meinen beiden Arbeitskolleginnen, Frau Krista Seyfarth und Frau Beate Korn aus Gera, die mir beim „Übersetzen“ alter Familiendokumente eine wichtige Hilfe gewesen sind.

Gera, im Herbst 2000

Ella Brachmann und die Schloßberger Küche um 1925

Ella Brachmann 1932

Ella Brachmann (1914–1995) erinnerte sich bei unserem Zusammentreffen noch lebhaft an die Zeit in Schloßberg (vormals Pillkallen, heute Dobrowolsk) und an ihre Tätigkeit in der Werksküche der Firma Kalcher.

Kalcher – der Name stand für einen aufstrebenden Handwerksbetrieb. Frau Brachmann schwärmte von der 40-Jahr Feier des Betriebes im „Schützenhaus“ Schloßberg. An drei langen, mit Blumen geschmückten Festtafeln speisten die Festgäste, die zum Firmenjubiläum geladen waren. Der Chef Hans Kalcher, er war Maurermeister und Zimmermeister, sah an dem Abend sehr gut aus mit dem Eisernen Kreuz am weißen Band am Rockaufschlag.

Er engagierte sich energisch für Schloßberg und es ist sein Verdienst, daß vieles der Nachwelt erhalten geblieben ist: die Post und das Rathaus, etliche Straßenzüge und die Parkettfabrik. Hier, in der Parkettfabrik, arbeitete Ella Brachmann zu jener Zeit, als die Firma Kalcher & Söhne aufblühte.

Hans Kalcher finanzierte 1919 auch die elektrische Lichtanlage im damaligen Pillkallen und dann später in Schloßberg mit. (Am 16. Juli 1938 wurde die Kreisstadt Pillkallen in Schloßberg umbenannt.) Im neuen Königsberger Bahnhof sind viele Ziegel und das begehrte Parkett aus Pillkallen verbaut worden.

Schloßberg verdankt Hans Kalcher viel, erzählte Ella Brachmann. Sie erwähnte die Badeanstalt, die ihrer Familie viel Freude beschert hat, den neuen Schießstand in den alten Kiesgruben, den Saal im „Schützenhaus“ und die Rollschuhbahn, die Hans Kalcher zu neuem Leben erweckte.

Die Zeit ist vergangen. In Meerane fand Ella Brachmann eine neue Heimat. 1990 reisten Freunde von ihr in das Dobrowolsker Gebiet. Auf zahlreichen Fotos und mit der Filmkamera hielten sie ihre Eindrücke fest – für Ella Brachmann eine schmerzlich-schöne Erinnerung. 1995 ist Ella Brachmann gestorben.

Ella Brachmanns Eintopf-Erinnerungen aus Schloßberg

GEMÜSESUPPE NACH FAMILIE HORN, SCHLOSSBERG UM 1940

Sellerie • Mohrrüben • Pastinaken (weiße Rüben) • grüne Bohnen • Porree (nur die weißen Enden!) • Blumenkohl • Wirsingkohl • Rindfleisch (Querrippe, gut durchwachsen) • Salz

Das Gemüse in beliebiger Form zerkleinern, in einen Kochkessel geben, mit Wasser auffüllen, salzen. Das große Stück Rindfleisch dazugeben und aufkochen lassen. Dann abschäumen und an nicht zu heißer Stelle auf dem Herd gar kochen.

Diese Gemüsesuppe war eine Erfindung der Großmutter des Pfarrers Horn. Sie hatte ihrem Enkel oft erzählt, daß im Januar 1816 im damaligen Pillkallen ein großes Freudenfest stattgefunden habe, bei dem ein riesiger Kessel dieser köstlichen Suppe an das Volk verteilt worden war. Die Gemüsesuppe bestand damals nur aus Gemüse, welches in Mieten gelagert wurde. Die Gutsbesitzer aus der ganzen Umgebung hatten es gespendet. Das Fest im damaligen Pillkallen, am 18. Januar 1816, wurde aus Freude über die endgültige Niederlage Napoleons bei Belle-Alliance (Schlacht bei Waterloo) gefeiert.

Die Gemüsesuppe kam bereits im folgenden Jahr, im Oktober 1817, beim 300jährigen Reformationsfest in Pillkallen zu erneuten Ehren. Aus großen Kesseln wurde die legendäre Suppe an die Pillkallener Bürger verteilt. 1817 war die Suppe bereits nach dem Rezept zubereitet, welches 1940 Ella Brachmann erhielt.

In vielen Küchen der Schloßberger Gegend hat man dieses Gericht später nachgekocht. In etlichen Gaststätten der Stadt wurde es um 1900 ständig angeboten, wie die wenigen erhaltenen Speisenkarten aus dieser Zeit zeigen.

Serviert wurde die Gemüsesuppe in Porzellanschüsseln, wobei obenauf oft ein paar Scheiben Rindermark lagen. Man liebte die Suppe auch mit fein geschnittenem Schnittlauch bestreut und mit körnig gekochtem Reis vermischt.

SAUERKRAUT-KARTOFFEL-SUPPE

500g abgeputzter Schweinekopf (½ geräucherten Schweinekopf beim Metzger kaufen!) • Salz • Pfeffer • 1 zerdrücktes Lorbeerblatt • 1 kg frisches Sauerkraut • 1 kg geschälte Kartoffeln • 2 mittelgroße Zwiebeln • 100 g Schweineschmalz • 20 g Weizenmehl (1 geh. EL) • 50 g Tomatenmark (5 EL) • 1 l Schweinekopfbrühe • 100 g Schmand

Geräucherten Schweinekopf eine Stunde in mit Salz, Pfeffer und einem zerdrückten Lorbeerblatt angesetzten Wasser köcheln lassen. Wenn der Schweinekopf gar ist, herausnehmen, 1 l Brühe aufheben. Das Fleisch auslösen, in mundgerechte Stücke schneiden.

Gewaschenes Sauerkraut zerkleinern und entsprechend der Sauerkrautmenge in Würfel geschnittene Kartoffeln zugeben.

Reichlich klein geschnittene Zwiebeln in Schweineschmalz angehen lassen, das Sauerkraut-Kartoffel-Gemüse dazugeben, mit Mehl anstäuben, das Tomatenmark hinzugeben.

Alles etwas schmoren lassen, dann genügend geräucherten Schweinekopf hinzugeben und mit Schweinekopfbrühe auffüllen. Mit Salz, Pfeffer und zerdrücktem Lorbeerblatt würzen.

Beim Anrichten wird die dick gehaltene Suppe mit Schmand (angesäuerte Schlagsahne) abgezogen und sehr heiß auf den Tisch gebracht.

MÖHRENEINTOPF NACH SCHLOSSBERGER ART(etwa um 1920)

1 kg Kartoffeln • 1 kg Möhren • 100 g Speck ohne Schwarte • 1 mittlere Zwiebel • 1 Schweinekopf (frisch) • 1 Bund frische Petersilie • Salz und Pfeffer zum Würzen

Geputzte Möhren mit einem gleichen Quantum an geschälten Kartoffeln in Würfelchen schneiden und gut abspülen. Dann den kleingeschnittenen Speck, ohne Schwarte, gut ausbraten und die kleinwürflig geschnittene Zwiebel hinzugeben. Alles gut durchschwitzen lassen und die Möhren- und Kartoffelwürfel hinzugeben. Mit der Schweinekopfbrühe auffüllen.

Als Fleischeinlage dient das gare, ausgelöste Fleisch vom Schweinekopf. Die Suppe wird nicht gebunden, da die Kartoffelstärke eine Bindung ergibt.

Besonders gut schmeckt der Eintopf, wenn reichlich frisch gehackte Petersilie darüber gestreut wird.

WIRSINGKRAUTEINTOPF NACH OSTPREUSSENART

1 frischer Wirsingkohlkopf • 2 mittelgroße Zwiebeln • 1 Hammelschulter (ca. 1 kg, ausgebeint) • etwa 1 kg geschälte Kartoffeln • Salz • Pfeffer • 2 Zehen Knoblauch • ½ TL gemahlener Kümmel • 1 Bund Petersilie

Den Wirsingkohl putzen, vom Strunk sowie den starken Rippen befreien. Waschen und ganz kurz überbrühen, damit der Wirsing beim späteren Garen nicht die hellgrüne Farbe verliert.

Eine feinwürflig geschnittene Zwiebel in eine Kasserolle legen und den abgebrühten Wirsing darauf schichten. Zwischen die einzelnen Schichten hin und wieder etwas Salz, Pfeffer und gemahlenen Kümmel streuen. Dann etwa 1 bis 2 Stunden kalt stellen.

In der Zwischenzeit die gewaschene, ausgebeinte Hammelschulter in Salzwasser langsam bißfest kochen. Die zweite Zwiebel sollte man zum Kochen dazugeben.

Die gar gekochte Hammelschulter in Scheiben schneiden, über den Wirsing geben. Die Brühe (etwa 1 Liter) darüber seihen und die in Würfel geschnittenen Kartoffeln dazugeben.

Die Röhre auf 180 °C vorheizen und die Kasserolle hineinstellen. Den köstlichen dick gehaltenen Eintopf gut eine halbe Stunde dünsten. Erst kurz vor dem Garende die mittels Knoblauchpresse zerdrückten Knoblauchzehen in den Eintopf geben.

Angerichtet wird wie folgt:

Wirsingkohl und Kartoffeln dienen als Unterlage auf dem Teller, darauf kommt die in Scheiben geschnittene Hammelschulter. Dann streut man die ganz frisch gehackte Petersilie darüber.

ELLA BRACHMANNS SAUERKOHLSUPPE

500 g gekochte Rinderbrust • etwas Wurzelwerk • 1 Lorbeerblatt Pimentkörner • 2 mittlere Zwiebeln • 100 g Schweineschmalz • 1 kg frisches Sauerkraut • 200 ml saure Sahne • 1 ½ l Brühe von der Rinderbrust • 1 kg Kartoffeln • Salz • Pfeffer • Zucker • 1 Bund frische Petersilie

Rinderbrust in kaltem Salzwasser ansetzen und mit etwas Wurzelwerk, Lorbeerblatt und Pimentkörnern über mehrere Stunden langsam gar ziehen. Die Brühe darf nicht kochen! Nach Garende etwa 1½ l Brühe aufheben.

In Streifen geschnittene Zwiebeln in Schweineschmalz in einer Kasserolle andünsten, dann das Sauerkraut hinzugeben. (Sauerkraut vor der Verwendung probieren. Besonders saures Sauerkraut mehrmals mit kaltem Wasser in einem Durchschlag abspülen!)

Dann die in kleine Würfel geschnittene Rinderbrust und die geschälten, geviertelten Kartoffeln hinzugeben. Mit etwas Salz, Pfeffer und Zucker würzen. Mit der sauren Sahne und der Rinderbrühe auffüllen, so daß die Kartoffeln gerade bedeckt sind.

Ofen auf 200 °C vorheizen. Die Kasserolle fest verschlossen in die vorgeheizte Röhre stellen. Das deftige Gericht 1 Stunde in der Röhre schmoren lassen.

Vor dem Servieren den Eintopf mit frisch gehackter Petersilie bestreuen!

Die folgenden Gerichte sind dem Rezeptbuch Ella Brachmanns wörtlich entnommen und nicht verändert.

DER „DEUTSCHTOPF“

Das Fleisch einer Rinderhesse wird in kleine Stücke geschnitten und mit Zwiebelwürfeln (2 mittlere Zwiebeln) sowie Salz, Pfeffer und edelsüßem Paprika auf kleinem Feuer gedämpft.

Wenn es halbgar ist, gibt man die in Würfel geschnittenen Kartoffeln dazu. Für 4 Personen sollte man mindestens 1 Kilo Kartoffeln verwenden. Dann füllt man mit heißem Wasser auf, so daß die Kartoffeln gerade bedeckt sind.

Wenn es zu köcheln anfängt, sollte man schon einmal abschmecken, ob es zu scharf ist oder nicht. Dann etwas nachsalzen! Man würze weiterhin mit Thymian, Zitronenschale und Kümmel.

10 Minuten vor dem Garwerden lege man 2–3 geröstete Schwarzbrotscheiben auf die brodelnde Suppe. Mit einem Holzlöffel tauche man diese unter und lasse sie zerkochen.

Die gerösteten Schwarzbrotscheiben geben der Suppe, die dick gehalten werden sollte, ihren unnachahmlichen Geschmack.

Ella Brachmann hat dieses Rezept mit einigen Zusätzen versehen. Sie schrieb z. B., daß auch harte Pfefferkuchen sich ganz gut eignen, aber etwas eher als das Schwarzbrot an die Suppe kommen müßten.

Dazu hatte Ella Brachmann sich auch ein paar Herdeinstellungen notiert, zum Beispiel wenn sie bei ihrer Tante Ida in der Schirwindter Straße kochte.

Wörtlich zitiert: „Die Kohlen in Zeitungspapier wickeln und erst kurz vor dem Kochen auflegen. Dadurch hält die Glut länger und das Feuer brennt nicht so stark.“

Außerdem hat sie etliche persönliche Bemerkungen über Familienmitglieder aufgeschrieben, zum Beispiel: „Onkel Ernst nicht mehr einladen, wenn Tante Ida zugesagt hat. Rinderhesse bei Stammbach kaufen …“

ÜBERBACKENER HECHT AUF BUTTERNUDELN

Auf einer Unterlage von Butternudeln richtet man pro Person ein etwa 150 g schweres Hechtfilet an, welches man in einem würzigen Gemüsesud vorgedünstet hat. Dann überziehe man es mit einer Käsesoße und bestreue alles noch einmal mit geriebenem Parmesan.

Dann gebe man alles in die vorher erhitzte Herdröhre und wenn es goldgelb wird, beträufele man es mit zerlassener guter Butter.

Butternudeln:

400 g Mehl mit 4 Eigelb, sowie Salz und einem Teelöffel Öl zu einem geschmeidigen Teig vermengen. Den Teig solange kneten, bis er glatt und glänzend ist. Eine halbe Stunde ruhen lassen und dann erst schön dünn ausrollen.

In einem großen Topf Wasser ansetzen und mit Salz und 2 Teelöffel Öl zum Kochen bringen.

Jetzt den Nudelteig in feine Nudeln schneiden. Ins sprudelnde Wasser die Nudeln geben und unter häufigem Umrühren nicht mehr als 5 Minuten köcheln lassen.

Nudeln auf ein Sieb geben und mit kaltem Wasser übergießen.

Gut abtropfen lassen.

Butter in einem großen Tiegel zerlaufen lassen und die Nudeln anschwenken.

Käsesoße:

Das ist eine Rahmsoße bestehend aus Mehl, Milch, Eigelb, Butter und geriebenem Parmesan.

Butter (50 g) und Mehl (50 g) zu einer Schwitze anschwitzen und mit kalter Milch (1 Kaffeetasse voll) angießen. Aufkochen lassen und mit einem halben Liter Milch nach und nach auffüllen und gut durchkochen. Etwas erkalten lassen, dann das Eigelb und geriebenen Parmesan (etwa 50 g) dazu rühren.

Erinnerungen an den Königsberger Koch Meinhardt

Der Königsberger Koch W. Meinhardt, 1921

Bernhard Friedrich, geboren 1902 in Liegnitz/Schlesien, gestorben 1993 in Meiningen/Thüringen, war bis 1966 Lehrer an der Sprachheilschule in Meiningen und wegen seiner interessanten Erzählungen in seinem Unterricht bei vielen Schülern sehr beliebt. Besonders über Königsberg erzählte er sehr gern und so mancher Schüler lernte Ostpreußen kennen, obwohl es nicht in den Lehrbüchern zu finden war.

Bernhard Friedrich hatte 1927 bis 1930 an der Königsberger Universität studiert. Dann war er 10 Jahre Lehrer, erst in Königsberg und später im ostpreußischen Saalfeld (heute polnisch Zolewo). Von Saalfeld konnte er besonders viel berichten, war es doch eine alte Stadt, mit einer berühmten Kirche, der Pfarrkirche St. Johannis, im 13. Jahrhundert erbaut.

Bernhard Friedrich kehrte erst 1947 aus dem Krieg heim. Ab 1951 wandte er sich sprach- und stimmgestörten Kindern zu. Er war sehr einfühlsam und beschäftigte sich mit jedem seiner Schüler ausführlich.

Liegnitz in Schlesien um 1900

Da ich schon damals mit dem Kochberuf liebäugelte, sprachen wir manchmal, wenn ich ihn in seinem Gewächshaus besuchte, über die ostpreußische Küche.

Bernhard Friedrich hatte als Student in Königsberg den bekannten Koch Meinhardt kennengelernt. Oft erzählte mir Bernhard Friedrich von ihm und meinte, daß dieser viel auf seine Kochehre hielt und im „Blutgericht“, einer Gaststätte im Königsberger Schloß, eine deftige Küche kochte, wo er auch wegen seiner derben Sprüche bekannt und gefürchtet war. Einmal soll Meinhardt einem Stammgast, der ihn kritisiert hatte, bei dessen nächstem Besuch eine einprägsame Lehre erteilt haben.

Anläßlich eines Geschäftsabschlusses hatte der kritische Gast zwei Nürnberger Kaufleute zum Essen eingeladen und einen mit Kastanien gefüllten Truthahn bestellt. Denn der Koch Meinhardt war wegen seiner Truthahn-Spezialitäten berühmt, nachfolgende Rezepte beweisen es.

Jedenfalls hatte der Königsberger Großkaufmann beim letzten Besuch im „Blutgericht“ etwas zu viel vom schweren Rotwein getrunken und den Küchenchef ermahnt, beim nächsten Besuch ihm und seinen Gästen einen wirklich frischen Truthahn zu servieren. Meinhardt tat dies auch – er briet einen ganz frisch geschlachteten Truthahn, ohne diesen abzuhängen…

Der Koch Meinhardt wohnte unweit der Grünen Brücke in Königsberg und ging auch sehr gern zu Kollegen essen und „quatschen“. 1880 kam Meinhardt beim berühmten Küchenchef Escoffier im Grandhotel Monte Carlo als Entremetier (Gemüsekoch) zu Ehren und arbeitete kurze Zeit mit Escoffier zusammen im Londoner Savoy-Hotel. 1882 heiratete Meinhardt Ernestine Wolfen und kehrte mit ihr nach Königsberg zurück.

In der Nähe der Grünen Brücke bezogen sie eine gemütliche Wohnung, wo auch der junge Student Bernhard Friedrich aus Liegnitz eine Unterkunft mit Familienanschluß fand.

Wissenswertes vom Truthahn

Der Truthahn – auch Puter oder Welschhahn genannt – ist das größte Schlachtgeflügel, welches in unseren Breiten gehalten wird. Das Truthahnfleisch ist nicht nur sehr bekömmlich sondern auch von hohem ernährungsphysiologischen Wert.

Ursprünglich stammt der Truthahn aus Amerika, aber die Spanier brachten ihn nach Europa. In einem Jesuitenkloster wurde der große Küchenvogel gezüchtet. In Amerika lebt der Truthahn teilweise heute noch wild, wobei der gezüchtete stärker und größer ist, aber kürzere Beine hat. Bei guter Mast wird der Truthahn sehr schnell fett. In Frankreich mästet man Truthähne mit Walnüssen, wodurch das Geflügel sehr schmackhaft wird.

Aus den Aufzeichnungen von Meinhardt geht hervor, daß er entweder von einem Bauern aus Quednau (etwa 10 km vom Königsberger Schloß entfernt) oder vom Gut Ratshof seine herrlichen Puten bezog.

Regelmäßig fuhr er mit seiner Frau über Land, um Truthähne zu ordern. Die Besitzer von Gut Kalgen, Gut Spandienen und Beydritten waren sehr erpicht auf die Geschäfte mit dem Koch, denn sie wußten, daß er auch als Zwischenhändler für seine Fachkollegen in Berlin, Hamburg und sogar London auftrat.

Um die Weihnachtszeit wurde besonders in und um Königsberg in vielen Bürgerhäusern Truthahn auf die Familienspeisekarte gesetzt. Wenn der Truthahn auch nicht das feinste Geflügel ist, so ist er doch sehr schmackhaft. Er darf jedoch nicht älter als ein Jahr sein, wenn er einen saftigen Braten geben soll. Ältere Tiere eignen sich nur noch zum Dämpfen. Man erkennt einen jungen Truthahn an der weichen, feuchten, grundweißen Haut. Zeigt sich die Haut der Beine dagegen trocken, rötlich und hornartig, so ist das Tier älter.

Bernhard Friedrich, 1970

Noch beliebter als Truthahn wurde mehr und mehr das zartere Fleisch der Truthenne, obwohl das Fleisch des Hahnes dreierlei Fleisch aufweist, das mit Schwein-, Rind- und Kalbfleisch vergleichbar ist. Das beste Fleisch ist das weiße Brustfleisch, es ähnelt Kalbfleisch. Das Hals- und Seitenfleisch ist etwas fett und kann mit Schweinefleisch verglichen werden. Das Keulenfleisch ist bräunlich und ähnelt Rindfleisch.

Truthahngeflügel nie frisch geschlachtet verarbeiten! Erst, wenn es durch mehrtägiges, kühles Abhängen mürbe geworden ist, kann man es verwenden.

Man fülle die Truthenne mit viel Trüffeln oder Kastanien. Besonders leckere Vorspeisen lassen sich aus den großen fleischigen Flügeln zubereiten.

Meinhardt hatte etliche Zubereitungshinweise in seinen Aufzeichnungen festgehalten. So zum Beispiel, daß die Kalahari-Trüffel zwar nicht so geschmacksintensiv wie die aus Frankreich, aber viel preiswerter sind. Auch Händleradressen bis nach Kapstadt und Windhoek sind vermerkt.

Besonderes Augenmerk legte Meinhardt auf das Ziehen der Sehnen aus den Putenkeulen. Dies geht besonders leicht, wenn man die Rückseite der Beine von der Sohle bis zum ersten Gelenk aufschneidet und dann die freigelegten Sehnen mit einem Tuch einzeln herauszieht, was bei alten Tieren einen großen Kraftaufwand erfordert.

PUTENFLÜGEL NACH GUTSHERRENART (Gut Kalgen um 1880)

4 Paar Putenflügel • 1 l Wasser • 1 TL Salz • 10 Pfefferkörner • 100 g frische Champignons • 50 g Paniermehl • 1 EL mittelscharfer Senf • 50 g Butter • frische Petersilie • 1 Zitrone

Die Putenflügel sauber putzen, in etwas Wasser mit Salz und Pfefferkörnern weich dämpfen und auf einem Abtropfgitter abkühlen. Die frischen Champignons ganz fein hacken und mit Paniermehl vermischen. Nun die ausgekühlten Flügel leicht salzen und mit Senf bestreichen.

Dann im Paniermehl-Champignon-Gemisch wenden. Das Gemisch schön fest andrücken, die panierten Putenflügel mit Butter beträufeln und auf einem Blech in der heißen Röhre bei 180 Grad backen. Mehrfach vorsichtig wenden. Auf einer Platte anrichten und mit frischer Petersilie und Zitronenscheiben garniert servieren.

GETRÜFFELTER TRUTHAHN (Originalrezept nach W. Meinhardt, um 1920)

1 junger Truthahn (ca. 2 kg, ausgenommen) • 400 g Trüffeln (TK-Ware) • 500 g Kalbfleisch (Hals) • 500 g Schweinefleisch (etwas fett) • 4 Eigelb • Pfeffer • Salz • 4 cl Madeira • 2 cl Cognac • 1 Putenleber (ca. 250 g) • 50 g Butter • 150 g Speck • 1 l Geflügelbrühe • 50 g Mehl

Den Truthahn rupfen und ausnehmen. Den Kopf beim Hals abschneiden, den Hals bis zum Rückgrat herausnehmen und dann von Gurgel und Kropf befreien.

Die Trüffeln reinigen oder wenn es gefrorene sind, diese im Kühlschrank auftauen lassen. Die Trüffeln teilen, die eine Hälfte ist für die Füllung und die andere Hälfte in grob geschnittenen Scheiben extra für das Truthahninnere. Die Trüffeln für die Füllung kleinschneiden und in eine Schüssel geben.

Das Kalbfleisch und das Schweinefleisch durch die feine Scheibe eines Fleischwolfs drehen und 4 Eigelb daran geben. Dann noch einmal alles durch die feine Scheibe des Fleischwolfs drehen. Die Masse mit Pfeffer, Salz, Madeira und Cognac vermengen, mit den Händen vorsichtig durcharbeiten. Kein elektrisches Handrührgerät verwenden, da dieses selbst mit Knethaken die Trüffel zerstören würde!

Königsberger Universität

Die Putenleber in Würfel schneiden, in Butter anschwenken, bis sie leicht gebräunt sind. Mit etwas Madeira ablöschen. Die Fleischwürfel ebenfalls unter die Füllmasse geben.

Bevor man den Truthahn füllt, vorsichtig die Haut um die Brust lösen und die in grobe Scheiben geschnittenen restlichen Trüffeln darunter schieben, die ganze Brust sollte bedeckt sein. Die Füllung nun in die Hals- und Kopfhaut geben, den Rest in das Innere des Truthahns. Dann den Truthahn zunähen und mit feinem Speck umhüllen und in der auf 200 Grad vorgeheizten Röhre in Butter in einem Bräter anbraten. Die Garzeit beträgt etwa 1 bis 1½ Stunden. Je älter und je schwerer der Truthahn, um so länger ist die Garzeit in der Röhre. An den Keulen ist erkennbar, ob der Puter gar ist oder nicht! Läßt sich das Fleisch bis zum Knochen durchdrücken, ist der Truthahn gar. In der ausgeschalteten Röhre zum Warmhalten lassen.

Den Bratenfond mit etwas Geflügelbrühe (aus den Flügeln gekocht) verkochen. Oder Geflügelbrühe aus Instantpulver für den Bratenfond nehmen. Den Fond mit einem Wasser-Mehl-Gemisch andicken, vorsichtig mit Salz und Pfeffer würzen. Alles noch einmal aufkochen. Die Soße durch ein Sieb gießen und extra servieren.

Im „Königsberger Blutgericht“ wurde der getrüffelte Truthahn immer mit Rotkraut und Salzkartoffeln serviert.

Die folgenden Rezepte sind wiederum originalgetreu vom Verfasser übernommen aus dem persönlichen Kochbuch Meinhardts, handgeschrieben um 1900.

TRUTHAHN MIT MARONENFÜLLUNG

2 kg Maronen werden gewaschen und kreuzweise eingeschnitten in einen Fritierkorb gegeben. Man lasse die Maronen 3 Minuten im siedenden Öl und gebe sie dann zum Abtropfen auf ein Gitter. Dann werden die Maronen geschält und in Fleischbrühe nochmals durchgekocht. Hier muß man aber aufpassen, daß die Maronen nicht zerfallen!

Aus einem Kilogramm mageren Schweinefleisch, welches man durch die feine Fleischwolfscheibe gedreht und nochmals durch ein Haarsieb gestrichen hat, bereitet man eine Füllung zu. Mit Salz und weißem Pfeffer, den Maronen und einer gebratenen Putenleber, welche man in kleine Würfel geschnitten hat, vollende man die Füllung, indem man alles vorsichtig durchknetet. Damit fülle man den Truthahn und umhülle ihn mit Speck. Truthahn mit Maronenfüllung wird dann wie der getrüffelte Truthahn weiterverarbeitet.

Herr Meinhardt empfiehlt hierzu Semmelknödel und Grünkohl.

Königsberg um 1915