Pegasus-Brücke und Batterie Merville – Zwei britische Kommandounternehmen - Helmut Konrad von Keusgen - E-Book

Pegasus-Brücke und Batterie Merville – Zwei britische Kommandounternehmen E-Book

Helmut Konrad von Keusgen

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Beschreibung

Erfahren Sie alle Details über den legendären Raid britischer Luftlandetruppen auf die Pegasus-Brücke, bekannt aus dem Film „Der längste Tag“! Normandie, 6. Juni 1944: D-Day! Die Alliierten wagen den Sturm auf die "Festung Europa". Die Landung in der Normandie gilt als eine der größten Militäroperationen der Menschheitsgeschichte. Untrennbar mit ihr verknüpft sind menschliche Tragödien, militärische Fehlschläge, schier unglaubliche Einzelschicksale und abenteuerliche Geheimnisse … Der renommierte D-Day-Experte und Historiker Helmut Konrad von Keusgen, bekannt aus einschlägigen Print-, Radio- und TV-Dokumentationen zum D-Day, ist weltweit geschätzt für seine in ihrer Art einzigartigen Aufarbeitung der historisch so bedeutsamen großen Invasion in der Normandie. Über dieses Buch: Eine unscheinbare stählerne Brücke in der Normandie geht nach dem erfolgreichen Angriff britischer Luftlandetruppen als „Pegasus-Brücke“ in die Weltgeschichte ein. Doch trugen sich die Ereignisse wirklich so zu, wie es vielfach dargestellt wurde und wird – zum Beispiel im Hollywood-Film „Der längste Tag“? Und was hatte die nur wenige Kilometer entfernt stationierte deutsche Batterie Merville damit zu tun? Helmut Konrad von Keusgen hat vier Jahre lang intensiv recherchiert und rekonstruiert aus den Erzählungen Dutzender Zeitzeugen eine andere Darstellung über die Kämpfe um die Pegasus-Brücke. Seien Sie gespannt auf bahnbrechende Erkenntnisse, die die bekannte Geschichte der Pegasus-Brücke in einem ganz neuen Licht erscheinen lässt … Profitieren Sie von der jahrzehntelangen, gründlichen Recherche des Autors. Vor allem dank der Befragung zahlreicher Zeitzeugen konnte von Keusgen mit irreführenden Darstellungen endgültig aufräumen. Mit diesem Buch liefert er detaillierte und faktentreue Einblicke in die vielleicht bedeutendsten britischen Kommandounternehmen des 2. Weltkriegs! Gerade die Zeitzeugenberichte aus erster Hand legen die ganze Wahrheit über die Ereignisse frei!

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Helmut Konrad von Keusgen

Pegasus-Brücke und Batterie Merville

Zwei britische Kommandounternehmen

„Es gibt Zeiten, Männer und Ereignisseüber die allein die Geschichteein endgültiges Urteil abgeben kann.Zeitgenossen und individuelle Beobachterdürfen nur schreiben,was sie gesehen und gehört haben.Das verlangt schon die Wahrheit.“

Titus Livius(römischer Historiker, 59 v. Chr. bis 17 n. Chr.)

Diese Neuauflage obliegt dem Originaltext mit der alten deutschen Rechtschreibung.

Lieber Leser,

da es technisch nicht möglich ist, Ihnen die detaillierten Karten und Abbildungen hochaufgelöst in diesem E-Book zur Verfügung zu stellen, möchten wir Sie herzlich einladen, die PDF unter untenstehendem Link herunterzuladen. Diese enthält alle Karten und Abbildungen hochaufgelöst.

https://www.ek2-publishing.com/booklet-pegasus

Inhaltsverzeichnis

Luftaufnahmen des Küstenabschnitts unmittelbar östlich der Orne

Normandie D-Day 6. Juni 1944

Vorgeschichte

Die Batterie Merville

Der Ausbau des Artillerie-Stützpunktes WN 01

Spione

Ein Leutnant namens Steiner

Rommel sorgt für Tempo

Personelle Umbesetzungen und ständige Bombardierungen

Vorbereitungen der Briten auf den D-Day

Planung des Angriffs auf die Batterie Merville

Plan zur Einnahme der Caen-Kanal- und der Orne-Brücke

John Howards Lastensegler-Crews

Seltsame Ereignisse vor dem D-Day…

Auf dem Weg zur Orne und zum Caen-Kanal

Plötzlich waren da fremde Geräusche…

Stürmische Einnahme einer unbesetzten Brücke

Ham and Jam

Der erste in der Normandie gelandete General der Alliierten

Pfadfinder am falschen Platz

Die Einnahme der Batterie Merville – ein Himmelfahrtskommando…

Otways Addition der Negativa

Ein unerwarteter Überfall

Absprünge ins Chaos

„Die Invasion ist da!“

Steiners qualvoller Weg zur Batterie Merville

Otways Kampf gegen die Zeit

Verstärkung an den Brücken

Bei Merville spitzte sich die Lage zu

Probleme über Probleme

Rückzug

Immer mehr Invasoren, und immer mehr Konfusion – 
auf beiden Seiten…

„Da gab’s ein echtes Donnerwetter…“

Mit dem Dudelsack in den Krieg

Zunehmende Kampfhandlungen…

D-Day + 1 – der zweite Tag

Von Luck kam nicht weiter…

WN 01 bleibt unter Beschuß

Escoville-Brückenkopf bleibt uneinnehmbar

Batterie Merville noch immer zugänglich

Die Brücken zerstören!

Der große Treck

Über die Seine und weiter…

Die letzten Männer der Batterie Merville

Wie ihr Leben weiterhin verlief…

Kontroversen um die Pegasus-Brücke

Wahrheit und Legende betreffs der Pegasus-Brücke

Wahrheit und Legende betreffs der Batterie Merville

Steiners Comeback

Nachwort

Quellenverzeichnis

Bildnachweis

Danksagungen

Impressum

Luftaufnahmen des Küstenabschnitts unmittelbar östlich der Orne

vom 25. April 1944

Fotos: Battlefield Historian Ltd.

Normandie D-Day 6. Juni 1944

Vorwort

Pegasus… Das geflügelte Pferd der griechischen Mythologie war das Symbol der britischen 6. Luftlandedivision. Einem Handstreichkommando dieser Division, unter der Führung des Majors John Howard, war es zu Beginn der großen Invasion in der von deutschen Truppen besetzten Normandie in den ersten Minuten des D-Day, des 6. Juni 1944, gelungen, zwei strategisch wichtige Brücken einzunehmen – jene über die Orne und jene, die über einen bis dahin historisch unbedeutenden, fast parallel zur Orne verlaufenden Caen-Kanal führte. Danach gingen sie als Hommage an die Transportflugzeugbesatzungen und die Soldaten, die sie einst eingenommen hatten, als Horsa-Brücke und Pegasus-Brücke in die Militär- und Weltgeschichte ein – und als Denkmal an einen glorreich erkämpften britischen Sieg.

Ganz anders verlief hingegen der ebenfalls als Handstreichunternehmen geplante Angriff auf die von den Engländern gefürchtete, nur acht Kilometer von besagter Kanal-Brücke entfernte Haubitzen-Batterie Merville. Diese deutlich größer angelegte und von Oberstleutnant Terence Otway geführte Aktion hatte sich von Beginn an zu einem tragischen Desaster entwickelt. In einem wüsten Durcheinanderfalscher und widersprüchlicher Fakten sowie dubioser und voneinander abweichender englischer Berichte ist der wahre Verlauf untergegangen und somit die Glaubwürdigkeit diesbezüglicher Dokumentationen in Frage gestellt. Das erste Opfer eines jeden Krieges soll bekanntermaßen die Wahrheit sein – im Fall der Batterie Merville besonders flagrant! Doch diese Wahrheit wiederzufinden, halfen mir genau jene deutschen Veteranen, die sich damals gegen die angreifenden Briten und Kanadier verteidigen mußten und die nach dem Krieg kaum jemand ausführlich befragt hatte. Aber es ist auch eine alte Erkenntnis, daß die Geschichte hernach von den Kriegsgewinnern geschrieben wird – und die Verlierer schweigen.

Ein weiteres Mal um die Richtigstellung bekannter historischer Ereignisse bemüht, weichen meine nachfolgenden Berichte in ganz wesentlichen Bereichen deutlich von sämtlichen mir bekannten bisher erschienenen internationalen Publikationen ab. Infolge detaillierter deutscher Zeitzeugenaussagen werden hier nun die damaligen Geschehnisse genauso wiedergegeben, wie sie sich tatsächlich zugetragen haben – soweit sie nachvollziehbar waren. Außerdem sollte deutlich werden, daß sowohl die militärische Bedeutung wie auch die „Eroberungen“ besagter Pegasus-Brücke und der Batterie Merville in keinem Verhältnis zu dem standen, was man in den Jahrzehnten nach dem Krieg daraus gemacht hat. Überhaupt wurden bezüglich der in diesem Buch beschriebenen Kampfhandlungen im Laufe der Zeit eine Menge die Historie verklärender, sogar flagrant voneinander abweichender bis widersprüchlicher Abhandlungen geschrieben, vornehmlich zugunsten der Briten – und nicht selten sogar völliger Unsinn. Ursächlich dafür ist immer wieder der sogenannte „Urknall“. Irgendein Schriftsteller schrieb irgendwann eine wenig fundierte oder von den Berichterstattern von vornherein (auch der Ehre der Nation gereichend) tendenziös verzerrteVersion der Ereignisse, dann ein anderer die seine, und „alle Welt“ schrieb in der Folge diese „Informationen“ voneinander ab und fügte nicht selten wieder neue, wenig gewissenhaft recherchierte „Fakten“ dazu.

Meinen Ausarbeitungen liegen auch bei diesem Buch wieder vordergründig die Aussagen einiger der wichtigsten an den Ereignissen beteiligten Personen zugrunde, denn aus dem Mund der Zeitzeugen erhält man historisch relevante Informationen. Außerdem kamen mir umfangreiches Kartenmaterial und etliche höchst informative Fotos zugute – und meine inzwischen seit vier Jahrzehnten betriebenen persönlichen Recherchen. Bereits in den 1980er Jahren hatte ich während mehrerer Besuche im Orne-Raum Johannes Buskotte, John Howard, Hans-Ulrich Freiherr von Luck und Witten, William „Bill“ Millin, Terence Otway, Helmut Römer, Raimund Steiner, James „Jim“ Wallwork und noch einige andere „historische“ Personen an der Pegasus-Brücke und in Merville getroffen und mit ihnen gesprochen, auch fanden etliche persönliche Treffen in ihrem privaten Umfeld statt.

Für meine „Spurensuche“ nahm ich auch 29 themenbezogene Buchpublikationen zu Hilfe, um dadurch auf mir noch eventuell unbekannte Ereignisse stoßen zu können – oder auf Sachverhalte, die vielleicht die sich mir während meiner Recherchen ergebenen Fragen erklären könnten. Aber gerade diesbezüglich wurde ich enttäuscht, denn es ergaben sich beim Studium, besonders englischer Publikationen, noch mehr Fragen. Daran, daß Howards Aktion an der Pegasus-Brücke das gelungenste Lande- und Handstreichunternehmen am ersten Invasionstag, war, besteht nicht der geringste Zweifel, dennoch war einiges anders verlaufen, als es bisher immer dargestellt wurde…

Auch über das Geschehen bei der Batterie Merville wurde vornehmlich auf englischer Seite viel Verklärendes geschrieben. Zwar wird in den meisten Publikationen eingestanden, daß Einsatzleiter Terence Otway mit seiner viel zu jungen und völlig unerfahrenen „Spezial-Truppe“ in seiner Absprungzone ein nicht unerhebliches Desaster erlebt hat, doch betreffs der „Einnahme“ der Batterie gibt es gravierende Abweichungen und flagrante Widersprüche bei einigen englischen Darstellungen und der Aussagen der an den Kampfhandlungen beteiligten deutschen Veteranen. Einige Darstellungen wurden unchronologisch und mißverständlich abgefaßt, andere klar verständlich, jedoch historisch falsch beschrieben. Wirklich interessant erschienen mir in der Masse diesbezüglich bisher veröffentlichter Bücher lediglich zwei britische Publikationen; die eine von Alan Jefferson mit dem Titel Assault on the Guns of Merville und The Day the Devils dropped in – 9. Parachute Battailon in Normandie, D-Day to D+6 von Neil Barber.

Alan Jefferson hatte selbst als Leutnant und Zugführer zu Otways Handstreichkommando gehört und sich nach einer dort erhaltenen Verwundung noch einige Zeit innerhalb des Stützpunktes aufgehalten. Auch hatte Jefferson für sein 1987 erschienenes Buch von drei ehemaligen Batterieangehörigen detaillierte Berichte erhalten: Vom Batteriechef Raimund Steiner, dessen „Spieß“ Johannes Buskotte und Wachtmeister Peter Timpf. Es fällt aber auf, daß Jefferson in seinem Buch zwar detailliert über die deutschen Artilleristen berichtet, aber viele Zusammenhänge blieben wenig verständlich.

Neil Barbers Buch The Day the Devils dropped in – 9. Parachute Battailon in Normandie, D-Day to D+6 ist deswegen so interessant, weil der Autor darin etliche bisher publizierte Begebenheiten ernsthaft infrage stellt.

Obwohl meine Zeitzeugen Raimund Steiner und Johannes Buskotte, die ich bereits in den 1980er Jahren vor Ort getroffen hatte, bis zum Zeitpunkt der Zusammenfassung meiner Recherchen zu diesem Buch leider bereits verstorben waren, hatte ich das große Glück, daß meine Mitarbeiterin, Karin Clarissa Röhrs, 2007 noch ein weiteres ehemaliges Besatzungsmitglied der Merville-Batterie ausfindig machen konnte: Johann „Hans“ Staab. Er war vom Herbst 1942 bis zur Auflösung der Batterie als Flak-Schütze tätig gewesen und stand mir noch bis zur letzten Zeile meiner hier nachfolgenden Ausarbeitung durch sehr viele Telefonate äußerst hilfreich „zur Seite“. Zwar hatte ich ihn schon 2007 in seinem Heimatort ausführlich interviewt, doch ergaben sich während meiner schriftlichen Ausarbeitung gerade infolge der so stark voneinander abweichenden und widersprüchlichen Darstellungen immer wieder neue Fragen. Während einem dieser vielen Telefongespräche sagte er betreffs der Geschehnisse in und um den Artillerie-Stützpunkt:

„Aus der ganzen Angelegenheit um die Batterie Merville wurde von den Engländern viel zu viel gemacht; und das, was ich bisher dazu gelesen habe, stimmt nicht. Der Sieger macht ja immer noch viel dabei. Die Engländer tun so, als wenn unsere Batterie die größte Festung gewesen sei.“

Es war den Briten von größter Wichtigkeit, sich den Kanal als Zugang zum Binnenhafen von Caen offen zu halten, denn der zehn Kilometer im Hinterland gelegene Hafen war günstig, sowohl für ein schnelles Vordringen der Truppen der Alliierten von diesem zentral gelegenen Ort hinter dem Schwerpunktbereich der deutschen Abwehrfront, sowie für die problemlose Löschung der Kriegsgüter-Ladungen von den Schiffen sehr geeignet. Deshalb mußte zuerst einmal die bei Merville stehende und auf die Orne-Bucht und die so wichtige Kanal-Schleuse ausgerichtete Batterie eliminiert und das Risiko einer Verhinderung der Kanal-Durchfahrt durch die an der Kanal-Brücke stehenden deutschen Truppen unmöglich gemacht werden – eine bisher offenbar noch niemals allgemeinverständlich publizierte Erkenntnis, denn durch sie wird der gesamte Umfang dieses D-Day-Problems der Briten erst in seiner ganzen Tragweite ersichtlich. Ich möchte aber betonen, daß es absolut nicht in meiner Absicht liegt, mit der Aufklärung der wahren Ereignisse britisch-nationale Eitelkeiten zu verletzen, ganz besonders deshalb, weil ich eine hohe Achtung vor den damaligen äußerst gefährlichen und bewiesenermaßen sehr tapfer ausgeführten Einsätzen der britischen Soldaten habe.

Helmut Konrad von Keusgen

Der Ausbau des Artillerie-Stützpunktes WN 01

Bereits im Jahre 1941 war auf der westlichen Seite des Stützpunktes ein 240 Meter langer, vier Meter breiter und mehr als zwei Meter tiefer Panzerabwehrgraben ausgehoben worden. Er war zur Orne-Bucht hin ausgerichtet, von der im Falle einer in diesem Bereich stattfindenden Invasion mit einem Angriff gerechnet werden mußte, allerdings war er für die feindliche Luftaufklärung auch weithin sichtbar… Hinter ihm wurden vier große, betonierte Ringstellungen mit direkt angrenzenden, kleinen Munitionsbunkern im südlichen Bereich des Stützpunktes fertiggestellt worden. Doch hatte man bald eingesehen, daß es besser war, den Standplatz der vier Haubitzen der 1. Batterie nicht darauf zu verlegen, denn diese völlig ungedeckten Positionen waren für die Aufklärungsflugzeuge und die gelegentlich „patrouillierenden“ Jabos (Jagdbomber) der Alliierten schon aus weiter Ferne und großer Höhe als helle Rondells gut sichtbar. So wurden sie zur Tarnung mit Erde überschüttet und mit Grassoden abgedeckt. Die Geschütze blieben vorerst unter den Bäumen stehen, doch wurde entschieden, sie auf diesem in offenem Gelände befindlichen und äußerst exponierten Stützpunkt zu verbunkern.

Den mehr als 800 Meter langen Weg zum Troß der 1. Batterie legte Oberwachtmeister Johannes Buskotte fast täglich auf seinem Pferd zurück.

Foto: Kollektion J. Buskotte

Im Juni 1943 wurde mit der Errichtung des ersten Geschützbunkers begonnen, der Kasematte Nr. 1. Dafür wurde eine spezielle Straße vom Haupteingang bis ins Zentrum des Stützpunktes betoniert, damit die Lastwagen mit den zu liefernden Baumaterialien bei Regen nicht im Schlamm versanken (eine allgemein übliche Maßnahme beim Bau größerer Bunkeranlagen, andererseits jedoch äußerst nachteilig, da sie aus der Luft als heller Streifen und gewissermaßen als „Leitfaden“ in die Batterie leicht erkennbar waren).

Für den Bau der großen, aufwendigen Kasematte des Regelbau-Typs H611 (siehe übernächste Grafik), deren Mannschaftsunterkunft als Batteriegefechtsstand dienen sollte, und eines zusätzlichen unterirdischen Schlafraums für die Geschützbedienung, ließ man sich allerdings viel Zeit. Der bis zu fast vier Meter unter der Erdoberfläche (bis zur Sohle) liegende Raum war lediglich durch im Boden befindliche Luken mit Falltüren und über Eisenleitern innerhalb der Kasematte zu erreichen.

Dazu erklärte Wolfgang Schneider, einer der Vorarbeiter der Organisation Todt: „Für den Tiefbau des kleinen Raumes unter der Erde und wegen einer im Boden versenkbaren, sehr schweren Stahlplatte vor der Scharte mußten wir wegen des dortigen hohen Grundwasserspiegels ein äußerst leistungsfähiges Pumpensystems installieren. Das war alles sehr zeitaufwendig, und es gab immer wieder neue Probleme…“

Der Bau der Kasematte Nr.1 war wegen der ungewöhnlich tiefen Ausschachtung für den bis zu vier Meter unter dem Erdboden befindlichen Mannschaftsraum äußerst aufwendig und dazu weite Abtragungen des umgebenden Erdreichs notwendig. (Das vom Haupteingang des Stützpunktes aus aufgenommene Foto zeigt den Rohbau mit der noch umlaufenden hohen Galerie mit den darauf an den Ecktürmen befindlichen vier großen Betonmischern und den Kipploren zum Einbringen der dickflüssigen Mischung in die hölzernen Verschalungen.)

Foto: W. Schneider 1943

Darüber hinaus mußten für die Luftversorgung innerhalb der Kasematte Lüftungsschächte und Ventilatoren eingebaut werden. Die große, rückwärtige Einfahrt für das Geschütz wurde mit einem dicken, zweiflügligen Stahltor verschlossen. Die beiden in der Kasematte linksseitig befindlichen Räume wurden als Lager für Kartuschen und Granaten genutzt, und der große, auf der rechten Seite befindliche Raum diente von nun an als Batteriegefechtsstand.

Der Chef der 6. Batterie (die auf der westlichen Seite der Orne stationiert war), Leutnant Karl Heyde (der 1944 zum Regimentskommandeur avancierte), betrachtete bei einem Besuch der 1. Batterie deren Bunkerbau mit Skepsis. Da er nicht am Bau von Kasematten für seine 6. Batterie (der II. Abteilung) interessiert war, standen dort die Geschütze lediglich auf freiem Feld und unter einigen unregelmäßig umherstehenden Bäumen. Die einzige „Tarnung“ waren etliche Kühe, die friedlich um die Geschütze herum grasten – aus der Luft und mit den Augen der gegnerischen Aufklärer betrachtet, eine ländliche Idylle und keine gefährliche Batterie-Feuerstellung… (Tatsächlich wurde die 6. Batterie von der Luftaufklärung der Alliierten niemals entdeckt, aber infolge der allerorts erfolgten französischen Agententätigkeit ihnen zweifellos bekanntgegeben.)

Querschnitt- und Grundrißplan der Kasematte Nr.1 des Regelbau-Typs H(Heer) 611. Für den Bau waren 700 m³ Erdaushub, 1.330 m³ Beton, 63 Tonnen Rund- und 15,6 Tonnen Formstahl erforderlich. Dieser Geschützschartenstand für Feldgeschütze (in diesem Fall 10-cm-Feldhaubitzen) mit einem vertikalen Schwenkbereich bis 60° war eine häufig und vornehmlich für Heeresküstenbatterien gebaute Kasematte, von der insgesamt 88 Exemplare errichtet wurden.

Die in einem Winkel von 45 Grad (Hauptschußrichtung) zur Küste stehende Kasematte Nr. 1 ließ schon während ihres Entstehens eine ungewöhnlich große Dimension erahnen. Aber gerade deswegen machte sich auf Seiten der Alliierten der Verdacht breit, daß auf diesem Stützpunkt besonders weitreichende Küstengeschütze installiert werden sollten. Folglich stand die Batterie von nun an unter ständiger Beobachtung – nicht nur aus der Luft…

Parallel zum Bau der ersten Kasematte entstanden auf dem Merville-Stützpunkt mehrere halbunterirdische Bunker, sogenannte Gruppenunterstände, die als Fernmelderaum, Küche und Vorratslager dienten und in denen ebenfalls ein Teil der bis dahin in der geräumigen Holzbaracke „wohnenden“ Kanoniere einquartiert wurden. An den gesamten Bauarbeiten hatten sich auch die Stützpunkt-Soldaten zu beteiligen. Gemäß der Order, daß sich jeder Stützpunkt selbst mit Wasser zu versorgen hatte (für den Fall einer Belagerung), befand sich unter dem kleinen Flak-Stand eine gußeiserne Schwengelpumpe (die im Februar 1944 gegen eine Motorpumpe ausgetauscht und hinter dem Wasserbunker installiert wurde). Die Stromversorgung des Stützpunktes erfolgte aus Mervilles Elektrizitätsnetz.

Die Kasematte Nr.1 heute, in der den Besuchern außer einer sehr interessanten Ausstellung auch eine spektakuläre Show geboten wird. (Im Bild oben die Eingangsseite; im Hintergrund die erst später erbaute Kasematte Nr.2; im Bild unten die seewärts gerichtete Scharte der Kasematte Nr.1, an der erst nachträglich zwei starke Schartenflanken anbetoniert wurden.)

Der MG-Stand auf der Kasematte Nr.1 (siehe die Kennzeichnung im Bild oben).

Fotos: von Keusgen 2010

Ab dem Frühjahr 1943 begann eine Zeit großer baulicher Aktivitäten entlang des gesamten Atlantikwalls…

Nur 1,3 Kilometer nördlich der Merville-Batterie liegt das schon damals noble Seebad Franceville mit dem zur Küste hin vorgelagerten Franceville-Plage. Nach der Besetzung durch die Deutschen verlor das seit Generationen auf Touristen angewiesene Franceville allerdings seine Attraktivität als Seebad und somit seine gesamte Infrastruktur.

Im Aufstellungsraum der 716. Infanterie-Division im Bereich der Orne-Mündung waren 15 Verteidigungsanlagen entstanden.

Grafik: von Keusgen

Östlich und westlich über Franceville hinaus wurde über eine Länge von mehr als 2,5 Kilometern in den Dünen, unmittelbar am Strand, eine Verteidigungslinie errichtet, die aus den Widerstandsnestern 02, 03, 04 und 05 bestand. Alle zusammen bildeten die Stützpunkte Franceville Ost und Franceville West und gehörten zur Stützpunktgruppe Orne. (Diese Stützpunktgruppe bestand östlich und schwerpunktmäßig westlich der Orne aus insgesamt 21 Widerstandsnestern und gehörte zum Küstenverteidigungsabschnitt H1.) Die einzelnen Widerstandsnester wurden von jeweils mehreren Bunkern verschiedener Bauart und Bewaffnung gebildet. Im Zentrum des Widerstandsnestes 04 gibt es (noch heute) eine alte, hufeisenförmige und als La Redoute(Die Festung) benannte Zitadelle.

Bild oben: Die alte Festung „La Redoute“ aus dem Jahre 1779.

C. Ferdy, ADEMF Merville-Franceville-Plage

Die alte Anlage mit ihren 5,50 Meter hohen Außenmauern und einem Gesamtumfang von 147,80 Metern war bereits 1779 im Auftrag des französischen Königs Ludwig XVI. im architektonischen Stil des bekannten Ingenieurs und Festungsbaumeisters Sébastien la Prestre de Vauban errichtet worden. Nur 620 Meter von der Orne entfernt, hatte sie als Festungsbollwerk mit starker Artillerie zum Schutz des Binnenhafens in Caen gedient und ihre „Blütezeit“ während der Französischen Revolution (1789-1794) sowie während des Ersten Kaiserreichs (1804-1815) erlebt. Danach war sie als Zollstation genutzt worden. Im Jahr 1811 hatte auch Kaiser Napoléon I. „La Redoute“ besucht und sich von ihrer Festungstauglichkeit am Eingang zur strategisch wichtig gelegenen Orne-Bucht überzeugt.

Festungsbaumeister Sébastien Le Prestre de Vauban (1633-1707).

C. Ferdy, ADEMF Merville-Franceville-Plage

1943 wurde die alte Festung zum WN 04 ausgebaut. Dazu erbaute die Organisation Todt im seewärts gerichteten Teil der Anlage einen Tobruk-Stand, (T) auf dem eine Renault-Panzerkuppel mit einer 3,7-cm-Kanone montiert wurde.

Archiv von Keusgen

Fast ein ganzes Jahrhundert hatte die Zitadelle dann leergestanden. Seit Beginn der deutschen Besetzung Frankreichs, im Juni 1940, wurden die in dieser Festung befindlichen beiden Gebäude, die bis zu 30 Soldaten aufnehmen konnten, von deutschen Truppen als Garnison genutzt. 1944 befand sich im Hauptgebäude der Gefechtsstand der 3. Kompanie des I. Bataillons des Grenadier-Regiments 736der 716. Infanterie-Division, von der ein Zug in direkter Nähe östlich der 1. Batterie wegen deren geringen Personalbestandes zu ihrer Bedeckung aufgestellt wurde.

Der Eingang zur Festung „La Redoute de Merville“.

Foto: J. Krug 2011

Von dem erweiterten Regelbau-Typ H 506 des ehemaligen WN 03, der einst als Kasematte für eine 4,7-cm-Pak und sein Tobruk-Stand als Beobachtungsstelle diente (Foto links), befindet sich heute, ebenso wie die benachbarten Bunker, infolge der starken Verlandung des Strandes mehr als einhundert Meter von der Wasserlinie entfernt und von dichten Pflanzen umstanden.

Foto: J. Krug 2011

In der direkt am Strand gelegenen Reihe von vier großen Bunkern war fast genau 165 Meter nördlich von La Redoute, im Widerstandsnest 03 und dem dort neu gebauten, erweiterten Bunker des Regelbau-Typs H 506, ein spezieller Observationsstand errichtet worden, der auch von der Merville-Batterie als Feuerleitstelle genutzt werden konnte. (Da alle diese Bunker fast gleichzeitig und in innerhalb weniger Tage, noch dazu mit niedrigem Gezeitenkoeffizienten, gegossen wurden, schwappten die Meereswellen bereits unmittelbar nach Fertigstellung bei inzwischen höherem Gezeitenwechsel und bei seeseitigem Wind bis an die Außenwände. Der Observationsbunker war davon ganz besonders nachteilig beeinflußt, weil das Salzwasser auch in den an der östlichen Seite befindlichen Eingang und bei besonders hohem Meeresstand und Wind sogar bis in den Observationsraum lief. )

Johannes Buskotte vor dem Offiziers-Casino.

Foto: Kollektion H. Buskotte