Papillen, du bist der Chef - Isabell Rohde - E-Book

Papillen, du bist der Chef E-Book

Isabell Rohde

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Beschreibung

Die Familie ist ein Hort der Liebe, Geborgenheit und Zärtlichkeit. Wir alle sehnen uns nach diesem Flucht- und Orientierungspunkt, der unsere persönliche Welt zusammenhält und schön macht. Das wichtigste Bindeglied der Familie ist Mami. In diesen herzenswarmen Romanen wird davon mit meisterhafter Einfühlung erzählt. Die Romanreihe Mami setzt einen unerschütterlichen Wert der Liebe, begeistert die Menschen und lässt sie in unruhigen Zeiten Mut und Hoffnung schöpfen. Kinderglück und Elternfreuden sind durch nichts auf der Welt zu ersetzen. Genau davon kündet Mami. Anabel schnitt ihrem Spiegelbild eine Grimasse. »Nein, nein, nein!« stieß sie mißmutig hervor und stampfte mit dem Fuß auf dem Boden auf. »Ich will nicht, daß mein Papa Jessica heiratet. Ich will es nicht!« Die Zehnjährige trat einen Schritt von dem bodenlangen Spiegel zurück, der neben dem Kleiderschrank im Schlafzimmer ihrer Mutter und ihres Stiefvaters hing. Und das Kleid, das sie trug, mochte sie auch nicht. Sie überlegte, ob sie das rosafarbene Kleid, in das ihre Mutter sie gesteckt hatte, wieder ausziehen sollte. Hinter ihr öffnete sich die Tür, und Isolde Gross, eine schlanke, sehr hübsche Frau von zweiunddreißig Jahren, kam ins Zimmer. »Zieh nicht so ein mißmutiges Gesicht, Anabel«, forderte sie und umfaßte die Schultern ihrer Tochter. »Du siehst in diesem Kleid wunderschön aus. Eines muß man deiner Stiefmutter lassen. Sie hat Geschmack. Ich hätte kein schöneres Kleid für dich aussuchen können.« »Jessica wird nie meine Mutter sein«, erklärte Anabel trotzig. »Und das Kleid gefällt mir überhaupt nicht.« Sie drehte sich Isolde zu. »Warum bist du nicht mit mir zum Einkaufen gegangen, Mama?«

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Seitenzahl: 130

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Mami – 2104 –

Papillen, du bist der Chef

Aber du kannst auch schrecklich lieb sein

Isabell Rohde

Es war kurz vor Büroschluss, als Marie-Louise Berlinger, Teilhaberin und Personal-Chefin der Firma Berlinger, aus ihrem Arbeitszimmer und hinüber zur Chef-Abteilung eilte, das Vorzimmer schweigend durchquerte und ohne anzuklopfen das Allerheiligste betrat.

Ihr Schwager Leon Watzmann, Witwer ihrer tödlich verunglückten Schwester Johanna und verantwortlicher Geschäftsführer des Familienunternehmens, beendete sein Telefongespräch sofort und wandte sich ihr zu, als habe er sie erwartet.

»Meine liebe Marie-Louise«, sagte er mit kühler Höflichkeit, »bestelle deiner Mutter bitte, dass ich heute Abend leider verhindert bin und ihrer freundlichen Einladung zum Essen nicht folgen kann. Ich muss zu einer Versammlung des Unternehmer-Verbands. Cornelia hat dafür gewiss Verständnis.«

Als langjährige Chefin und Seniorin hatte Cornelia Berlinger sich vor Jahren aus dem Unternehmen zurückgezogen, galt aber immer noch als allgemein gefürchtete Respektsperson.

»Nein, hat sie nicht!«, antwortete Marie-Louise ebenso kühl. »Es geht ja nicht allein um meine Mutter. Es geht auch um Antonia, Leon. Sie ist deine Tochter! Sie kam vorgestern aus den Sommerferien zurück! Du hast sie seit Monaten nicht gesehen!«

»Ich werde das am Wochenende nachholen.« Jetzt erhob er sich. Leon Watzmann war ein Enddreißiger von schlanker Gestalt. Sein mittelblondes Haar kräuselte sich leicht bis in den Nacken und sein schmales und meist freundliches Gesicht wurde von braunen Augen beherrscht, die manchmal sogar Wärme ausstrahlen konnten. »Bitte, richte das meiner süßen kleinen Antonia aus. Diesmal werde ich mich zwei Tage frei machen können.«

»Und wenn schon, Leon! Du kennst Mutter doch! Sie hat fest mit dir gerechnet, weil auch Doktor Odenhoff anwesend sein wird. Sie möchte, dass du ihn kennen lernst. Du kannst nicht einfach absagen. Du hast doch auch fest zugesagt!«, fügte sie vorwurfsvoll hinzu.

Marie-Louise war eine Erscheinung von aparter Eleganz. Man sah ihr auf den ersten Blick die vornehme Herkunft an. Sie trug einen hellen Hosenanzug mit einer weißen Bluse darunter, und der Mahagoni-Ton ihres vollen kinnlangen Haares umrahmte ihren blassen Teint wie ein kostbares Gemälde. Ihr Gesicht mit den hohen Wangenknochen verriet aber auch, wie sehr sie sich dieser Herkunft bewusst war.

Wie immer, wenn sie mit Leon sprach, lag wieder eine Anspannung auf diesem Antlitz. Dabei respektierte und bewunderte sie ihren ungewöhnlich tüchtigen und erfolgreichen Schwager, auch wenn ihr seine Entscheidungen in der Firma nicht immer gefielen. Denn seit Leon Witwer war, galt er im Umgang mit den Angestellten als ungeduldig und manchmal sogar rücksichtslos. Das musste Marie-Louise dann wieder ausbügeln, und deshalb kam es schon mal zu Unstimmigkeiten zwischen ihnen.

»Zugesagt habe ich leider, bevor ich meine Termine überprüfte«, verteidigte er sich. »Und bei dem Wochenende mit Antonia bleibt’s in jedem Fall.« Er sah sie an, als erwarte er Beifall. Marie-Louise tat so, als bemerke sie es nicht. Dass er sich nur nach wiederholten Bitten und Ermahnungen um seine kleine Antonia kümmerte, war ja nichts Neues! Denn die Kleine lebte seit dem Tod ihrer Mutter bei ihr und Cornelia Berlinger in der riesigen Berlinger-Villa, hing voller Zärtlichkeit an Großmutter und Tante und verbrachte auch ohne ihren Vater eine behütete und sorglose Kindheit.

»Doktor Odenhoff ist auch geladen?«, fragte Leon und tat so, als habe er den Namen noch nie gehört. Das war so typisch für ihn!

»Ein ehemaliger Verehrer von Cornelia, der auch verwitwet ist. Sie hat ihn auf der Kreuzfahrt, die sie mit Antonia im Frühjahr unternahm, zufällig getroffen und ist seitdem mit ihm in Kontakt geblieben. Zur Zeit hält er sich in München auf.«

»Aus privaten oder anderen Gründen? Ich meine…, ist er wegen Cornelia hier?«

»Woher soll ich das wissen? Sie waren einige Male zusammen aus. Aber das geht uns doch nichts an, Leon!«

»Natürlich geht es uns etwas an, Marie-Louise! Denn wenn sie aneinander Gefallen finden, wäre es doch sehr schön für unsere Seniorin. Cornelia hat sich Jahrzehnte lang fürs Unternehmen aufgeopfert und ist seit Jahren nur noch für Antonia da. Das Recht auf einen neuen Lebensabschnitt können wir ihr nicht absprechen.«

»Wie meinst du das? Denkst du, Cornelia träumt von einem späten Glück und lässt mich mit Antonia allein? Das ist ganz ausgeschlossen!« Trotzdem erschreckte sie dieser Gedanke so, dass sie nach Luft schnappte.

»Ausgeschlossen? Warum denn? Solange du da bist, wird Antonia auch ohne ihre Großmutter ein fröhliches, unbekümmertes Kind bleiben. Sie liebt dich über alles. Verbringst du nicht jeden Urlaub mit ihr, als wäre sie deine eigene Tochter? Oder nimmst du sie nur mit, weil sich sonst keine andere Begleitung anbietet?« Er legte den Kopf ein wenig zur Seite und sah sie lächelnd, aber forschend an.

In Marie-Louise begann sich mal wieder Groll gegen ihn zu regen. Was für ein eiskaltes Scheusal war nur aus diesem Mann geworden? Musste er sie bei jeder Gelegenheit auf ihren mangelnden Erfolg bei Männern hinweisen? Und wie stand es um ihn? Warum fand er denn immer noch keine Frau, die sein Leben und damit seine Verantwortung für Antonia teilte? Sechs lange Jahre lebte er nun in seinem Haus allein und schien gar nicht zu merken, wie ihn dieses Alleinsein zu einem kaltherzigen Sonderling machte.

»Stimmt es, dass du um siebzehn Uhr eine Sitzung einberufen hast?«, wechselte sie mit einem Blick zur Uhr schnell das Thema. »Warum erfuhr ich erst eben davon?«

»Weil es dabei nicht um Personal­fragen, sondern nur um die Produktions-Planung des nächsten Jahres geht. Außerdem verriet mir deine Sekretärin, dass du einen Frisör-Termin hast.« Er hob die breiten Schultern. »Du willst besonders schön sein für den alten Herrn Odenhoff? Dann erwartet Cornelia wohl auch von Antonia, dass sie wie ein verwöhntes Prinzesschen am Tisch erscheint?«, setzte er mit leichter Ironie hinzu.

»Wenn du dich dazu entschließt, Cornelias Einladung doch noch nachzukommen, kannst du dich selbst davon überzeugen, ob deine Tochter wie ein Prinzesschen mit am Tisch sitzt!«, fauchte Marie-Louise und wandte sich zur Tür.

Was nahm Leon sich nur heraus? Alles, was er darstellte und war, verdankte er ihrer Mutter und der Firma Berlinger. »Also, wir erwarten dich heute Abend. Der Unternehmer-Verband tagt im Oktober erneut. Die fassen ihre Beschlüsse auch mal ohne dich!«

Sie verließ das Chefzimmer, eilte durch den Gang und glitt mit dem Lift in die Tiefgarage. Erst als sie in ihrem Wagen saß, wich die Anspannung von ihr.

Wann endlich brach der Panzer, mit dem Leon sich nach dem plötzlichen Tod seiner geliebten Johanna gegen alle Gefühle wappnete, einmal auf? Wann fand er in die Rolle eines liebevollen Vaters zurück und war wieder für sein Töchterchen Antonia da? Ob das Kind überhaupt noch zu einer vertrauensvollen Bindung zu ihm fähig war?

Marie-Louise fand keine Antworten, außer der, dass sie die Verantwortung für Antonias Kinderglück zur Not allein tragen musste, es wollte und auch konnte. Diese Verantwortung erfüllte ihr Leben mit mehr Sinn als die Arbeit als Personal-Chefin.

Sie fuhr zu ihrem Frisör, versank im Sessel, schloss, während man ihr die Haare wusch, die Augen und kam erst in die Welt zurück, als sie auf eine erregte Frauenstimme aufmerksam wurde.

»Fünf Zentimeter und keinen Millimeter länger!«, bestimmte die Stimme. »Nein, keinen Föhn. Nehmen Sie das Ding bloß weg! Das Haar ist noch nicht kurz genug. Außerdem tocknet mein Haar an der Luft, und meine Frisur richte ich mit meinen Fingern. Habe ich das nicht gleich zu Anfang laut und deutlich gesagt …?!«

Diese hohe Stimme, die vor Aufregung haspelte und gleich zu einem schrillen Kieksen werden konnte, kam Marie-Louise sehr bekannt vor. Kaum konnte sie sich aufrichten, sah sie sich um.

»Monique …?« Ja, das war Monique Berloz! Vor Jahren hatten sie gemeinsam in Paris die Bank einer Wirtschafts- und Sprachenschule gedrückt und sich, wann immer es ging, gemeinsam ins Nachtleben gestürzt.

»Marie …!«

Ohne auf die Angestellte, die an ihren blonden Haaren herumschnippelte, Rücksicht zu nehmen, sprang Monique auf. Sie umarmte Marie-Louise so heftig, dass deren nasse Haare auf ihr Gesicht gepresst wurden. »Mensch, Marie! Das ist ja der Glücksfall meines Lebens! Du und ich … und das mitten in meiner Pechsträhne …!«

Ihnen blieben nur einige Minuten, um ihre Nummern auszutauschen, aber Monique konnte ihre Neugier nicht zurückhalten.

»Arbeitest du etwa richtig in eurem Unternehmen?« Marie-Louise nickte lächelnd. »Mir hat man gerade die Tür vor der Nase zugeschlagen … aber mit einer dicken Abfindung. Jetzt gehe ich erstmal auf Reisen. Aber vorher rufe ich noch an!«, versprach sie. »Wir haben uns bestimmt viel zu erzählen!«

Dann wurde ihr Blondschopf wunschgemäß gestutzt, und Marie-Louises Haarmähne für das Abendessen im Familienkreis gestylt. Die Wege der beiden jungen Frauen, die sich von früher in so guter Erinnerung behalten hatten, trennten sich vor dem Geschäft des Frisörs. Aber sie wussten, schon an einem der nächsten Tage würde es zu einem Treffen kommen.

Es war Frühherbst. Und so wie die Sonne verschwand, wurde es kühl. Während Marie-Louise auf die elterliche Villa zueilte, bemerkte sie Antonias Freundin Steffi. Steffi war ein milchkaffeebraunes Mädchen mit wüster schwarzer Mähne und ein rechter Wildfang. Sie hockte in einem Baum des Vorgartens und winkte ihr munter zu.

»Wo ist Antonia?«, fragte Marie-Louise sofort.

»Oben. Ihre Omi hat sie gerufen, weil sie ihr die Haare waschen will. Aber wenn die trocken sind, kommt Antonia gleich wieder runter.«

»Nein, Steffi. Ich muss dich enttäuschen. Antonia wird nicht mehr herunterkommen. Wir erwarten heute Gäste zum Abendessen.«

»Och, Marie-Louise!«, maulte Steffi. »Wir waren jetzt zwei Wochen zusammen auf dem Zeltplatz. Und Montag fängt die Schule an. Können wir am Wochenende nicht noch zusammen sein?«

Steffie Welter war zehn, wie Antonia. Seit dem ersten Schultag vor fast vier Jahren waren die beiden unzertrennlich.

Aber erst in diesem Sommer hatte Cornelia Berlinger sich dazu breitschlagen lassen, ihre Enkelin mit den Welters zwei Wochen der Sommerferien verbringen zu lassen.

Marie-Louise hatte es nicht gern gesehen, denn die Welters standen finanziell längst nicht so gut da wie die Berlingers und führten ein dementsprechend anderes Leben. Dafür war bei ihnen immer viel los.

»Ihr seht euch morgen in der Schule, Steffi. Geh nach Haus, sonst sorgen sich deine Eltern noch.«

»Nee, das tun die nie!«

Schulter zuckend, weil sie darauf nichts zu entgegnen wusste, verschwand Marie-Louise in der Villa. Sie begrüßte die Hausangestellte Ulla, warf einen Blick auf den festlich gedeckten Tisch im Esszimmer und stieg dann die Treppe ins erste Stockwerk hoch. Aus dem Bad hörte sie das bekannte Geschimpfe, wie immer, wenn Cornelia sich mit Antonias langen Haaren abmühte und die so tat, als sei ihr letztes Stündchen gekommen.

Es war halb sieben. Marie-Louise schaute in Antonias Zimmer, sah dort das dunkelblaue Samtkleid mit dem weißen Spitzenkragen, das die Kleine wohl tragen sollte, und bereitete sich auf weitere Proteste vor.

Aber dazu blieb kaum Zeit. Denn schon eine halbe Stunde später begrüßten die drei Frauen den ehemaligen Diplomaten Heinrich Odenhoff, als könnte nichts die Harmonie in der Villa stören. Cornelia Berlinger trug ein schwarzes, ihre rundliche Figur umschmeichelndes Kleid, mit einer dicken Diamant-Brosche am Kragen und strahlte unter ihrem blondierten Grauhaar dem wiederentdeckten Verehrer richtig verliebt entgegen.

Marie-Louise, schlicht und elegant in Elfenbeinweiß gekleidet, beobachtete das mit gemischten Gefühlen. Heinrich Odenhoff war ein schmucker, gut erhaltener Herr. Das musste sie ihm lassen. Und er hatte ihnen doch tatsächlich drei verschiedene Blumensträuße mitgebracht! Rosen in verschiedenen Farbtönen für Cornelia, Gerbera und Lilien für sie und ein putzig gebundenes Asternsträußchen für Antonia! Ja, das war die alte Schule, wie Cornelia sie liebte! Antonia, die in ihrem Samtkleid wirklich wie ein Prinzesschen ausschaute, fiel dem alten Herrn vor Freude um den Hals. Sie kannte ihn ja schon von der Kreuzfahrt nach Skandinavien.

»Kommen Sie jetzt immer zum Essen? Das wird aber teuer, wenn Sie jedes Mal so viele Blumen anbringen!«, meinte sie vorwitzig und betrachtete ihren kleinen Strauß voller Stolz.

Heinrich Odenhoff lächelte geschmeichelt. Er legte seine Hand um Cornelias Taille, während deren Tochter und Enkelin nach geeigneten Vasen suchten. Und da klingelte es.

Antonia vergaß die Vasen. Sie rannte zur Tür, schrie laut und aufgeregt: »Papiii! Mein Papi ist da, Omi! Komm, Tante Marie, sag ihm doch bitte ganz lieb ›Guten Abend und herzlich Willkommen‹! Nicht wahr, Papilein? Dann freust du dich!«

Maire-Louise verdrehte nur die Augen und verschwand mit den Blumen in der Küche.

Trotz dieser Szene, die zeigte, wie es um die Sympathie zwischen Leon und ihr stand, wurde es dann doch noch ein angenehmer Abend. Doktor Odenhoff fragte Marie-Louise nach ihren Studien im Ausland aus und wusste selbst viel zu erzählen. Und Antonia, die neben ihrem Papi saß, berichtete ihm ausführlich von dem Campingurlaub mit der Familie Welter.

Obwohl ihre Omi die Begeisterung darüber nicht teilte, lag die ganze Zeit ein stilles, zufriedenes Lächeln auf ihrem weichen Gesicht. Sie schien ganz angetan von der kleinen Runde und vergaß sogar, Leon nach neuesten Geschäftsergebnissen auszufragen wie sonst. Und als Doktor Odenhoff das von ihr und der Haus­angestellten Ulla so schmackhaft zubereitete Menü lobte und dabei ihre Hand zärtlich drückte, schloss sie tatsächlich einmal kurz und wie beseligt die Augen.

»Der Vater von Steffi ist ziemlich dick, Papilein!«, plapperte Antonia weiter. »Aber dafür ist er gemütlich. Die kleinen Brüder von Steffi bringen ihn nie aus der Ruhe! Wie findest du das?«

»Bewundernswert!« Leon schenkte seiner Schwiegermutter Wein nach. »Ja, bewundernswert.« Außer Antonia merkte ihm jeder an, dass er mit den Gedanken schon wieder im Unternehmen war.

»Und Steffis Mutter«, fuhr Antonia unbeirrt fort, »die ist immer lustig. Sie ist nicht so schön wie Tante Marie, aber richtig quietschfidel und macht jeden Quatsch mit. Besonders, wenn sie Bier getrunken hat.« Am Tisch tauschte man Blicke. Ob man Antonia wohl nächstes Jahr wieder mit den Welters in die Ferien lassen solle, fragten diese Blicke.

Antonia störte sich nicht daran. »Aber Tante Marie ist sowieso schöner als die meisten Frauen, Papi. Das findest du doch auch?«

»Sicher. Ja, sicher!«, bestätigte er.

»Dann könntest du sie auch heiraten, Papilein! Das wär doch super, weil ich dann wieder eine Mami habe. Und vielleicht wird Tante Marie dann auch so lustig wie Steffis Mutter. Auch ohne Bier.«

Diesmal verrieten die Blicke am Tisch, dass sich nun noch peinlichere Fragen stellten. Dann griff Doktor Odenhoff plötzlich nach seinem Dessertlöffel, ließ ihn an sein Glas klirren und bat um Gehör für eine kleine Ansprache. Das wirkte wie eine Erlösung.

»Liebe Familie Berlinger-Watzmann«, begann der distinguierte Herr. »Wir haben die Ehre und große Freude, uns auf Cornelias ausdrücklichen Wunsch an diesem Tisch versammeln zu dürfen. Und Cornelia erlaubte mir auch, Sie um Ihr Verständnis zu bitten, wenn ich Ihnen Ihre entzückende Mutter, Schwiegermutter und Großmutter während der Wintermonate in mein Haus nach Mallorca entführe.« Er räusperte sich. »Ein Glücksfall des Schicksals hat uns nach Jahrzehnten wieder zusammengeführt. Und in den letzten Wochen spürten Cornelia und ich, wie viel uns nach den langen, tristen Jahren ohne unsere geliebten Ehepartner wieder verbindet. Um zu prüfen, ob diese Verbindung zu einer Beziehung wachsen kann, wollen wir den Winter allein in südlichen Gefilden verbringen.«

»Toll!«, platzte Antonia heraus, strich sich ihr frisch gewaschenes Haar nach hinten und blickte alle reihum mit ihren glänzenden blauen Augen an. »Dann haben wir hier ja viel Platz. Papi kann Tante Marie heiraten und hier einziehen, und alles ist super!«

»Mein liebes Kind!«, begann Cornelia im behutsam warnenden Ton. »Wir wollen dem Schicksal doch nicht vorgreifen, nicht wahr?« Sie lächelte geheimnisvoll wie Mona Lisa. »Ich bin eher dafür, dass dein Vater dich endlich zu sich nimmt. Marie-Louise wird ja auch im Unternehmen gebraucht und hat dir lange genug deine Mami ersetzt. Sie wird dich vermissen, aber einsehen, dass nun nach fünf Jahren die Zeit gekommen ist, dass dein Vater sich zu seiner Verantwortung für die Firma auch zu der für seine Tochter stellt. Oder, Leon? Bist du anderer Meinung?«

»Meine Verpflichtungen der Firma gegenüber …«