Perry Rhodan 145: Ordobans Erbe (Silberband) - H. G. Francis - E-Book

Perry Rhodan 145: Ordobans Erbe (Silberband) E-Book

H. G. Francis

0,0

Beschreibung

Einst war Ordoban der Kommandant einer gigantischen Wachflotte. Mit dieser beschützte er lange Zeit ein kosmisches Objekt, das Einfluss auf weite Bereiche des Universums hat: das Kosmonukleotid TRIICLE-9. Ordoban lebt nicht mehr; sein Erbe hat in neuer Zeit Perry Rhodan angetreten. Nun befiehlt der Terraner über die Endlose Armada, jene gigantische Flotte, die aus Millionen von Raumschiffen besteht. Mit dieser Armada muss sich Rhodan dem Kampf gegen die Mächte des Chaos stellen. Wenn er verliert, stehen die Milchstraße und die gesamte Menschheit vor ihrem Ende. In den Tiefen der Milchstraße tobt bald ein unheimlicher Konflikt, in den sich auch Kosmokraten einmischen. Die Hundertsonnenwelt wird zu einem Schauplatz, ebenso Gatas, die Heimat der Blues. Überall geht es um das Erbe des mysteriösen Ordoban, um kosmische Energien, die neu gebündelt werden müssen, und die sogenannten Chronofossilien …

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 611

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Nr. 145

Ordobans Erbe

Cover

Klappentext

Kapitel 1-10

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

Kapitel 11-20

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

Kapitel 21-30

21.

22.

23.

24.

25.

26.

27.

28.

29.

30.

Kapitel 31-40

31.

32.

33.

34.

35.

36.

37.

38.

39.

40.

Kapitel 41-44

41.

42.

43.

44.

Nachwort

Zeittafel

Impressum

Einst war Ordoban der Kommandant einer gigantischen Wachflotte. Mit dieser beschützte er lange Zeit ein kosmisches Objekt, das Einfluss auf weite Bereiche des Universums hat: das Kosmonukleotid TRIICLE-9. Ordoban lebt nicht mehr; sein Erbe hat in neuer Zeit Perry Rhodan angetreten.

Nun befiehlt der Terraner über die Endlose Armada, jene gigantische Flotte, die aus Millionen von Raumschiffen besteht. Mit dieser Armada muss sich Rhodan dem Kampf gegen die Mächte des Chaos stellen. Wenn er verliert, stehen die Milchstraße und die gesamte Menschheit vor ihrem Ende.

1.

»Die SYZZEL ist wieder da«, meldete der Mausbiber Gucky, kaum dass er in Rhodans Unterkunft materialisiert war. »Taurec hat einen Pedotransmitter im Schlepp.«

Perry Rhodan unterhielt sich soeben über Interkom mit mehreren Personen in der Zentrale der BASIS. Mit einer knappen Entschuldigung beendete er die Verbindung und wandte sich dem pelzigen kleinen Freund zu.

»Teleportieren wir zur SYZZEL?«, fragte Gucky erwartungsvoll.

Der Terraner schüttelte lächelnd den Kopf. »Wir gehen die paar Meter«, antwortete er. »Etwas Bewegung schadet keinem von uns beiden.«

Gucky ließ sich in den nächsten Sessel sinken und verschränkte abwartend die Arme hinter dem Kopf. »Du kannst meinetwegen gehen«, maulte er. »Ich komme nach, sobald du bei der SYZZEL bist.«

»Faulpelz!« Seufzend verließ Rhodan sein Quartier. Die Ankunft des walzenförmigen Kosmokratenraumschiffs war ihm vor wenigen Augenblicken aus der Zentrale avisiert worden. Sie haben also einen Pedotransmitter aufgetrieben, wiederholte er in Gedanken. Gut so. Damit können wir endlich zu den Basen des Dekalogs vordringen. Die Dinge geraten in Bewegung.

Bis zum Hangar der SYZZEL war es nicht allzu weit. Rhodan erreichte die Halle binnen weniger Minuten.

Taurec kam ihm schon entgegen. Die beiden Männer blickten einander an, und beide fühlten sie, dass etwas anders war als sonst.

»Gucky hat es mir schon gesagt ...«, eröffnete Rhodan.

Der Boden schien unter ihren Füßen zu schwanken, zugleich breitete sich strahlend helles Licht aus. Es war, als stünden Rhodan und Taurec inmitten allumfassender Helligkeit. Die Wände schienen sich aufzulösen und dem Weltraum zu weichen, und es hatte den Anschein, dass eine leuchtende Aura die noch ferne Kleine Magellansche Wolke umfloss. Eine Lichtbrücke sprang von dort zur BASIS herüber. Rhodan erwartete spontan, die Stimme von ES zu hören. Aber nicht ES meldete sich, sondern der »gute Geist von Magellan«, der, wie sich herausgestellt hatte, nichts anderes war als Rhodans vor langer Zeit kondensierte Mentalenergie.

Der gute Geist warnte vor den Mächten des Chaos. Sie sind näher, als ihr ahnt, wisperte es in Perry Rhodans Gedanken. Der Terraner erwartete, mehr zu hören, doch der »gute Geist« schwieg.

Das Licht schien binnen Sekunden intensiver und eindringlicher zu werden. Unverändert »sah« Rhodan die »Aura« der Kleinen Magellanschen Wolke, aber dann spürte er in aller Deutlichkeit, dass die kondensierte Mentalenergie zu ihm herüberschlug und in ihm aufging.

Es überraschte ihn nicht, was die Zentrale ihm wenig später mitteilte. Am Standort des Frostrubins war eine heftige n-dimensionale Schockwelle angemessen worden – dreißig Millionen Lichtjahre entfernt.

Nachor von dem Loolandre richtete sich ruckartig im Sessel auf. Die Armadaflamme über seinem Kopf flackerte kurz. Er erhob sich und entfernte sich einige Schritte von dem Tisch, an dem er gegessen hatte.

Der Gen-Ingenieur Horvat Gool blickte den Mann mit dem markanten Facettenauge erstaunt an. Eben hatten sie angeregt diskutiert, und Gool erwartete eine Antwort auf eine ziemlich gewagte Theorie. Doch der Armadaprinz reagierte völlig ungewohnt, er schwieg.

»Was ist los?«, fragte der Ingenieur bestürzt. »Habe ich dich beleidigt? Das täte mir leid. Vor allem lag es bestimmt nicht in meiner Absicht.«

Nachor von dem Loolandre schien ihn nicht zu hören. Er stand mehrere Meter von Gool entfernt, und für den Ingenieur war nicht zu erkennen, wohin der Armadaprinz blickte. Das große rote Facettenauge funkelte im Widerschein der Deckenelemente.

Du irrst dich, versuchte sich der Ingenieur zu beruhigen. Es muss an dem liegen, was du an Vorstellungen entwickelt hast. Vielleicht hast du etwas in seiner Vergangenheit angestoßen, von dem du besser nicht gesprochen hättest.

»Nachor«, begann Gool zögernd. »Können wir nicht ...?«

Der Armadaprinz wandte sich ihm zu und stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch. Blickte er Gool an? Oder war er mit seinen Gedanken so weit entfernt, dass er den Ingenieur gar nicht wahrnahm?

»Ich muss weg!«, sagte Nachor. »Zum Loolandre ...« Dabei schauderte er, als sei es ihm kalt über den Rücken gelaufen. Abrupt wandte er sich um und stürmte aus der Messe, in der sich außer ihm und Gool niemand aufhielt.

Der Gen-Ingenieur sprang ebenfalls auf. Von innerer Unruhe getrieben, eilte er hinter dem Armadaprinzen her. So war es oft. Horvat Gool bezog die Reaktionen anderer auf sich und sein Handeln. Sogar in dem Moment wollte er sich nicht damit zufriedengeben, dass das Verhalten des Armadaprinzen wenig mit ihm zu tun hatte.

Je schneller Gool jedoch ausschritt, desto eiliger schien Nachor von dem Loolandre es zu haben. Er schien geradezu vor dem Ingenieur zu flüchten.

Schließlich gelang es Gool, den Armadaprinzen an der Schulter zu fassen und ihn festzuhalten. »Um Himmels willen, Nachor!«, rief er. »Du kannst nicht so einfach ohne Antwort geschweige denn eine Erklärung verschwinden. Was ist los?«

Der Armadaprinz schüttelte den Ingenieur ab. Als Gool nachfasste, stieß Nachor ihn heftig zurück und hastete weiter. Der Ingenieur folgte ihm nun langsamer. Allmählich dämmerte es Gool, dass die Reaktion des Gesprächspartners vielleicht doch nichts mit ihm zu tun hatte.

Der Armadaprinz verschwand in einem Hangar. Was hatte Nachor von dem Loolandre nahezu panisch reagieren lassen?

»So sehr kann ich ihn gar nicht beleidigt haben, dass er vor mir die Flucht ergreift«, sagte der Gen-Ingenieur halblaut im Selbstgespräch. »Eigentlich sollte ich Meldung machen.«

»Tu das!«, empfahl eine helle Stimme hinter ihm.

Erschrocken fuhr Gool herum, aber da war niemand.

»Wie bitte?«, fragte er.

»Ich empfahl dir, richtig zu handeln.«

Horvat Gool schluckte.

Etwa zwei Meter vor ihm bemerkte er einen dunklen Fleck am Boden. Dieser Fleck verformte sich binnen Sekunden und wölbte sich zu einem roten Facettenauge auf, wie Nachor es hatte. Ebenso schnell bildete sich in diesem Auge jedoch eine Pupille und starrte Gool an. Ein gedämpftes Lachen ertönte.

»Ich habe dir einen Rat gegeben. Schon vergessen?«

Gool fasste sich an den Kopf. Er schob sich mit dem Rücken an der Wand entlang, um dem Auge nicht zu nahe zu kommen, dann rannte er wie von Furien gehetzt davon. Eigentlich war er ein nüchterner Mensch, den so leicht nichts erschüttern konnte. Nachors Verhalten hatte ihn jedoch völlig verunsichert.

Das Lachen wurde lauter und dröhnte durch den Korridor. Es verfolgte Gool, bis sich endlich ein Verbindungsschott hinter ihm schloss. Keuchend lehnte sich der Gen-Ingenieur mit dem Rücken dagegen. Schweiß perlte auf seiner Stirn. Er fragte sich, ob er im Begriff war, den Verstand zu verlieren.

Was hatte er eigentlich zu Nachor gesagt?

Einige Meter entfernt öffnete sich ein Türschott und ein Roboter trat auf den Korridor heraus. Die humanoide Maschine trug ein Tablett, auf dem einige Becher abgestellt waren. Sie verbeugte sich vor dem Ingenieur.

»Möchtest du etwas trinken?«

Alle Becher waren leer und schon benutzt. Horvat Gools Magen rebellierte bei dem Anblick. Wie kam der Roboter dazu, ihm die schalen Reste anzubieten?

»Bei dir ist ein Schaltkreis ausgebrannt, oder?«, entfuhr es Gool. »Wenn du mir etwas anbieten willst, dann bitte volle und saubere Becher. Du solltest zur Inspektion gehen.«

»Und du ins Zelt, mein Werter«, entgegnete die Maschine. »Du gibst mir Ratschläge, hast aber keine Ahnung, was in der BASIS los ist. Willst du die große Nummer verpennen?«

Horvat Gool atmete tief durch. Jemand macht sich über mich lustig, dachte er. Irgendein Spaßvogel hat den Roboter umprogrammiert. Aber wieso wählt er mich als Opfer? Ich hatte mit niemandem Ärger.

»Lass mich in Ruhe und verschwinde!«, herrschte Gool die Maschine an.

Er drängte sich an dem Roboter vorbei – und stürzte der Länge nach hin, konnte sich gerade noch abfangen. Die seltsame Maschine hatte ihm ein Bein gestellt.

»Gut gelandet?«, fragte der Roboter.

Gool raffte sich hastig auf und wich bis zum nächsten Seitengang zurück. Furchtsam musterte er den Automaten.

Der Roboter folgte ihm nicht. Er hob lediglich die rechte Hand und winkte. »Juhuu, Horvat!«, rief er. »Vergiss nicht, was ich sagte.«

Das war vollends zu viel. Horvat Gool flüchtete. Die Maschine hatte zweifellos Schaden erlitten, ihre Positronik spielte verrückt. So etwas kam gelegentlich vor. Gool erinnerte sich, vor Jahren gehört zu haben, dass ein fehlgeschalteter Roboter sogar gewalttätig geworden war. Mit einer solchen Maschine wollte er nichts zu tun haben.

»Was ist mit dir los?«, fragte Ras Tschubai lächelnd. »Du siehst aus, als wäre dir sonst was zugestoßen.«

»So ungefähr«, antwortete Horvat Gool verwirrt. »Ein fehlgeschalteter Roboter ...«

»Das ist kein Grund zur Beunruhigung«, wunderte sich der Teleporter. »Oder hattest du Anlass, dich zu fürchten?«

»Hatte ich«, gestand der Gen-Ingenieur. »Tut mir leid, dass ich das sagen muss. Als Kind gab es für mich ein unangenehmes Erlebnis mit einem Roboter, und hin und wieder kommt die Erinnerung daran hoch. Es lag wohl an Nachor.«

»Nachor? Was ist mit ihm?«

»Er ist weg. Ganz plötzlich. Mitten im Gespräch lief er davon. Ich fragte ihn, was los sei, aber er hat nicht einmal darauf geantwortet. Lediglich, dass er zum Loolandre will, sagte er. Es war sehr merkwürdig. Ich hatte das Gefühl, Nachor sei einer Panik nah.«

Ras Tschubai lächelte nicht mehr. In letzter Zeit war sehr viel geschehen, und wenn der Armadaprinz seltsam reagierte, durfte das nicht ignoriert werden. Der Teleporter ließ sich von Gool alle Einzelheiten schildern. Das eigenartige Verhalten des Roboters tat er als nebensächlich ab, weil er ebenfalls der Meinung war, dass irgendwer Horvat einen Streich gespielt hatte – möglicherweise jemand, der vom Kindheitstrauma des Ingenieurs wusste.

»Und die Stimme, die ich gehört habe?«

Tschubai winkte ab. »Ein positronisches Gimmick, weiter nichts. Einige deiner Kollegen werden dich bereits erwarten, und sie halten sich vermutlich für besonders witzig.«

»Mag sein. Ja, vielleicht hast du recht.« Horvat Gool nickte zögernd, dann ging er weiter. Er war Tschubai zufällig begegnet, nun setzte er seinen Weg fort. Er wollte zum Labortrakt des riesigen Fernraumschiffs.

Weit war Gool noch nicht gekommen, als sich ein farbiges Element der Wandverkleidung ausbeulte und eine Hand erschien. Gool schürzte verächtlich die Lippen. Wieder so ein Trick, ging es ihm durch den Sinn.

Die künstlichen Finger schnippten, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. »He, du, Gen-Schlachter«, sagte eine tiefe Bassstimme. »Willst du nicht wissen, was anliegt? Du bist dabei, die größte Sensation seit dem Bau der BASIS zu verpassen.«

»Und wenn schon«, erwiderte der Ingenieur. »Wer zuletzt lacht, lacht am besten.«

»Ich habe keine Ahnung, was das bedeuten soll«, seufzte das Wandelement. »Aber etwas wirst du dir hoffentlich dabei gedacht haben.«

»Idioten«, schimpfte Gool. »Falls euch langweilig ist: Wir haben genügend Experimente in der Pipeline ...«

Das Wandelement lachte dröhnend. »Ich wollte dir verraten, dass die BASIS Besuch erhalten wird.«

»Besuch?«

»Sogar einen sehr imposanten.«

Der Ingenieur blieb stehen. Unmittelbar neben ihm entstanden zwei leuchtend blaue Augen. Sie blitzten vor Vergnügen. Über ihnen wölbten sich buschige, dunkle Augenbrauen, und unter ihnen formte sich ein Mund. Irritiert stellte Gool fest, dass in dem sichtbar werdenden Gebiss mindestens zwei Schneidezähne fehlten. Er fühlte sich von der klaffenden Lücke abgestoßen, blieb aber dennoch stehen und hielt dem Blick der beiden Augen in der Wand stand.

»Also? Welchen Besuch willst du mir ankündigen?« Gool gab sich betont gelangweilt, als höre er nur zu, um jemandem einen Gefallen zu tun.

»Ich spreche von Tiryk.«

»Tiryk?«, wiederholte der Gen-Ingenieur. »Den Namen höre ich zum ersten Mal.«

Die Augenbrauen an der Wand glitten nach oben. Das Fragment eines Gesichts drückte höchstes Erstaunen aus.

»Unsinn!«, rief es. »Natürlich kennst du den Namen. Erinnere dich! Er muss dir bekannt sein.«

Horvat Gool vergaß völlig, dass er sich vorgenommen hatte, alle Effekte zu ignorieren, die ihn zunächst so erschreckt hatten. Er dachte nach. Tatsächlich! Irgendwo hatte er diesen Namen schon gehört.

»Nun?«

»Es fällt mir nicht ein. Hilf mir auf die Sprünge.«

Augen, Mund und Augenbrauen in der Wand verschwanden so plötzlich, wie sie erschienen waren. Die Stimme schwieg.

»He.« Gool wurde ärgerlich. »Komm mir bloß nicht so. Ich will eine Antwort.«

»Ist dir nicht gut?«, fragte jemand hinter ihm.

Der Ingenieur drehte sich erstaunt um. Perry Rhodan stand da und musterte ihn besorgt.

»Doch, doch«, stammelte Gool. »Es ist nur ... weil ...«

Er spürte, dass ihm das Blut ins Gesicht schoss. Sollte er dem Aktivatorträger erzählen, dass jemand ihn zum Narren hielt, und vor allem, dass er dumm genug gewesen war, nun schon zum zweiten Mal darauf hereinzufallen?

»Was ist los?«, fragte der Unsterbliche.

»Nichts. Überhaupt nichts. Ich bin vielleicht ein wenig überarbeitet, das ist alles.«

Er hastete weiter, und Rhodan ließ ihn vorbei.

Horvat Gool war froh, als er Minuten später sein Labor betreten konnte. Hier war er allein und hatte die nötige Ruhe, über das nachzudenken, was ihm widerfahren war.

Tiryk? Den Namen habe ich schon gehört. Aber in welchem Zusammenhang? Wer ist Tiryk?

Er bemerkte eine Bewegung hinter ihm und fuhr erschrocken herum. Überrascht musterte er Ras Tschubai, der lächelnd auf einem der Labortische saß und die Beine pendeln ließ. Der Teleporter war soeben materialisiert.

»Du kommst erneut wegen des Roboters?«, fragte der Ingenieur. »Ich kann dir nichts anderes dazu sagen. Außerdem habe ich den Vorfall schon wieder vergessen. Und zu Nachor ...«

»Was ist mit ihm?«, fragte der dunkelhäutige Mutant.

»Das habe ich dir schon gesagt.«

»Du mir? Wann?«

Horvat Gool presste ärgerlich die Lippen zusammen und setzte sich auf einen Hocker. Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Es reicht, Ras. Mein Bedarf an solchen Scherzen ist gedeckt. Was ich dir über Nachor erzählt habe, war die Wahrheit. Und damit genug. Ich habe zu tun.«

»Einen Moment, Horvat. Was ist los mit dir? Ist dir eine Laus über die Leber gelaufen? Ich weiß nichts von Nachor. Man hat mir nur gesagt, dass du mit ihm in der Messe warst, das ist alles. Und nur deshalb bin ich hier. Ich hoffte, du könntest mir sagen, wo Nachor sich jetzt aufhält.«

»Das habe ich bereits getan, und es ist gar nicht lange her.«

Tschubai schüttelte den Kopf. »Du hast schlecht geträumt?«

»Falls du das glaubst, lass mich in Ruhe.«

»Warum bist du sauer? Wenn ich dich recht verstanden habe, ist dir jemand begegnet, der mir ähnlich sieht. Du hast ihn mit mir verwechselt?«

Horvat Gool stöhnte. »Ich weiß nicht, wer du bist – Ras Tschubai jedenfalls nicht.«

Sein Gegenüber lachte herzlich. »Da hast du allerdings recht«, erwiderte er und verschwand. Gool fuhr sich müde mit der Hand über die Augen. War der Mutant teleportiert, oder hatte er sich auf andere Weise zurückgezogen?

Ich glaube, du wirst verrückt, schalt er sich. Ras ist Teleporter. Da gibt es nichts zu überlegen, wenn er plötzlich da ist und ebenso schnell wieder weg. Es ist eindeutig – oder?

Vielleicht auch nicht.

Gool verließ das Labor, ging zum nächsten Medoroboter und schwang sich auf den Untersuchungstisch.

»Wie kann ich dir helfen?«, fragte der Automat.

»Ich hatte Halluzinationen.«

»Du möchtest, dass ich dich auf deinen Geisteszustand untersuche?«

»Genau das.«

»Es ist nicht nötig.«

»Ich bestehe darauf.«

»Ach, Mensch, Horvat, das bringt dir nichts«, sträubte sich der Roboter. »Dir ist längst klar, dass bei dir eine Schraube locker ist. Wozu soll ich das nachprüfen? Festziehen kann ich sie ohnehin nicht.«

Dem Ingenieur verschlug es die Sprache. Schockiert blickte er den Medoroboter an. Solche Worte hatte er von einer Maschine nie gehört.

»Was ist hier eigentlich los?«, ächzte Gool.

»Ich sagte es eben: Du hast eine Macke, Horvat Gool.«

Gool schwang sich wieder vom Tisch. Fluchtartig verließ er den Raum und hastete zu einem Labor, in dem Fame Learink arbeitete, eine junge, rothaarige Frau. Fame lächelte, kaum dass sie Gool sah, und sie bot ihm die Wange zum Begrüßungskuss.

»Es kommt nicht alle Tage vor, dass du mich besuchst. Und das, obwohl du erst sagtest, dass du schrecklich viel zu tun hast.«

»Ich brauche deine Hilfe. Bitte komm mit mir zu einem Medoroboter. Ich fürchte, ich verliere den Verstand.«

Fame musterte den Ingenieur prüfend, fragte aber nicht nach, sondern reichte ihm die Hand und begleitete ihn zur nächstgelegenen Medokabine. Genau da war Gool erst vor wenigen Minuten gewesen.

Der Roboter begrüßte sie beide, stellte einige medizinische Fragen und begann danach mit der nur wenige Minuten dauernden Untersuchung.

»Du bist vollkommen gesund«, lautete die Diagnose. »Für dich gibt es keinen Anlass, zu mir zu kommen.«

Horvat Gool setzte sich steif auf. »Ich war erst hier«, sagte er. »Du hast dich geweigert, mich zu untersuchen, und mich spontan für verrückt erklärt.«

»Es tut mir leid, du irrst dich. Ich habe so etwas nie behauptet und würde es auch nie tun.«

Gool hätte protestieren können. Er tat es nicht. Wortlos verließ er die Kabine.

Die junge Frau folgte ihm. »Erkläre mir bitte, was das alles soll!« Sie blickte den Ingenieur besorgt an. »Da stimmt doch etwas nicht.«

»Das ist es ja gerade, was ich deutlich machen wollte. Hör zu, Fame, ich glaube, es ist an der Zeit, Alarm zu schlagen.«

Ein humanoid gebauter Roboter näherte sich ihnen mit tänzelnden Schritten. »Ihr seht aus, als wolltet ihr in die Flitterwochen!«, rief er und bewarf die beiden mit Konfetti. »Alles Glück dieser Welt wünsche ich euch. Ihr könntet kaum besser feiern als bei der größten Show des Universums. Sie beginnt, sobald Tiryk eintrifft.«

Eine fröhliche Melodie pfeifend eilte der Roboter weiter.

»Tiryk?«, fragte Fame Learink überrascht. »Das ist der Name eines Kosmokraten! Wollte der Roboter uns tatsächlich sagen, dass ein weiterer Kosmokrat auf die BASIS kommen wird?«

»Ich lade dich zu einer Tasse Tee ein«, sagte Horvat Gool. »Ich muss einfach mit dir reden.«

»Auf den Gedanken, dass ich zu tun habe, kommst du nicht?«

Gool lächelte gequält, hakte sich bei Fame unter und ging mit ihr zur nächstgelegenen Messe. Er kannte Fame schon sehr lange und wusste, dass ihre Antwort keineswegs abweisend gemeint war. Ihr vertraute er mehr als jedem anderen an Bord. Sie beide hatten eine Weile zusammengelebt, waren dann jedoch ihre eigenen Wege gegangen. Er selbst war der Meinung gewesen, sich so besser auf seine Arbeit konzentrieren zu können. Fame konnte sich deshalb eine schnippische Bemerkung hin und wieder nicht verkneifen.

Gool war ein fanatischer Arbeiter, der leicht fünfzehn Stunden und länger ohne Unterbrechung über einem Problem brüten konnte. Gerade deshalb störten ihn die Ereignisse an Bord besonders. Sie lenkten ihn von der Arbeit ab, und nichts war ihm verhasster als derartige Behinderungen.

»Hilf mir, den Überblick zu bekommen«, bat Gool. »Ich muss wissen, ob ich geistig noch gesund bin oder nicht.«

Fame lächelte mitfühlend und griff nach seinen Händen. »Du machst dich unnötig verrückt«, sagte sie. »Ein paar Roboter drehen durch – na und? Wir melden den Vorfall, und wenig später ist alles wieder in Ordnung.«

»So schnell geht das nicht«, wehrte Gool ab. »Ich bin außerdem einem Mann begegnet, der wie Ras Tschubai aussieht. Aber wenig später hat Tschubai behauptet, das nicht gewesen zu sein. Wer ist demnach der echte, und wer der falsche? Und wieso sprach der Roboter von der größten Show des Universums? Ich habe nie zuvor gehört, dass Rhodan – wie sagt man? – dass er Tingeltangel an Bord haben möchte. Der Name Tiryk ist mir allerdings schon untergekommen. Jedenfalls glaube ich, mich zu erinnern. Du hast recht, es ist der Name eines Kosmokraten. Wieso ist plötzlich die Rede von ihm?«

»Der Konfetti-Roboter sagte, dass Tiryk bald eintreffen wird und dass dann die Show beginnt.« Nachdenklich blickte Fame Learink auf ihre Hände. »Bist du sicher, dass du in letzter Zeit niemandem auf die Zehen getreten bist?«

»Ich habe auch schon an einen Racheakt gedacht«, gestand Gool. »Ich bin nun mal nicht besonders geschickt im Umgang mit anderen Menschen.«

»Davon kann ich ein Lied singen.«

»Tut mir leid, Fame. In der Hinsicht bin ich ein Versager. Ich weiß aber auch, dass ich mir in den vergangenen Monaten besonders viel Mühe gegeben habe. Niemand hat Anlass, mir eins auszuwischen.«

»Also können wir davon ausgehen, dass die Vorfälle nichts mit dir zu tun haben.«

»Könnte sein.«

»Wenn es so ist, müssen wir Alarm auslösen.« Fame erhob sich. »Ich verständige die Zentrale.«

»Wir melden uns persönlich dort. Das ist überzeugender.«

Die Tür glitt auf und ein hochgewachsener Mann schaute für eine oder zwei Sekunden quer durch die Messe. Er hatte braunes, gelocktes Haar. Prägnant war jedoch sein großes Facettenauge.

»Nachor!« Horvat Gool sprang überrascht auf. Der Armadaprinz zog sich da aber schon wieder zurück, und die Tür schlug hinter ihm zu.

»Das war Nachor von dem Loolandre«, sagte der Gen-Ingenieur. Hilfe suchend blickte er seine Begleiterin an.

»Der Mann ist unverwechselbar«, bestätigte Fame.

»Also bin ich nicht allein verrückt.« Gool lachte. »Wahrscheinlich sind es wir beide.«

»Vielen Dank für das Kompliment.«

Fame Learink öffnete die Tür und trat vor dem Ingenieur auf den Korridor hinaus. Der Armadaprinz stand nur wenige Meter von ihnen entfernt.

»Nachor!«, rief Gool. »Warum bist du vorhin so schnell weggelaufen? Ich fragte schon, ob ich dich irgendwie beleidigt habe.«

Keine Antwort.

Fame Learink musterte den Mann mit dem Facettenauge, und plötzlich hatte sie den Eindruck, dass er keinesfalls Nachor von dem Loolandre sein konnte. Verunsichert sah sie Gool an, der wohl ebenso hilflos wie sie nach Worten suchte. Was ist los?, fragte sie sich. Was ist mit Nachor, warum schweigt er?

»Was ist geschehen?«, drängte Gool endlich.

Der Mann, der dem Armadaprinzen glich wie ein Ei dem anderen, lächelte schwach. »Nur keine Aufregung«, entgegnete er. »Es ist alles in Ordnung.«

Horvat Gool atmete auf. »Dann ist es nicht meine Schuld, dass du so ... eigenartig reagiert hast?«

Nachors Lächeln vertiefte sich. »Natürlich nicht. Wie könnte es auch – zumal ich dich bislang gar nicht kenne. Wer bist du?«

Wenn der Mann Gool ins Gesicht geschlagen hätte, wäre die Wirkung kaum heftiger gewesen. Der Gen-Ingenieur war nicht in der Lage, darauf zu antworten. Fassungslos stand er vor dem Einäugigen, und er fand auch keine Worte, als sich dieser abwandte und ging. Erst als der vermeintliche Nachor von dem Loolandre verschwunden war, löste sich Gool aus seiner Starre.

»Das gibt es nicht«, ächzte er. »Wir haben tagelang gemeinsam an einem Problem gearbeitet, und mit einem Mal weiß er nicht mehr, wer ich bin?«

»Woher sollte er?«

»Fame, hast du nicht gehört, was ich sagte? Nachor kennt mich gut genug.«

»Schon«, entgegnete Fame. »Der Witz ist nur, dass dieser Mann nicht Nachor von dem Loolandre ist.«

Gool schüttelte stumm den Kopf. Erst nach mehreren tiefen Atemzügen redete er stockend weiter: »Ich bin gespannt, was Rhodan dazu sagt.«

»Vielleicht überrascht es ihn gar nicht«, bemerkte Fame.

»Wieso nicht?«

»Ich halte es für möglich, dass sich in anderen Sektionen der BASIS ebenfalls ungewöhnliche Dinge ereignet haben, die Rhodan längst gemeldet wurden.«

Sieben Roboter kamen ihnen entgegen. Zwei der Maschinen waren mit roter Farbe übersprüht worden. Die anderen wiesen blaue und gelbe Streifen auf, bewegten sich eigenartig tänzelnd voran und warfen bunte Papierstreifen nach allen Seiten. Einer der Roboter hielt eine Gitarre in Händen und spielte darauf, ein zweiter versuchte sich mit Gesang zu der exotischen Melodie.

»Die BASIS verwandelt sich in ein Irrenhaus«, stöhnte Gool. »Warum schreitet niemand dagegen ein?«

Die Roboter blieben im Halbkreis stehen. Sie boten Gool und seiner Begleiterin Zuckerstangen an, die sie in einem Korb mit sich trugen.

»Verschwindet!«, herrschte der Ingenieur die Maschinen an. »Sonst sorge ich dafür, dass man euch auseinandernimmt.«

»Oh, ein humorloser Mensch«, säuselte einer der roten Roboter. »Für ihn müssen wir bei der Show etwas Besonderes bieten, damit er später nicht enttäuscht ist.«

»Weiter, Freunde!«, rief einer der anderen. »Wir müssen die Werbetrommel rühren, damit das Festzelt voll wird.«

Sechs der Roboter marschierten singend weiter. Der siebte verharrte vor Gool. »Unter uns«, flüsterte er. »Im Festzelt wird es ein exzellentes Bier geben. Nie zuvor ist euer Durst derart angenehm gelöscht worden.« Er lachte laut, wobei er sich weit nach hinten beugte und sich den Bauch hielt. Dann winkte er mit beiden Händen und eilte hinter den anderen her.

»Ich habe schon so etwas gehört«, sagte Perry Rhodan Minuten später, kaum dass Fame Learink und Horvat Gool ihren Bericht beendet hatten. »In mehreren Sektionen der BASIS sind Roboter in dieser Art aufgetreten. Niemand hat mich allerdings informiert, dass Nachor wieder an Bord ist.«

»Hätte Gucky das nicht bemerken müssen?«, fragte Gool.

Rhodan schüttelte den Kopf. »Die gesamte Besatzung telepathisch zu überwachen, wäre selbst für den Ilt eine unlösbare Aufgabe.«

Sie saßen sich in einem kleinen Besprechungsraum neben der Hauptzentrale beieinander. Überraschend trat Taurec ein. Der Kosmokrat zögerte, kaum dass er Horvat Gool und die junge Frau sah. Er wollte sich wieder zurückziehen, doch Rhodan bat ihn, Platz zu nehmen.

»Horvat sagt, dass ihm jemand begegnet ist, der Nachor täuschend ähnlich sieht«, berichtete der Terraner. »Was hältst du davon?«

Taurec verzog das Gesicht. »Das dürfte ziemlich ausgeschlossen sein.«

»Es ist so«, beteuerte Fame. »Wir haben ihn beide gesehen.«

»Außerdem haben uns Roboter von einer größten Show des Universums erzählt, die in der BASIS stattfinden soll«, ergänzte der Ingenieur. »Sobald Tiryk eingetroffen ist.«

Taurec zuckte zusammen. »Tiryk?«, fragte er. »Hast du wirklich diesen Namen genannt?«

»Tiryk«, wiederholte Gool. »Ein anderer Kosmokrat, oder irre ich mich?«

Taurec schwieg. Er blickte ins Leere. Deutlicher konnte er nicht zeigen, dass es vergebliche Mühe gewesen wäre, ihn zu einer Aussage zu drängen. Seine Haltung war zugleich Bestätigung, dass die Vermutung des Ingenieurs zutraf.

Tiryk wollte also im Rahmen einer groß angelegten Show auf der BASIS erscheinen. Für Rhodan stand damit fest, dass der Kosmokrat beabsichtigte, in das Geschehen um die Chronofossilien und den Dekalog einzugreifen. Zudem war es undenkbar, dass ein Kosmokrat sich gegen die Chronofossilien wenden könnte. Insofern begrüßte es der Terraner, dass Tiryk sich angemeldet hatte.

»Ich bin gespannt auf diese angebliche Show«, sagte Rhodan. »Ich nehme nicht an, Taurec, dass du uns in dem Zusammenhang einige Tipps geben wirst?«

»Das kann ich gar nicht«, antwortete der Kosmokrat verkniffen. Ihm war anzusehen, dass er mit Tiryks Ankunft nicht einverstanden war.

Das Türschott bildete aus sich heraus ein einzelnes großes Auge und einen Mund mit feuerroten, dicken Lippen. »Hallo, Taurec«, sagte das stilisierte Gesicht. »Spielst du den Griesgram? Das finde ich gar nicht erbaulich. Ein wenig grinsen könntest du schon.«

Nichts sonst. Das Gesicht verschwand so abrupt, wie es entstanden war.

»Die Mutanten sind übermütig«, sagte Taurec verärgert.

Rhodan schüttelte den Kopf. »Die Mutanten, das glaube ich nicht. Und es war auch keine Täuschung.«

»Das war Tiryk«, stellte Horvat Gool fest. »Eine sehr skurrile Art der Anmeldung. Ich bin inzwischen neugierig auf die Show.«

Auf dem Tisch stand ein Becher. Aus diesem wuchs ein Stielauge auf. Es drehte und wendete sich hin und her, als wolle es sich jeden der Anwesenden genau ansehen.

»Du kannst wirklich neugierig sein«, dröhnte es aus dem Becher. »Wenn wir von der größten Show des Universums sprechen, dann meinen wir das so.«

»Völlig richtig«, bekräftigte die Tür.

Taurec sprang auf. »Das höre ich mir nicht länger an«, sagte er gereizt, öffnete die Tür und stürmte hinaus.

»Er weiß mehr als wir«, bemerkte Fame nachdenklich. »Warum sagt er nicht, was Sache ist?«

»Glaubst du, dass der Kosmokrat Tiryk dahintersteckt?«, wollte Gool von Rhodan wissen.

»Ich denke schon«, antwortete der Aktivatorträger. »Es ist zwar nicht auszuschließen, dass ES sich auf diese Weise bemerkbar macht, oder dass wir eine groteske Attacke des Dekalogs erleben, doch beides halte ich für eher unwahrscheinlich.«

Rhodan erhob sich, er betrachtete das Gespräch als beendet. »Danke jedenfalls für den Bericht«, sagte er. »Was auch immer diese Supershow sein wird, es gibt es eine Menge Arbeit für uns.«

Horvat Gool und Fame Learink hatten den Besprechungsraum kaum verlassen, da trat Gesil ein. »Es scheint allerlei los zu sein an Bord.« Rhodans Frau ließ sich in einen der freien Sessel sinken.

Gleichzeitig materialisierte Gucky in einem der anderen Sessel. »Was ist an diesem Tiryk eigentlich besonders?«, fragte er. »Ich habe ein wenig in Horvats krausen Gedanken herumgekramt. Was er sagt, ist richtig. Aber er hat auch nicht mehr Informationen.«

»Dieser Tiryk dürfte jener Kosmokrat sein, der vor Jahrmillionen bei Ordoban vorstellig wurde und ihm anbot, Kommandant der Wachflotte von TRIICLE-9 zu werden«, stellte Perry Rhodan fest. »Der außerdem den Sorgoren Carfesch in den Raum diesseits der Materiequellen geschickt hat, um ES zwei spezielle Zellaktivatoren zu übergeben. Und nun, nachdem wir wissen, dass Ordoban und Nachor von dem Loolandre ...« Rhodan ließ den Satz unvollendet.

Gucky pfiff schrill. »Du willst mir zu verstehen geben, dass ich mich um Nachor kümmern soll? Ich soll ihm zum Loolandre folgen?«

»Völlig richtig«, bestätigte der Terraner.

2.

Gucky und Gesil materialisierten in einem glitzernden Gewölbe des Loolandre, inmitten eines übergroßen Käfigs aus gebogenen Formenergielinien. In einem Winkel des Raumes brannte eine Kerze. Die Flamme flackerte leicht, ein unübersehbarer Hinweis darauf, dass es eine Sauerstoffatmosphäre gab. Dennoch ließen Gesil und der Mausbiber die Helme ihrer SERUNS geschlossen.

An einer gläsernen Konsole stand eine kleine humanoide Gestalt. Sie hielt ein rissiges Stück Holz in Händen. Erschrocken blickte dieses Wesen die beiden unvermittelt erschienenen Fremden an, wich rückwärts bis an die Wand des Gewölbes zurück und verbarg das Holz dabei hinter dem Rücken.

»Keine Angst, alter Mann.« Gucky hatte die Gedanken des Aytos erfasst. »Wir haben nicht vor, deine Reliquie wegzunehmen. Ich weiß, dass sie dir viel bedeutet.«

Der Ayto streckte dem Ilt abwehrend drei seiner vier Arme entgegen. Seine beiden erloschenen Augen weiteten sich vor Furcht, wohingegen sich das dritte, sehende, schloss.

»Was ist mit ihm?«, wollte Gesil wissen.

»Er ist eine Art Priester«, antwortete Gucky. »Er steht einer Sekte vor, der nur wenige Aytos angehören. Sie scheinen fanatische Kämpfer zu sein und könnten uns Schwierigkeiten machen.«

»Warum bleiben wir dann hier?«

»Weil ich festklebe«, schnaufte der Mausbiber und gab damit zu verstehen, dass er schon versucht hatte zu teleportieren. Es war ihm nur nicht gelungen. »Schalten wir die Gravo-Paks ein, und dann weiter.«

»Wieso bist du überhaupt in diesen Raum gesprungen?«, fasste Gesil nach, während sie durch das Gitter der Formenergielinien hinausschwebten. »Glaubtest du, dass Nachor hier sein könnte?«

»Das ist genau das, worüber ich mir den Kopf zerbreche!«, rief Gucky. »Ich habe nicht auf diese Gruft gezielt; irgendwas muss uns hierhergeholt haben.«

Nebeneinander schwebten sie durch einen schräg abwärts führenden, gewundenen Gang. An der Decke schimmerten Kristalle, von denen eine seltsame Kraft ausging. Gucky spürte sie wie einen telekinetischen Druck, fühlte sich davon aber nicht behindert.

Nach etwa hundert Metern öffneten sich vor und hinter den beiden bis dahin unsichtbare Türen. Wenigstens fünfzig zierliche Aytos stürzten auf den Gang heraus und griffen sofort an. Sie schleuderten metallisch aussehende Bolzen. Gesil und Gucky fühlten sich zunächst sicher in ihren SERUNS, mussten jedoch schnell erkennen, dass einige Bolzen Funken sprühend die Schutzschirme durchschlugen.

Ein Bolzen krachte gegen Gesils Helm. Augenblicklich wirbelte ein Schwarm weiterer Geschosse auf sie zu, doch dieses Mal hatte Gucky aufgepasst. Er packte telekinetisch zu, die Metallteile klirrten wirkungslos auf den Boden.

»Wieso sind die Aytos derart aggressiv?«, fragte Gesil. »Sie haben überhaupt keinen Grund dafür.«

»Wir sind in ihre Kultstätte geraten«, entgegnete Gucky. »Sie haben nicht vor, uns das zu verzeihen.«

Ein Energiestrahl zuckte durch den Gang, konnte die Schutzschirme der SERUNS aber nicht durchschlagen. Die Aytos griffen danach wieder zu den wirkungsvolleren Wurfbolzen. Diesmal schleuderten sie nicht alle gleichzeitig, sondern wechselten sich in raschem Rhythmus ab. Gucky hatte plötzlich größte Mühe, alle Geschosse telekinetisch abzuwehren.

»Wir müssen hier raus!«, entschied Gesil.

Sie beschleunigten und drängten die Aytos zur Seite, von denen bereits einige versuchten, die Bolzen mit bloßen Händen durch die Energieschirme zu stoßen.

Unmittelbar bevor Gesil und er das Gewölbe verlassen konnten, empfing Gucky ein mentales Signal von Nachor. Allerdings gehörten die Gedankenimpulse nicht ausschließlich dem Armadaprinzen, in ihnen spiegelte sich zugleich der Geist eines anderen Wesens.

Erschrocken löste sich der Ilt aus der telepathischen Wahrnehmung, weil Gesil aufschrie. Ein Ayto griff nach den Verschlüssen ihres Helms und krallte sich daran fest. Es war unerklärlich, wie der Kleine den Schutzschirm durchdrungen hatte. Gucky dachte gar nicht erst darüber nach, er handelte ...

Der Ilt stieß die Angreifer telekinetisch zur Seite, und es gelang ihm, eine Lücke für Gesil und sich zu schaffen. Gemeinsam flüchteten sie in einen aufsteigenden Schacht, dessen Wände mit augenförmigen Symbolen in rasch wechselnden Farben geschmückt waren. Gucky versuchte zwar, den Blick abzuwenden und sich der von diesen Augen ausgehenden Kraft zu entziehen, aber es gelang ihm nicht. Etwas Fremdes zwang ihn, die Symbole anzusehen. Gesil geriet ebenfalls allmählich unter diesen Einfluss.

Eine wesenlose Stimme wisperte und flüsterte. Anfangs war sie unverständlich, doch wurde sie rasch deutlicher. Diese Stimme redete über Nachor und seine Bestimmung, der er unterlag.

»Du bist ein Störfaktor, Fremder«, klang es in Gucky auf. »Du hast nicht die geistigen und körperlichen Voraussetzungen, um anerkannt zu werden.«

Der Ilt versteifte sich jäh. »Mir fehlen geistige Voraussetzungen?«, fauchte er. »Das ist wohl ein schlechter Witz?« Die Behauptung empörte ihn derart, dass er den mentalen Zwang abschütteln konnte. Deshalb hörte er Gesil leise und traurig singen. Ihre Stimme klang wie die eines verirrten Kindes in der Einsamkeit.

Gucky griff telekinetisch zu und zerrte Gesil und sich selbst ebenfalls in die Höhe.

Wenige Minuten später erreichten sie einen ovalen Raum, der mit Nachbildungen größtenteils exotischer Lebewesen gefüllt war. Gucky ließ Gesil zwischen vier spinnenförmigen Statuen zu Boden sinken und kauerte sich neben sie.

»Bist du in Ordnung?«, fragte er. »Da wollte uns jemand hypnotisieren. Und er behauptete, dass es eine Bestimmung für unseren Freund Nachor gibt.«

»Dann ist der Armadaprinz tatsächlich hier? Wir müssen ihm irgendwie beistehen.«

»Ich kann ihn nicht einmal espern. Keine Ahnung, wo er ist, er wird jedenfalls abgeschirmt.«

Die Spinnen bewegten sich. Es sah aus, als wollten sie mit ihren Kieferzangen zupacken. Gucky schrie überrascht auf und brachte sich und Gesil mit einer Kurzteleportation aus der Reichweite dieser Wesen. Sie schwebten bis zur Decke des Raumes empor.

»Meinst du nicht, dass Nachor in der Senke ist?« Unbeeindruckt blickte Gesil auf die fremdartigen Geschöpfe hinab, die wieder wie leblose Skulpturen anmuteten.

»Ich habe mich auf die Senke konzentriert, als wir die BASIS verließen«, antwortete der Ilt. »Trotzdem sind wir nicht dort angekommen. Aber telepathisch habe ich auch keine Impulse empfangen. Außerdem gibt es viele Orte, die für Nachor wichtig sein könnten, und von denen wir vermutlich bislang gar keine Ahnung haben.«

»Er ist in der Senke!«

»Dafür gibt es keinen Beweis.«

»Ich fühle es.«

»Na schön«, gab der Ilt nach. »Versuchen wir es. Vielleicht klappt es diesmal.«

Die neuerliche Teleportation brachte beide auf eine turmartige Erhebung. Die Senke erstreckte sich ringsum.

»Nachor ist nicht hier.« Gucky seufzte.

»Du kannst ihn nicht espern?«

»Alles ist still. Absolut still.«

Die Senke hatte sich seit ihrem letzten Besuch nicht verändert. Nach wie vor lagen Zehntausende Weiße Raben herum, ihre gewaltigen Segel stapelten sich zu einer beträchtlichen Höhe. Sogar der Lebensbrunnen war unter ihnen verschwunden. Nur vereinzelt bewegten sich Aytos in ihren Raumanzügen im Gelände, als hätten sie die Orientierung verloren.

Der Anblick der toten Weißen Raben erschütterte Gesil.

Gucky esperte. Wenn Nachor von dem Loolandre irgendwo in der Nähe war, mussten seine Mentalimpulse aufzufangen sein. Der Armadaprinz konnte nicht einfach verschwinden.

»Was treiben die Aytos in der Senke?«, fragte Gesil.

»Sie sind verwirrt. Sie suchen, ohne zu wissen, wonach. Ich glaube nicht, dass sie wichtig für uns sind.«

Unvermittelt war es Gucky, als streifte ihn ein eisiger Hauch. Er spürte, dass etwas mit Nachor geschehen sein musste.

»Du hast Kontakt?«, drängte Gesil.

»Er ist in der Nähe, aber ich komme nicht an ihn heran.«

Der Ilt konzentrierte sich intensiv. Trotzdem war es für ihn nur, als dringe er in einen diffusen Nebel ein, der sich abwehrend um den Armadaprinzen gelegt hatte.

»Vielleicht sollten wir uns ihm möglichst weit nähern ...«

»Das wäre gefährlich.«

»Seit wann schreckt dich ein Risiko?« Gesil streckte dem Ilt die Hand hin. Gucky fasste zu und teleportierte mit ihr.

Sie rematerialisierten in einem Gang, der vor ihnen in eine weitläufige Halle mündete. Sie war um die hundert Meter hoch und durchmaß mindestens das Doppelte. Auf dem Boden kauerten Zehntausende von Aytos. Sie saßen Schulter an Schulter, und alle blickten zu einer birnenförmigen Energieblase auf, die etwa dreißig Meter hoch schwebte. Sie leuchtete in einem kalten Hellblau. Wenige Meter über ihrem unteren Ende, an dem sie sich zu einem rot glühenden Stiel verjüngte, hing Nachor von dem Loolandre offenbar schwerelos. Seine Arme und Beine waren weit abgespreizt, als würden sie von unsichtbaren Fesseln gehalten. Sein Gesicht schimmerte bleich, das Facettenauge hatte den Glanz verloren.

»Er scheint tot zu sein«, stöhnte Gesil. »Die Aytos haben Nachor getötet!«

Nach einer Weile, bewegte Nachor von dem Loolandre den Kopf. »Er ist nicht tot«, sagte Gesil erleichtert. »Aber sie quälen ihn. Wir müssen ihm helfen.«

»Und wie?«, fragte Gucky.

»Heb ihn aus den Fesseln, brich die Energieblase auf oder greife die Aytos an, dass sie ihn freigeben müssen.«

»Hab ich schon versucht.«

Gesil blickte den Mausbiber fassungslos an. Er kann doch nicht hilflos sein!, dachte sie entsetzt. Er nicht!

Gucky lenkte seinen SERUN über die Köpfe der Aytos hinweg zu Nachor hin. Der Armadaprinz wandte ihm das Gesicht zu, und sein Facettenauge belebte sich allmählich.

Das war der Moment, in dem die Aytos schreiend aufsprangen. Der Schimmer ihrer Armadaflammen geisterte durch die Halle und wurde intensiver. Zugleich spürten Gesil und Gucky einen anwachsenden schmerzhaften Druck im Kopf. Während Gesil ihren Paralysator auf die Vierarmigen abfeuerte und mit jedem Schuss mehrere von ihnen lähmte, näherte Gucky sich dem Armadaprinzen, bis er fast schon die Energieblase berührte. Jäh verstärkte sich sein Schmerz. Eine Flamme zuckte vom Boden in die Höhe und schleuderte den Mausbiber meterweit zurück.

Im Hintergrund der Halle erhob sich ein farbenprächtig gekleideter Ayto. Seine Schultern waren mit funkelnden Edelsteinen besetzt. In den vier Händen hielt er strahlend helle Stäbe.

Alle anderen Aytos knieten nieder. Ihre verzückten Rufe schwollen rhythmisch an, wurden lauter und irgendwie mitreißend.

»Lasst mich!«, schrie Nachor, aber seine Stimme klang fast schon fremd, sie wurde durch die Energieblase vielfach verzerrt.

Gucky wandte den Blick nicht von dem Ayto, der die Stäbe hielt. Die Gedanken dieses Mannes waren für ihn klar und gut zu verstehen, obwohl die der übrigen Aytos seltsam verzerrt und undeutlich kamen. Dieser eine Mann, erkannte Gucky, war eine Art Priester und genoss höchste Autorität.

Erschrocken schwebte er zu Gesil hinüber, fasste sie am Arm und zog sie mit sich in die Senke hinaus.

»Was ist los?«, fragte Gesil.

»Der Priester will uns töten.«

»Wollen das nicht alle?«

»Schon. Aber er als Einziger hat die Möglichkeit dazu.«

»Trotz unserer Schutzschirme?«

»Er ist überzeugt, dass seine Waffen alle Hindernisse überwinden können.«

»Das ist kein Grund, Nachor einfach im Stich zu lassen.«

Der Vorwurf schmerzte ihn, das war Gucky anzusehen. »Es ist besser, noch ein wenig abzuwarten«, beharrte er. »Glaube mir, Gesil. Außerdem ...«

»Was ist außerdem?«, fasste sie nach, weil der Ilt nicht weiterredete.

Gucky überlegte lange, bis er endlich antwortete. »Ich bin unsicher«, gab er zu. »Weil ich nicht erkennen kann, was sie mit Nachor vorhaben.«

»Sie foltern ihn, obwohl sie wissen müssen, dass er alles andere als ihr Feind ist. Irgendetwas macht die Aytos verrückt. Sie waren vorher vernünftig.«

»Das bezweifle ich.«

»Du meinst, sie waren nicht vernünftig?«

»Ich bin mir nicht sicher, ob sie Nachor foltern«, sagte Gucky.

»Das war unübersehbar.«

»Es hatte den Anschein, als ob ... Aber das allein? Es genügt mir einfach nicht, Gesil. Mag sein, dass ich zurückhaltender bin als sonst ...«

»Nachor hat geschrien«, fiel Gesil dem Mausbiber ins Wort. »Er wollte, dass sie ihn in Ruhe lassen.«

»Das ist nicht wahr.«

»Ich habe den Schrei gehört, Kleiner, und du ebenso.«

»›Lasst mich!‹, hat er gerufen. Ja und? Nur meinte er damit nicht die Aytos.«

»Uns?« Gesil wirkte schockiert.

»Wen sonst?« Gucky entblößte seinen Nagezahn. »Deshalb habe ich mich mit dir wieder etwas zurückgezogen. Ich bin nicht vor den Aytos geflüchtet, falls du das denkst. Nachor wollte nicht, dass wir die Zeremonie stören. Was immer sie zu bedeuten hat oder bewirken soll, er ist damit einverstanden. – Und ich vertraue ihm.«

»Ich ebenfalls. Oder zweifelst du daran?« Gesils Stimme schwankte.

»Das alles, bilde ich mir ein, muss mit Tiryk zu tun haben«, gab der Ilt zu bedenken. »Oder auch mit Taurec. Der Einäugige war jedenfalls sauer, als er hörte, dass Tiryk antanzt. Zwischen den beiden gibt es Probleme.«

»Das hast du bemerkt?«

»Hör mal, bei meiner feinfühligen Seele!« Gucky kicherte. »Konflikte unter Kosmokraten – wenn sie im Rahmen der Show ausgetragen werden, kann diese wirklich zur größten Show des Universums werden.«

Gesil schwieg.

»Was hast du?«, fragte Gucky ungeduldig.

»Da tut sich was. Armadamonteure kommen und graben sich durch die Segel der Weißen Raben nach oben. Sieh dir das an!«

Der Ilt schwebte mit dem Gravo-Pak in die Höhe. Er entfernte sich einige Hundert Meter von Gesil, bis er die Senke überblicken konnte. Etwa tausend Armadamonteure der unterschiedlichsten Art wühlten sich durch die sterblichen Überreste der Weißen Raben empor. Wo sie durch die Segel brachen, entstanden dunkle Löcher; insgesamt bildete sich ein ringförmiges Muster.

»Was tun sie wirklich?«, fragte Gesil. »Was bezwecken sie?«

»Keine Ahnung«, antwortete Gucky. »In der Mitte der runden Fläche liegt wohl der Lebensbrunnen mit der abgestorbenen Ordobanmasse. Nachor sprach davon.«

Gesil nickte bedächtig. »Die Masse, die in die Robotertorsos der Weißen Raben eingesetzt wurde«, überlegte sie. »Was können die Aytos jetzt noch damit anfangen?«

»Ich weiß nicht. Vielleicht. Oder auch nicht.«

Sie schwebten gemeinsam zu einem Turm hinüber, der zwischen den Segeln aufragte, ein ähnliches Bauwerk wie das, auf dem sie zuvor schon gewesen waren. Während beide zu ergründen versuchten, was in der Senke geschah, begann der Ring grün zu leuchten. Ein Dom aus Licht entstand und weitete sich langsam aus. Zahlreiche Armadamonteure bewegten sich in der Helligkeit dem Mittelpunkt der Kreisfläche zu. Einige dieser Roboter trugen komplexe Geräte, andere schleppten transparente Behälter, in denen offenbar Flüssigkeiten schwappten.

»Wozu das alles?«, fragte Gesil. »Ist hier nirgendwo ein Ayto, dessen Gedanken du lesen kannst?«

»Ich habe bislang keinen aufgespürt.«

»Dann such weiter!« Gesil klang gereizt. Nicht nur das rätselhafte Geschehen um Nachor belastete sie, sondern ebenso die Tatsache, dass Gucky und sie zur Untätigkeit gezwungen waren.

Das grüne Licht umfasste bereits die gesamte Senke. Staunend beobachteten Gesil und der Mausbiber, dass sich das abgestorbene Material in der Helligkeit aufzulösen begann.

»Sie legen den Lebensbrunnen frei und wollen ihn wieder aktivieren«, stellte Gesil nach einer Weile fest.

Wenn es so war, dann hatten die Armadamonteure eine unmöglich erscheinende Aufgabe in Angriff genommen.

Gesil behielt recht mit ihrer Vermutung. Die Roboter, überwiegend in Form von doppelten Spitzkegeln, gruben sich mithilfe des grünen Lichts immer tiefer durch die Segel der Weißen Raben. Schon bald wurden die ersten Konturen des Lebensbrunnens erkennbar.

»Wozu das alles?«, fragte Gesil erstaunt. »Wie wichtig ist der Brunnen für sie?«

Ein Energiestrahl schlug wenige Meter neben den beiden Beobachtern ein und brach ein großes Stück aus der Mauer des turmähnlichen Gebäudes. Dröhnend stürzte es in die Tiefe. Gucky und Gesil reagierten gleichzeitig. Sie lenkten ihre SERUNS über die nächste Mauer hinweg und flogen zu einigen aufgefalteten Segeln hinüber, zwischen denen sie sich verbergen konnten. Dann erst versuchten beide, den Schützen zu entdecken.

»Nichts zu sehen«, sagte Gesil.

»Und ich espere ebenso wenig«, fügte Gucky hinzu. »Da hat es ein Armadamonteur auf uns abgesehen.«

Wieder ein greller Blitz, der ziemlich nahe einschlug. Brennende Segelfetzen wirbelten davon, und in schneller Folge schlugen weitere Strahlschüsse ein. Die tödliche Glut kam näher.

Gesil und der Mausbiber verließen ihren Unterschlupf und flogen dicht über den Segeln zu einem kastenförmigen Bau, der düster zwischen den Weißen Raben aufragte.

Lautlos explodierte ein Geschoss neben ihnen. Energieüberschläge und ein wahrer Splitterregen ließen die Schutzschirme der SERUNS aufleuchten.

Gucky drehte sich um sich selbst, und dieses Mal entdeckte er mehrere große Armadamonteure, die aus verschiedenen Richtungen näher kamen. Er zog sich mit Gesil ins Innere des Loolandre zurück.

»Ein schöner Erfolg«, schimpfte er, als sie zwischen stillgelegten Maschinen landeten. »Wir haben nicht nur Nachor nicht geholfen, sondern wurden sogar noch vom Lebensbrunnen vertrieben.«

»Fangen wir bei Nachor wieder an«, schlug Gesil vor. »Vielleicht haben wir jetzt eine bessere Chance?«

»Warte! Ich höre etwas ...«

Bisher war es still gewesen. So sehr Gucky seine telepathischen Sinne auch angestrengt hatte, er hatte kaum Kontakt zu den Intelligenzen im Loolandre gefunden. Mit einem Mal änderte sich die Situation. Gucky esperte plötzlich eine verwirrende Fülle von Gedankenimpulsen.

»Ich weiß nicht, was geschieht, Gesil, aber ich spüre Aufregung. Und Freude. Etwas ungeheuer Wichtiges soll geschehen, und es hat mit Nachor zu tun. Die Aytos haben etwas mit ihm vor.«

»Was?«, drängte Gesil. »Können wir zu ihm?«

»Sie bringen ihn gerade aus der Halle, in der wir ihn gesehen haben. Die Energieblase hat sich aufgelöst. Die Aytos denken an Aufbruch und Erfüllung.«

»Positive Gedanken? Nicht feindselig gegen Nachor?«

»Schwer zu sagen. Da herrscht geradezu ein Chaos der Gefühle.«

Gucky hätte seiner Begleiterin gern präziser Auskunft gegeben, doch er bekam selbst kein klares Bild. Die Gefühle Tausender Aytos und anderer Wesen vermengten sich zu einer Collage, in der das Positive überwog. Freude war das bestimmende Element. Die Frage war nur, ob sich diese Freude auf die Tatsache bezog, dass Nachor von dem Loolandre der Masse ausgeliefert war und nichts zu seiner Befreiung tun konnte. Oder freuten sich die Aytos, weil etwas mit ihm geschah, das nicht rückgängig zu machen sein würde?

Der Ilt teleportierte mit Gesil in einen weitläufigen Raum, in dem zahlreiche Blöcke und Säulen in unterschiedlichen Farben das Bild prägten. Eine eigenartige Aura ging von alldem aus.

Wesen, wie Gucky sie nie zuvor gesehen hatte, trugen Nachor durch den Raum zu einer Tür, die strahlend helles Licht hereinfallen ließ. Sie gehörten zur Endlosen Armada, das bewiesen die Flammen über ihren Köpfen. Jubelnde Aytos drängten sich um diese Wesen und den Armadaprinzen, und der Trupp kam deshalb nur langsam voran. Dass Nachor sich dagegen sträubte, änderte überhaupt nichts.

Einige Aytos entdeckten die beiden ungebetenen Zeugen. Schreiend warfen sie mit allerlei Gegenständen, die sie gerade zur Hand hatten, nach Gesil und Gucky. Diese Wurfgeschosse waren harmlos, ganz im Gegensatz zu den Traktorfeldern, die ein Armadamonteur einsetzte. Eine starke Kraft zerrte Gucky und Gesil durch den Raum.

»Ich lass dich kurz allein!«, rief der Ilt über Helmfunk.

»Was hast du vor?«

»Ich hole Nachor.«

Gucky teleportierte. Er materialisierte fast auf Tuchfühlung neben dem Armadaprinzen, griff mit beiden Händen zu und konzentrierte sich auf den nächsten Sprung – doch der erneute Ortswechsel blieb aus. Gucky schaffte es nicht, mit dem Armadaprinzen zu fliehen. Schon prasselten mit Wucht geschleuderte Wurfbolzen auf ihn herab, und etliche Armadamonteure griffen nach ihm.

In letzter Sekunde sprang Gucky allein zu Gesil zurück. Das gelang ihm mühelos.

»Ich begreife es nicht«, stöhnte er. »Wieso konnte ich Nachor nicht mitnehmen? Ohne ihn kann ich springen, mit ihm geht nichts.«

»Sie schirmen ihn ab«, vermutete Gesil.

»Und sie bringen ihn zum Lebensbrunnen.« Gucky seufzte. »Ich habe Gedanken aufgefangen, aus denen das klar hervorgeht. Nur die Frage nach dem Warum bleibt offen. Wollen sie ihn umbringen? Aber das könnten sie einfacher haben. Beleben können sie den Brunnen bestimmt nicht. Mir ist alles ein Rätsel – und das passt mir überhaupt nicht.«

Gesil lächelte wegen Guckys letzter Bemerkung.

»Wenn ich könnte, würde ich jedem dieser Aytos eins auf die Nase geben«, brauste der Kleine auf. »Darauf kannst du dich verlassen. Ich habe es sogar schon versucht.«

»Wir müssen wieder zur Senke«, sagte Gesil. »Dort können wir besser beobachten, was geschieht.«

»Und wenn es Nachor doch an den Kragen geht?«

»In der allergrößten Not musst du zur BASIS zurück und Hilfe holen. Aber noch glaube ich, dass wir es allein schaffen können.«

»Der Meinung bin ich auch«, schwindelte der Mausbiber. Er fürchtete, dass sie zu schwach waren, um Nachor helfen zu können; zugleich hielt er es für verfrüht, sofort Unterstützung zu holen. In dem Fall hätte er zugeben müssen, dass Gesil und er das Problem nicht bewältigen konnten. So ein Eingeständnis hatte Zeit, bis ihm absolut keine andere Wahl blieb.

Sie kehrten in die Senke zurück, und es gelang ihnen, sich zwischen den Falten eines Segels zu verbergen. Ein aus zahllosen Röhren konstruierter Armadamonteur mit bedrohlich wirkenden Greifwerkzeugen stand kaum fünf Meter vor ihnen in einer Vertiefung. An einer senkrecht aus seinem Rumpf aufragenden Stange bewegten sich zwei Kunstaugen, sie waren allerdings auf den Lebensbrunnen gerichtet. Der Roboter bemerkte Gucky und Gesil nicht.

Der Lebensbrunnen war etwa fünfzig Meter von den beiden entfernt und lag deutlich tiefer als ihr Versteck. Mittlerweile war er freigeräumt worden, die abgestorbene Zellmasse Ordobans war schon zu erkennen.

Über dem Brunnen spannte sich ein schimmernder Energiebogen. Dieses Feld sicherte offenbar die benötigte Atemluft, denn die vierarmigen Aytos kamen nun mit Nachor aus der Tiefe herauf. Sie hatten dem Armadaprinzen eine Atemmaske übers Gesicht geschoben, brauchten aber selbst keine Hilfsmittel dieser Art.

Offenbar willenlos ließ Nachor sich von den Aytos zum Lebensbrunnen führen. Am Rand des Brunnens blieb er stehen.

Gucky konzentrierte sich auf die nächste Teleportation und sprang, als er sicher zu sein glaubte, dass er es schaffen würde. Im nächsten Moment rematerialisierte er schreiend an Gesils Seite und schwebte in seinem SERUN davon. Gesils folgte ihm instinktiv, bekam ihn im letzten Moment noch zu fassen und zog ihn wieder nach unten. Guckys Schreie im Helmfunk waren da schon verstummt, er hatte das Bewusstsein verloren.

Gesil blickte zum Lebensbrunnen hinüber. Sie glaubte, ihren Augen nicht mehr trauen zu dürfen, denn sie sah, dass Nachor von dem Loolandre, ohne von den Aytos bedrängt zu werden, in den Brunnen sprang und in der abgestorbenen Masse verschwand.

Er wird darin ersticken!, fuhr es Gesil durch den Kopf. Nachor kann das unmöglich überleben.

3.

»Ich freue mich auf die Show«, gestand Fame Learink. »Du meine Güte, endlich ist mal einiges los an Bord.«

Zusammen mit Horvat Gool hatte die Wissenschaftlerin einen der Freizeiträume betreten, die mit ihren vielfältigen Geräten und Landschaftskulissen mehr als genug Zerstreuung boten. Fame sah sich dennoch eher gelangweilt um.

»Wenn ich ehrlich sein soll, muss ich zugeben, dass ich eine völlig andere Vorstellung vom Bordleben hatte, als ich mich zur BASIS meldete«, stellte sie klar. »Ich dachte an aufregende Abenteuer im Weltraum, Herausforderung durch fremde Intelligenzen und fachübergreifende Auseinandersetzungen mit exotischen Problemen.«

»Aber das alles ist nicht eingetroffen.« Wie Gool das sagte, war es eher Feststellung als Frage.

»Dir geht es doch nicht anders«, redete Fame weiter. »Im Grunde genommen hätte ich das, was ich an Bord der BASIS erledige, jederzeit auch auf der Erde tun können. Nur gäbe es dort eine bessere Abwechslung.«

»Du meinst also nicht deine Arbeit, sondern die Freizeit. Sie könnte abwechslungsreicher sein?«

»Genau das, Horvat. Es gibt viele an Bord, die an Einsätzen teilgenommen haben und mit wirklichen Problemen konfrontiert worden sind. Relativ zur Besatzungsstärke sind es leider nur wenige.« Fame blickte Gool an, als fürchtete sie, dass er sie nicht verstand. »Ich hatte gehofft, fremde Welten zu erleben und exotische Kulturen. Warst du überhaupt einmal auf einem anderen Planeten? Ein einziges Mal?«

»Nein.« Horvat Gool kaute auf seiner Unterlippe. »Zugegeben, ich habe mir das oft gewünscht. Wenn ich das sehen will, beschränke ich mich eben auf die Holobibliothek, das ist zumindest informativ.« Er seufzte. »Oder glaubst du, dass Rhodan mit einem Betriebsausflug einverstanden wäre? Heute eine Hälfte der Crew, nächste Woche die andere?«

Fame lachte hell. »Du bist schon ein komischer Kerl, Horvat. – Ich möchte einfach mal wieder im Meer baden«, fügte sie übergangslos hinzu. »Oder durch einen richtigen Wald gehen und vermoderndes Laub riechen.«

»Seien wir zufrieden mit der bevorstehenden Abwechslung«, entgegnete Gool. »Die größte Show des Universums. Auch wenn das sicherlich nur ein Werbegag ist, es klingt wenigstens verheißungsvoll. Und immerhin passiert was.«

»Ob dieser Tiryk die Show organisiert oder nur auftreten will? Irgendein Zusammenhang muss da sein.«

»Sicher.« Gool widmete sich einem der Holoautomaten und rief nacheinander alle Level auf. »Dass Tiryk alles organisiert, glaube ich nicht. Ein Kosmokrat als Varietédirektor? Das klingt nicht nur schräg, das ist abwegig.«

Fame nickte. »Richtig. Ein Kosmokrat hat anderes zu tun, als bei einer Show Regie zu führen – das ist es, was mich irritiert. Rhodan sagte, dass Tiryk seit Jahrmillionen lebt. Irgendwie weigere ich mich, mir das vorzustellen. Du bist zweiundvierzig, nicht?«

»Einundvierzig«, verbesserte Gool.

»Du regst dich über dieses eine Jahr auf.« Fame kniff das rechte Auge zu und musterte den Gen-Ingenieur mit dem linken. »Glaubst du, dass Tiryk das tun würde? Ihn schmerzen zehntausend Jahre mehr oder weniger bestimmt nicht. Für uns ist Zeit etwas völlig anderes als für ihn.«

Gool ließ von dem Automaten ab, griff nach Fames Schultern und zog sie an sich. »Du hast recht wie immer«, gab er zu. »Ich habe mich töricht benommen. Wir Menschen können es uns nicht leisten, Zeit zu vergeuden. Das Leben ist viel zu kurz.«

Als er sie küssen wollte, sagte der Holoautomat: »Nicht so voreilig, ihr zwei. Die Preise werden später verteilt.«

Erschrocken fuhren sie auseinander. Neben ihnen stand ein junger Mann, der sie aus vier violetten Augen musterte. Allerdings waren nur sein Kopf und der Oberkörper perfekt ausgebildet, der Rest verschwamm in eher nebelhafter Konsistenz.

»Die Show wird euch umwerfen«, versprach der Mann. »Wenn wir davon reden, dass es die größte Show des Universums sei, dann meinen wir das auch. Vergesst nicht: Wir werden von einem Kosmokraten gesponsert.«

Gool lachte. Die Unsicherheit war ihm trotzdem anzumerken. »Mir scheint, ihr habt zunächst vor, die BASIS in ein Tollhaus zu verwandeln und dann erst mit der Show zu beginnen«, sagte er. »Oder hat die Vorstellung schon begonnen und wir wissen es nur noch nicht?«

»Keine Sorge, das hätten wir euch gesagt. Mein Wort darauf.«

»Sicher hätten wir das«, bestätigte die Tür aus dem Hintergrund, während sich der vieräugige Mann langsam in Rauch auflöste. »Es ist nicht lange her, da haben wir die Show in einer gigantischen Flotte am anderen Ende des Universums abgezogen. Unsere Zuschauer sind total ausgeflippt. Sie wollten, dass wir die Show wiederholen, aber das haben wir selbstverständlich nicht getan.«

»Nicht?«, fragte Fame. »Was sprach dagegen?«

»Die Tradition«, erklang es aus der Rauchwolke. »Die Geschichte unseres Unternehmens zählt immerhin nach Jahrhunderttausenden.«

»Ich bin beeindruckt«, spöttelte Gool.

»Das wirst du erst noch sein«, meinte die Tür.

Allmählich setzte sich Gools analytischer Verstand durch. »Ich hätte da einige Fragen«, sagte er kühl.

»Muss das sein?«, seufzte die Tür. »Fragen verderben jede Illusion.«

»Du hast mich schon richtig verstanden.« Mittlerweile achtete Gool schon nicht mehr darauf, dass sein Gegenpart ständig die Position wechselte und mal aus dieser, mal aus jener Richtung sprach. »Meine Fragen zielen nicht auf den Hintergrund der Show ab oder auf die Darbietungen. Ich will wissen, was als Gegenleistung erwartet wird. Niemand zieht die größte Show des Universums nur aus Spaß an der Freude ab. Was sollen wir euch dafür geben?«

Der Ingenieur wartete, doch die Stimme schwieg.

»Das war nicht gerade einfühlsam«, kritisierte Gool schließlich. »Im unpassendsten Moment musste sich dieser halbe Bursche einmischen, und nun ...?«

»Hast du einen Verdacht?«, fragte Fame.

»Verdacht? Nein. Warum sollte ich? Tiryk steckt hinter dieser Sache, und wir haben keinen Grund, ausgerechnet einem Kosmokraten zu misstrauen. Trotzdem hätte ich gern das eine oder andere in Erfahrung gebracht. Oder glaubst du, dass die Sache tatsächlich ohne Gegenleistung über die Bühne gehen wird?«

Fame Learink schüttelte den Kopf. »Vielleicht hängt alles mit dem Dekalog zusammen?«

»Das würde mich nicht überraschen.«

Während sie redeten, hatten sie den Freizeitraum verlassen, in dem sie zu ihrer eigenen Überraschung die einzigen Besucher geblieben waren. Auf dem Korridor rollte ein kastenförmiger Roboter auf sie zu. Mit einem Signalton, der Aufmerksamkeit wecken sollte, projizierte die Maschine das Konterfei eines ebenmäßig schönen Mädchens. Lange seidige Wimpern überschatteten die tiefblauen Augen, deren Blick Faszination ausstrahlte.

»Lauft nicht weg«, sagte die Schönheit freundlich lächelnd. »Ihr müsst ein Los programmieren.«

»Ein Los?«, fragte Fame. »Wozu?«

»Während der größten Show des Universums gibt es auch Gewinne«, erläuterte das Mädchen. »Sonst wäre es ja langweilig.«

»Und was ist der erste Preis?«

»Ein Sauerstoffplanet. Eine der schönsten Welten des Universums. Das verlorene Paradies sozusagen. Es ist bislang unbesiedelt und geht ins Eigentum des Gewinners über. Wir werden den Glücklichen dorthin bringen, wenn er es wünscht, und wir werden für die nötige Grundausstattung sorgen, damit er dort allein oder mit Freunden leben kann.«

»Das hört sich gut an«, staunte Fame. »Wie hoch ist der Einsatz?«

»Nenne nur eine Zahl zwischen eins und zehntausend, dazu deinen Namen. Ich speichere beides. Während der Vorstellung im Zelt wird der Gewinner ermittelt und bekannt gegeben.«

Fame Learink und Horvat Gool blickten einander an. »Das ist das Verrückteste, was ich je erlebt habe«, lachte Fame. »Ich muss trotzdem zugeben, dass es mir gefällt.«

Sie programmierte ihr Los, und Gool schloss sich ihr an.

»Viel Glück!«, wünschte der Roboter und das holografische Konterfei des Mädchens erlosch. »Nun bin ich überzeugt, dass ihr die größte Show des Universums besuchen werdet.«

Eine Stunde später, Horvat Gool hatte für sich und Fame im Bordcafé Gebäck besorgt, begegnete er beim Verlassen des Cafés einem Freund, mit dem er seit Wochen nicht zusammengetroffen war.

»Mann, dich habe ich lange nicht gesehen«, platzte Jesso Tamir mit leicht tadelndem Tonfall heraus. »Ich habe gehört, dass du dich völlig in deine Arbeit vergräbst.«

»Das ist nur ein Gerücht«, lachte Gool. »Sehen wir uns bei der Show, Jesso?«

»Gehst du hin?«

»Kennst du jemanden, der sich das entgehen lassen will? Alle sind schon verrückt danach, und das bestimmt nicht ohne Grund.« Gool nickte knapp und ging leise vor sich hin pfeifend weiter. Er war ausnehmend guter Stimmung. Fame hatte ihm die Augen geöffnet: Das Leben durfte nicht nur aus Arbeit bestehen. Es sollte schon Platz für privates Vergnügen bleiben.

Ich war ein Esel, dass ich mich so lange von ihr getrennt habe, wies Horvat Gool sich selbst zurecht. Halb in Gedanken, trat er zur Seite, weil eine Gruppe von Robotern an ihm vorbeizog. Die Maschinen machten Werbung für die bevorstehende Show. Einer der Roboter bot ihm ein Los an, doch Gool erklärte, dass er schon eines hatte.

»Ich nehme an, jeder hat nur eine Chance, den Planeten zu gewinnen«, sagte er.

»Das ist richtig«, entgegnete die Maschine. »Ausgenommen die Unsterblichen.«

Gool wurde blass. Etwas wie Eifersucht stieg in ihm auf. Standen die Unsterblichen nicht ohnehin schon auf der Sonnenseite des Lebens? »Soll das heißen, dass die Aktivatorträger bevorzugt werden?«, fragte er. »Warum haben sie mehr als eine Chance? Das ist nicht gerecht.«

»Sie haben überhaupt keine«, erklärte die Maschine.

Gool entspannte sich. »In dem Fall wird mir dieser Tiryk immer sympathischer.« Er lachte wie über einen harmlosen Scherz und fügte hastig hinzu: »Tiryk stiehlt den anderen Kosmokraten die Show. Im wahrsten Sinn des Wortes.«

»Eben. Das entspricht seiner Absicht.« Der Roboter eilte weiter und sprach ein anderes Besatzungsmitglied an, um diesem ein Los anzubieten.

Gool blieb für einen Moment stehen, die eigene Bemerkung hatte ihn nachdenklich gemacht. Steckte wirklich der Kosmokrat Tiryk hinter den Vorfällen, mit denen die Show angekündigt wurde? Oder hatte sich die Führung der BASIS das alles einfallen lassen, um die Besatzung aufzumuntern und sie für viele Entbehrungen zu belohnen?

Unsinn! Diese Sache ist viel zu verrückt und abgehoben. Sie passt nicht zu Rhodan.

Horvat Gool betrat seine Kabine. Fame hatte es sich mittlerweile auf dem Bett bequem gemacht ...

... aber sie lachte ihm nicht entgegen.

Ihre Augen blickten ins Leere.

Fame war tot!

Eine blutunterlaufene Stelle an ihrem Hals ließ erkennen, dass jemand sie brutal niedergeschlagen hatte. Die Tüte mit dem Gebäck entglitt Gools Händen und fiel zu Boden.