OUTLAND - Alan Dean Foster - E-Book

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Alan Dean Foster

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Beschreibung

OUTLAND nennt man die Weiten des Sonnensystems jenseits der Mars-Bahn. In diesen dunklen Gebieten indes sind Erze zu finden, die von der Industrie der Erde dringend benötigt werden. Der Planetoiden-Gürtel wird durchkämmt, auf den Jupitermonden werden gewaltige Bergwerke errichtet. Die Investitionen sind gigantisch. Es müssen Gewinne gemacht werden, doch immer weniger Arbeiter sind bereit, sich ein Jahr nach OUTLAND zu verpflichten, ein Jahr der Einsamkeit, der Schufterei und der flüchtigen Freuden bei einem Leben auf engstem Raum unter unmenschlichen Bedingungen. Es mehren sich die Unfälle durch menschliches Versagen, Selbstmorde. O'Niel, Polizei-Marshal in einem Grubenkomplex auf dem Jupitermond Io glaubt nicht an "menschliches Versagen", nicht bei so alten Profis, wie sie unter den Opfern zu finden sind. Er geht der Sache nach und findet heraus, dass auf der Station eine Droge verkauft wird, mit der die Arbeiter ihre Arbeitsleistung und damit ihren Verdienst erhöhen können. Dies geschieht mit Billigung des Managements, weil sich dadurch auch die Profite erhöhen. Nur verschweigt man den armen Teufeln, dass die Droge einen fatalen Nebeneffekt hat: Sie zerstört das Gehirn. O'Niel sagt diesen Machenschaften den Kampf an - doch er steht völlig allein. Die Arbeiter wollen ihre Droge, das Management und die Dealer ihren Profit. Und bald sind gnadenlose Killer hinter ihm her... OUTLAND von Alan Dean Foster ist die packende Roman-Adaption des gleichnamigen Science-Fiction-Films aus dem Jahr 1981 (Drehbuch und Regie: Peter Hyams) – eine Art High Noon im Weltraum, düster und knallhart; mit Sean Connery als William T. O'Niel, Peter Boyle als Mark Sheppard, Frances Sternhagen als Dr. Marian Lazarus und Steven Berkoff als Sagan.

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ALAN DEAN FOSTER

Outland

Roman

Apex Science-Fiction-Klassiker, Band 37

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

OUTLAND 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Epilog 

 

Das Buch

OUTLAND nennt man die Weiten des Sonnensystems jenseits der Mars-Bahn. In diesen dunklen Gebieten indes sind Erze zu finden, die von der Industrie der Erde dringend benötigt werden. Der Planetoiden-Gürtel wird durchkämmt, auf den Jupitermonden werden gewaltige Bergwerke errichtet. Die Investitionen sind gigantisch. Es müssen Gewinne gemacht werden, doch immer weniger Arbeiter sind bereit, sich ein Jahr nach Outland zu verpflichten, ein Jahr der Einsamkeit, der Schufterei und der flüchtigen Freuden bei einem Leben auf engstem Raum unter unmenschlichen Bedingungen.

Es mehren sich die Unfälle durch menschliches Versagen, Selbstmorde. O'Niel, Polizei-Marshal in einem Grubenkomplex auf dem Jupitermond Io glaubt nicht an »menschliches Versagen«, nicht bei so alten Profis, wie sie unter den Opfern zu finden sind. Er geht der Sache nach und findet heraus, dass auf der Station eine Droge verkauft wird, mit der die Arbeiter ihre Arbeitsleistung und damit ihren Verdienst erhöhen können. Dies geschieht mit Billigung des Managements, weil sich dadurch auch die Profite erhöhen. Nur verschweigt man den armen Teufeln, dass die Droge einen fatalen Nebeneffekt hat: Sie zerstört das Gehirn.

O'Niel sagt diesen Machenschaften den Kampf an - doch er steht völlig allein. Die Arbeiter wollen ihre Droge, das Management und die Dealer ihren Profit. Und bald sind gnadenlose Killer hinter ihm her...

Outland von Alan Dean Foster ist die packende Roman-Adaption des gleichnamigen Science-Fiction-Films aus dem Jahr 1981 (Drehbuch und Regie: Peter Hyams) – eine Art High Noon im Weltraum, düster und knallhart; mit Sean Connery als William T. O'Niel, Peter Boyle als Mark Sheppard, Frances Sternhagen als Dr. Marian Lazarus und Steven Berkoff als Sagan.

OUTLAND

Für Emery Morris, ehemals Sheriff im Shackleford County, Texas -

jenen Mann, den ich von allen Polizisten am besten leiden kann,

weil er sicher O'Niel versteht...

  Erstes Kapitel

Nahezu alles musste auf Io importiert werden, sogar die Liebe.

Es war kein Arbeitsplatz, der bei den Leuten, die dort ihren Dienst versehen hatten, angenehme Erinnerungen wachrief. Die Männer und Frauen, die dorthin geschickt wurden, um die Bodenschätze des Planeten auszubeuten, empfanden keine Zuneigung zu ihrer neuen Heimat auf Zeit. Im Gegenteil, um Io zu ertragen, bedurfte es einiger Anstrengungen, weil die menschlichen Gefühle und Gewohnheiten drastischen Umstellungen unterworfen wurden, was, so weit von der warmen Erde entfernt, das Leben sicher nicht erträglicher machte.

Trotzdem haben mich die neuen Lebensumstände nicht gänzlich umgekrempelt, dachte O'Niel.

Natürlich waren die letzten Jahre nicht einfach gewesen. Doch er hatte sich an solche Orte wie Io gewöhnt, so weit man sich eben daran gewöhnen konnte.

Er lag in seinem Bett in dem dunklen Raum, hatte die Hände hinter seinem Kopf verschränkt und starrte zur Decke empor. Die Leuchtanzeige der Digitaluhr neben ihm verbreitete einen sanften, unwirklich grünen Schimmer. Die Zimmerdecke war ein rußiges Dunkel, dem darüber liegenden Weltraum angepasst, ein dunkler Vorhang ließ die Schatten in diesem Schlafzimmer noch dunkler erscheinen.

Gewöhnlich hatte O'Niel keine Schwierigkeiten, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Doch heute Nacht waren ihm die Schatten in den Kopf gekrochen, verwirrten und beängstigten ihn. Sie störten seine Gedankengänge, hinterließen Unsicherheit und Unentschlossenheit, ließen die Zukunft dunkel erscheinen.

Es war eine Zukunft, die eng mit dem geschmeidigen, schemenhaften Körper verbunden war, der neben ihm ruhte. Er rollte sich auf die Seite und stützte sich auf den Ellenbogen, betrachtete sinnend die vertrauten weichen Rundungen, die sich deutlich unter der dünnen Decke abzeichneten.

Warum kann ich dir nie sagen, was ich für dich empfinde?, fragte er sich. Weißt du eigentlich, Carol, wie sehr ich dich brauche? Wie sehr ich dich und Paulie liebe? Ich weiß, ich bin kein guter Redner und noch weniger ein Poet. Doch ohne euch wäre ich verloren. Ich wünschte, ich hätte jetzt den Mut, dich zu wecken und dir dies zu sagen.

Draußen war es sehr kalt, viel kälter, als es sich die meisten Menschen vorstellen konnten, es wohl auch kaum jemals erfahren würden. Drinnen, hier und jetzt, in diesem weichen Bett, war es warm und bequem, fühlte er sich geborgen. Wie schön wäre es, dieses Gefühl statt nur weniger Stunden an jedem Tag und der Bewusstlosigkeit der Nacht für immer zu haben!

Doch das war unmöglich. Er rief sich zur Ordnung. Er hatte einen nüchternen, aufreibenden Job zu verrichten, eine Arbeit, die der Unwirtlichkeit los entsprach. Doch eines Tages vielleicht... Das schwor er sich, schwor er der Frau, die neben ihm schlief.

Nur noch diese eine Verpflichtung, Carol. Nur noch dieses eine Jahr.

Er streckte seine Hand aus und streichelte sanft über die Kurve ihrer Hüfte, folgte den weichen Linien ihres Körpers bis zur Schulter und berührte mit den Fingerspitzen leicht ihr üppiges Haar und ihre Wange. Bei der Berührung regte sie sich leicht im Schlaf.

Sie ist so schön, dachte er. Selbst wenn sie im Schlaf mir fern ist, ist sie wunderschön. Ich darf sie nicht verlieren, darf kein Risiko mehr eingehen. Ganz bestimmt der letzte Auftrag! Dann können die Gesellschaft und alle anderen meinetwegen zur Hölle fahren. Es gibt wichtigere Dinge als einen lausigen Job.

Irgendetwas in ihm erinnerte ihn daran, dass er sich das schon öfter vorgenommen hatte, nur um sein Gewissen zu beruhigen, und dann letztlich doch immer wieder weich geworden war.

Doch diesmal ist es mir ernst, redete er sich ein, dies wird das letzte Mal sein.

Wieder berührte er sie, seine Hand glitt tiefer, seine Fingerspitzen empfanden die Wärme ihres nackten Rückens wie einen sanften Schock. Sie streckte sich im Schlaf und zog die Decke bis zum Hals empor.

O'Niel rollte sich herum und schloss die Augen. Langsam verflüchtigten sich die Schatten in seinen Gedanken und vereinigten sich mit der Dunkelheit im Zimmer. Er fiel in den leichten, unruhigen Schlaf, der für Leute seines Berufes typisch und notwendig war...

Der Mensch hatte seinen Lebensraum über die Grenzen eines einzigen Planeten, über seine ursprüngliche Luftblase hinaus ausgedehnt. Er schickte Bodenproben von den Monden des Neptun, suchte tief unter der Oberfläche des Mondes und des Mars nach Bodenschätzen. Er diente dem blühenden Wohlstand, der sich zwischen dem roten Planeten und dem riesigen Jupiter immer weiter ausbreitete.

Die meisten Planeten waren rau, öde und gefährlich. Doch von ihnen allen war keiner so schlimm wie Io.

Der Himmel über Io war nur sehr klein und ebenso schwarz wie die dunkle Seite des Pluto. Statt eines Firmaments gab es einen Begleiter. Touristen hätten den >Begleiter< sicherlich aufregend, schön und ehrfurchtgebietend gefunden, doch nach Io kamen keine Touristen. Auf Io konnte man nur arbeiten und versuchen, auf die bestmögliche Art und Weise zu überleben.

Der Begleiter hatte die Form eines monströsen, aufgeblähten Globus, der wie eine gelb- und orangefarbene Hölle schimmerte. Vor langer Zeit hatten die Menschen ihn nach dem Göttervater Jupiter benannt. Die Götter der Menschen erwiesen sich als sehr kurzlebig, Jupiter war es nicht.

Die Männer und Frauen, die sich auf Io abmühten, erfanden andere Namen für den riesigen Planeten, Namen, die ebenso bildhaft waren, häufig anzüglich, manchmal obszön. Für sie war der Planet nichts Bewunderungswürdiges. Er bedeutete für sie die ständige Erinnerung an ihre gefährliche Lage und an die enorme Entfernung von der Geborgenheit ihrer warmen Häuser auf Luna, Mars oder Erde.

Sein umwerfender Eindruck auf Neuankömmlinge wurde von den erfahrenen loten immer wieder mit Interesse beobachtet. Sie machten sich einen Scherz daraus, Neuankömmlinge einem ungeschriebenen, zwanglosen Test zu unterwerfen. Maßstab bei diesem Test, den die Bedienungsmannschaften der Fährstation, die die Neuankömmlinge als erste begrüßten, immer wieder heimlich mit ihnen anstellten, war der Grad ihres Erschreckens.

Es ist eine Sache, den Jupiter aus dem Inneren eines Raumschiffes zu betrachten, in dem sicheren Gefühl, dass die starken Schiffsantriebe der unglaublichen Anziehungskraft des Planeten jederzeit entgegenwirken konnten. Eine andere Sache aber ist es, wenn man aus der Fähre die Io-Station betritt, einen Blick durch die durchsichtigen Wände der Zubringerkorridore wirft und plötzlich eine Masse von fast zwei Billiarden Milliarden Tonnen über seinem Kopf hängen sieht, eine Masse, die einen jeden Moment wie ein unnützes, lästiges Insekt zu zerquetschen droht.

Die Stationsbedienung beobachtete jedes Mal mit diebischer Freude, wie heftig oder wie häufig ein Neuankömmling bei diesem verheerenden Anblick zurückfuhr oder zusammenzuckte. Je schneller und stärker der Schreck, je häufiger, desto kürzer war die Zeit, die dieser Mensch in der Lage war, auf Io zu ertragen.

Wenn man natürlich einen Zeitvertrag unterschrieben hatte wie die meisten der Wanderarbeiter, dann war man festgenagelt. Man brach keinen Vertrag mit der Gesellschaft.

Es gab noch einen Test, der aber erst später stattfand, den sogenannten Sprungtest. Die Stationsmannschaft versicherte den neuangekommenen Arbeitern, dass man die Anziehung der immensen Schwerkraft des Jupiter tatsächlich auf Ios Oberfläche spüren könne. Bei los schwachem Kraftfeld, so behaupteten sie, liefe ein guter und sorgloser Springer Gefahr, durch die Anziehungskraft des Jupiter in den Weltraum gesogen zu werden, wenn er zu hoch springe.

Und das wäre das Ende, denn die Arbeiter auf Io wussten genau, dass die Hölle nicht rot war. Dante hatte Unrecht. Die Hölle war gelb-orange, gestreift wie ein Dutzend gereizter Tiger, und sie starrte als riesiges, rotglühendes Auge drohend auf einen nieder.

Ein Meteor hatte vor langer Zeit bei seinem Einschlag einen riesigen Krater auf dem Jupiter-Trabanten hinterlassen. Vor wenigen Jahren waren dann die Menschen gekommen und hatten in seinem Innern die Mine angelegt. Und diese Mine war der Grund für ihre Anwesenheit an einem ansonsten so abschreckenden, öden Ort.

Zuerst waren Forscher gekommen, hatten ihre Untersuchungen gemacht, Flaggen ihrer Nationen aufgestellt, feierliche Worte gesprochen und waren dann wieder verschwunden. Andere Menschen folgten, Menschen, die keine Sprüche machten. Die meisten fanden nichts, doch eine Gruppe erschöpfter Prospektoren hatte in diesem Krater eine Entdeckung gemacht, die von bleibendem Interesse war.

Sie stießen auf die riesige Erzader eines Minerals, das unter dem Namen Ilmenit bekannt war. Ilmenit war ein Produkt aus los vulkanischer Vergangenheit. Es bildete das Grundelement für das Metall Titanium, aus dem man unter anderem auch die Außenhülle der Raumschiffe herstellte. Die Entdeckung des riesigen Vorkommens auf Io sorgte erst einmal für Streit und Zwistigkeiten unter den Menschen, einige büßten dabei ihr Leben ein. Doch schließlich wurde die Mine errichtet.

Sie war, gemäß ihrer Bedeutung, für das internationale Konsortium, das sie betrieb, eine große Mine. Sie war schnell gewachsen, würde aber mit der gleichen Schnelligkeit wieder verschwinden, sobald das Vorkommen an Ilmenit sich erschöpft hatte. Doch im Moment war sie ein atmendes, funktionierendes Wesen voller Leben.

Die Männer und Frauen, die hier einen Teil ihres Lebens verbrachten, erfanden für die Zeit, die sie hier zu leben gezwungen waren, ebenfalls einen Namen. Die Erfindungsgabe von Menschen in solchen Ausnahmesituationen wie dem harten, gefährlichen Leben auf Io ist, zumindest bezüglich der Sprache, nahezu unerschöpflich und erstaunlich.

Wie ein träges, urweltliches Monster kroch die Mine am steilen Hang des Kraters empor, streckte ihre Metalltentakel nach seinem Rand und trieb Stahlrohren tief in seinen Grund und seine Flanken. Aus der Ferne wirkte sie wie das Kunstwerk eines talentierten Kubisten, ihre hellschimmernden Türme und Leuchten erinnerten an einen festlich geschmückten Weihnachtsbaum. Aus der Nähe jedoch schwand dieser Eindruck, und es blieb eine nüchterne, technische Welt.

Durchsichtige Röhren und Zugangswege bildeten das Gerippe der Mine. Die dünnen Metall- und Plastikstränge schienen kaum in der Lage, dem Druck der kostbaren Atmosphäre, die das Leben auf Io erst ermöglichte, standhalten zu können. Immer wieder gab es Lecks und Bruchstellen, die man hastig ausbesserte und zusammenschweißte. Solche Reparaturen wurden mit großer Sorgfalt ausgeführt, mit mehr jedenfalls, als man auf den Maschinenpark verwendete. Beschädigte Maschinen bedeuteten nur ein bisschen rote Tinte, gebrochene Tunnel und undichte Korridore dagegen den Tod.

Das Minengebäude war zwar nicht schön, aber durchdacht angelegt. Seine Gerüste und Fördertürme erstreckten sich über mehr als hundert Meter an den Kraterwänden hin. Die unteren Abschnitte lagen im Dunkeln. Die Türme schienen zu zierlich, um Menschen tragen zu können, geschweige denn die schwere Förderausrüstung. In dieser Hinsicht erwies sich los geringe Schwerkraft als wahrer Segen.

Der Jupiter hing bewegungslos über der Anlage, am Boden des Kraters herrschte Dunkelheit. Bei einer solch abwechslungsreichen Beschaffenheit der Umgebung war es leicht, sich ganz auf seine Arbeit zu konzentrieren.

Die Fördertürme bestanden aus einem stark oxidierten Metall. Der orangefarbene Anstrich wetteiferte mit der Farbe des Jupiter, ein unbeabsichtigter Effekt. Die meisten Männer und Frauen, die, wie ihre Vorgänger, auf den Streben und Leitern der Türme herumturnten, kannten nicht den Namen des Metalls, das ihr Gewicht trug. Doch eines war ihnen allen klar: das Gerüst enthielt nur wenig, wenn überhaupt etwas Titanium. Dieses kostbare Metall war zu wertvoll, um für die Sicherheit von ein paar ersetzbaren Minenarbeitern verwendet zu werden.

»Ein Jahr«, erzählten sie einem. Nur ein einziges Jahr harter Arbeit, und man hätte sein Soll erfüllt und könnte reich und zu

frieden nach Hause zurückkehren. Wenn man den Vertrag unterschrieb, schien ein einziges Jahr so kurz. Nur ein lausiges Jahr, und dafür mehr Geld, als man in fünf Jahren auf der Erde verdienen konnte. Nach dem ersten Monat begann man sich dann zu fragen, ob man wirklich eine so gute Wahl getroffen hatte. Nach zweien wünschte man dann, man hätte nicht unterschrieben. Doch nach sechs Monaten waren der Vertrag und alles andere nicht mehr so wichtig. Nach neun Monaten erwischte man sich dabei, wie man schon die restlichen Minuten, nicht die Tage, bis zum Ablauf der Vertragsfrist zählte. Nach elf Monaten dann musste man sich dazu zwingen, nicht laut zu schreien. Sehnsüchtig schaute man hinter jeder Raumfähre her, die ohne einen startete. Voraussetzung dafür war natürlich, dass man das Glück hatte, elf Monate zu überleben.

Es gab keinen Friedhof, keinen Stiefelhügel auf Io. Graben war teuer, und die Stollen in der Mine eigneten sich nicht als Grabstätten. Der bekannteste Witz diesbezüglich besagte, dass die Gesellschaft jedem, der auf Io starb, eine kostenfreie Besichtigung des Sonnensystems und einen Flug ohne Rückkehr in die Sonne garantierte. An diesem Witz war nicht viel Lustiges, doch jede Art von Humor war bei den Minern stets willkommen.

Alle Arbeiter trugen Miniatursonnen, Scheinwerfer mit hellem Strahl, vom Sonnenlicht gespeist, Lampen, die ihre Energie von riesigen Solarsammelzellen bezogen. Die ungeheuren Solarpaneele auf Io waren tatsächlich in der Lage, dem kleinen, weit entfernten Stern Sol Energie abzuzapfen. Die Arbeitslampen, deren Lichtschein ständig über die Kraterwände spielte, ließen aus der Ferne den Eindruck entstehen, als würde die Mine von einer Unzahl von Glühwürmchen betrieben.

Auf der Erde, wo das Arbeitsgerät gebaut worden war, wirkte es gigantisch. Doch der Jupiter änderte diesen Eindruck schnell, wie er alle Maßstäbe verkleinerte.

In der Mine erschienen die schweren Kräne und Raupenfahrzeuge wie Spielzeuge. Sie rumpelten über den immer höher aufsteigenden Kraterrand wie fette graue Käfer, die sich in den Fels fraßen.

Pumpen und Generatoren arbeiteten mit lautem Brummen, das jedoch niemand hören konnte. Dagegen fühlte man ihre Vibration an den Füßen und durch die Handschuhe des Arbeitsanzuges. Die Minenarbeiter entwickelten ein feines Gespür für sie. Verstummte sie einmal überraschend, konnte dies bedeuten, dass ein Raupenfahrer mit seinem Beifahrer eine kurze Rast einlegte. Es konnte aber auch sein, dass ein Bohrer gebrochen war und man wie der Teufel laufen und nach Deckung suchen musste, wollte man nicht von den umherschwirrenden Stahl- und Plastikteilen getroffen und zerfetzt werden.

Draußen in der Mine hatte jeder einen Kumpel. Man suchte sich ihn oder sie. Tat man das nicht, gab es niemanden, der auf einen achtgab, der einen vor lautlos stürzenden, scharfen Felsen warnte, die den Schutzanzug aufschlitzten, aus dem dann das Vakuum den Körper heraussaugte und wie in Zeitlupe auf den Kratergrund tief unten hinabstürzen ließ.

Ob Kräne oder Schraubenzieher, alles in der Mine hatte seine Bedeutung. Sogar die Farben der Arbeitsanzüge signalisierten eine Einteilung, die nichts mit Ästhetik zu tun hatte.

Die Bergleute im Krater trugen gelbe Anzüge, Kran- und Raupenfahrer rote, während das Wartungspersonal immer blaue Anzüge trug. Die Anzüge für das Management waren weiß, Ursache vieler Späße unter den anderen Arbeitern. Es gab keine Reinheit auf Io, außer der reinen Schwärze des Alls darüber.

Die Identifizierung persönlicher Art war durch das Namensschild gewährleistet, das jeder auf der linken Brusttasche eingenäht trug. Doch für das Management waren die Anzugfarben aussagekräftiger als die Namen.

Erfahrene Arbeiter verschmähten gelegentlich die Aufzüge oder Transportkörbe und sprangen von einer Arbeitsplattform zur anderen hinab, ohne sich etwas aus dem großen Höhenunterschied zu machen. Bei der geringen Schwerkraft war auch der schwächste Arbeiter in der Lage, riesige Sprünge zu vollziehen.

Die Jupiter-Jockeys, wie die langfristig verpflichteten Arbeiter genannt wurden, machten sich einen Spaß daraus, die Grenzen ihrer athletischen Fähigkeiten auszuloten. Sie entsetzten Neulinge mit wagemutigen, gefährlichen Sprüngen von einer Weite, die die an ihren Arbeitsanzügen befestigte Sicherheitsleine gerade noch zuließ, und riskierten dabei Kopf und Kragen.

Von einem Miner, einem Oldtimer mit einem Vierjahresvertrag, der Gomez hieß, kursierte das Gerücht, dass er den Sprung in das lauernde Schwerkraftfeld des Jupiter geschafft hatte. Er war mit einer solchen Kraft in die Höhe gesprungen, dass seine Sicherheitsleine riss. Seine Kameraden waren zusammengeströmt und hatten angeblich beobachtet, wie er immer höher auf seinen gelb-orangefarbenen Tod zutrieb. Sein letztes Wort, so wurde erzählt, soll Scheiße! gewesen sein, ausgerufen in dem seltsam weichen, singenden Tonfall seines Heimatortes Chiapas.

Den Kameraden blieb angeblich keine andere Möglichkeit, als das Geschehen fassungslos zu verfolgen. In der Nähe der Mine waren keine Schiffe stationiert, mit denen sich eine solche Rettungsaktion hätte durchführen lassen. Nur die Fähre kam einmal in der Woche.

Die Jupiter-Jockeys gaben die Geschichte von Gomez sehr oft zum Besten und reicherten sie jedes Mal mit erfundenen Details und Eindrücken an. Die neuen Arbeiter lauschten staunend und kopfschüttelnd und fragten sich, wenn sie alleine waren, was daran wahr sein mochte. Dann starrten sie zu der riesigen, bedrückenden Masse des Jupiter über ihren Köpfen empor, schauderten zusammen und beeilten sich, an ihre Arbeit zurückzukommen. Es war besser, sich auf die Felsen unter ihren Füßen zu konzentrieren.

Jeder farbige Schutzanzug war eine kleine Welt für sich, vollgestopft mit flüssiger Nahrung, Wasser, einer eigenen Atmosphäre und wurde belebt durch die vielen Gespräche, die über die Kanäle des Sprechgerätes hereindrangen.

Auf der neunten Abbauebene fraßen sich hell glühende Schneidbrenner in den Fels, lösten große Erzbrocken aus der Kraterwand. Gelegentlich schaltete einer der Minenarbeiter sein Gerät ab und sprang zur Ebene Zehn empor. Jeder bewegte sich vorsichtig, achtete genau auf die Sicherheitsleinen seiner Kollegen. Die Bewegungen waren langsam und schwerfällig, als befänden sich die Menschen unter Wasser, obwohl sie sich in Wirklichkeit im Nichts bewegten.

Im Gegensatz zu den Körperbewegungen liefen die Unterhaltungen in beängstigender Geschwindigkeit ab. Wie ein ständiger Wasserfall bildeten die Gespräche der Miner eine dauernde Geräuschkulisse. Kommentare über die Herkunft der Meister und Vorarbeiter, raue Scherze, Flüche, Klagen und Spitzfindigkeiten wurden untermalt vom Stöhnen und Ächzen der Leute, die gewohnt waren, härter mit ihren Muskeln als mit ihrem Verstand zu arbeiten.

»Aussichtslos«, brummte der Mann, der laut angenähtem Namensschild auf der Brusttasche Walters hieß.

»Ich habe ihnen sofort gesagt, dass sie keinen automatischen Förderbagger hier reinkriegen. Würde zu viele Arbeitsplätze kosten, und außerdem ließen die alten Jockeys sie niemals damit durchkommen.«

Sein Kumpel, ein hünenhaftes Individuum namens Hughes, lachte spöttisch. Das Geräusch klang hohl und blechern über das Anzugsprechgerät und hinterließ ein schwaches Echo.

»Wollen wir wetten? Als sie sie auf den Plattformen Vierzehn und Dreiundzwanzig einführten, behaupteten sie, es sei nur ein zeitlich begrenzter Versuch. Nun, die Dinger sind immer noch da, auf beiden Ebenen, und nehmen den Jungs die Arbeitsplätze weg. Wenn du mich fragst, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis auch wir dran sind.«

Er betätigte den Ausschalter an seinem Schneidgerät und deutete an Walters vorbei nach links.

»Reich mir mal das Verbindungsstück. Mein Brenner spuckt. Ich setze besser eine neue Düse auf.«

Walters wandte sich um, nahm ein dünnes Metallrohr von einem Stapel und reichte es Hughes vorsichtig hinüber. Die Sichtplatte seines Helmes war teilweise beschlagen. Salzige Tropfen perlten von seinen Wangen und seinem Kinn. Schweiß im Anzug rief ein klammes, feuchtheißes Gefühl hervor, so dass der Träger glaubte, er befinde sich inmitten einer Herde dickwolliger

Schafe. Der intensive Körpergeruch verstärkte noch die Bildhaftigkeit dieses Vergleichs.

Doch der Schweiß bedeutete keine Gefahr für den Arbeiter. Aus diesem Grund schien es der Gesellschaft unnötig und überflüssig, zusätzliche Kosten in die Entwicklung besserer Anzüge zu investieren. Und gäbe es nicht die Hitze in den Anzügen, worüber sich die Arbeiter beschweren konnten - jedenfalls begründete man so diese Haltung -, dann fänden sie etwas anderes, über das sie meckern konnten, nicht wahr?

»Was ist mit Wooton?«

Walters hatte sich wieder dem ihm zugeteilten Stück Felswand zugewandt und ließ den Brenner mit einer spielerischen Zielsicherheit über den rauen, schwarzen Fels gleiten - mit einer Routine, die mehr durch Instinkt als vom Willen gelenkt wurde.

»Er ist doch Betriebsobmann. Was hat er gesagt? Wird die Union alles tun, um die Installation der Förderautomaten zu verhindern?«

»Ich sage dir, wie er sich geäußert hat. Gar nicht!«

Hughes Brenner schnitt eine vertikale Linie in den Fels - ein mit Kohlenstoff und Strom eingebranntes Ausrufungszeichen.

»Nichts hat er gesagt, als ich ihn danach fragte - überhaupt nichts!«

Walter schüttelte den Kopf, um seinen Widerwillen anzudeuten, obwohl diese Geste durch seinen Anzug hindurch nicht einwandfrei zu erkennen war.

»Sie versuchen immer wieder, uns eins auszuwischen. Verfluchte Gesellschaft! Als ob sie noch nicht genug Profit aus diesem Loch hier zögen. Nein, sie suchen immer noch nach neuen Wegen, um ein paar arme Schmocks wie uns um den Job zu bringen.«

»Ja, stimmt, sind alles Gangster da oben.«

Hughes machte über das Interkom ein obszönes Geräusch.

»Doch sie kommen damit nicht durch, glaub mir. Seit sie die Raumgeräte auf Vierzehn und Dreiundzwanzig haben, fahren sie nur noch Sieben-Mann-Schichten. Du kennst die Vertragsbedingungen genauso gut wie ich: Acht Arbeiter für jede Schicht. Schwarz auf weiß steht's da, acht Mann!«

Seine Stimme wurde leiser.

»Ich kenne die zwei, die abgezogen wurden. Mariel und Dortmunder. Gute Leute. Es ist, verdammt noch mal, eine Schande!«

Walters Stimme hob sich ein wenig.

»Nun, sie meinen, schlau zu sein, doch auch wir haben Köpfchen.«

Hughes ließ seinen Schneidbrenner sinken und schaute zu seinem Kumpel hinüber.

»Hast du etwas in der Hinterhand?«

»Verdammt richtig geraten! Ich bin's leid, immer herumgestoßen zu werden. Ich werde Wooton sagen, dass ich auf Einberufung einer Versammlung bestehe. Möglicherweise brauchen wir auch einen neuen Betriebsobmann. Rahmenvereinbarungen sind Rahmenvereinbarungen - oder sie sind nur einen Dreck wert.«

Er drückte verschiedene Hebel, die sich im linken Unterarm des Schutzanzuges befanden, doch alle waren schon bis zum Anschlag vorgeschoben.

»Jesus, warum kann man die Temperatur in diesen verdammten Anzügen nicht regulieren. Draußen hat's teuflische einhundertsiebzig Grad minus, und in den verdammten Dingern hier schmoren wir in unserem eigenen Saft.«

Er blickte an Hughes vorbei zu dem dritten Hauer, der mit seinem Schneidgerät den nächsten Felsabschnitt bearbeitete.

»Hab' ich nicht Recht, Tarlow?«

Der andere gab keine Antwort. Walters grunzte aufgebracht und wandte sich unzufrieden wieder seiner Arbeit zu. Die Erwähnung der Männer, die durch die Förderroboter ersetzt worden waren, hatte ihn mehr deprimiert als alles andere zuvor.

Tarlow schaltete seinen Schneidbrenner aus und stellte ihn vorsichtig in der Halterung ab. Hughes und Walters schenkten ihm keine Beachtung.

»Wo ist dein anderer Anzug?«, fragte Hughes seinen Freund.

»Zur Reparatur in der Werkstatt, wo sonst? Sollte schon seit zwei Tagen fertig sein.«

Walters räusperte sich, zögerte einen Moment lang und schluckte dann.

»Weißt du, was das schlimmste an diesen elenden Metallüberziehern ist? Man kann nicht einmal darin spucken.«

Hughes kicherte.

»Das hängt nur von deinem Reinlichkeitssinn ab, glaube ich. Einige tun's trotzdem.«

»Ich aber nicht«, antwortete Walters. »So tief bin ich noch nicht gesunken. Doch ich wünschte, sie würden sich etwas mit der Reparatur meines Reserveanzuges beeilen.«

»Das liegt nicht an der Werkstatt. Sie kommen mit der Arbeit einfach nicht nach.«

»Ja, das stimmt. Warum setzen sie da keine Hilfsroboter ein?«

»Die Automaten sind dafür da, Leute zu ersetzen - nicht, um ihnen zu helfen.«

Hughes beugte sich zu Walters' Helmsichtscheibe vor.

»He, dir ist es aber wirklich heiß da drin, nicht wahr?«

»Du hast 'ne ausgezeichnete Beobachtungsgabe!«

»Kleb' etwas Mylar-Kunststoff über den Sensor, nimm aber den durchsichtigen, nicht den dunklen. Dadurch wird die Temperatur der Heizspirale gesenkt, ohne dass die Luftzirkulation beeinträchtigt wird. Du beschädigst nichts und hast es kühler.«

»Tatsächlich?«

Walters war überrascht.

»Nein, du Schwachkopf, ich habe mir das gerade schnell ausgedacht!«

Doch Hughes' Sarkasmus verschwand rasch wieder.

»Es hilft tatsächlich. Einer der Flurwarte oben auf der Oberfläche fand es durch Zufall heraus. Er hat es nur nicht gemeldet, weil die Gesellschaft es sonst verbieten würde.«

»Wieso?«

Hughes grinste hinter seiner Sichtplatte.

»Der Anzug braucht dadurch mehr Energie. Was die Gesellschaft davon hält, kannst du dir denken. Der Kunststoff simuliert dem Temperatursensor im Anzug eine höhere Außentemperatur, und die Klimaanlage im Anzug hält die Lufttemperatur niedriger. Die meisten Kumpel machen es so.«

Walters schaltete seinen Brenner ab und warf einen Blick in Hughes' Helm.

»Ja, ich sehe das Zeug«, sagte er schließlich. »Und das ist wirklich alles?«

»Das ist der ganze Trick«, antwortete Hughes. »Du musst nur daran denken, den Stoff vom Sensor wieder zu entfernen, wenn du Feierabend hast. Der Kontrolleur könnte sonst dahinterkommen. Wirf ihn einfach in den Krater, denn Mylar gibt es in der Mine genug.«

»Tausend Dank«, sagte Walters erleichtert. »Ich kann die nächste Schicht kaum erwarten, um es auszuprobieren.«

Sie lachten beide.

Der dritte Hauer, Tarlow, stand die ganze Zeit zitternd in der Nähe und starrte zu Boden. Er murmelte leise Worte vor sich hin, doch die statischen Entladungen in den Sprechgeräten ließen die Worte untergehen.

»Oh... ich hasse Spinnen. Spinnen, überall Spinnen...«

Plötzlich begann er mit den Füßen auf der Metallplattform herumzustampfen, als versuchte er etwas zu zertreten, das es nicht gab.

»Acht Arbeiter für acht Jobs«, sagte Hughes, der sich wieder seinem Felsabschnitt zugewandt hatte. »So lautet der Vertrag, den Con-Amalgamated unterzeichnet hat, um hier die Schürfrechte zu kriegen. Es wäre verdammt besser für sie, sich daran zu halten, sonst gibt's Ärger.«

»Vielleicht sollte sich unser Obmann einmal mit dem Vertrag beschäftigen. Er überprüft ja auch schließlich immer sein Gehalt, ehe sie es per Computer seinem Konto gutschreiben.«

Walters schwieg plötzlich und starrte stirnrunzelnd an seinem Freund vorbei.

»He, Tarlow«, rief er, »was juckt dich denn?«

Der dritte Hauer führte mit beiden Füßen einen seltsamen Hüpftanz auf. Mit schriller Stimme schrie er:

»Tötet sie, tötet sie! Um Gottes willen, sie dürfen mich nicht kriegen?«

»Was töten?«

Auch Hughes hatte sich inzwischen umgewandt.

»Was darf dich nicht kriegen, Mann?«

»Gott, wie ich Spinnen hasse!«

»Spinnen...?«

Unsicher beobachtete Walters Tarlows seltsames Gebaren.

»Du willst uns wohl verscheißern, was?«

Er warf Hughes einen Blick zu, doch der schüttelte verständnislos den Kopf.

»Himmel, nehmt sie mir vom Bein! Sie krabbeln mir die Beine hoch. Nehmt sie weg!!!«

Tarlow hatte seinen seltsamen Tanz eingestellt. Stattdessen rieb er mit beiden Unterarmen immer wieder über das rechte Anzugbein, als wolle er etwas abstreifen, das nur er sah.

»Tarlow, was ist los mit dir? Was sollen wir wegnehmen?«

Die beiden Miner empfanden die Situation inzwischen nicht mehr als witzig.

»Spinnen! So helft mir doch!«

Tarlow schrie jetzt in panischem Entsetzen.

»Spinnen?«

Hughes' Stimme verriet Sorge, obwohl er immer noch glaubte, dass Tarlow seinen Scherz mit ihnen trieb. Der Humor in der Mine war gewöhnlich ebenso rau wie die Lebensbedingungen. Hughes hatte keine Lust, zum Gespött der Leute zu werden, weil er auf den Scherz eines anderen hereingefallen war.

»Du bist wohl nicht mehr ganz dicht, wie?«, sagte er zu dem sichtlich verzweifelten Miner. »Wie können hier Spinnen sein? Hier gibt es keine Lebewesen. Selbst die kleinste Wanze hätte keine Chance, die häufigen Desinfizierungen auf der Reise hierher zu überleben.«

»Er will uns auf den Arm nehmen«, behauptete Walters jetzt ebenfalls und ging zu seinem Arbeitsplatz zurück.

Tarlows bebende Hände hatten sich an seinem Körper emporgearbeitet und schlugen nun gegen die Brust. Hinter seiner

Sichtplatte quollen ihm vor lauter Furcht die Augen fast aus dem Kopf.

»Herrgott, jagt sie weg!«

»Sehr witzig, Tarlow!«

Hughes kam zu dem Schluss, dass sein Freund Recht hatte. Tarlow erlaubte sich einen Scherz mit ihnen. Seine Angst war nur aufgesetzt, sein Gejammer unecht.

»Doch wir fallen nicht darauf herein. Räum besser den Schutt weg und geh wieder an deine Arbeit! Vergiss nicht, wir arbeiten im Akkord, haben ein Schichtsoll zu erfüllen. Wegen dir wollen wir keinen Lohnausfall haben.«

Tarlow gab keine Antwort, sondern griff sich in Höhe seines Halses an den unteren Rand seines Helmes. Seine Entsetzensschreie wurden immer lauter.

»Sie kriechen herein, unter den Anzug!«

Er zerrte mit seiner unförmigen, behandschuhten Hand an seinem Anzug, schlug sich wiederholt auf die linke Schulter.

»Holt sie doch heraus. Großer Gott!«

Plötzlich stürzte er vor und ergriff einen Werkzeugkasten. Unter anderem enthielt der Kasten eine Sammlung von Schweißbrennern, feine Metallspitzen, mit denen das Ilmenit aus dem Gestein herausgeschnitten wurde. Die Düsen dieser Brenner waren sehr fein, sie hatten die Form von Bohrern, deren Spitzen aber nie mit dem Fels in Berührung kamen, den sie heraustrennten.

Tarlow riss eine dieser Düsen aus dem Kasten und stach mit ihr auf seine Schulter ein.

Hughes und Walters waren plötzlich hellwach. Hughes stürzte auf Tarlow zu, seine weit aufgerissenen Augen verrieten seinen Schrecken.

»Bei allen Heiligen... Tarlow, hör sofort auf damit!«

Doch er reagierte zu spät. Die fehlende Schwerkraft behinderte ihn - eine höllische Ironie im Schatten des Jupiter mit seiner immensen Schwerkraft.

Die Arbeitsanzüge waren an sich strapazierfähig. Man hatte sie so entworfen, dass sie schon einiges aushalten konnten.

Scharfe Felsbrocken und Gesteinssplitter oder Metallkanten konnten ihnen nichts anhaben. Die Anzüge schützten die Menschen vor der lebensfeindlichen Umwelt. Doch der Selbstvernichtung eines verzweifelten, vor Angst halb wahnsinnigen Mannes, der den Anzug mit einer messerscharfen Metallspitze durchlöcherte, konnte das Material nicht standhalten.

Mit der Düse riss Tarlow unterhalb seines Helmes ein klaffendes Loch in den Anzug. Was folgte, dauerte kaum eine Sekunde. Außerhalb des Anzugs gab es keinen Luftdruck. Über ihre Sprechgeräte hörten Hughes und Walters das schreckliche Zischen entweichender Luft, das tödliche Pfeifen, das eines Tages selbst zu hören jeder Arbeiter fürchtet.

Der plötzliche Blutandrang in seinen Adern ließ Tarlows Gesicht dunkelrot anlaufen. Obwohl er schrie, drang kein Laut über seine Lippen. Der Unterdrück ließ seine Augen zerplatzen, Blut drang aus den Öffnungen seines Schädels, füllte das Innere seines Helmes und spritzte in einer Fontäne durch das Loch im Anzug. Der heftige Sog entweichender Luft ließ den Miner zurücktaumeln, im Zeitlupentempo stürzte er über das dünne Geländer in die Finsternis, die den Boden des Kraters verhüllte.

Der Körper hing immer noch an der Sicherheitsleine, die ihrem Besitzer nun auch nichts mehr nützte. Mit einem heftigen Ruck beendete sie den taumelnden Fall des Leichnams, der wie eine unheimliche Parodie auf das Leben hin und her baumelte und lautlos seine dunkelrote Flüssigkeit versprühte.

Hughes und Walters lehnten sich über das Geländer und starrten entsetzt in die Tiefe, das einzige Geräusch in ihren Ohren war die endlose Unterhaltung von Hunderten anderer ahnungsloser Arbeiter...

  Zweites Kapitel

 

 

Verglichen mit den Quartieren der Durchschnittsarbeiter war das von O'Niel als geradezu luxuriös zu bezeichnen. Doch auch hier hatte man nichts getan, um die Röhren des Ventilations- und Versorgungssystems ein wenig zu kaschieren. Deutlich sichtbar liefen sie unter der niedrigen Decke entlang, dünne Lebensadern, auf die jeder in der Mine angewiesen war, eine ständige Erinnerung an den unsicheren Halt, den das sauerstoffatmende Leben auf Io gefunden hatte.

Die Wände waren von metallischer Farbe, ausgenommen die wenigen Flächen, die man mit farbigem Plastikmaterial verkleidet hatte, um die Eintönigkeit ein wenig abzuschwächen. Es gab künstliche Pflanzen aus Polyäthylen und Blumen aus Seide, doch kein Holz. Metall und Plastikerzeugnisse wurden von in der Nähe auf dem Asteroidengürtel angesiedelten Industrien hergestellt. Doch Holz musste man vom anderen Ende des Universums, von der Erde, herbeischaffen.

Trotzdem gab es einige kümmerliche Versuche, sich die raue Umwelt ein wenig wohnlicher zu gestalten, ihre Sterilität durch Fantasie auszugleichen. Neben den künstlichen Blumen gab es bunte Bezüge für die Sessel, persönlich hergestellte Kunstwerke und gerahmte Fotos. Und Farbe natürlich. Farbe bedeutete hier die >Vermenschlichung< des Metalls. Sie verdeckte zwar nicht die Heizrohre und Kabelschächte, doch sie ließ die kahlen Wände nicht so nackt erscheinen und drängte die feindliche Umwelt ein wenig zurück - wenn auch nur in der Fantasie.

Die Wohnung enthielt zwei beängstigend enge Schlafzimmer, eng im Vergleich zu den Schlafzimmern auf der Erde, aber sehr geräumig im Gegensatz zu den Kojen, die normale Arbeiter auf Io zugewiesen bekamen. Außerdem besaß sie ein eigenes Badezimmer mit einer eingebauten Dusche. Der Wohnraum teilte sich auf in Essecke, Kochnische, Sitz- und Arbeitsecke. Normale Möbel hätten diesen Raum total überfüllt, so dass den Bewohnern keine Bewegungsfreiheit mehr geblieben wäre. Doch man hatte so viel wie möglich in den Wänden untergebracht.

Auch in diesem Zimmer gab es kaum etwas Farbiges. Farbige Glasuren waren teuer. Außerdem bedeutete eine millimeterdicke Glasur zusätzliches Gewicht, und zusätzliches Gewicht, nach Io transportiert, war für die Gesellschaft verlorenes Geld. Leute wie die O'Niels konnten die Mehrkosten nicht wieder hereinbringen, und ihre eigenen Möbel nach Io zu versenden überstieg ihre finanziellen Möglichkeiten.

Zwei große Videoschirme, ein Computer-Terminal und eine Unzahl kleiner Kontrollgeräte für die Klimaanlage bedeckten die Fläche einer ganzen Wand. Die Tatsache, dass der Raum seine eigene regulierbare Klimaanlage besaß, dokumentierte den Status seiner Bewohner. Die meisten Arbeiter hatten die Temperatur und Atmosphäre zu ertragen, die der Zentralcomputer für sie er- rechnete und regulierte.