Perry Rhodan 92: Das Modul (Silberband) - H. G. Francis - E-Book

Perry Rhodan 92: Das Modul (Silberband) E-Book

H. G. Francis

5,0

Beschreibung

Perry Rhodan und seine Begleiter an Bord des Fernraumschiffs SOL haben sich ein Ziel gesetzt: Sie wollen unter allen Umständen die in der Unendlichkeit verschwundene Erde wiederfinden! Offensichtlich kann ihnen ein hohes kosmisches Wesen wichtige Hinweise für ihre Mission geben. Perry Rhodan übernimmt zu diesem Zweck einen Auftrag für die mysteriöse Kaiserin von Therm und erreicht das MODUL, dessen Datenspeicher brisante Informationen aus dem Grenzbereich der Superintelligenzen Bardioc und Kaiserin von Therm enthalten soll. Aber der Zeitpunkt erscheint ungünstig, denn die Terraner werden mit dem Kristall des Krieges konfrontiert ...

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Nr. 92

Das MODUL

Perry Rhodan und seine Begleiter an Bord des Fernraumschiffs SOL haben sich ein Ziel gesetzt: Sie wollen unter allen Umständen die in der Unendlichkeit verschwundene Erde wiederfinden! Offensichtlich kann ihnen ein hohes kosmisches Wesen wichtige Hinweise für ihre Mission geben.

Vorwort

Vertrauen ist so eine Sache und oft genug ein zweischneidiges Schwert. Wir erleben es im täglichen Leben – in der Familie, unter Freunden, im Beruf, in der nunmehr globalen Wirtschaft oder gar in der großen Politik. Wo früher noch ein Handschlag das gesprochene Wort besiegelte und sich alle Beteiligten darauf verlassen durften, dass dieser Handschlag Gültigkeit hatte, ersetzen längst seitenlange Verträge diesen eben erwähnten einfachen, aber doch verlässlichen Vorgang. Da wird dann auf Paragrafen verwiesen, wimmelt es von klein gedruckten Bestimmungen, und zurück bleibt häufig dennoch ein unbehagliches Gefühl.

Oft sehne ich mich nach diesen »einfachen« alten Zeiten zurück. Man sah sich in die Augen, konnte sich »riechen« und wusste, die Sache geht in Ordnung. Das ist es, was ich mit Vertrauen meine. Nach dem alles besiegelnden Handschlag ruhig schlafen, nicht mitten in der Nacht schweißgebadet aufwachen, weil irgendein unklares Kleingedrucktes durch die Träume spukt ...

Und heute? Geschlossene Verträge werden oft genug angefochten. Mit allen möglichen Begründungen und Ausreden. Auf was darf man sich eigentlich noch verlassen? Voraussetzungen, die an einem Tag fest zementiert erscheinen, wackeln am nächsten schon bedenklich. Über die Gründe dafür will ich mich hier gar nicht auslassen, jeder hat wohl selbst ein Beispiel parat.

Warum ich das alles ausgerechnet an dieser Stelle erwähne?

Nun, unser Freund Perry Rhodan hat auch einen Vertrag geschlossen. Nicht schriftlich, sondern mündlich. Eine Geschäftsbesorgung. Er wird mit der SOL für die Kaiserin von Therm tätig und soll den COMP aus dem havarierten MODUL bergen, einen äußerst wichtigen Datenspeicher der Superintelligenz. Im Gegenzug dafür wird er die kosmischen Positionsdaten des Medaillon-Systems mit dem Planeten Erde erhalten.

Perry Rhodan setzt sein Vertrauen in die Kaiserin von Therm, dass sie ihre Zusage einhält. Die Frage stellt sich, ob dieses Vertrauen gerechtfertigt ist.

Die in diesem Buch enthaltenen Originalromane sind: Eine Falle für das MODUL (788) von Peter Terrid; Der Spieler und die Fremden (789) von H. G. Francis; Das Geheimnis des MODULS (790) von William Voltz; Der COMP und der Kybernetiker (791) von Kurt Mahr; Der Kristallträger (796) von Ernst Vlcek; Planet der Leibwächter (797) von Hans Kneifel sowie Im Bann des schwarzen Kristalls

Zeittafel

1971/84 – Perry Rhodan erreicht mit der STARDUST den Mond und trifft auf die Arkoniden Thora und Crest. Mit Hilfe der arkonidischen Technik gelingen die Einigung der Menschheit und der Aufbruch in die Galaxis. Geistwesen ES gewährt Rhodan und seinen engsten Wegbegleitern die relative Unsterblichkeit. (HC 1–7)

2040 – Das Solare Imperium entsteht und stellt einen galaktischen Wirtschafts- und Machtfaktor ersten Ranges dar. In den kommenden Jahrhunderten folgen Bedrohungen durch die Posbis sowie galaktische Großmächte wie Akonen und Blues. (HC 7–20)

2400/06 – Entdeckung der Transmitterstraße nach Andromeda; Abwehr von Invasionsversuchen von dort und Befreiung der Völker vom Terrorregime der Meister der Insel. (HC 21–32)

2435/37 – Der Riesenroboter OLD MAN und die Zweitkonditionierten bedrohen die Galaxis. Nach Rhodans Odyssee durch M 87 gelingt der Sieg über die Erste Schwingungsmacht. (HC 33–44)

2909 – Während der Second-Genesis-Krise kommen fast alle Mutanten ums Leben. (HC 45)

3430/38 – Das Solare Imperium droht in einem Bruderkrieg vernichtet zu werden. Bei Zeitreisen lernt Perry Rhodan die Cappins kennen. Expedition zur Galaxis Gruelfin, um eine Pedo-Invasion der Milchstraße zu verhindern. (HC 45–54)

3441/43 – Die MARCO POLO kehrt in die Milchstraße zurück und findet die Intelligenzen der Galaxis verdummt vor. Der Schwarm dringt in die Galaxis ein. Gleichzeitig wird das heimliche Imperium der Cynos aktiv, die am Ende den Schwarm wieder übernehmen und mit ihm die Milchstraße verlassen. (HC 55–63)

3444 – Die bei der Second-Genesis-Krise gestorbenen Mutanten kehren als Bewusstseinsinhalte zurück. Im Planetoiden Wabe 1000 finden sie schließlich ein dauerhaftes Asyl. (HC 64–67)

3456 – Perry Rhodan gelangt im Zuge eines gescheiterten Experiments in ein paralleles Universum und muss gegen sein negatives Spiegelbild kämpfen. Nach seiner Rückkehr bricht in der Galaxis die PAD-Seuche aus. (HC 68–69)

3457/58 – Perry Rhodans Gehirn wird in die Galaxis Naupaum verschlagen. Auf der Suche nach der heimatlichen Galaxis gewinnt er neue Freunde. Schließlich gelingt ihm mit Hilfe der PTG-Anlagen auf dem Planeten Payntec die Rückkehr. (HC 70–73)

3458/60 – Die technisch überlegenen Laren treten auf den Plan und ernennen Perry Rhodan gegen seinen Willen zum Ersten Hetran der Milchstraße. Rhodan organisiert den Widerstand, muss aber schließlich Erde und Mond durch einen Sonnentransmitter schicken, um sie in Sicherheit zu bringen. Doch sie rematerialisieren nicht am vorgesehenen Ort, sondern weit entfernt von der Milchstraße im »Mahlstrom der Sterne«. Den Terranern gelingt es nur unter großen Schwierigkeiten, sich in dieser fremden Region des Universums zu behaupten. (HC 74–80)

3540 – Auf der Erde greift die Aphilie um sich, die Unfähigkeit des Menschen, Gefühle zu empfinden. Perry Rhodan, die Mutanten und andere gesund Gebliebene beginnen an Bord der SOL eine Reise ins Ungewisse – sie suchen den Weg zurück in die Milchstraße. (HC 81)

3578 – In Balayndagar wird die SOL von den Keloskern festgehalten, einem Volk des Konzils der Sieben. Um der Vernichtung der Kleingalaxis zu entgehen, bleibt der SOL nur der Sturz in ein gewaltiges Black Hole. (HC 82–84)

3580 – Die Laren herrschen in der Milchstraße, die freien Menschen haben sich in die Dunkelwolke Provcon-Faust zurückgezogen. Neue Hoffnung keimt auf, als der Verkünder des Sonnenboten die Freiheit verspricht. Lordadmiral Atlan sucht die Unterstützung alter Freunde, die Galaktische-Völkerwürde-Koalition (GAVÖK) wird gegründet. (HC 82, 84, 85)

Auf der Erde im Mahlstrom zeichnet sich eine verhängnisvolle Entwicklung ab. (HC 83)

3581 – Die SOL erreicht die Dimensionsblase der Zgmahkonen und begegnet den Spezialisten der Nacht. Um die Rückkehr zu ermöglichen, dringt ein Stoßtrupp in die Galaxis der Laren vor und holt das Beraghskolth an Bord. (HC 84, 85)

Nur knapp entgeht die SOL der Vernichtung; die Entstehung des Konzils wird geklärt. (HC 86)

Monate nach der SOL-Zelle-2 erreicht Perry Rhodan mit der SOL die Milchstraße und wird mit einer falschen MARCO POLO und dem Wirken eines Doppelgängers konfrontiert. Die Befreiung vom Konzil wird vorangetrieben. (HC 87, 88)

Im Mahlstrom halten der geheimnisvolle Plan der Vollendung und die PILLE die Menschen im Griff. Die Erde stürzt in den »Schlund«. (HC 86)

3582 – Alaska Saedelaere gelangt durch einen Zeitbrunnen auf die entvölkerte Erde (HC 88) und gründet mit einigen wenigen Überlebenden der Katastrophe die TERRA-PATROUILLE. (HC 91)

Prolog

Wir schreiben das Jahr 3583 n. Chr. – hinter den Menschen liegt die schwerste Krise ihrer ohnehin bewegten Geschichte. Das Solare Imperium existiert schon lange nicht mehr, die Menschheit wurde sehr viel weiter im Kosmos verstreut, als dies noch vor wenigen Jahrzehnten für denkbar gehalten worden wäre. Ob in der heimischen Milchstraße, im Mahlstrom der Sterne oder in der fernen Galaxis Dh'morvon, dies ist eine Zeit der Prüfungen, die den Terranern weiterhin viel abverlangt und sie zwingt, unkalkulierbare Risiken einzugehen.

Die SOL, Perry Rhodans Fernraumschiff, folgt dem verschollenen Heimatplaneten. In der Galaxis Dh'morvon, in der das Volk der Feyerdaler die beherrschende Rolle spielt, ergibt sich eine viel versprechende Spur. Dh'morvon gehört zur Mächtigkeitsballung der Kaiserin von Therm, einer Superintelligenz, über die Perry Rhodan und seinen Getreuen nichts bekannt ist außer dem Umstand, dass ausgerechnet sie mehr über das Schicksal der Erde zu wissen scheint.

Um Terra und vor allem seine Menschheit wiederzufinden, muss Perry Rhodan sich auf die Seite der Kaiserin von Therm stellen. Von ihr erhält er den Auftrag, das havarierte MODUL zu finden und einen unersetzlichen Datenspeicher zu bergen, den COMP. Als Dank dafür sollen die Menschen der SOL die neue Position ihrer Heimatwelt erhalten.

1.

Die Falle

Sie war so perfekt, wie sie technisch nur sein konnte, und bestand seit undenklichen Zeiten.

Fallen unterscheiden sich nach der Taktik des Fallenstellers. Es gibt jene, die das Opfer mit verlockender Beute in ihren Bereich ziehen und erbarmungslos zuschlagen, sobald das Opfer nach dem Köder greift. Die andere Sorte setzt voraus, dass der Jäger sein Opfer hinreichend studiert hat. Nötig ist dann, dass das Opfer sich innerhalb gewisser Grenzen vorhersehbar bewegt und bestimmte Gewohnheiten erkennen lässt. Die Heimtücke solcher Fallen besteht darin, dass sie sich die Arglosigkeit des Opfers zu Nutze machen.

Diese Falle war nach beiden Kriterien konstruiert. Sie wusste, dass das Opfer in ihre Nähe kommen musste, und für diesen Zeitpunkt präsentierte sie einen verführerischen Köder.

Eines Tages erschien das Opfer.

Die Falle schnappte zu.

Der Jäger

Kaarmansch-Xes lag auf dem Rücken und spielte. Es war eine reine Geschicklichkeitsübung, die darin bestand, vier kleine Bälle tanzen zu lassen. Die Schwierigkeit war, jede Hand und jeden Fuß unabhängig zu bewegen, ohne dass ein Ball auf den Boden fiel. Kaarmansch-Xes hatte diese Kunst weit entwickelt, zufrieden war er dennoch nicht mit seiner Leistung. Andere Hulkoos brachten es fertig, acht Bälle stundenlang wie magisch durch die Zwischenräume der Finger und Zehen tanzen zu lassen.

Als ihm ein Ball entglitt, warf Kaarmansch-Xes alle in die Kiste zurück. Nachdenklich kratzte er sich am Bauch. Es wurde wieder Zeit, den Pelz und die Stacheln einem antibakteriellen Bad zu unterziehen. Vor allem am Ansatz der Stacheln nisteten Pilze und Bakterien. Das war zwar ungefährlich, gleichwohl aber sehr lästig. Für einen Mann, der gezwungen war, einen Raumanzug zu tragen, konnte der Juckreiz sogar lebensbedrohend werden.

Kaarmansch-Xes schickte sich an, die Hygienezelle aufzusuchen, als der Türsummer ansprach. »Herein!«, rief der Kommandant.

Ein junger Hulkoo erschien im Eingang. Er wirkte nervös. Offensichtlich hatte er zum ersten Mal Gelegenheit, den Kommandanten des Schiffes aus der Nähe zu betrachten.

»Wir sind im Zielgebiet angekommen!«

Kaarmansch-Xes bewegte den Kopf zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Der Bote verharrte kurze Zeit bewegungslos, dann watschelte er eilig davon. Kaarmansch-Xes verzog die schmalen Lippen zu einem Lächeln.

Wieder war eine der Fallen erreicht. Es gab etliche dieser Art, und die Aufgabe des Kommandanten und der Besatzung seines Schiffes bestand darin, sie nacheinander anzufliegen und aus der Ferne zu prüfen, ob sie die Beute gefangen hatten.

Kaarmansch-Xes war noch jung und sehr ehrgeizig. Nichts wünschte er intensiver, als dass er eines Tages eine Falle fand, die ihm einen Beauftragten der Kaiserin von Therm in die Hände spielte. Ein solcher Fund konnte für ihn der Beginn einer atemberaubenden Karriere sein.

Bislang hatte sich noch nichts Bedeutendes in den Fallen gefangen, aber die Hulkoos konnten warten. Patrouillenflotten waren unterwegs, um den von BARDIOC beherrschten Grenzbereich der Mächtigkeitsballung abzufliegen. Es lag auf der Hand, dass die Kaiserin von Therm auf ähnliche Sicherheitsmaßnahmen nicht verzichten würde. Daher waren an strategisch wichtigen Positionen die Fallen aufgebaut worden, um einen Inspektor der Kaiserin von Therm gefangen zu nehmen. Es ließ sich vorausberechnen, dass ein Beauftragter der Kaiserin eines Tages in eine der Fallen tappen musste – nicht berechenbar war nur der Zeitpunkt. Vielleicht fiel der Erfolg in die Zeit und die Region, die Kaarmansch-Xes kontrollierte. Inbrünstig sehnte der Hulkoo diesen Tag herbei.

Nur die Hoffnung auf diesen Fang machte die Patrouillen erträglich.

Kaarmansch-Xes verließ seine Kabine. Mit dem für seine Art typischen, schwerfälligen Gang eilte er durch die Korridore. Seine Untergebenen wichen respektvoll zur Seite.

In der Zentrale des Schiffes herrschte hektische Geschäftigkeit. Die Fernbeobachtung lieferte stetig wichtige Daten, und die Wissenschaftler diskutierten alle eingehenden Werte. Immer wieder gab es Veränderungen im Grenzbezirk; Planeten barsten, Sonnen veränderten ihre Strahlungswerte, ab und zu flammte eine Nova auf. Es war stets das Gleiche: Nahe einer Falle spielten die Beobachter verrückt.

Langsam näherte sich einer der Wissenschaftler. Kaarmansch-Xes studierte das Gesicht des Hulkoos. Der Mann zelebrierte beinahe ein heiliges Ritual, als er dem Kommandanten einen Datenstreifen übergab.

»Wir sind am Ziel!«, verkündete der Wissenschaftler. In der Zentrale breitete sich Stille aus. »Die Falle ist zugeschnappt!«

Kaarmansch-Xes fühlte, dass sich sein Körper erwärmte, ein sicheres Zeichen seelischer Erregung. Dennoch formte er mit seinen hornigen Lippen ein Lächeln.

»Das bleibt abzuwarten«, erklärte er mit gespielter Gelassenheit.

Die Falle

Sie sollte nicht töten, sondern nur gefangen nehmen.

Sobald ihre Taster das Opfer erfasst hatten und feststand, dass sich das Opfer am erwarteten Ort aufhielt, lief die Maschinerie an. Rasend schnell wurde die Sonne bis zum Überladungspunkt aufgeheizt. Dem Opfer blieb keine Zeit zur Flucht.

Die Sonne verschwand, und die beiden großen Planeten dieses Systems fielen dem Prozess ebenfalls zum Opfer.

Fangen, aber nicht zerstören!, lautete der Auftrag der Falle.

Fast acht Zehntel der Gesamtmasse verschwanden wie bei einem Transmittersprung im Hyperraum, von der freigesetzten fünfdimensionalen Energie angestoßen. Das verbliebene Fünftel der Materie wurde von dem Ausbruch als Feinstmaterie verstreut.

Der Vorgang spielte sich mit einer Geschwindigkeit ab, die dem Opfer nicht die geringste Chance ließ. Während es noch gegen die Materiewolke ankämpfte, verfinsterte sich ringsum der Raum. Ein Großteil der in das übergeordnete Kontinuum gerissenen Materieteilchen fiel weit vom Zentrum der Explosion entfernt in das Normalkontinuum zurück.

Die Falle hatte sich geschlossen. Sie durchmaß zwei Lichtjahre und war mit erstaunlicher Exaktheit rund, weil die Hyperenergien alle in den fünfdimensionalen Raum eingedrungenen Teilchen nach statistischen Gesetzen verteilt hatten. Innerhalb weniger Augenblicke war die Falle geschlossen.

Das Opfer saß rettungslos fest.

Die Opfer

Froul Kaveer fühlte sich unbehaglich, weil er seine Situation nicht erklären konnte. Ein Gefühl sagte ihm, dass die Maschinen seines Schiffes beängstigend fremd klangen. Wären sie intakt gewesen, hätte der Ton anders sein müssen. Vielleicht war das kleine Forschungsschiff beschädigt, es hätte ihn nicht verwundert.

In unmittelbarer Nähe sah der Weltraum noch völlig normal aus, aber dieser Eindruck verlor sich mit wachsender Entfernung. Das keulenförmige Schiff steckte in einer Wolke aus feinster Materie.

In seiner Verzweiflung fragte Froul Kaveer seinen LOGIKOR: »Gibt es eine Möglichkeit, diese Wolke zu verlassen?«

»Ein überlichtschneller Flug ist derzeit ausgeschlossen. Die Materiewolke stört die Ortung in einem Maß, dass ein Entkommen mit Überlichtgeschwindigkeit nicht möglich ist.«

»Können wir mit Unterlichtgeschwindigkeit entrinnen?«

»Ja«, lautete die Antwort. »Allerdings gibt es ebenfalls Ortungsschwierigkeiten. Berücksichtigt werden muss, dass eine Geschwindigkeit über fünfzig Prozent Licht die Abschirmfelder überlasten würde.«

Kaveer verspürte kein Interesse, sich auszurechnen, wie lange er den Blindflug ausdehnen musste, bis er wieder den freien Raum erreichte. Er trieb irgendwo in der Wolke, und kein Instrument verriet ihm, wie weit sich diese Materieballung in den Raum hinein erstreckte.

Unruhig bewegte er seine Arme. Wieder überfiel ihn die Frage nach seiner Existenz. Waren diese Arme typisch für sein Volk oder nur das Konstruktionsmerkmal einer Bauserie? Die Ungewissheit quälte ihn, obwohl es dringendere Probleme gab.

»In welche Richtung sollen wir fliegen?«

»Eine Aussage ist nicht möglich«, antwortete LOGIKOR. »Die Ortungsdaten sind verzerrt und widersprüchlich.«

Verärgert schaltete Kaveer den LOGIKOR ab. Wenn nicht einmal dieser perfekte Rechner eine Antwort wusste, wie sollte er selbst zurechtkommen? Falls das von Feinstaub vernebelte Gebiet ein Lichtjahr durchmaß, würde er im ungünstigsten Fall zwei Jahre brauchen, bis er den Rand erreicht hatte. War die Wolke größer, konnte er jahrelang umherirren.

Er hätte gern das System angeflogen, in dem er geboren oder gebaut worden war, aber ihm fehlte daran die Erinnerung. Er wusste lediglich, dass man ihm, einem Forscher im Dienst der Kaiserin von Therm, Teile seines Wissens genommen hatte. Als logisch und nüchtern denkendes Wesen begriff Kaveer den Sinn dieser Maßnahme. Falls er BARDIOC oder einer der Inkarnationen in die Hände fiel, durfte er nicht in der Lage sein, dem Feind Hinweise zu geben. Kaveer kannte die Koordinaten seiner Heimatwelt nicht, er wusste nicht einmal, aus welcher Galaxis er stammte.

Beklemmung umfing den Forscher. Er rutschte ein Stück auf dem Sitzbalken nach vorn. Vielleicht war es möglich, den Rand der Wolke mit mehreren Kurztransitionen zu erreichen. Innerhalb kurzer Zeit nahm Kaveer die dafür nötigen Schaltungen vor. Obwohl er Vertrauen zu seinem Schiff hatte, wartete er noch viele Augenblicke lang, bevor er den ersten Sprung einleitete.

Der Forscher wurde fast von seinem Sitzbalken gerissen. Das Kreischen und Dröhnen überlasteter Aggregate ließ ihn entsetzt pfeifen. Ihm wurde klar, dass diese Kurztransition beinahe sein Ende gewesen wäre. Das Schiff hatte zwar dem Befehl gehorcht, aber dieser kurze Sprung hatte die technischen Anlagen bis hart an den Zusammenbruch belastet.

Sekunden vor der zweiten Kurztransition widerrief Kaveer das Programm. Er stieß einen erleichterten Pfiff aus, als hinter ihm die Arbeitsgeräusche leiser wurden und das Höllenkonzert der überlasteten Aggregate allmählich verstummte. Der Sprung war gelungen, daran bestand kein Zweifel, doch einen Vorteil hatte Froul Kaveer damit nicht erlangt. Nach wie vor hüllte ihn die Wolke ein, zeigte die Ortung keine brauchbaren Werte. Vielleicht war er sogar tiefer in die Materieballung eingedrungen und damit von der Rettung weiter entfernt denn je.

»Kannst du mir helfen?«, fragte er LOGIKOR, nachdem er ihn aus der Gürteltasche geholt und aktiviert hatte.

»Ich fürchte, nein«, antwortete die silbrig schimmernde Kugel in seiner Hand. Der LOGIKOR hatte eine unterstützende Aufgabe, aber es schien, als sei das Gerät ebenfalls von der augenblicklichen Notlage betroffen.

»Versuche, den Rand der Wolke in gradlinigem Unterlichtflug zu erreichen. Einen anderen Rat kann ich dir nicht geben.«

»Wie groß ist die Wolke?«

»Unbekannt.«

»Ein Flug wird bei niedriger Geschwindigkeit lange dauern«, gab Kaveer zu bedenken. »Fliege ich so schnell, wie es die Wolke zulässt, werde ich sehr viel Energie für die Schirmfelder brauchen. Fliege ich langsam, um die Generatoren zu schonen, reicht die Energie vielleicht nicht aus, um uns das Ende der Wolke erreichen zu lassen. Berechne das!«

LOGIKOR schwieg sekundenlang, dann gab er das Ergebnis seiner Berechnungen bekannt. Nach diesen Werten programmierte Froul Kaveer sein Schiff. Er wusste, dass einige der Aggregate im hinteren Teil nicht mehr voll funktionstüchtig war. Die Aussicht, der Materiewolke zu entkommen, war daher gering.

Noch sahen die Daten vertrauenerweckend aus, doch das war für den Forscher zweitrangig. Jede Flucht, und sei sie noch so übereilt, zielte darauf ab, den Flüchtenden an einen sicheren Ort zu führen. Kaveer konnte nur hoffen, dass es auch für ihn irgendwo einen solchen sicheren Ort gab. Noch war seine Flucht unvollständig, denn sie führte nur von einer Gefahr weg. In Froul Kaveer brannte die Frage, wohin ein Heimatloser fliehen sollte.

Der Posbifreund

Mit millionenfacher Lichtgeschwindigkeit raste die SOL durch den Linearraum. Die Stimmung in der Zentrale war von der Dienstroutine gekennzeichnet, dennoch wurde die Anspannung spürbar. Die Bewohner des hantelförmigen Fernraumschiffs, zumindest jene, die nicht in dieser stählernen Welt geboren worden waren, suchten fieberhaft nach der verschollenen Erde und ihren Bewohnern.

Wir kannten die Position der Erde nicht, aber wir hatten einen Anhaltspunkt, weil wir eine Bildübertragung empfangen hatten. Dem MODUL hingegen war der neue Standort der Sonne Medaillon mit Terra und Goshmos Castle geläufig.

Aber das MODUL befand sich in Schwierigkeiten. Und die Kaiserin von Therm hatte keineswegs eines ihrer Hilfsvölker eingesetzt, um das MODUL zu retten, sondern ausgerechnet die SOL und ihre Besatzung.

Aus dem zentralen Antigravschacht trat ein Mann hervor. Er wirkte ziemlich alt. Auffällig waren seine Glatze und das hochrote Gesicht. Außerdem wischte er sich mehrmals den Schweiß von der Stirn, obwohl es zumindest in der Zentrale angenehm kühl war. Mit dem rechten Arm hielt er ein unförmiges Bündel umklammert.

»Ich suche den Herrn Sonderoffizier Guck.« Sein Tonfall ließ vermuten, dass er kurz vor einem Kollaps stand.

Gucky riss die Augen auf. Sein Fehler war, dass er für einen winzigen Augenblick zu Perry Rhodan hinüberschaute, und Rhodans Gesichtsausdruck war eindeutig. Gucky durfte auch nicht ein klein wenig telepathisch schnüffeln.

Mürrisch watschelte der Mausbiber auf den Mann mit dem Bündel zu. »Hier bin ich!«, verkündete er. »Gucky, der Retter des Universums!«

Der Mann mit dem Paket musterte ihn skeptisch. Seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen, fand er den Ilt nicht sonderlich beeindruckend. »Ich komme von der Versorgungsstelle.« Das klang wie eine Drohung. »Ich soll das hier abliefern.« Mit diesen Worten drückte er dem entgeistert dreinblickenden Mausbiber das unförmige Bündel in die Hand. Gucky schnüffelte misstrauisch daran.

Er ahnte, dass man ihn veralbern wollte, aber er wusste, dass Perry Rhodan ihn beobachtete. Gucky grinste mühsam. »Und was, bitte, ist darin?«, wollte er wissen.

»Eine Daunendecke«, verkündete der Bote feierlich.

»Eine was?«

»Eine Daunendecke, eine doppelte sogar!«

Sekundenlang war es still in der Zentrale, dann erklang aus den Akustikfeldern helles Lachen. In einem der Holos war Atlan zu erkennen, und er schüttelte sich vor Lachen. Natürlich wusste sein fotografisches Gedächtnis sofort, worum es ging.

»Ich kann mich nicht erinnern, eine Daunendecke angefordert zu haben, schon gar keine doppelte«, sagte Gucky. »Ich bin ein harter Mausbiber, müssen Sie wissen!«

Nichts verriet seine Verwirrung besser als das »Sie«. Normalerweise pflegte er rücksichtslos zu duzen, gleichgültig ob Freund oder Feind.

»Hier ist die Anforderung, vom Kommandanten gegengezeichnet!«, beharrte der Bote. Er brachte eine Datenfolie zum Vorschein und hielt sie dem Mausbiber unter die Nase. Mentro Kosum wurde ebenfalls misstrauisch und kam langsam näher.

»Ich kann mich nicht erinnern, eine solche Anforderung bestätigt zu haben«, wandte Kosum ein.

Guckys Augen wurden mit jeder Sekunde größer. Er reichte die Folie telekinetisch an Rhodan weiter. Der las und lachte ebenfalls.

»Du brauchst dich nicht zu sorgen, Mentro«, sagte Rhodan. »Diese Anforderung wurde zwar vom Kommandanten abgesegnet, aber nicht von dir. Wir flogen damals Panatol an, es war im Jahr ...«

»... 2113«, half Atlan aus. Er hatte Schwierigkeiten, deutlich zu sprechen, weil er noch immer lachte.

»Es war an Bord der THEODERICH«, fuhr Rhodan fort. »Gucky beschwerte sich darüber, dass die Sitzgelegenheiten des Flaggschiffs für die empfindliche Kehrseite eines Mausbibers zu hart seien. Der damalige Kommandant Jefe Claudrin versprach ihm, eine doppelte Daunendecke anzufordern. Was willst du mehr, Gucky – nun hast du alles!«

Völlig entgeistert ergriff der Ilt die Decke und starrte sie wie ein Weltwunder an.

»Claudrin meinte damals, es würde etwas dauern«, prustete Atlan. »Wie ich sehe, gerät in der Solaren Flotte nichts in Vergessenheit, auch wenn es die Solare Flotte längst nicht mehr gibt!«

»Damit ist meine Aufgabe wohl erledigt«, verkündete der Mann von der Beschaffungsstelle würdevoll. »Gestatten Sie mir, dass ich mich zurückziehe. Es müssen noch andere Eilaufträge erledigt werden.«

Er hatte den Antigravschacht fast erreicht, als Gucky ihn telekinetisch festhielt. »Stopp!«, rief der Ilt. »Meine Kabine ist hübsch und bequem, was soll ich mit einer Daunendecke? Nimm sie wieder mit!«

Der Bote schüttelte den Kopf. »Die Datei für ein Rückerstattungsverfahren kann angefordert werden«, verkündete er tückisch. »Bis dahin ist es Ihre Pflicht, Sonderoffizier Guck, das Ihnen ausrüstungsmäßig zustehende Inventar schonend zu behandeln.«

Gucky sah in dem Moment wirklich Mitleid erregend aus. »Wie lange wird es dauern, bis ich die Decke wieder los bin?«, wollte er wissen.

Die Antwort kam von Atlan. »Zwölf Jahre, Gucky, und drei Monate – manchmal auch nur zwei!«

»Ich verbrenne das Ding!«, verkündete der Ilt entschlossen und fixierte seinen glatzköpfigen Widersacher.

Der Bote nickte gelassen. »Wenn Sie das tun, werden Sie eine Verlustmeldung abzugeben haben. Danach folgt eine Untersuchung der besonderen Umstände des Verlustfalls. Diese Prozedur wird sich bei normalem Bordbetrieb über mehrere Monate hinziehen. Sie verlängert sich, sollte es zwischenzeitlich zu Kampfhandlungen, Havarien oder anderen Störungen und Eingriffen kommen.«

Bevor Gucky sich von dieser Auskunft erholt hatte, war der Bote verschwunden. Der Ilt blickte noch eine Zeit lang auf den Antigravschacht, schließlich wurde ihm bewusst, dass er von allen angestarrt wurde. Würdevoll stolzierte er zu seinem Platz und breitete sorgfältig die Decke aus. Mit verklärtem Gesichtsausdruck hob er sich selbst telekinetisch in die Höhe und sank dann langsam auf die weiche Decke herab.

Die Oberfläche seines Sitzes war glatt, die Außenseite der Decke ebenfalls. Beide, Decke und Gucky, gerieten ins Rutschen, und ehe sich's der Mausbiber versah, saß er, von der Decke eingehüllt, auf dem Boden.

Bevor er erneut die Lacher gegen sich hatte, teleportierte er davon. Die Decke blieb zurück.

Ich grinste und winkte einen meiner Posbis heran. Auf den metallenen Gesichtszügen des Roboters zeichnete sich Sorge ab. Mich wunderte, dass die Terraner nicht fähig waren, diese Mimik zu verstehen, die ebenso ausdrucksvoll sein konnte wie ein menschliches Gesicht. Ich hatte die Posbis allerdings lange studieren müssen, bis ich sie richtig interpretieren konnte.

Ich deutete auf die Decke. »Gucky hat dies hier verloren, er leidet unter dem Verlust. Bringe den Gegenstand zu ihm und sieh zu, dass er ihn künftig mit sich führt!«

Der Posbi fuhr einen Tentakelarm aus und hob die Decke ehrfurchtsvoll an.

»Finden Sie das fair, Galto?«, wollte Perry Rhodan von mir wissen.

Ich zuckte mit den Schultern. »Wer hilft mir, wenn ich Hilfe brauche?«, fragte ich zurück.

Langsam kehrte in der Zentrale der SOL wieder Ruhe ein.

Margaux Weynard trat auf Perry Rhodan zu und übergab ihm eine Datenfolie. »Die Ortung hat dieses Objekt erfasst – eine Materiewolke, nahezu perfekt kugelförmig, dazu stark im Hyperspektrum strahlend. Durchmesser schätzungsweise zwei Lichtjahre. Es könnte sich um den Berührungspunkt handeln, den uns die Kaiserin von Therm bezeichnet hat.«

Rhodan überlegte nicht lange und ließ die SOL den Kurs anpassen. »Dobrak«, wandte er sich an den Kelosker, »wie wahrscheinlich ist es, dass die Kaiserin von Therm ausgerechnet eine heftig strahlende Materiewolke als Berührungspunkt auf der Großen Schleife ausgewählt hat?«

Bevor der Rechenmeister antworten konnte, redete Margaux Weynard weiter: »Wir haben festgestellt, dass die Materiewolke wegen ihrer heftigen Strahlung jedem Raumschiff erhebliche Probleme bereiten wird. Unsere Analyse lässt folgende Fakten erkennen: Das MODUL, wie immer es beschaffen sein mag, hat die Aufgabe, eine extrem große Kontaktschleife zu fliegen und Daten zu sammeln; dafür wird die Kaiserin von Therm kein Beiboot eingesetzt haben. Vermutlich haben wir es mit einem Raumflugkörper unbekannter Konstruktion zu tun, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eines mit der SOL gemeinsam hat – er wird sehr groß sein.«

Dobrak unterbrach die Frau nicht, er zeigte lediglich durch Gesten an, dass er mit dieser Analyse übereinstimmte.

»Weiterhin wissen wir, dass das MODUL havariert ist. Daraus ergibt sich eine sinnvolle Schlussfolgerung: Das MODUL befindet sich wegen dieser Materiewolke in Schwierigkeiten.«

»Vollkommen richtig«, bestätigte Dobrak.

»Wenn selbst ein beachtliches Gebilde wie das MODUL in Bedrängnis gerät, wird auch die SOL gefährdet sein.«

»Ich stimme dem zu«, erklärte Atlan im Hologramm. »Das MODUL scheint im Bewertungskatalog der Kaiserin von Therm ohnehin einen besonderen Rang einzunehmen – für uns ist die SOL aber wesentlich wichtiger. Deshalb plädiere ich für eine Lageerkundung.«

»Wie wäre es mit der SEIDENRAUPE?«, warf Mentro Kosum ein.

»Wieso ausgerechnet ein Leichter Kreuzer?«

Mentro Kosum deutete auf Margaux Weynard. »Diese junge Frau gehört zur Stammbesatzung der SEIDENRAUPE. Ich vermute, dass sie ihre Beobachtungen gerne an Ort und Stelle überprüfen wird.«

Die Frau zeigte sich unbeeindruckt. »Ich hätte zwei Bitten, Sir!«, wandte sie sich an Perry Rhodan.

»Lassen Sie hören!«

»Zunächst würde ich es begrüßen, würde die Stammbesatzung des Kreuzers um einige besonders befähigte Besatzungsmitglieder erweitert. Wir müssen auf Überraschungen gefasst sein!«

»Einverstanden. Mentro Kosum wird das Schiff steuern, zudem schicke ich Ras Tschubai und Merkosh an Bord.«

Eine riesige Gestalt erhob sich aus dem Hintergrund. Ein Raubtiergebiss bleckte Rhodan an.

»Also gut, Tolotos, du bist ebenfalls dabei.«

Aus dem Antigravschacht tauchte in dem Moment ein gehetzt wirkender Galto Quohlfahrt auf. Es war gerade eine Stunde her, dass er nach dem Zwischenfall mit Guckys Daunendecke die Zentrale verlassen hatte. »Sir«, ächzte er, »haben Sie einen Einsatz, für den ich eingeteilt werden könnte?« Er blickte sich nach den Posbis um, die ihn wieder einmal verfolgten, vermutlich um ein defektes Teil seines unzulänglichen Körpers gegen ein synthetisches Organ auszutauschen.

»Sie werden auf die SEIDENRAUPE abkommandiert, Galto«, sagte Rhodan rasch und wandte sich dann an Margaux. »Sie sprachen von zwei Bitten?«

Der Blick der jungen Frau streifte Galto »Posbi« Quohlfahrt und blieb auf Icho Tolot hängen. »Ich würde gern meinen Partner mitnehmen«, sagte sie freundlich. »In seiner Nähe fühle ich mich sicherer.«

Galto Quohlfahrt nickte verständnisvoll und grinste dazu, während sich Icho Tolot in einem mühsam unterdrückten Lachkrampf wand. Perry Rhodan betrachtete nachdenklich die Frau, die ein verblüffendes Maß an Ruhe und Selbstsicherheit ausstrahlte. Wie musste der Mann aussehen, in dessen Gegenwart sie sich sicherer fühlte?

Der Jäger

Sehr sorgfältig analysierte Kaarmansch-Xes die Stimmung an Bord. Wenn er den Ausdruck in den Sehorganen seiner Untergebenen richtig deutete, befand sich die Besatzung nach den letzten Meldungen aus der Ortungszentrale in einem extremen Erregungszustand. Als Kommandant durfte er solche Gefühle aber nicht offenbaren.

»Die Auswertungen liegen vor?«, erkundigte er sich gleichmütig.

»Sie sind eindeutig«, antwortete der zuständige Offizier. »Die Falle Courstebouth-Stern ist zugeschnappt, daran kann kein Zweifel mehr bestehen.«

Im Hintergrund der Zentrale wurden Jubelrufe laut, die Kaarmansch-Xes mit einer energischen Handbewegung erstickte. Dies war der entscheidende Augenblick seines Lebens. Seit er in der Patrouillenflotte seinen Dienst angetreten hatte, träumte er von diesem Augenblick. Seine Vorgehensweise stand für ihn längst in allen Einzelheiten fest; er wollte sie so gestalten, dass sein persönlicher Triumph glanzvoll wurde.

Mit einem kaum erkennbaren Lächeln gab er die Anordnung, der seine Besatzung entgegenfieberte: »Aktiviert den Großen Sender!«

Dies war der größte Augenblick in der Geschichte der Hulkoos, ein Tag von kosmischer Bedeutung. Jeder Einzelne wuchs über sich hinaus und konnte spüren, dass er zu einem Hulkoo wurde, für den es in der langen Geschichte des Volkes keine Vergleichspersonen gab. Einzig der erste Große Führer, der als erster Hulkoo zum Dienst für die Inkarnation aufgerufen worden war, konnte sich mit diesem Glanz noch messen.

Kaarmansch-Xes wusste, dass es nur an ihm lag, den Ruhm des ersten Großen Führers sogar zu übertreffen. Er allein hatte es in der Hand, ob sich die Hulkoos späterer Jahrtausende an diesen Tag erinnern und jedes seiner Worte mit ehrfurchtsvollem Schaudern auswendig lernen würden. Kaarmansch-Xes, der Hulkoo, der den entscheidenden Schritt auf dem Weggetan hatte, der die Inkarnation für alle Zeiten von ihren Feinden befreite.

»Sendet folgende Botschaft an die Hauptwelt der Inkarnation CLERMAC: Die Falle Courstebouth-Stern ist zugeschnappt! Gezeichnet: Kaarmansch-Xes.«

Der entscheidende Satz war gesprochen. Für alles, was weiterhin geschehen sollte, trug Kaarmansch-Xes die Verantwortung. Als ein junger Hulkoo davoneilte, um den Befehl auszuführen, stürzte der Kommandant aber schon aus Himmelshöhen ab. Er fragte sich, was geschehen würde, falls sich nicht der Beauftragte der Kaiserin von Therm in der Falle gefangen hatte. Gewiss, die Falle war so konstruiert, dass sie sich nicht über jedem Vagabunden schloss, aber dennoch ...

Er lächelte, und nur er selbst wusste, wie viel Kraft ihn dieses Lächeln kostete. Der Ausdruck, den die Gesichter seiner Untergebenen zeigten, ließ sich allein mit dem Wort Verehrung beschreiben – niemand verstand, in welchen Abgrund von Angst Kaarmansch-Xes so jäh gestürzt war. Jeder Augenblick des Triumphs, den dieser Tag und die folgenden bringen konnten, gehörte ihm, aber ebenso jede Sekunde der panischen Furcht, übereilt gehandelt zu haben. Den Triumph würde seine Besatzung mit ihm teilen, in seiner Angst war er allein.

»Sendet außerdem eine Botschaft an die anderen Einheiten der Patrouillenflotte! Die Schiffe sollen umgehend Courstebouth-Stern anfliegen. Gezeichnet: Kaarmansch-Xes, Befehlshaber der Patrouillenflotte!«

Der Kommandant, der als Erster eine geschlossene Falle fand, hatte das Recht, den Oberbefehl über alle erreichbaren Einheiten der Flotte zu übernehmen. In den nächsten Stunden konnten seine Führungskräfte also das Gefühl genießen, zu Flaggoffizieren aufgestiegen zu sein. Für Kaarmansch-Xes bedeutete das alles aber plötzlich nichts mehr. Der winzige Augenblick des Zweifels hatte seine Angst wie ein böses Geschwür aufbrechen lassen.

»Wir fliegen die Wolke an!« Es kostete ihn viel Kraft, die Bewunderung der Besatzung hinzunehmen, vor allem, weil dieser Ausdruck schnell und gründlich umschlagen konnte, sobald er einen einzigen Fehler machte.

Die Opfer

»Kannst du mir helfen, LOGIKOR?«

Froul Kaveer war verzweifelt. Hinter ihm wimmerten die Maschinen und dröhnten die Reaktoren. Sein kleines Schiff war dem Ende nahe. Er stieß einen kurzen Pfiff aus, in dem Ärger und Niedergeschlagenheit mitschwangen, als die Rechenkugel verneinte.

Das Schiff bewegte sich ziellos und langsam durch die Materieballung. LOGIKORS unerbittliche Analyse hatte ergeben, dass keine Möglichkeit existierte, den Bereich der Wolke zu verlassen. Die technischen Mittel reichten dafür nicht aus.

Stunden hatte Kaveer in der Antigravwabenröhre verbracht, weil er die Wiedergabe auf den Schirmen der Ortungssysteme nicht mehr ertrug. Das Schiff war von einer harten Streustrahlung umgeben, die sich wie ein undurchdringlicher heller Nebel abzeichnete.

Froul Kaveer bereitete sich auf den Tod vor, und es schien ihm wie Hohn, dass er nicht einmal in diesem Augenblick sagen konnte, ob er nun starb oder nur funktionsunfähig wurde. Jetzt hatte der Forscher zwar Zeit, sich mit dieser Frage zu beschäftigen, aber er wusste zu gut, dass er darauf keine Antwort bekommen würde, nicht einmal von LOGIKOR.

Nachdenklich betrachtete Kaveer den kleinen silbrigen Ball an seinem Gürtel. Wer oder was war LOGIKOR? Ein Roboter, eine konstruierte Maschine? Flüchtig wünschte er sich, dass er selbst ebenfalls ein Roboter wäre, denn dann hätte er im Augenblick der Zerstörung wenigstens einen Leidensgefährten gehabt.

Er richtete sich auf seinem Sitzbalken auf. »Wie viele Forscher halten sich in der Wolke auf?«, fragte er hastig.

»Die Frage kann nicht beantwortet werden«, teilte die Kugel mit. »Nach meiner Schätzung werden sich sehr viele Forscher des MODULS im Inneren der Wolke aufhalten, soweit sie nicht bereits ausgefallen sind.«

Ausgefallen!, dachte Kaveer. Roboter fallen aus, Lebewesen nicht. Lebende Wesen starben; aber konnte LOGIKOR diesen Unterschied überhaupt begreifen? Eines der wenigen Dinge, die Kaveer noch wusste, war, dass Leben Empfindungen hatte. Die Tatsache, dass er selbst von Ängsten und Furcht geschüttelt wurde, war dennoch kein zwingender Beweis für die These, dass er kein Roboter war. Die Vernichtung seiner Existenz würde er empfinden müssen, gleichgültig, ob er ein lebendes Wesen oder eine Maschine war.

Ausgefallen!, dachte Kaveer noch einmal. Wahrscheinlich wimmelte es in der Wolke von Forschungsschiffen. Er wusste es nicht genau, seine Erinnerungen an das MODUL und die Forscher, die ihm dienten, waren stark getrübt.

»Frage an LOGIKOR«, formulierte er. »Entspricht es den Tatsachen, dass das MODUL eine sehr wichtige Aufgabe im Dienst der Kaiserin von Therm zu erfüllen hatte?«

»Die Überlegung ist einwandfrei«, antwortete LOGIKOR.

Ich muss vorsichtig vorgehen, dachte Kaveer. Er dachte nicht an Verrat, er wollte lediglich versuchen, LOGIKOR möglichst viel an Informationen zu entnehmen. Dabei wusste er nicht einmal, ob LOGIKOR präzise Fragen über das MODUL – die er natürlich niemals zu stellen gewagt hätte – überhaupt beantworten konnte. Die Wahrscheinlichkeit sprach dagegen. Kaveer wollte es dennoch versuchen.

»Zu diesen Aufgaben gehörte auch die Forschung ... Ist die Vermutung richtig, dass angesichts der Bedeutung der Arbeit des MODULS die Zahl der Forscher beträchtlich ist?« Gespannt wartete Froul Kaveer auf die Antwort.

»Die Vermutung ist richtig, ich weise aber auf die unklare Bedeutung des Wortes beträchtlich hin!«

Kaveer pfiff erleichtert. Eine exakte Antwort auf seine Frage hatte er nicht erhalten, doch die Aussage, dass die Zahl der Forscher beträchtlich sei, hob seinen Mut. Was ihm allein unmöglich war, konnte vielleicht erreicht werden, sobald sich die versprengten Forscher zusammenfanden.

Obwohl er sich des Risikos bewusst war, leitete Froul Kaveer mehr Energie auf die Ortungssysteme. In den entsprechenden Anzeigen verstärkte sich der Nebel, doch bei genauerem Hinsehen erkannte er in dem hellen Schleier Gebilde, in denen sich die Materie dichter zusammenzuballen schien. »Vielleicht Raumschiffe«, überlegte er laut.

Irgendwo in diesem diffusen Nebel trieb das MODUL. Kaveer kannte nicht mehr als den Namen, alle anderen Erinnerungen fehlten ihm. Dennoch sehnte er sich nach dem unerreichbaren und unsagbar fremden MODUL. Er wusste, dass er zur Besatzung des MODULS gehört hatte, und er wollte zurück.

Sehnt sich ein Roboter nach der Stätte seiner Fabrikation zurück, ein Sklave nach seiner Zelle?, fragte er sich, und für die Gefühle, die ihn bewegten, fand er nicht einmal einen Namen.

Der Chronist

Morl Weynard saß über den Text gebeugt, der über seine Arbeitsplatte lief, und merzte Fehler aus. Diese positronischen Korrigiermaschinen hatten einen entscheidenden Fehler: Sie nahmen den zu redigierenden Text viel zu wörtlich. Für Ironie und verwandte Gebiete hatten sie kein Gespür.

Andererseits verkürzten sie die Herstellungszeit der SOL-Gazette beträchtlich. Es gab noch zwei andere Bordinformationen, aber Morl Weynards Magazin bestach durch Außergewöhnlichkeit. Der Gazette war anzumerken, dass sie von einem begabten Amateur gefertigt wurde, der sich dieser Arbeit mit aller Energie verschrieben hatte.

Morl Weynard war ein hagerer Mann, unterdurchschnittlich groß, mit langem, oft verfilztem Haar und geistesabwesendem Blick. Seine blauen Augen schauten in Fernen, von denen nicht einmal die Kelosker etwas ahnten. Das gebrochene Nasenbein war die Folge eines verunglückten Interviews, das Morl jedoch als Beweis seiner Unnachgiebigkeit wie einen Orden trug.

Genüsslich schmatzend las Morl den Leitartikel. »Klasse!«, murmelte er. »Wenn das nicht einschlägt ...« Der Artikel beschäftigte sich mit der Tatsache, dass Perry Rhodan die Errichtung eines Eroscenters nicht bewilligt hatte.

»Dieser Mangel schreit zum Himmel!« Der Satz stammte von dem einzigen Antragsteller, einem stark frustrierten Zwangs-Junggesellen.

Morl befühlte vorsichtig sein Nasenbein, als hinter ihm Schritte erklangen. Aber nur seine Frau hatte den Redaktionsraum betreten.

»Du wirst dich für einige Zeit von deiner Arbeit trennen müssen«, verkündete sie.

Morl zog die Brauen in die Höhe. »Was hast du wieder ausgebrütet?«, fragte er misstrauisch.

»Wir beide sollen an Bord der SEIDENRAUPE eine Staubwolke untersuchen«, erklärte Margaux. »Ich habe Perry Rhodan darum gebeten, dass du mich begleiten darfst.«

»Deine Fürsorge ist rührend«, erwiderte Morl. »Wann brechen wir auf?«

»Sofort.«

Morl seufzte und speicherte den Text ab. Nun musste doch die Positronik alles Weitere erledigen. Währenddessen zog Margaux Rollkragenpullover und Hose aus und suchte im Schrank nach der Einsatzkombination. Morl sah ihr fasziniert zu.

Margaux war überaus attraktiv, rothaarig, blauäugig, genau die Sorte Frau, die er stets gesucht hatte. Morl begriff immer noch nicht ganz, wieso Margaux ausgerechnet mit ihm einen langfristigen Ehevertrag geschlossen hatte.

2.

Der Jäger

Mit Gewalt unterdrückte Kaarmansch-Xes seine Erregung. In dem großen Holo zeichnete sich Courstebouth-Stern ab – zumindest das, was einst Courstebouth-Stern gewesen war. Die Falle hatte funktioniert, daran war kein Zweifel mehr möglich, indes würde noch geraume Zeit vergehen, bis klare Aussagen möglich wurden. Die Patrouillenschiffe waren auf die Besonderheiten der Fallen vorbereitet, aber sogar ihren Ortungssystemen bereitete die spezifische Strahlung gewaltige Schwierigkeiten. Je näher das Schiff der Wolke kam, umso stärker wurden die Zerreffekte und Streuungen. Die harte 5-D-Strahlung, die das Opfer lähmen und bewegungsunfähig machen sollte, behinderte sogar die Jäger.

In der Zentrale war es beklemmend still geworden. Die Hulkoos, die zurzeit keine speziellen Aufträge zu erfüllen hatten, starrten Kaarmansch-Xes verehrungsvoll an.

Wortlos legte ihm ein Offizier eine Fotografie vor. Er brauchte nur einen kurzen Blick darauf zu werfen, um zu erkennen, dass es sich um eine Aufnahme der Wolke handelte, in die sich Courstebouth-Stern verwandelt hatte. Erst beim zweiten Hinsehen entdeckte Kaarmansch-Xes den undefinierbaren Körper inmitten der Feinstmaterie. Er musste eine beträchtliche Größe haben, sonst hätten ihn die Instrumente der Ortungszentrale nicht erfassen können. Aber die Geräte waren durch die Strahlung derart gestört, dass ein genaues Anmessen des Objekts nicht möglich war.

Kaarmansch-Xes betrachtete das Bild lange und eindringlich, wie es seiner Rolle als Held des Tages entsprach. Es galt, alle Worte sorgsam zu überlegen.

»Was immer sich in der Falle gefangen hat, es muss von beträchtlicher Größe sein.« Er bemerkte erschreckt, dass dieser Ausspruch alles andere als erhaben und groß war, sondern eher banal und nichts sagend. Ihm wurde deutlich, dass er sozusagen an zwei Fronten kämpfte. Er musste nicht nur den Auftrag erfüllen und den Vertreter der Kaiserin von Therm fangen, er hatte ebenso dafür zu sorgen, dass er in den Geschichtsdateien nicht wie ein Trottel wirkte, dem dieser Erfolg lediglich in den Schoß gefallen war. Kaarmansch-Xes hätte viel darum gegeben, wäre ihm eine jener Bemerkungen eingefallen, die im Laufe der Jahrtausende zu geflügelten Worten geworden waren.

»Hoffen wir«, sagte er, als das Schweigen in der Zentrale die Grenze der Unerträglichkeit bereits überschritten hatte, »dass wir unseren Auftrag erfüllen können!«

Das ist auch nicht viel besser, stellte er ernüchtert fest. Ein rascher Seitenblick verriet ihm, dass ihn seine Untergebenen dennoch ehrfürchtig anstarrten.

»Wir greifen an! CLERMAC mit uns!«

Spontan wiederholten alle Besatzungsmitglieder den neuen Schlachtruf. Kaarmansch-Xes erlaubte sich ein erleichtertes Aufatmen. Vielleicht reichte dieser letzte Satz für die Geschichtsschreibung aus, auch wenn ihm schien, als habe er diesen Ausspruch schon einmal gehört.

Die Begeisterung der Mannschaft war echt, das wusste der Kommandant. Er ahnte auch, weshalb seine Hulkoos so enthusiastisch reagierten. Es gab viele Völker, die den Inkarnationen halfen, und Kaarmansch-Xes war sich sicher, dass sein Volk nicht das höchste aller Hilfsvölker war. Vielleicht aber führte dieser Tag des Triumphs dazu, dass die Hulkoos in der Einschätzung der Inkarnationen stiegen.

Wieder überfiel ihn die Furcht. Falls er sich geirrt hatte, war die Katastrophe nicht mehr aufzuhalten. Die Inkarnation CLERMAC erwartete von ihm und seinen Männern, dass sie den Boten der Kaiserin von Therm stellten und fingen. Nichts anderes erwartete das Volk der Hulkoos auch. Um aber den Erfolg erreichen zu können, musste er Alarm geben, sobald er eine geschlossene Falle bemerkte. Erwartet wurde, dass der Kommandant die gesamte Mächtigkeitsballung in Aufruhr setzte, dann erst konnte der erhoffte Triumph keine Steigerung mehr erfahren.

Kaarmansch-Xes akzeptierte, dass er damit zugleich die Gefahr heraufbeschwor, im Falle eines Versagens abgrundtief in die Verachtung zu stürzen. Er war jung und ehrgeizig, und als er sein Kommando antrat, hatte er dies in der festen Überzeugung getan, jeder nur denkbaren Aufgabe gewachsen zu sein. Inzwischen sah sich der Kommandant bedrängt von Problemen und Verantwortungen, an die er selbst in den schlimmsten Alpträumen niemals gedacht hatte.

»CLERMAC, hilf!«, murmelte er.

Die Opfer

Die Anfälle kamen in Wellen. Wie ein Pendel schlugen sie aus, von einem Zustand in sein extremes Gegenteil. Im Augenblick war es für Froul Kaveer unerheblich, ob er ein Roboter oder ein organisches Wesen war. Zum einen war ihm schlagartig klar geworden, dass er existierte, und an dieser Erkenntnis gab es nichts zu deuten. So paradox es klang, gerade die Tatsache, dass er an seiner eigenen Existenz zweifeln konnte, bewies, dass es ihn gab. Froul Kaveer war sich bewusst, zumindest glaubte er das, dass er mehr sein musste als eine einfache Programmierung, die nach Belieben erweitert oder gelöscht werden konnte.

Daraus ergaben sich Konsequenzen, die der Prüfung wert erschienen. Für ihn konnte es gleichgültig sein, wie er entstanden war. Schließlich war der Unterschied zwischen einer Fertigungsstraße, an deren Ende perfekte Roboter standen, und einem genetisch programmierten Entwicklungsvorgang, der von biologischer DNA gesteuert wurde, nur gering. Der Unterschied war erst dann von Gewicht, wenn damit eine logisch unbegründbare, gefühlsmäßig aber wichtige Einstufung vorgenommen wurde, die das organische Leben über das robotische stellte. Entscheidend war zudem der Umschlag von Quantität in Qualität.

Ob Instinkt oder positronische Rückkopplung, blieb uninteressant; bedeutsam war nur, dass die Ansammlung von Informationen und Programmierungen eines Tages eine bestimmte Grenze überschritt. Dann wurde daraus ein Bewusstsein, ein abstraktes Etwas, das über sich selbst nachdenken und sich der Tatsache der eigenen Existenz bewusst werden konnte. Ob dieses Bewusstsein an Neuronen, Ganglien und Synapsen gebunden war oder an positronische Kernspeicher, war für die Beurteilung der Qualität bedeutungslos.

Wenige Augenblicke hatten gereicht, um Froul Kaveer zu dieser Einsicht zu bringen – danach ging es noch schneller, ihn zu frustrieren. Was half es ihm, wenn er nun wusste, dass er gewiss keine programmabhängige Maschine war oder ein sorgsam dressiertes Tier? Sein neu entdecktes Bewusstsein würde ohnehin in kurzer Zeit von dem durchgehenden Reaktor zerstrahlt werden.

Auf die Erkenntnis, dass er tatsächlich lebte, war für Froul Kaveer blitzartig die Erkenntnis gefolgt, dass er dieses Leben sehr bald verlieren würde.

Regungslos kauerte er auf dem Sitzbalken und hätte fast die Bewegung in der Holodarstellung nicht wahrgenommen. Er sah sie erst, als der Schemen heftiger zuckte.

Innerhalb einer Sekunde wich Kaveers Benommenheit. Wenn er die verwaschenen Konturen auf dem Schirm richtig deutete, konnte es sich nur um das Schiff eines anderen Forschers handeln. Das Wissen, in dieser Wüste aus Strahlung und mikrofeinem Staub nicht völlig allein zu sein, half ihm, seine Ängste vorerst zu unterdrücken. Hastig schaltete er das Funkgerät ein.

Aus den Lautsprechern drangen Geräusche, die alles andere als freundlich klangen. Es schien, als habe sich die Materiewolke nicht dafür entscheiden können, welche Art von Störung sie bevorzugen sollte, und daher vorsichtshalber alles produziert, was sich zur Erschwernis des Funkverkehrs verwenden ließ. Das Zischen und Fauchen, Prasseln, Knattern und Pfeifen wirkte beinahe schmerzhaft. Dennoch war die Stimme des Forschers zu hören, der sich an Bord des anderen Schiffes aufhielt.

»Hier Ranc Poser an Bord der SCHWIMMER ...«

»Hier Froul Kaveer auf der TAUCHER!«

Schlagartig wurde ihm klar, dass er nicht mehr weiterwusste. Wie redeten sich Forscher untereinander an? Kaveer entsann sich, dass er es einmal gewusst hatte, aber die Information stand ihm nicht mehr zur Verfügung. Sollte er Bruder sagen? Zu diesem Begriff gehörte zwangsläufig die Schwester, und daraus ließ sich ohne jede Schwierigkeit auf mindestens zweigeschlechtliche Wesen rückschließen – mithin also auf einen organischen Ursprung Kaveers und aller anderen Forscher.

Offenbar kämpfte Ranc Poser mit ähnlichen Problemen. Die Pause bis zu seiner Antwort schien überlang.

»Brauchst du Hilfe?«

Er hat die Anrede vermieden, erkannte Kaveer. Offenbar überstieg diese Situation auch Posers Verständnis.

»Mein Schiff wird verglühen«, gab Kaveer bekannt. Er bemühte sich, möglichst wenig von seiner Angst erkennen zu lassen. »Kannst du mich an Bord nehmen?«

Wieder traf die Antwort mit beträchtlicher Verzögerung ein. »Theoretisch wäre das möglich. Aber ich weiß nicht, wie du an Bord kommen könntest.«

Natürlich, da lag der Haken. Die Forschungsschiffe waren nicht für komplizierte Andockmanöver gedacht. Kaveer pfiff verärgert. »Ich werde LOGIKOR fragen. Vielleicht weiß er eine Antwort. Währenddessen fliege ich auf dich zu!«

»Einverstanden. Auch ich werde meinen LOGIKOR zu Rate ziehen!«

Hastig aktivierte Kaveer die Rechenkugel. »Gibt es eine Möglichkeit, Posers SCHWIMMER zu erreichen?«

»Ein Anlegemanöver ist nicht durchführbar«, antwortete LOGIKOR knapp.

»Gibt es eine andere Chance für mich, Poser zu erreichen?«

Prompt sagte LOGIKOR: »Du könntest aussteigen und die SCHWIMMER im freien Flug erreichen.«

»Es ist kein Raumanzug an Bord.« Kaveer pfiff erstaunt.

»Das stimmt.« Zu weiteren Äußerungen ließ LOGIKOR sich nicht mehr hinreißen.

Kaveer überlegte fieberhaft. Vielleicht bot sich ihm zum ersten Mal eine Gelegenheit, mehr über sich selbst zu erfahren.

»Stimmt es, dass niemals ein Raumanzug an Bord eines Forschungsschiffs mitgeführt wird?«

»Keine Aussage«, lautete die unbefriedigende Antwort.

Kaveer versuchte, sich zu erinnern. Er hoffte, dass sein künstlich getrübtes Gedächtnis wenigstens noch einzelne Informationen enthielt. Von einem Raumanzug fand er allerdings nichts in seinen Erinnerungen.

»Roboter«, formulierte Kaveer laut, »können sich geraume Zeit ohne Schutzanzug im freien Raum aufhalten. Sie nehmen dabei keinen Schaden.«

»Die Information ist korrekt«, bestätigte LOGIKOR.

»Wenn mir also kein Raumanzug mitgegeben wurde«, folgerte Kaveer, »dann heißt das, dass ich im Notfall auch keinen benötige. Folglich bin ich ein Roboter.« Er redete nur noch sehr leise, weil ihn diese Erkenntnis nicht freute. Daraus hätte sich logisch ableiten lassen müssen, dass eine robotische Existenz minderwertig war. Zu Gefühlen dieser Art waren aber nur organische Lebewesen fähig. Niemals würde ein Roboter sagen, dass er nur ein Roboter sei. Kaveer erkannte, dass er keinen Schritt weitergekommen war.

Inzwischen zeichnete sich Posers SCHWIMMER deutlich auf den Schirmen ab. Das Schiff war nur wenige hundert Meter entfernt, eine lächerlich geringe Distanz für einen Forscher, der seinen Aktionsradius nach Hunderttausenden von Lichtjahren bemaß.

Aber zwischen den beiden Schiffen lag das Nichts.

Kaveer pfiff aufgeregt. »Gibt es Lebewesen, die in der Lage sind, sich für einige Zeit ohne Schutzanzug im freien Raum zu bewegen?«

»Es gibt solche Lebewesen«, antwortete LOGIKOR prompt.

Die nächste Frage ergab sich zwangsläufig. »Bin ich ein solches Lebewesen?«

»Meine Informationen reichen nicht aus, das zu beantworten«, behauptete LOGIKOR. »Aber es gibt eine Möglichkeit, die Wahrheit herauszufinden. Wenn du das Schiff ohne Schutzanzug verlässt und dabei stirbst, musst du entweder ein defekter Roboter sein oder ein nicht raumtaugliches Lebewesen.«

»Vielen Dank für diese Auskunft«, sagte Kaveer spöttisch und desaktivierte LOGIKOR.

Natürlich war ihm damit nicht geholfen.

Denke logisch!, ermahnte er sich selbst.

Blieb er an Bord seines Schiffes, würde er – ob als Roboter oder als Lebewesen – sehr bald nicht mehr existieren. Verließ er das Schiff, konnte er im freien Raum den Tod finden, aber vielleicht auch die Rettung an Bord der SCHWIMMER. So betrachtet hatte er zwischen einem sicheren und einem möglichen Tod zu wählen. Froul Kaveer war Forscher und daran gewöhnt, Problemen mit Ruhe und Logik zu begegnen, die Entscheidung war für ihn klar.

Er verdunkelte die Kabine. Ranc Poser hatte seine Kanzel auf Transparenz justiert, daher konnte er Kaveer inzwischen sogar sehen. Kaveer wusste, dass er vielleicht in den Tod ging. Ein ihm unerklärlicher Zwang trieb ihn dazu, diese mögliche Folge geheim zu halten. Er musste verhindern, dass ein anderer Forscher Rückschlüsse zog und so zu Erkenntnissen gelangte, die er nicht haben durfte. Wenn ein Forscher des MODULS mit künstlich getrübtem Gedächtnis auf die Reise geschickt wurde, sogar ohne das Wissen, wer oder was er eigentlich war, dann lagen dafür triftige Gründe vor. Kaveer war zu sehr Forscher der Kaiserin von Therm, als dass er diese Gründe missachtet hätte.

Als er die Schleuse erreichte, stutzte Kaveer. Ihm war rätselhaft, woher er plötzlich wusste, dass er die kurze Strecke durch das Nichts unbeschadet zurücklegen konnte. Er ahnte es nicht, hoffte nicht – er wusste es, und das erschütterte ihn.

Der Chronist

Die SEIDENRAUPE war startklar, Mentro Kosum hatte den Platz des Piloten eingenommen.

Morl Weynard blickte auf den Rücken des Emotionauten. Zu behaupten, dass Weynard große und breitschultrige Männer mochte, wäre übertrieben gewesen, genau genommen verspürte er eine tiefe Abneigung gegen jeden, der größer und stärker als er selbst war. Und Mentro Kosum war sehr groß und sehr stark, dennoch fühlte sich Morl Weynard in seiner Nähe einigermaßen wohl. Die unangenehme Erinnerung, als Heranwachsender häufig von breitschultrigen Altersgenossen verprügelt worden zu sein, schwand angesichts von Kosums Wichtigkeit. Ein besserer Pilot war schwerlich zu finden. Er beherrschte die Fähigkeit, ein Schiff mittels Gedankenkraft über die SERT-Haube zu steuern.

In zwei großen Hologrammen waren Perry Rhodan und Atlan zu sehen.

»Wir werden die SOL im Ortungsschutz einer nahen Sonne verstecken, während die SEIDENRAUPE sich Courstebouth-Stern näher ansieht – oder besser das, was davon übrig ist«, stellte Rhodan fest.

Sekunden später befand sich die SEIDENRAUPE im freien Raum.

Morl Weynard zuckte heftig zusammen, als Schwärze die Panoramaschirme überflutete. Sein Leben hatte er nur in der SOL zugebracht. Für ihn war es natürlich, dass der Blick früher oder später von einer Wand oder einer Decke begrenzt wurde, die endlose Weite hatte etwas Beängstigendes. Das Gefühl, dass zwischen ihm und dem nächsten sichtbaren Punkt auf dem Holoschirm Lichtjahre lagen, verstärkte diese Beklemmung noch. Unwillkürlich warf er einen Blick hinüber zu Margaux. Sie lächelte ihm beruhigend zu.

Die Opfer

Jurlt Tergan hatte mit seinem Leben fast abgeschlossen. Die Maschinen seines Schiffes gaben Geräusche von sich, die er nie zuvor gehört hatte. Jurlt wusste, dass dies das Ende war. In wenigen Minuten würden die Reaktoren detonieren, sie waren der Überlastung nicht gewachsen.

Erst als der Geräuschorkan abebbte, wurde Tergan klar, dass er noch lebte und die Maschinen allen Vorzeichen zum Trotz nicht explodiert waren.

»Ich habe den Rand der Wolke erreicht!«, staunte Tergan. Er war verblüfft über die Plötzlichkeit, mit der sein Schiff die Todeszone hinter sich ließ. Von einer Minute zur anderen wurde der Raum vor ihm klarer, und endlich waren wieder Sterne zu sehen.

Die Arbeitsgeräusche des Schiffes klangen fast normal, aber Tergan konnte sich ausrechnen, dass die Aggregate unter den Belastungen schwer gelitten haben mussten. Immerhin, vorerst war er in Sicherheit.

Seine Erleichterung steigerte sich noch, als er in vergleichsweise geringer Entfernung andere Forschungsschiffe sah, die sich ebenso behutsam aus der Wolke in den freien Raum vortasteten.

Taul Daloor hatte die Kuppel seiner RENNER auf Transparenz geschaltet. So konnte er die Forscher, die sich gleich ihm gerettet hatten, mit seinen Sinnesorganen erfassen, ohne die Ortungen der RENNER bemühen zu müssen. Sein Schiff war schwer beschädigt, deshalb hatte er alle nicht lebensnotwendigen Aggregate abgeschaltet. Er wähnte sich in Sicherheit. Wahrscheinlich waren die anderen Forscher ebenfalls erschöpft, er für sein Teil sehnte sich jedenfalls nach einem längeren Regenerations-Aufenthalt in der Antigravwabenröhre.

Daloor wollte sich gerade zurückziehen, als er auf den Schirmen eine undeutliche Bewegung entdeckte. Sofort nahm er wieder auf dem Sitzbalken Platz. Daloor brauchte nur wenig Zeit, um die Ortung zu optimieren.

Schon im ersten Moment hatte er gehofft, Hilfe zu sehen, in welcher Form auch immer. Diese Hoffnung schien sich zu bestätigen. Was sich da abzeichnete, war unzweifelhaft ein Raumflugkörper. Vielleicht war eines der umliegenden Sonnensysteme von intelligenten Wesen bewohnt, die sich für das Schicksal ihres Nachbarsterns interessierten.

Sehr bald jedoch musste Taul Daloor feststellen, dass er sich grausam getäuscht hatte.

»Alle Geschütze besetzen!«, befahl Kaarmansch-Xes.

Genau genommen war dieser Befehl überflüssig, denn die Geschütze waren ständig feuerbereit. Der Kommandant wollte mit dem Befehl lediglich erreichen, dass seine Untergebenen vor Freude über den historischen Auftrag nicht die elementaren Sicherheitsbedürfnisse verletzten.

Die zwei Lichtjahre durchmessende Wolke war erreicht. Auf der Suche nach dem Objekt, das die Falle ausgelöst hatte, tasteten sich die Ortungen durch den Staub. Das fremde Gebilde zeichnete sich inzwischen etwas deutlicher ab, aber längst nicht klar genug für eine brauchbare Aussage. Vorerst stand nur fest, dass sich etwas in der Falle gefangen hatte.

Nervös spielte Kaarmansch-Xes mit seinen Zehen. Das Warten zerrte an den Nerven. Sein Verstand sagte ihm, dass ein Repräsentant der Kaiserin von Therm über beträchtliche Machtmittel verfügen musste. Dass es ihm trotzdem nicht gelungen war, aus der Falle zu entkommen, lag nahe – schließlich war dies eine Falle der Inkarnation CLERMAC. Fraglich war nur, welches Waffenpotenzial das Opfer dem Patrouillenschiff der Hulkoos entgegenzusetzen hatte.

Während sich Kaarmansch-Xes mit diesem Gedanken quälte, wurde die Ortung deutlicher.

Er registrierte Furcht. War er ebenfalls in eine Falle geraten? Wie lästige Insekten schossen aus der Materiewolke Dutzende kleiner Körper hervor. Im ersten Moment befürchtete der Kommandant Raumtorpedos, dann erkannte er, dass die Ortungsreflexe dafür zu groß waren und sich zudem unkoordiniert bewegten. Immerhin war zu erkennen, dass sich die einzelnen Mitglieder des Schwarms sammelten.

Entweder waren diese kleinen, keulenförmigen Schiffe vom Opfer der Falle als Abwehrmaßnahme gedacht, oder sie konnten ebenfalls als Opfer gelten. So oder so waren sie für Kaarmansch-Xes überflüssig.

»Angreifen!«, befahl er knapp. »Blast diese kleinen Schiffe aus dem Raum!«

Während sich Kaarmansch-Xes' Patrouillenschiff auf den Schwarm stürzte, baute sich ein weiteres Hologramm auf. Das Gesicht eines Hulkoo-Offiziers wurde sichtbar. Seine Rangabzeichen wiesen aus, dass er erheblich größere Befugnisse hatte als Kaarmansch-Xes, aber auch dieser Offizier wurde durch die Vorschriften gebunden.

Laut verkündete er: »Ich melde mich mit der Patrouillenflotte zur Stelle, Kaarmansch-Xes. Ich unterstelle mich Ihrem Befehl.«

Kaarmansch-Xes zögerte nicht, seine Befehlsgewalt sofort einzusetzen. »Vernichten Sie die kleinen Schiffe, die soeben die Wolke verlassen haben! Sie dürfen uns nicht behindern, wenn wir uns mit dem Abgesandten der Kaiserin von Therm beschäftigen.«

»Der Befehl wird ausgeführt, Kommandant!«, antwortete der Offizier und trennte die Verbindung.

Kaarmansch-Xes wandte sich an seine Besatzung. »Ich verlange, dass wenigstens eines der Schiffe aufgebracht wird. Vielleicht ist sein Pilot im Besitz von Informationen, die uns weiterhelfen können.«

Taul Daloor starrte entsetzt auf die Schirme. Zu seinem Erschrecken hatte sich der unbekannte Raumflugkörper keineswegs der Havarierten angenommen. Im Gegenteil: Er hatte die Forscher ohne Vorwarnung angegriffen. Nach wenigen Sekunden waren die ersten Schiffe vernichtet. Zu allem Überdruss waren gleichzeitig weitere Raumschiffe aus dem Überraum aufgetaucht. Eine ganze Flotte der merkwürdigen schwarzen Scheiben machte Jagd auf die Forscher, die diesem vehementen Angriff wenig oder nichts entgegenzusetzen hatten.

»Was soll ich machen, LOGIKOR?«, fragte Daloor furchtsam.

»Flieh!«, lautete der knappe Rat. »Du kannst den anderen nicht helfen.«

Daloor äußerte seinen Unmut mit leisen Pfiffen. Beistehen konnte er den bedrängten Forschern wirklich nicht, in diesem Punkt hatte LOGIKOR Recht, aber er war dennoch nicht gewillt, sich kampflos zurückzuziehen. Taul Daloor aktivierte die Destruktionsschleuder und zielte damit auf eines der schwarzen Schiffe, die unter seinesgleichen wüteten.

Daloor schoss nur einmal. Er sah, wie das Schirmfeld des Zielschiffs unter dem Treffer aufleuchtete und wenig später zusammenbrach. Bevor er einen zweiten Schuss abgeben konnte, hatte auch ein anderes Keulenschiff gefeuert. Schwer getroffen zog sich die merkwürdige schwarze Scheibe der Gegner zurück.

Taul Daloor wusste, dass er nicht länger warten durfte. Hastig aktivierte er die Maschinen seiner RENNER und steuerte die Materiewolke an. Er konnte nicht erkennen, wie viele der schwarzen Schiffe nahe der Wolke kreuzten. Deshalb pfiff er erleichtert, als die ersten hellen Staubschleier das Ortungsbild überlagerten. Allerdings hatte er nur eine Verschlechterung seiner Situation verhindern können. Die Rettung lag noch in weiter Ferne.

Jurlt Tergan wunderte sich, dass er noch lebte.

Schon der erste Schuss, den eines der schwarzen Raumschiffe auf ihn abgegeben hatte, war ein Volltreffer gewesen. Tergan glaubte immer noch, das Kreischen und Wimmern zu hören und das donnernde Krachen, mit dem die Maschinen seines Schiffes den Geist aufgegeben hatten. Die Frontkuppel war geborsten, zahlreiche Splitter hatten sich in Tergans Körper gebohrt und ließen ihn schmerzerfüllt pfeifen.

In seinem Schiff herrschte das Vakuum des freien Raumes, aber er lebte. Niemand wunderte sich mehr darüber als Jurlt Tergan selbst. Trotz der Schmerzen erfüllte ihn ein merkwürdiges Wohlgefühl. Ihm war nicht entgangen, dass sein Gegner sofort nach dem ersten Schuss das Feuer eingestellt hatte. Offenbar war der Feind der Meinung, mit diesem einen Treffer das Keulenschiff ausgeschaltet zu haben. Verwunderlich war diese Auffassung nicht, sobald der Feuerleitoffizier sah, dass die Frontkuppel nicht mehr existierte. Wahrscheinlich hatte er auch registriert, dass die Atemluft entwichen war. Demzufolge konnte an Bord niemand mehr leben.

Kein organisches Wesen, dachte Tergan halb belustigt.

Die Erkenntnis, dass er so kurz vor seinem Ende herausgefunden hatte, dass er ein Roboter war, trübte Tergans leise Freude darüber, dass sich sein Gegner in unbegreiflichem Leichtsinn näherte. Für die Ortung des Feindes war das schwer beschädigte Keulenschiff des Forschers nicht mehr als ein harmloser Materieklumpen, der sich wirbelnd auf das schwarze Schiff zubewegte.

Sorgfältig achtete Jurlt Tergan darauf, dass er nicht zu sehen war, während er die Programmierung der verbliebenen Anlagen vornahm. Die geringe Strahlung, die diese technischen Maßnahmen hervorriefen, musste in dem allgemeinen Chaos der Wolke untergehen.

Als sich sein Schiff erneut drehte, kauerte der Forscher wieder auf dem Sitzbalken. Aus seiner Sicht schob sich das schwarze Schiff langsam über ihn.

Einen Augenblick lang zögerte er. War es die Furcht eines organischen Wesens vor dem Tod, die ihn zurückhielt? Oder der programmierte Befehl, seine robotische Existenz so lange wie möglich zu erhalten?

Jurlt Tergan wusste, was er zu tun hatte. Es bedurfte nur einer winzigen Bewegung, um das Programm ablaufen zu lassen.

Damit wäre auch der letzte Programmauftrag des Forschungsroboters Jurlt Tergan erfüllt, dachte der Forscher in dem Augenblick, in dem er sich zum letzten Mal bewegte.

In einer grellen Explosion verging sein kleines Schiff. Nach einer ultrakurzen Zeitspanne, die von organischen Wesen nicht wahrzunehmen war, detonierte auch der Angreifer.

Der Jäger

Kaarmansch-Xes blieb ruhig stehen, obwohl er große Lust verspürte, seinem Unmut Luft zu machen. Klar war zu erkennen, dass keiner der ihm unterstellten Kommandanten das Gefecht mit den kleinen Keulenschiffen sonderlich ernst nahm. Nachdem bereits zwei Einheiten abgeschrieben werden mussten, gingen die Hulkoo-Schiffe nur mehr langsam und zögernd gegen die Keulenraumer vor.

Kaarmansch-Xes konnte sich ausrechnen, welche Gedanken die Kommandanten bewegten. Lebende Helden hatten den Vorzug, aus ihrer Verehrung Kapital schlagen zu können. Keiner der Offiziere hatte Lust, als zwar heldenhafter, letztlich aber toter Hulkoo in die Geschichte einzugehen.

Kaarmansch-Xes lächelte. Genau genommen durfte er mit dieser Entwicklung sogar zufrieden sein. Wenn seine Flotte bei der Auseinandersetzung mit den Keulenschiffen Verluste erlitt, konnte dies seinen persönlichen Ruhm nur mehren. Es würde sich in den Geschichtsbüchern sicherlich kläglich ausgenommen haben, hätte die Patrouillenflotte unter der Führung von Kaarmansch-Xes den Beauftragten der Kaiserin von Therm einfach aufgelesen und mitgenommen. Erst der verzweifelte Widerstand der Keulenschiffe gab dem Unternehmen den Reiz.

Auf den Panoramaschirmen konnte Kaarmansch-Xes die Schlacht verfolgen. Ab und zu wurde eines der Keulenschiffe vernichtet, dann wieder flammte der Schutzschirm eines Hulkoo-Schiffs unter dem Beschuss der wendigen Gegner auf. Der Kommandant konnte einen Anflug von Bewunderung für die Piloten der kleinen Schiffe nicht unterdrücken. Sie waren hoffnungslos unterlegen, dennoch wehrten sie sich verbissen.

»Wird das Gefecht aufgezeichnet?«, wollte er wissen.

»Selbstverständlich!«, lautete die hastige Antwort.