Pegida - Lars Geiges - E-Book

Pegida E-Book

Lars Geiges

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Beschreibung

Sie spazieren gegen die »Islamisierung des Abendlandes«, skandieren »Wir sind das Volk« und schimpfen auf die »Lügenpresse«: Die Demonstrationen von Pegida bewegten 2014/15 ganz Deutschland. Nicht nur (aber vor allem) in Dresden, wo Pegida ihren Anfang nahm, wurden Zehntausende mobilisiert. Medien und Politik rätselten: Was ist Pegida? Woher kommt die Bewegung? Was macht sie aus und was treibt ihre Aktiven an? Dieses Buch liefert erste Erkenntnisse. Das Göttinger Autorenteam hat Pegida-Demonstrationen beobachtet und Interviews, Gruppendiskussionen sowie eine Onlineumfrage durchgeführt. So konnte ein tiefer Einblick in die Einstellungen und Überzeugungen der Pegida-Anhängerschaft gewonnen werden. Auch die Gegendemonstranten von NoPegida wurden vom Göttinger Institut für Demokratieforschung untersucht: Inwiefern unterscheiden sich die Lager? Entstanden ist eine facettenreiche Studie, die erste Auskünfte gibt über Pegida sowie über die Verfassung der deutschen Gesellschaft im Jahr 2015 insgesamt.

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Sie spazieren gegen die »Islamisierung des Abendlandes«, skandieren »Wir sind das Volk« und schimpfen auf die »Lügenpresse«: Die Demonstrationen von Pegida bewegten 2014/15 ganz Deutschland. Nicht nur (aber vor allem) in Dresden, wo Pegida ihren Anfang nahm, wurden Zehntausende mobilisiert. Medien und Politik rätselten: Was ist Pegida? Woher kommt die Bewegung? Was macht sie aus und was treibt ihre Aktiven an?

Dieses Buch liefert erste Erkenntnisse. Das Göttinger Autorenteam hat Pegida-Demonstrationen beobachtet und Interviews, Gruppendiskussionen sowie eine Onlineumfrage durchgeführt. So konnte ein tiefer Einblick in die Einstellungen und Überzeugungen der Pegida-Anhängerschaft gewonnen werden. Auch die Gegendemonstranten von NoPegida wurden vom Göttinger Institut für Demokratieforschung untersucht: Inwiefern unterscheiden sich die Lager? Entstanden ist eine facettenreiche Studie, die erste Auskünfte gibt über Pegida sowie über die Verfassung der deutschen Gesellschaft im Jahr 2015 insgesamt.

Lars Geiges (Dr. disc. pol.), geb. 1981, ist Journalist und Politikwissenschaftler. Er arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Göttinger Institut für Demokratieforschung und ist Redaktionsmitglied der INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft. Forschungsschwerpunkte sind (Bürger-)Protestbewegungen, soziale Konflikte sowie Engagement und Partizipation.

Stine Marg (Dr. disc. pol.), geb. 1983, ist Mitarbeiterin am Göttinger Institut für Demokratieforschung und Mitherausgeberin der BP-Gesellschaftsstudie. Sie arbeitet vorwiegend im Bereich der politischen Kulturforschung sowie u.a. zum Thema »Bürgerproteste«.

Franz Walter (Prof. Dr.), geb. 1956, ist Professor für Politikwissenschaft und seit 2000 Leiter des Instituts für Demokratieforschung in Göttingen. Er ist Herausgeber von INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft. Seine Forschungsschwerpunkte sind Parteien und politische Kulturforschung. Er publiziert vor allem zur Geschichte und Entwicklung der deutschen Parteien, u.a. regelmäßig auf SPIEGEL ONLINE.

Lars Geiges, Stine Marg, Franz Walter

Pegida

Die schmutzige Seite der Zivilgesellschaft?

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

eBook transcript Verlag, Bielefeld 2015

© transcript Verlag, Bielefeld 2015

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen.

Covergestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld

Coverabbildung: Felix M. Steiner

Konvertierung: Michael Rauscher, Bielefeld

Print-ISBN: 978-3-8376-3192-0

PDF-ISBN: 978-3-8394-3192-4

ePub-ISBN: 978-3-7328-3192-0

http://www.transcript-verlag.de

Inhalt

Vorwort

1.

Pegida, was?

Entstehungsgeschichte und Organisatoren von Pegida

2.

Unter Pegidisten

Beobachtungen von »Abendspaziergängern«

3.

Porträts in Zahlen

Der Pegidist und sein Gegenüber

4.

Von »Asylanten« und »dem schönen Sachsen«, »Staatsmedien« und »Propaganda-Welten«

Kollektive Wahrnehmungen der Pegidisten

5.

Deutsche »Deutungs-Ursuppe«

Mails, Meinungen und Mediendiskurse

6.

Alternative Annäherungen?

Bemerkungen zum Verhältnis von AfD und Pegida

7.

»Was ist nur mit den Deutschen los?«

Pegida-Rezeption im europäischen Ausland

8.

Die schmutzigen Seiten der Zivilgesellschaft?

Zeiten kultureller Entfremdung und politischer Heimatlosigkeit

Vorwort

Mit dieser Publikation möchten wir eine Studie vorlegen, die im Gang eines Forschungsprojekts entstanden ist, nicht schon am Ende der hier untersuchten Vorgänge. Zumindest war zu der Zeit, als wir das Manuskript verfassten, nicht unzweifelhaft abzusehen, was aus den neuen Protesten, die unter dem Namen Pegida firmierten, werden mag, ob sie zerbröseln und zerfallen, eine Pause einlegen, um sich neu zu orientieren und in veränderter Gestalt später zurückzukehren. In einem solchen, nicht abgeschlossenen Prozess Ergebnis und Reflexionen, die ebenfalls im Fluss sind, in die öffentliche Debatte hineinzugeben, gehörte von Beginn an gewissermaßen zum Programm des »Göttinger Instituts für Demokratieforschung«. Gesellschaftliche Konvulsionen, soziale Konflikte und politische Auseinandersetzungen erst im weiten Nachhinein, wenn alles längst gelaufen ist, zu erklären, ergibt wegen des Vorzugs der für Wissenschaft sicher bekömmlichen Distanz viel Sinn und birgt nicht das Risiko, sich mit ersten und vorläufigen Interpretationen durch einen danach entgegengesetzten Verlauf der Ereignisse zu blamieren. Aber auf diese Weise bekommt man vor allem wohlfeile rückwärtsgewandte Prophetie, die nicht nur durch die Ex-Post-Allwissenheit fade und unsympathisch wirkt, sondern häufig zum Zeitpunkt des Erscheinens kaum noch jemanden interessiert.

Nun muss Wissenschaft keineswegs auf die Aufmerksamkeitskonjunkturen und Neugierdezyklen des Publikums schielen. Das könnte, würden alle Forscher vorwiegend rezeptionsorientiert denken und handeln, zu einem bedenklichen Verlust an Autonomie und Eigensinn wissenschaftlichen Seins und Tuns führen. Aber gerade Politikwissenschaftler, besonders Demokratieforscher sollten doch ein Interesse daran haben, die res publica nicht nur von den fernen Höhen einer in sich ruhenden und sich selbst genügenden Politologen-Warte zu betrachten, sondern als teilnehmende Analytiker und Deuter in der engen Berührung mit Akteuren und Auseinandersetzungen zu lernen, vielleicht auch zu intervenieren, um mit den eigenen Ergebnissen und Überlegungen Erkenntnisse zu fördern, doch auch in Gefolge harter Kritiken und skeptischer Fragen sich zu korrigieren, um sodann mit veränderten Hypothesen zu operieren.[1]

In aller Regel – und das scheint uns der größte Vorzug zu sein – bekommt man durch eine solche explizit öffentliche Wissenschaft etliche Hinweise auf Ereignisse oder Zusammenhänge, die sonst möglicherweise unentdeckt geblieben wären. Man stößt, geht es etwa um historische Recherchen, auf interessante Zeitzeugen, auf private Sammlungen und Archivalien, auf die graue Literatur von Briefen, Tagebüchern, Mail-Ausdrucken, privaten Zirkularen aller Art. Kurz: Die Quellenbasis erweitert sich enorm. Die Studien, die am Ende entstehen, werden – wenn alles gut geht – dichter, facettenreicher, ja: lebendiger.

Die Zugänge, die in einer öffentlichen Politikwissenschaft gewählt werden, sind – und müssen es sein – vielfältig. An unserem Beispiel der Pegida-Demonstrationen: Man ist als Einstieg bei den Kundgebungen dabei, schaut hin, erkundet sich, gerät in Gespräche, auch in Dispute. Die Erfahrungen und Beobachtungen sind in dem vorliegenden Buch in Reportagen, in narrativ gehaltene sozialwissenschaftliche Inspektionen des Feldes eingegangen. Der eher subjektiven Schau folgen hernach die empirischen Zahlen, als Resultate von Interviews und Onlinebefragungen. Am Ende dieses methodischen Weges stehen, auch in dieser Schrift, Tabellen, Diagramme, Kurven, inklusive eher nüchtern gehaltenen Zusammenfassungen. Im Feld stoßen die Forscher auf Personen verschiedener Herkunft und differenter politisch-biographischer Prägung, die sich bereit erklären, an mehrstündigen qualitativen Gesprächsrunden teilzunehmen. Im Laufe der Debatten in solchen Fokusgruppen bleibt es nicht bei den anfänglich vorgetragenen Statements, die oft noch im Rahmen vermuteter positiv sanktionierender Rezeptionen verharren. In den Kontroversen, welche Emotionen hochspülen und zunächst verborgen gehaltene anstößige Ansichten freilegen, werden die tiefer liegenden Einstellungsschichten erkennbar, Widersprüche und Analogien zwischen den Teilnehmern deutlicher, Zusammenhänge von Lebensgeschichte und aktuellen Dispositionen rekonstruierbar, zu denen man bei rein seriellen Ja-Teils-/Teils-Nein-Befragungen nicht durchzudringen vermag.

Die unterschiedlichen Methoden und Sichtweisen im Forschungsprozess erfordern, ermöglichen zumindest auch verschiedene Darstellungsweisen, in diesem Fall: von der Reportage über die dichte narrative Beschreibung bis hin zur Präsentation des statistischen Befunds und der analytischen, einen größeren Kontext einbeziehenden, auch Begriffe und Kategorien diskutierenden Gesamtbilanz. Insofern variieren die Stilmittel zwischen den Kapiteln ebenfalls in dieser Publikation – und das mit Absicht.

Anmerkungen

1 | So auch und pointiert Peter Graf Kielmansegg: »Die Politikwissenschaft ist nicht die Ägyptologie. Sie muß sich die Frage gefallen lassen, wie präsent sie in den politischen Diskursen des Landes ist; was sie an Erkenntnis in die Diskurse einzubringen hat. Und muß sich, wenn diese Frage gestellt ist, wohl sagen lassen: Politikwissenschaft in Deutschland − das ist, alles in allem, eine Veranstaltung um ihrer selbst willen; ein Fach, das ängstlich und angestrengt darum bemüht ist, sich selbst von seiner Wissenschaftlichkeit zu überzeugen. Politikwissenschaftler schreiben für Politikwissenschaftler, Politikwissenschaftler werden von Politikwissenschaftlern gelesen, die Zunft produziert für die Zunft − viel mehr ist leider nicht zu vermelden.« Peter Graf von Kielmansegg, Notizen zu einer anderen Politikwissenschaft, in: Merkur 55. 2001, S. 436–443, hier S. 436.

1. Pegida, was?

Entstehungsgeschichte und Organisatoren vonPegida

Plötzlich waren sie da, die »Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes«. Aus dem Nichts entstanden, brachten sie Tausende auf die Straße, um gegen »Wirtschaftsflüchtlinge«, Salafisten, »Glaubenskriege« und die »Lügenpresse« zu demonstrieren. Dieses Bild zeichnen nicht nur einige überraschte politische Beobachter[1], sondern so stellt auch gerne das sogenannte »Orgateam« von Pegida in den wenigen Interviews, zu denen sie sich bereit erklärten, ihren Gründungsmythos dar.[2] Waren auf der ersten Demonstration, zu der das »Aktionsbündnis« am Montag, den 20. Oktober 2014, in Dresden aufrief, lediglich 350 Demonstranten erschienen, kamen vier Wochen später bereits 3.200 und weitere vier Wochen darauf, also am 15. Dezember, schon 15.000 »patriotische Europäer«, die bei nasskaltem Wetter in der Dunkelheit durch die Elbmetropole »spazierten«.[3]

Entstanden ist die Demonstrationsidee bei Lutz Bachmann, Kathrin Oertel und einigen anderen als Reaktion auf eine andere öffentliche Kundgebung: Am 10. Oktober 2014 wurde nicht nur in Dresden, sondern auch in weiteren Städten Deutschlands, auf Veranstaltungen mit einem äußerst heterogenen Teilnehmerfeld, auf die Lage in der Kurdenstadt Kobane aufmerksam gemacht und gegen eine direkte, sowie indirekte Beteiligung der Bundesrepublik an den Kriegen in Syrien und im Irak demonstriert. Die Pegida-Gründer waren an diesem Freitag offenbar nicht selbst in der Nähe der Prager Straße/Ecke Waisenhausstraße zugegen, sondern haben von der Kundgebung, auf der– so zumindest ihrer Wahrnehmung nach– Waffen für die »verfassungsfeindliche und verbotene PKK« gefordert worden seien, über ein YouTube-Video erfahren.[4] Daraufhin versammelten sich neben Bachmann und Oertel auch spätere Mitglieder des Organisationsteams, wie beispielsweise René Jahn, Siegfried Däbritz, Tom Balasz oder Thomas Tallaker in einer zunächst offenen, später geschlossenen Facebook-Gruppe. Ein Name war auch schnell gefunden: »Friedliche Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes«. Hierüber gab es anscheinend jedoch bereits am Tag darauf erste Unstimmigkeiten: Offenbar auf Migranten und ausländische Mitbürger bezogen, wurde darüber diskutiert, dass man »überhaupt kein Miteinander« wolle, sondern »Deutscher« sei, daher müsse doch »national« in den Namen aufgenommen werden. Woraufhin man sich dann offenbar auf die integrative Bezeichnung »Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes« einigte, da sich nicht nur Deutsche an den geplanten Aktionen beteiligen wollten und das Problem der Islamisierung doch ganz Europa betreffen würde[5], wie diplomatisch argumentiert wurde. Sieben Mitglieder dieser Facebook-Gruppe, die sich bereits seit mehreren Jahren kannten, wollten es nicht bei einer reinen Missfallensbekundung im Internet belassen, sondern trafen sich, um eine erste öffentliche Veranstaltung zu planen.

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