Palast der tausend Winde und Stachelbeerbahnhof - Richard Deiss - E-Book

Palast der tausend Winde und Stachelbeerbahnhof E-Book

Richard Deiss

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Beschreibung

Dieses Taschenbuch enthält Anekdoten, kleine Geschichten und Kuriosa zu den 222 interessantesten Bahnhöfen in Deutschland. Auf 152 Seiten finden sich überraschende Fakten und amüsante Anekdoten zu Bahnstationen von Aachen bis Zwickau und von Flensburg bis Füssen. Für alle, die auf Bahnhöfe(n) abfahren.

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Inhalt

Vorwort

Berlin

1.1 Fernbahnhöfe

1.2 S-Bahnhöfe

Brandenburg

Mecklenburg-Vorpommern

Sachsen-Anhalt

Thüringen

Sachsen

Schleswig-Holstein

Hamburg

Bremen

Niedersachsen

10.1 Hannover und südliches Niedersachsen

10.2 Westliches und nördliches Niedersachsen

Nordrhein-Westfalen

11.1 Rheinland

11.3 Westfalen

Hessen

Rheinland-Pfalz

Saarland

Baden-Württemberg

15.1 Baden

15.2 Württemberg

Bayern

16.1 Mittelfranken

16.2 Oberfranken

16.3 Unterfranken

16.4 Oberpfalz

16.5 Oberbayern

16.6 Niederbayern

16.7 Schwaben

Anhang

1. Liste von Bahnhofsbeinamen

2. Bahnhöfe, die ausgezeichnet wurden

3. Wichtige Bahnhofsarchitekten

Literatur

Webseiten

Vorwort

Ich verstehe nur noch Bahnhof war ein von kriegsmüden Soldaten im 1. Weltkrieg benutzter Spruch mit dem diese ausdrücken wollten, dass sie nur noch nach Hause wollten. Jeder meint zu wissen, was ein Bahnhof ist, aber bahnintern gibt es da eigene Festlegungen. In der DB-Terminologie muss ein Bahnhof mindestens eine Weiche haben, um als solcher zu gelten. Alles andere sind Haltepunkte. Auch ist mit Bahnhof bei der Bahn die gesamte Anlage gemeint, das Gebäude mit Fahrkartenverkauf wird dagegen als Empfangsgebäude bezeichnet. Die Bevölkerung nennt auch dieses meist nur Bahnhof. Und die Lage des Empfangsgebäudes zu den Gleisen lässt einen Kopfbahnhof (oder auch Sackbahnhof, in anderen Sprachen ist dies ein Terminus oder Terminal) von einem Durchgangsbahnhof unterscheiden. Beim Turmbahnhof liegen die Gleise auf zwei Ebenen, beim Inselbahnhof liegt das Gebäude zwischen den Gleisen. Ursprünglich war das Bahn- und Verkehrsvokabular stark französisch geprägt, da Französisch noch bis ins 19. Jahrhundert eine wichtige internationale und Bildungssprache war. Doch mit dem aufkommenden Nationalismus Ende des 19. Jahrhunderts wurden deutscher klingende Ausdrücke gesucht. Es bildete sich sogar ein Deutscher Sprachverein, der ein Verdeutschungswörterbuch herausgab und für Wörter wie (das pseudofranzösische) Perron und Billet, Bahnsteig und Fahrkarte als Alternativen entwickelte (aus dem Veloziped wurde übrigens das Fahrrad). Die Schweiz war von dieser Entwicklung weniger betroffen, dort werden die französischen Varianten immer noch häufig benutzt.

Bahnhöfe waren einst für die wirtschaftliche Entwicklung einer Stadt wichtiger als heute, denn die Bahn war lange Zeit im Binnenland das einzige leistungsfähige Fernverkehrsmittel. Doch der Verkehr war weit geringer als heute. Monumentale Bahnhöfe wie der Lehrter und der Anhalter Bahnhof in Berlin hatten nur wenige Gleise, eine geringe Zugfrequenz und weit weniger Reisende als heutige Großbahnhöfe. Der Anhalter Bahnhof kam vor dem Krieg auf

10 000 Reisende pro Tag, deutsche Großstadtbahnhöfe haben heute dagegen um 100 000 Reisende pro Tag. Denn das Fernverkehrsangebot ist auf den Hauptrelationen deutlich dichter geworden, zudem kam in Großstädten Schienennahverkehr mit hoher Frequenz dazu. Heute wird einfach viel mehr gereist und gependelt als früher und obwohl die relative Bedeutung der Bahn durch Straßen und Luftverkehr gesunken ist, wird auch mehr Bahn gefahren, als je zuvor.

Der Werkbundarchitekt Karl-Ernst Osthaus meinte „es gab eine Zeit, in der man von einer Poesie der Bahnhöfe sprechen konnte“. Die Faszination der Dampflokzeit, auf die viele eindrucksvolle Bahnhofsgebäude ausgerichtet waren, ist vergangen, doch die Poesie der Bahnhöfe lässt sich in vielen historischen Stationen immer noch erahnen.

Ich hoffe, die kleinen Geschichten und Anekdoten, die in diesem Bändchen zusammengetragen wurden, unterhalten und helfen, vorhandenes Wissen zur Bahn abzurunden. Das Buch ist Teil einer fünfbändigen Reihe mit Anekdoten, interessanten Geschichten und Fakten zu insgesamt 1001 Bahnhöfen weltweit (Titel der anderen Bände: siehe letzte Seite). Gegenüber der letzten Auflage neu aufgenommene Bahnhöfe sind mit einer Raute gekennzeichnet .

Danken möchte ich Hubert Riedle (Bern) und vor allem Jörg Berkes (Langen) für Hinweise und Korrekturvorschläge

Bonn, im November 2020

Richard Deiss

1. Bahnhöfe in Berlin

1.1 Fern- und Regionalbahnhöfe

Berlins erster Bahnhof

Als die Eisenbahn in Preußen eingeführt werden sollte, versuchte der zuständige Regierungsrat, König Friedrich Wilhelm III. für das Projekt einer Eisenbahnverbindung Berlin-Potsdam zu erwärmen. „Wenn Majestät bisher um acht Uhr in Charlottenburg wegritten, dann wären Majestät um zwölf Uhr in Potsdam. Und nun stellen Majestät sich vor: Wenn Majestät künftig um acht Uhr die Eisenbahn besteigen, sind Majestät bereits um neun Uhr in Potsdam“. Der König nickte, fragte allerdings: „Und was soll ich um neun Uhr in Potsdam?“ Später meinte sein Sohn Friedrich Wilhelm IV. zur Eisenbahn „Diesen Karren, der durch die Welt rollt, hält kein Menschenarm mehr auf.“ 1838 wurde die erste preußische Bahnstrecke von Potsdam nach Berlin eröffnet. Der Endpunkt vor dem Potsdamer Tor und der Akzise-(Zoll-)Mauer, war der erste Bahnhof Berlins, er hatte ein Gleis und einen Seitenbahnsteig.

Berlin Potsdamer Platz

1872 wird unweit des ersten Berliner Bahnhofs der Potsdamer Bahnhof eröffnet. Hier werden bald Staatsgäste wie Kaiser Franz Josef von Österreich-Ungarn empfangen. Ab den dreißiger Jahren fahren von hier elektrische `Bankierszüge´ in die noblen Stadtteile im Westen. Im Krieg wird der Bahnhof stark zerstört und 1958-1960 schließlich abgerissen. Damals schrieb die Zeitung Welt der Arbeit: „Der rote Ziegelbau war nicht gerade ein schönes Baudenkmal. Trotzdem befällt jeden Berliner ein Gefühl der Wehmut, wenn nun ein steinerner Zeuge nach dem anderen vom Erdboden verschwindet.“ Nach der Jahrtausendwende wurde schließlich der unterirdische Bahnhof Potsdamer Platz, an dem lange Zeit nur S-Bahnzüge hielten, wieder zu einer Regionalverkehrsstation. Seinem Eingang gegenüber: Der Bahntower der DB-Hauptverwaltung.

Anhalter Bahnhof - das Tor in die blaue Ferne

Der Anhalter Bahnhof, einst von Walter Benjamin auch als Mutterhöhle der Eisenbahn und vom Volksmund als Tor in die Blaue Ferne bezeichnet, wurde im Krieg stark zerstört und in den sechziger Jahren schließlich abgerissen. Das Portal erwies sich dabei jedoch als hartnäckig, es widerstand mehreren Abbruchversuchen. So hatte man schließlich ein Einsehen und ließ die Reste des Portals als Denkmal stehen.

Die vielen Lehrter Bahnhöfe

Im Mai 2006 wurde der Berliner Hauptbahnhof, der den Zusatz `Lehrter Bahnhof´ trägt, eröffnet. Ursprünglich sollte er Lehrter Bahnhof heißen, dann Hauptbahnhof-Lehrter Bahnhof. Doch schließlich wurde er von der Bahn mehr und mehr nur Hauptbahnhof genannt. Und das ist eigentlich gar nicht verkehrt, denn Lehrter Bahnhöfe gibt oder gab es schon viele. 1871 wurde der Lehrter Bahnhof an der Spree eröffnet. Er lag etwas abseits vom Zentrum und von dicht bebauten Gebieten, hatte aber eine grandiose, schlossartige Architektur im Stil italienischer Hochrenaissance. Im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt, wurde der Lehrter Bahnhof 1959 gesprengt. Unweit davon, an der S-Bahnstrecke, lag der Lehrter Stadtbahnhof, der dem neuen Hauptbahnhof weichen musste. Schließlich gibt es noch einen Bahnhof in der Stadt Lehrte in Niedersachsen, einst ein kleines Dorf, das als Schnittpunkt der Bahnlinien Hannover-Braunschweig und Hildesheim-Celle Bahnstadt wurde.

Der Berliner Pannenbahnhof

Berlin ist die Hauptstadt der Gebäudebeinamen. In keiner anderen Stadt gibt es so viele vom Volksmund geschaffene Spitznamen. Schwangere Auster, Goldelse, Erichs Lampenladen sind Beispiele. Doch in Bezug auf den neuen Berliner Hauptbahnhof hat sich noch kein Beiname durchgesetzt. In der Presse wurde er zum Beispiel Glaspalast mit Wüste oder auch Pannenbahnhof (oder auch Bröckelbahnhof) genannt, letzteres nicht ohne Grund.

Nach vielen Bauverzögerungen entschloss sich die Bahn, um eine Fertigstellung im WM-Jahr 2006 erreichen zu können, das Bahnsteigdach kürzer ausfallen zu lassen. Auch wurde über den Tunnelbahnsteigen eine Zwischendecke eingesetzt, was die geplante Raumwirkung beeinträchtigt. Durch diese Änderungen kam es zu einem Rechtsstreit zwischen Bahn und dem Architekten Meinhard von Gerkan. Auch bei der Eröffnung ging Einiges schief, so reagierte der Bahnhof erst nicht auf den Eröffnungsknopfdruck und die Einweihungsparty im Mai 2006 wurde durch einen Messer-Amokläufer getrübt. Im Januar 2007 wiederum kam es nach dem Orkan Kyrill zu einem Absturz von 2 Stahlträgern. Seitdem plant die Bahn, den Bahnhof bei stärkerem Wind zu schließen. Erst im Dezember 2020 konnte die kurze U-Bahnstrecke vom Bahnhof zum Brandenburger Tor bis zum Alexanderplatz verlängert werden.

Im Mai 2007 musste der damalige Bahnchef Mehdorn noch mal Spott ernten, diesmal für seinen Kunstgeschmack. Eine metallene Pferdeskulptur, Rolling Horse (mittlerweile mit Beinamen wie Mehdorns´ Pferd belegt), wurde am Bahnhof enthüllt und Kritiker fanden schnell heraus, dass dieses Pferd im Wesentlichen eine Replik einer gegenüber dem Heidelberger Hauptbahnhof aufgestellten Pferdeplastik (`S-printing horse´) desselben Künstlers Goertz ist. Mehdorn hatte diese in Auftrag gegeben, als er noch Chef der Heidelberger Druckmaschinen war.

Berlin Hbf

Berlin-Ostbahnhof und die Mission

Der Berliner Ostbahnhof hat schon viele Namen gehabt. Im Jahre 1842 wurde er als Frankfurter Bahnhof eröffnet, damals war er noch Kopfbahnhof. Später hieß er auch Niederschlesisch-Märkischer Bahnhof und schließlich Schlesischer Bahnhof. Nach dem 2. Weltkrieg war dieser Name nach der Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze durch die DDR nicht mehr opportun und er hieß schlicht Ostbahnhof. Zur 750 Jahr Feier Berlins im Jahre 1987 wurde er repräsentativ umgebaut und in Hauptbahnhof umbenannt. 1998 wurde er dann wieder zum Ostbahnhof, denn mit dem so genannten Pilz-Konzept war ein neuer Hauptbahnhof an anderer Stelle geplant. Eines hatte jedoch länger Bestand als der Bahnhofsname: Die erste Bahnhofsmission Deutschlands wurde 1907 im Berliner Ostbahnhof gegründet und diese gibt es auch heute noch.

Berlin Zoologischer Garten

Der Berliner Bahnhof Zoo wurde durch die Teilung der Stadt zum Fernbahnhof aufgewertet (Beiname `heimlicher Hauptbahnhof´), eine Funktion, die er aber mit der Eröffnung des neuen Hauptbahnhofs im Mai 2006 wieder verlor. In den siebziger Jahren war der Bahnhof, bzw. der Nordeingang, auch Treffpunkt der Berliner Drogenszene und 1978 kam er zu literarischem Ruhm - er erschien im Titel des autobiographischen Buches von Christiane F(elscherinow) „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“. Der Nordeingang und andere Schmuddel-Ecken verhalfen dem Bahnhof zeitweise zum Beinamen ‚Urologischer Garten‘.

Der Hotelbahnhof Estrel

Mit 1125 Zimmern ist Estrel in Berlin-Neukölln das größte Hotel Deutschlands. Überraschenderweise gehört es keiner Kette an. Vielmehr wurde es vom Bauunternehmer und Namensgeber Ekkehard Streletzki 1994 in Eigenregie eröffnet. Nur 2 Gehminuten vom Hotel entfernt liegt der S-Bahnhof Sonnenallee. Doch mit der Bahn kann man das Hotel sogar noch direkter erreichen. Sonderzüge halten am hoteleigenen Bahnhof Estrel und fahren von hier zu Ausflügen ins Umland. Allerdings ist dieser Bahnhof eisenbahntechnisch nur umständlich über Spitzkehren zu erreichen. Das Hotel hat zudem einen eigenen Bootsanleger.

1.2 Berliner S-Bahnhöfe

Ostkreuz-Rostkreuz

Der wichtige Berliner S-Bahnknoten Ostkreuz galt lange als baulich so marode, dass die Berliner ihn zu Rostkreuz verballhornten und meinten, er würde nur noch durch Rost und die angeklebten Werbeplakate zusammengehalten. Rolltreppen und Aufzüge suchte man hier lange vergebens. Eine Sanierung war seit langem geplant, wurde aber immer wieder verschoben. Mittlerweile haben jedoch Umbauarbeiten begonnen, die bis 2016 abgeschlossen werden sollen. Doch Bahnkenner sahen der Sanierung mit gemischten Gefühlen entgegen, denn Ostkreuz war noch bis ins Jahr 2008 der letzte Berliner S-Bahnhof, auf dem die Fahrtrichtungsanzeiger und Stationsschilder aus DDR-Zeiten stammten, zudem zierten alte gusseiserne Säulen und Lampen den Bahnhof.

Siemensstadt-Fürstenbrunn

Siemens hatte in den 1920er Jahren in Fürstenbrunn, damals noch ein westlicher Vorort von Berlin, große Werksanlagen. Um Verkehrsanbindung des Werkes zu verbessern ließ Siemens eine stillgelegte Bahnstrecke der Lehrter Eisenbahn reaktivieren. Die Station am Werk hieß bis 1925 Fürstenbrunn. Doch Fürstenbrunn war auch der Name einer bekannten Mineralquelle, das entsprechende Mineralwasser wurde bis in die USA exportiert. Ein amerikanischer Tourist soll angesichts des ausgedehnten Werkes an der Station Fürstenbrunn ausgerufen haben ‚Ich wusste gar nicht, dass die Seltersfabrik so groß ist‘. Daraufhin soll laut Karl H.P. Bienek (siehe dazu dessen Webseite ‚die Siemensstadt‘) die Umbenennung in ‚Siemensstadt-Fürstenbrunn‘ veranlasst worden sein.

Storkower Straße - der lange Jammer

Am S-Bahnhof Storkower Straße in Berlin-Lichtenberg lag einst der zentrale Vieh- und Schlachthof Berlins. Zur Überquerung des Geländes wurde 1937 eine 420 m lange Fußgängerbrücke erbaut. 1976-77 wurde dieses auf 505 m zum S-Bahnhof Storkower Straße verlängert und war damit Europas längste Fußgängerbrücke. Ihre Spitznamen, darunter Langes Elend, Angströhre, Rue de Galopp, zeigen jedoch, dass es sich dabei um keine angenehme Straßenüberquerung handelte. Im Jahre 2002 wurde ein 300 m langes mittleres Teil abgerissen, aber auch ein 45 m langes Stück zum S-Bahnhof saniert. Im Jahr 2006 fiel schließlich ein verbliebener Abschnitt an der Eldaer Straße ebenfalls der Abrissbirne zum Opfer. Heute kann man über den Rest der Brücke den S-Bahnhof und die andere Seite der Gleise erreichen, den stillgelegten Viehmarkt kann man jedoch nicht mehr überqueren. Der einstige Lange Jammer endet jetzt stumpf.

S-Bahnhof Storkower Straße: verkürzter Überweg

Wollankstraße und der Fluchttunnel

Als es die Berliner Mauer noch gab, war der S-Bahnhof Wollankstraße eine Besonderheit. Er lag im Ostteil der Stadt (in Pankow), gehörte aber zum S-Bahnnetz West-berlins. Während er einen Ausgang (welcher auf der Grenz-linie lag) zum Westteil der Stadt hatte, gab es von Osten keinen Zugang. Unmittelbar östlich des Bahnhofs verlief die Mauer. Vom Bahnhof konnte man nach Abriss der Wohnbebauung den Todesstreifen sehen.

Im Jahre 1962 senkte sich überraschenderweise die Bahnsteigoberfläche. Dem nachgehend, entdeckten die DDR-Grenzer einen Fluchttunnel, der vom Westen durch das S-Bahnviadukt hindurch gegraben worden war.

Die S-Bahn in Ostberlin hatte zu DDR-Zeiten eine auffällige rote Farbgebung mit braunem Fensterband. Honecker soll von dieser Farbgebung auf einem Messebesuch so angetan gewesen sein, dass er sie für die gesamte S-Bahnflotte anordnete. Später verhalf diese Farbe den S-Bahnwagen zum (vom Sozialismus wohl nicht geschätzten) Spitznamen `Coladose´.

S-Bahnstation Savignyplatz und der Buchladen

Eine der schönsten deutschen Buchläden, der Bücherbogen, eine Buchhandlung zu Architektur, Kunst, Film, Foto und Design, liegt unter dem Bahnviadukt an der S-Bahnstation Savignyplatz in Charlottenburg. Schmökert man in diesen Gewölben, hört man über sich das Donnern der Züge.

Berlin Lichterfelde Ost und die erste Elektrische

Im Fußgängertunnel des S-Bahn- und Regionalbahnhofs Lichterfelde Ost weist eine Informationstafel darauf hin, dass hier im Mai 1881 die erste elektrische Bahn der Welt abfuhr, eine von Siemens gebaute Straßenbahn. Sie fuhr die Strecke vom Bahnhof zur Kadettenanstalt Lichterfelde.

2. Brandenburg

Königs Wusterhausen und Amanullah

Amanullah Khan (1892-1960) war 1919-1926 Emir und von 1926-1929 König von Afghanistan. Im Zuge seiner Modernisierungsbemühungen pflegte er besonders gute Beziehungen zu Deutschland. Im Sommer 1928 führte ihn eine Europareise auch nach Berlin. Dort wurde ihm die Gelegenheit gegeben, einen damals modernen U-Bahnzug des Typs A2 selbst zu fahren. Diese Bauart bekam dadurch den Spitznamen Amanullah-Zug. Auch das Berliner Umland besuchte der König, so in Nauen eine Funkstation. In Königs Wusterhausen stand der Straßenkehrer Erich Lange jedoch stundenlang in seiner mit Eichenlaub verzierten Gala-Uniform vergeblich am Bahnhof Spalier. Kollegen hatten sich einen Scherz erlaubt und ihm weisgemacht, König Amanullah käme hier am Bahnhof an. Erich Lange hatte durch diesen Streich den Spitznamen Amanullah weg.

Dannenwalde und der Barfußpfad

Das Dorf Dannenwalde in der Prignitz im Westen Brandenburgs kämpfte lange um den Erhalt seines Bahnhofs. 1997 wurde ein Verein Umweltbahnhof Dannenwalde gegründet, um den Bahnhof attraktiver zu machen. Schließlich wurde im Sommer 2007 auch noch ein Barfußpfad am Bahnhof angelegt, der erste mit Bahnanschluss.

Cottbus´ ‚Bayerischer Bahnhof‘

Der Hauptbahnhof von Cottbus hatte zu DDR-Zeiten wegen der damaligen blauweißen Fassadengestaltung den Spitznamen `Bayerischer Bahnhof´. Nach einer Sanierung im Jahr 2020 erinnerte die Farbgestaltung der Fassade mit ihren von Blau ins Rot changierenden Streifen manche an die Warming Stripes, die das Fortschreiten des Klimawandels aufzeigen sollen. Die Bahn wies jedoch darauf hin, die Intention wäre vielmehr gewesen, das alte Blauweiß aufzunehmen und mit dem DB-Rot zu kombinieren.

Eberswalde und der Spritzkuchen

Das an der Eisenbahnstrecke von Berlin zum im 19. Jahrhundert wichtigen Ostseehafen Stettin (von wo Güter über die Oder bis nach Schlesien transportiert wurden) gelegene Eberswalde bekam bereits 1842 Schienenanschluss. Zehn Jahre zuvor hatte sich der Berliner Konditor Gustav Luis Zietemann im Ort niedergelassen. Zietemann überraschte die Eberswalder mit seiner Erfindung, dem originalen Eberswalder Spritzkuchen. Als der Eisenbahnanschluss kam, ließ Zietemann den Spritzkuchen an den Bahnhof liefern und bald war die Stadt bei Reisenden durch ihr Brandteiggebäck in aller Munde. Heute erinnert im Empfangsgebäude eine Bronzestatue eines ‚Spritzkuchenjungens‘ an die Zeiten, als das lokale Gebäck noch zu den Reisenden an den Bahnsteig gebracht wurde.

Stahnsdorf - der verschwundene Bahnhof

Von einem der merkwürdigsten Bahnhöfe Deutschlands ist heute kaum mehr eine Spur vorhanden. Um 1900 litten Charlottenburg und Schöneberg, damals noch Vororte Berlins, an Mangel an Friedhofsplätzen. Schließlich stellte die preußische Provinz Brandenburg beim heutigen Stahnsdorf Fläche für einen Zentralfriedhof zur Verfügung, der der zweitgrößte Begräbnisplatz Deutschlands werden sollte. Um die Trauernden zum Friedhof zu bringen, wurde eine eigene Eisenbahnstrecke vom Anschlusspunkt Bahnhof (Berlin-) Wannsee nach Stahnsdorf gebaut, welche im Juni 1913 eröffnet wurde, und der Friedhof bekam sein eigenes Empfangsgebäude. Im Bahnhof Halensee wurden die Leichen gesammelt und in gedeckte Wagen verladen. Von dort wurden sie mit Regelgüterzügen nach Wannsee gebracht, von wo aus täglich ein Leichentransportzug nach Stahnsdorf fuhr. Mit dem Mauerbau endete 1961 der Zugverkehr, 1976 wurde das Empfangsgebäude abgerissen.

Calau und der Kalauer

In der brandenburgischen Stadt Calau geht man davon aus, dass der Kalauer als Wortwitz aus dieser Stadt stammt. Calau wurde einst mit K geschrieben und war in vorindustriellen Zeiten eine Hochburg von Stiefel- und Schuhmachern. Die örtlichen Schuster sollen für Anekdoten und Wortwitze bekannt gewesen sein, welche Wander-gesellen in die Welt trugen. Die seit 1848 erscheinende Zeitschrift Kladderadatsch verhalf den Kalauern unter der Rubrik `aus Kalau wird berichtet´ in ganz Deutschland zu Bekanntheit.

Heute nennt sich Calau `kerngesunde Kleinstadt mit Witz´ und seit ein paar Jahren gibt es sogar einen Witzerundweg. An der Straße zum mit 2.3 km recht weit vom Ortszentrum entfernt gelegenen Bahnhof findet sich ein Schild mit folgendem Witz: Warum ist der Calauer Bahnhof so weit von der Stadt entfernt? Weil die alten Stadtväter ihn dicht bei den Gleisen haben wollten.

Kurt Mühlenhaupt und der Bahnhof

Der Maler Bildhauer und Schriftsteller Kurt Mühlenhaupt (1921-2006) wurde im Zug Prag-Berlin geboren. In die Geburtsurkunde trug man den nächstgelegenen Bahnhof Klein Ziescht ein. Heute ist Klein Ziescht Ortsteil von Baruth/Mark (Kreis Teltow-Fläming) und ohne Bahnstation.

Wünsdorf- der Russenbahnhof

Zu Zeiten der Deutschen Teilung war der Bahnhof Wünsdorf einer der vier Sonderbahnhöfe der Alliierten. Er fungierte als Bahnstation der sowjetischen Truppen, denn in Wünsdorf lag das Hauptquartier der Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte mit 20 000 Soldaten. Die Bahnsteigschilder von Wünsdorf zeigten deshalb auch kyrillische Lettern und der Bahnhof wurde von der Bevölkerung auch Russenbahnhof genannt. Am 11. Juni 1994 fanden in Wünsdorf die Abschiedsfeiern der sowjetischen Truppen statt und mittlerweile hat sich in einem Teil des ehemaligen Militärareals ein Bücherdorf einquartiert.

Luckenwalde und die Bibliothek

Als man in Luckenwalde größere Räume für die Stadtbibliothek suchte kam man auf die Idee, die Bibliothek mit ihren über 40 000 Medien in das leerstehende Bahnhofsgebäude zu verlegen. Das Empfangsgebäude wurde entsprechend umgebaut, mit einem goldfarbigen Anbau wurde ein moderner Akzent gesetzt und es wurde n vom Gebäude getrennt Zugänge zu den Gleisen geschaffen. Das Bahnhofsgebäude wurde so vor dem Verfall gerettet und das Bahnhofsviertel aufgewertet. Die Bibliothek war zudem optimal an den Nahverkehr angeschlossen. Das Konzept war so überzeugend, dass die Bücherei im Jahr 2010 mit dem Deutschen Städtebaupreis ausgezeichnet wurde.

Jüterbog und der Bärenkäfig

Jüterbog hat mit seinem in klassizistischem Stil erbauten Bahnhof eines der ältesten erhaltenen Empfangsgebäude Brandenburgs. Doch Serviceeinrichtungen gibt es wenig und der Bahnhof ist recht weit vom Stadtzentrum entfernt. Näher ist es zum Jüterbog II genannte Stadtteil, einst ein Militärstandort mit Garnison und Artillerie-Schießschulen. Doch auch dort ist man mit der Erreichbarkeit des Bahnhofs nicht zufrieden. Denn am Nordausgang der Unterführung fehlt ein Aufzug. Dafür steht dort seit Jahrzehnten ein unansehnliches Provisorium aus Wellblech und Holz, welches im Volksmund `Bärenkäfig´ genannt wird. Ein Bär würde eigentlich eher zu Berlin passen, als zu Brandenburg.

3. Mecklenburg-Vorpommern

Rostock - der Lloydbahnhof