Atlan 42: Der Konterschlag (Blauband) - H. G. Francis - E-Book

Atlan 42: Der Konterschlag (Blauband) E-Book

H. G. Francis

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Beschreibung

8000 Jahre vor Beginn der irdischen Zeitrechnung: Nach wie vor kämpft Atlan von Gonozal um sein Erbe. Seit der Vater des Kristallprinzen ermordet wurde, regiert Imperator Orbanaschol III. über Tausende Sonnensysteme des Großen Imperiums. Der Kristallprinz und seine Freunde haben es jedoch nicht nur mit diesem Feind zu tun. Wasserstoffatmende Maahks greifen Siedlungswelten der Arkoniden an - und es gibt eine geheimnisvolle Macht, die das Imperium mit Doppelgängern zu destabilisieren versucht. Atlans Duplo schafft es sogar bis ins Arkonsystem und überzieht die Kristallwelt mit Terroraktionen. Der echte Kristallprinz will bei den Arenakämpfen der KAYMUURTES teilnehmen. Als amnestierter Sieger könnte er direkt zu Orbanaschol vordringen. Doch schon die Anmeldung ist für einen galaxisweit Verfolgten wie Atlan nicht leicht ... Enthaltene ATLAN-Heftromane Heft 248: "Eine Botschaft für Arkon" von H. G. Francis Heft 263: "Der Konterschlag" von H. G. Francis Heft 266: "Die Partisanen von Whark" von Hans Kneifel Heft 267: "Das Mineral der Träume" von Hans Kneifel Heft 271: "Das Seuchenkommando" von Peter Terrid Heft 272: "Die Seuchenspezialisten" von Marianne Sydow Heft 261: "Die Saboteure von Karaltron" von H. G. Francis Heft 268: "Das Seuchenschiff" von Kurt Mahr

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Nr. 42

Der Konterschlag

Prolog

Nevis-Latan war ein Meister der Insel aus der benachbarten großen Sterneninsel, die die lemurischen Vorfahren Karahol genannt hatten. Derzeit hielt sich der Mann auf dem einzigen, Stützpunkt Null getauften Planeten einer kleinen gelben Sonne auf. In den Sternkarten des Großen Imperiums der Arkoniden trug der Stern lediglich eine Nummernbezeichnung, der Planet wurde in den Karten nicht einmal erwähnt.

Obwohl sich die im Auftrag des Meisters handelnden Tefroder und Duplos in Erweiterung seines Rückzugsbefehl eigenmächtig entschlossen hatten, nicht nur die Stützpunktwelt Travnor zu verlassen, sondern alle Spuren zu tilgen, um die übrige Planung nicht zu gefährden, verlief diese – um eine weitere Komponente ergänzt – nach wie vor zur vollen Zufriedenheit.

Die Duplos von Kristallprinz Atlan und Fartuloon waren auf dem Weg zum Arkonsystem. Ob es ihnen gelang, im Herzen des Großen Imperiums für Unruhe zu sorgen, blieb abzuwarten. Sie würden aber alle Befehle befolgen, ohne Rücksicht auf ihr eigenes Leben zu nehmen. Wichtig war, dass die schon ins Arkonsystem und an anderen Orten eingeschleusten Duplos ihre eigentliche Aufgabe durchführen konnten – die Herstellung einer Atomschablone sowie mindestens eines, am besten aber vielen Duplos des Imperators selbst. Inwieweit diese »Schläfer« mit dem Atlan-Duplo und einflussreichen Arkoniden zusammenarbeiten konnten, musste die Lage vor Ort entscheiden. Die Erfolgaussichten hatten sich jedoch vergrößert, weil es nun ein mehrstufiges Vorgehen auf noch breiterer Basis gab.

Das arkonidische Imperium sollte von innen her ausgehöhlt werden. Dazu eignete sich der Duplo des eher durch Zufall in ihre Hände gefallenen Kristallprinzen hervorragend, zumal nach der ursprünglichen Planung vorgesehen war, viele nicht vom Original-Orbanaschol zu unterscheidende Doppelgänger des Imperators an verschiedenen Stellen des Reiches auftauchen und unterschiedliche Anweisungen verkünden zu lassen. Vielleicht war es sogar möglich, den echten Orbanaschol verschwinden und das Reich durch einen dieser Duplo weiterregieren zu lassen. Durch einen Imperator also, der Nevis-Latans ureigenes Geschöpf war. Und das würde auch der Fall sein, sollte entgegen allen Erwartungen der Atlan-Duplo erfolgreich sein. Er wie auch sein Begleiter Fartuloon hatten die nötigen Informationen erhalten und wurden entsprechend programmiert.

Ein Unsicherheitsfaktor war der unklare Verbleib des echten Atlan und echten Fartuloon. Die Tefroder rings um Sektorwächter Gyal Rykmoon nahmen zwar an, dass beide tot waren, aber selbst lebend würden sie das Chaos nur in Nevis-Latans Sinn vergrößern, statt seine Pläne zu durchkreuzen. Selbst wenn der Original-Kristallprinz im Arkonsystem erscheinen sollte – was als eher unwahrscheinlich galt –, konnte er wenig erreichen, würde ihm doch der nicht von ihm zu unterscheidende Duplo gegenüberstehen …

1.

Aus: Die Kunst des Krieges, Sunzi (auch Sun Dse und ähnlich geschrieben), um 500 v.Chr.

Jede Kriegführung gründet auf Täuschung. Wenn wir also fähig sind anzugreifen, müssen wir unfähig erscheinen; wenn wir unsere Streitkräfte einsetzen, müssen wir inaktiv scheinen; wenn wir nahe sind, müssen wir den Feind glauben machen, dass wir weit entfernt sind; wenn wir weit entfernt sind, müssen wir ihn glauben machen, dass wir nahe sind. Lege Köder aus, um den Feind zu verführen. Täusche Unordnung vor und zerschmettere ihn.

Wenn der Feind in allen Punkten sicher ist, dann sei auf ihn vorbereitet. Wenn er an Kräften überlegen ist, dann weiche ihm aus. Wenn dein Gegner ein cholerisches Temperament hat, dann versuche ihn zu reizen. Gib vor, schwach zu sein, damit er überheblich wird. Wenn er sich sammeln will, dann lasse ihm keine Ruhe. Wenn seine Streitkräfte vereint sind, dann zersplittere sie. Greife ihn an, wo er unvorbereitet ist, tauche auf, wo du nicht erwartet wirst.

Arkon I: 16. Prago des Tartor 10.499 da Ark

Eher missmutig blickte Lebo Axton alias Sinclair Marout Kennon an diesem Morgen in seinem Büro im Addag-Cel’Zarakh-Khasurn – abgekürzt ACZ-Khasurn – auf ein Computerformblatt, das vom vollrobotisierten Verteilerdienst geschickt worden war. Es enthielt die Anfrage eines Stützpunktkommandeurs, datiert vom 10. Prago des Tartor. Sonnenträger Ermed Trelgron, Befehlshaber des 50,16 Lichtjahre vom Arkonsystem entfernten Stützpunktplaneten Karaltron, hatte offenbar Schwierigkeiten mit einem seiner Orbtonen. Tharg’athor Hor Saran habe seltsame Fragen gestellt und versucht, zu einem Prüfungs- und Reparaturkommando abgestellt zu werden, das zum Karaltronmond Karal geschickt wurde. Und das mehrmals, obwohl er schon aus Sicherheitsgründen keinen Zutritt dort hatte.

Als Cel’Athor hatte Lebo Axton freien Zutritt zu den meisten positronischen Hauptarchiven. Daneben gab es nur noch wenige Archive, die für ihn nach wie vor gesperrt waren, weil sie Informationen enthielten, die ihm als Geheimnisträger Zweiter Klasse – TRC-Einstufung Zarakh’ianta-len – nicht zugänglich waren. Axton loggte sich ins Gesamtverzeichnis des TRC-Archivs ein. Eine schnelle Positronikabfrage lieferte die wichtigsten Daten zu Karaltron: Es war der zweite von fünf Planeten der orangeroten Sonne Ka an der Peripherie des Kugelsternhaufens Thantur-Lok und gehörte mit etlichen hundert vergleichbaren Welten zur lebenswichtigen Defensivsphäre, die den Kern des Großen Imperiums umgab.

Genauer: Wichtig war der blassrote Mond Karal. Auf Karaltron selbst gab es zwar ebenfalls vollrobotische Verteidigungsanlagen, ansonsten aber nur ein kuppelförmiges Zentralgebäude auf einem Bergkegel für knapp zweihundert Raumsoldaten, die auf dem Planeten ihren Dienst versahen. Maßgeblich war die ausgedehnte Mondstation. Dort waren neben weitreichenden Ortungs- und Tastungsstationen die stärksten und effektivsten Verteidigungsanlagen dieses Sonnensystems stationiert, deren Steuerung ebenfalls vollpositronisch ausgelegt war. Weil arkonidisches Versagen von vornherein ausgeschaltet werden sollte, wurde auf eine Besatzung verzichtet. Die schlagkräftigen Raumwaffen – vor allem Tausende unbemannter, aber stark bewaffneter Kleinraumer von geringer Reichweite – waren über Lichtjahre hinweg wirksam. Mit ihnen konnte eine ganze Raumflotte zurückgeschlagen werden.

Der Stützpunktkommandeur lebte mit seiner Frau Delgola in einer etwa zehn Kilometer vom Verteidigungszentrum entfernten Villa am Hang sanft ansteigender, bewaldeter Berge mit Blick nach Westen zur Schärenküste des Hauptkontinents, der sich über etliche tausend Kilometer vom Äquatorgebiet bis zum Nordpol erstreckte. Das Formblatt enthielt einige Informationen als Ergänzung, von denen Trelgron nichts wusste. So war vermerkt, dass der Arkonide wegen politischer Unzuverlässigkeit abgeschoben worden war. Mitte 10.497 da Ark war er noch ein einflussreicher Mann auf Arkon I gewesen. Der Has’athor durfte zwar als einziger Mann auf Karaltron mit seiner Frau zusammenleben, doch das war ein kleines Zugeständnis, da er die verbleibenden fünfzehn Arkonjahre seiner Dienstzeit auf dieser Welt verbringen musste.

Axton las die Angaben zunächst mit mäßigem Interesse. Er hatte genügend andere Dinge zu tun, die ihm wichtiger erschienen. Normalerweise gehörten solche Anfragen überhaupt nicht zu seinem Aufgabenbereich. Dazu waren weniger wichtige Mitarbeiter der Tu-Ra-Cel-Sektion Innenaufklärung da. In diesem Fall handelte es sich jedoch um einen Offizier eines Planeten der Thantur-Lok-Defensivsphäre, dessen angedeuteter Lebenslauf dann doch Axtons Interesse weckte.

Axton blickte auf. Gentleman Kelly stand abwartend da. »Was ist los mit dir? Warum sagst du nichts?«

»Ich sehe, dass du arbeitest. Das ist Grund genug für mich zu schweigen.« Die Maschine war mit etwa zwei Metern Größe im Vergleich zu Axton ein Koloss. Kelly stammte vom Schrottplatz, und das war ihm auch anzusehen.

»Würdest du doch öfter zu solchen Beschlüssen kommen«, erwiderte Axton seufzend, umriss die Anfrage, die vor ihm lag und fragte dann: »Was sagst du dazu?«

»Der Kommandeur von Karaltron will sich dafür rächen, dass man ihn abgeschoben hat. Er zieht Erkundigungen über seine Offiziere ein und will Arkon damit beschäftigen.«

»Ein bisschen sehr weit hergeholt«, kritisierte der Terraner und hustete hinter der vorgehaltenen Hand. »Aber das meine ich nicht. Erkennst du nicht, wie verworren und widersprüchlich die Anordnungen des Imperators sind? Er befindet sich auf dem absteigenden Ast.«

»Warum?«

»Du kannst also nicht logisch denken. Das habe ich immer schon gewusst. Hör zu. Auf der einen Seite schiebt Orbanaschol einen Offizier wegen politischer Unzuverlässigkeit ab. Das heißt, Trelgron hat dem Imperator vermutlich in einer wichtigen Angelegenheit widersprochen. Das werde ich noch herausfinden. Auf der anderen Seite schickt er diesen Offizier auf einen Planeten, der ein wichtiges Glied in der Verteidigungssphäre um den Kern des Großen Imperiums darstellt.«

»Eine Kette ist immer nur so stark wie ihr schwächstes Glied.«

»Wie klug du bist«, spöttelte Axton. »Aber du vergisst, dass Trelgron ein Arkonide ist. Du unterscheidest nicht zwischen politischer und militärischer Zuverlässigkeit. Dennoch hast du nicht völlig Unrecht. Ein Mann wie Perry Rhodan oder Atlan wäre nie auf den Gedanken gekommen, Trelgron ausgerechnet auf einen solchen Stützpunktplaneten abzukommandieren.«

»Vielleicht ist Karaltron nicht so bedeutend, wie du dir einbildest, Schätzchen?«

Axton blieb gelassen, grinste schief. Er fühlte, dass der Roboter absichtlich von der nüchtern-logischen Betrachtung abwich, um ihm einen Gefallen zu tun. »Es ist wichtig, denn sonst wäre die Anfrage nicht auf meinem Tisch gelandet. Und jetzt sei still. Ich habe genug von dir.«

»Darf ich gar nichts mehr sagen?«

»Nichts.«

»Darf ich singen?«

»Wozu?«, fragte Axton verblüfft und dachte an eine frühere Vorführung.

»Zu deiner Erbauung, Liebling.« Kelly gab einige Probetöne von sich.

Axton presste sich die Hände an die Ohren und schrie: »Still, du Ungeheuer. Noch einen Ton, und ich schieße dich über den Haufen.«

»Ehrlich?« Der Roboter beugte sich leicht nach vorn, als sei er maßlos überrascht.

»Ganz großes Ehrenwort!« Der Verwachsene legte den Kombistrahler auf den Tisch. »Ich habe nicht die geringsten Hemmungen, deine Existenz zu beenden, falls du es noch einmal wagen solltest zu singen.«

Er rutschte aus seinem Sessel und eilte mit schleifenden Füßen zur Tür. »Geh zur Seite!«

»Soll ich dich nicht tragen?«

»Nein«, schrie Axton wild. »Ich habe den Wunsch, dich für einige Minuten nicht sehen zu müssen. Zur Seite!«

Der Roboter gehorchte und gab dabei Geräusche von sich, die wie ein Seufzen klangen. Der Verwachsene blickte zu ihm auf, fluchte und schritt mühsam durch die Gänge. Er musste immer wieder Pausen einlegen, weil er sich schwach fühlte und husten musste. Bald bereute er seine spontane Handlung – und kehrte hustend um.

Wieder am Schreibtisch vor dem Positronikterminal, vergaß Axton Kelly und alle Mühen, die mit seinem schwächlichen Körper verbunden waren. Er vertiefte sich in die Unterlagen, die er über Ermed Trelgron abrufen konnte. Maßgeblicher Anlass für seine Versetzung musste ein Gespräch mit Imperator Orbanaschol einige Votanii nach Kristallprinz Atlans Auftritt vor den Medien am 24. Prago des Messon 10.497 da Ark nach der ARK SUMMIA und der erfolgreichen Aktivierung des Extrasinns auf Largamenia gewesen sein. Axton wusste nur zu gut, dass die Wirkung dieses Ereignisses schnell verpufft war. Zwar mochten einige Milliarden Personen die plötzlich unterbrochene Sendung gesehen haben, aber die vorgelegten Beweise zählten wenig, weil Mascant Offantur höchstpersönlich Atlans Eröffnungen als Lüge abgestritten, ihn als Schwindler hingestellt sowie die Beweise für gefälscht erklärt hatte. Die Mörder seine Vaters konnten schließlich nicht offiziell bestätigen, dass es sich bei ihm tatsächlich um den Kristallprinzen des Reiches handelte, den rechtmäßigen Thronerben von Arkon.

Im Geheimdossier war Trelgrons Gespräch mit Orbanaschol protokolliert. »Die Lösung ist doch ziemlich einfach«, hatte Trelgron zum »Problem Atlan« gesagt. »Lassen Sie Atlan nach Arkon kommen, und integrieren Sie ihn hier in das politische Leben.« Orbanaschol hatte äußerst heftig reagiert, ihn aber dann doch noch weiterreden lassen. »Hier auf der Kristallwelt wäre Atlan nur noch halb so gefährlich wie außerhalb des Arkonsystems. Der Untergrundkampf gegen Sie wäre praktisch zu Ende, denn hier hätten Sie ihn voll unter Kontrolle.«

An dieser Stelle war das Gespräch mit Orbanaschol zu Ende gewesen. Trelgron wurde wenige Pragos später auf den Außenposten Karaltron versetzt und hatte hier Zeit und Gelegenheit, sich intensiv mit dem Schicksal Atlans und dem Werdegang Orbanaschols zu befassen. Erst durch diese Recherchen schien Trelgron aufgegangen zu sein, warum es ihn in dieser Form erwischt hatte. Ihm wurde klar, dass der Imperator auf seine Vorschläge gar nicht hatte eingehen können.

Axton war sich sicher, dass Trelgron irgendwann nicht mehr daran zweifelte, dass Orbanaschol ein Mörder war, der guten Grund hatte, den echten Kristallprinzen zu fürchten. Der Imperator konnte sich keinen Atlan auf Arkon I und auch niemanden leisten, der mit Atlan sympathisierte. Dabei war das bei Trelgron vor zwei Arkonjahren noch gar nicht der Fall gewesen. Der Stützpunktkommandeur wurde erst auf Karaltron zu einem Freund des Kristallprinzen, als er die zahllosen Informationen ausgewertet hatte, die er aus allen Bereichen des Imperiums durch seine Freunde erhalten hatte.

Spätestens die Ereignisse rings um die Raumschlacht von Marlackskor dürften Trelgron bewiesen haben, dass Atlan alles andere als ein Verräter war. Andererseits könnte der Vorwurf, Orbanaschol sei ein Mörder, ins Wanken geraten sein. Immerhin war damals Gonozal VII. von seinem angeblichen Sohn Atlan ins Spiel gebracht worden. Wie immer jemand auch zu der Frage stehen mochte, ob dieser Mann tatsächlich noch lebte oder ob es sich bei ihm nur um einen betrügerischen Doppelgänger handelte, sein und das Auftreten des vermeintlichen Kristallprinzen hatte den Raumfahrern neuen Mut gegeben, und so war die Kampfflotte Marlackskor – zusammengestellt aus dem 1. und 2. Einsatzgeschwader Amozalan – wenigstens der absoluten Niederlage entgangen.

Zweifellos war sich Trelgron darüber klar, dass er sich durch seine ständigen Bemühungen um Informationen verdächtig gemacht haben dürfte. Die Einstufung politische Unzuverlässigkeit kam in Abwehr- und Geheimdienstkreisen bei den vorliegenden Bedingungen durchaus als die eines Atlan-Freunds gleich.

Erst als Axton Trelgrons Dossier studiert und zwischen den Zeilen gelesen hatte, wandte er sich dem über den Orbton zu, um den es in der Anfrage ging. Der Sonnenträger fragte nach, was über Mondträger Hor Saran bekannt war. Zunächst fand Axton nichts, was ihm wichtig erschien. Er gewann den Eindruck, dass alles in Ordnung war. Doch dann stellte er fest, dass Saran Anfang des Jahres für einige Votanii auf dem Flottenstützpunkt Travnor im Perlitton-System gewesen war. Ausgerechnet Travnor!

Das Perlitton-System gehörte mit einer ganzen Reihe weiterer Stützpunktsysteme zum Sicherungssektor des etwas mehr als viertausend Lichtjahre von Travnor entfernten Hauptstützpunkts Trantagossa, einem der insgesamt drei im Bereich der Hauptebene der Öden Insel, der am 2. Prago der Prikur 10.498 da Ark beim Großangriff der Methans massiv getroffen wurde. Noch immer saß der Schock tief. Von Travnor war am 13. Tartor die Explosion und der Absturz einer der beiden Wechton-Plattformen gemeldet worden. Noch wusste niemand, was genau geschehen und die Ursache gewesen war. Vom unter dem Decknamen Kopral auf Travnor lebenden Celista gab es nach wie vor keine Meldung, aber auch der von Axton nach Travnor geschickte TRC-Agent Conoor Baynisch schwieg.

»Was ist dort geschehen?«, murmelte Lebo Axton.

Noch liefen die offiziellen Untersuchungen der Vorfälle, Sonnenkur Zorghan galt als tot, aber Axton war mehr als misstrauisch. Nun las er die Dienstberichte Sarans von Travnor durch und stellte fest, dass der Offizier einen Unfall gehabt hatte und dabei mehrere Tontas lang in unwegsamem Gelände auf Travnor zugebracht hatte, das weit außerhalb der Kontrollgebiete lag. Der mit der Untersuchung beauftragte Orbton wiederum vermerkte, dass Saran nicht eindeutig hatte klären können, was er in dem Gebiet zu tun gehabt hatte; er schien dieser Tatsache jedoch keine große Bedeutung beigemessen zu haben, da er im Bericht weder den Unfall näher schilderte, noch weiter auf diese Unklarheiten einging.

Nachdenklich lehnte sich Axton zurück. Ein bestimmter Verdacht erwachte in ihm. Saran war von Travnor abgezogen und nach Karaltron versetzt worden, und es schien, als sei das auf eigenen Wunsch geschehen. Dabei war der Dienst auf dem einen Stützpunkt vermutlich ebenso wenig attraktiv wie auf dem anderen. Der Verwachsene war mit sich zufrieden. Er hatte herausgefunden, dass die Anfrage von Has’athor Trelgron offensichtlich berechtigt war. Und er wusste nunmehr, dass Trelgron ein Mann war, den zu beobachten sich lohnte.

Jetzt galt es, in der Angelegenheit nachzuhaken.

»Bring mir was zu trinken«, befahl Axton später. Vor ihm stapelten sich die Folienausdrucke von Karteiauszügen und Militärunterlagen aller 193 Arbtanen und Orbtonen auf Karaltron.

Der Stellvertreter Trelgrons war Vere’athor Prarak Dreymong; ein tüchtiger Offizier, der es allerdings nicht verwinden konnte, auf dem Stützpunktplaneten Karaltron Dienst tun zu müssen. Der Dreiplanetenträger hielt es für unvertretbar, dass Trelgron als einziger Mann auf diesem Planeten mit seiner Frau zusammenleben durfte. Auch in anderer Hinsicht schien er mit seinem Vorgesetzten nicht einverstanden zu sein; von ihm stammten wiederholt Hinweise auf die »diversen Recherchen«, die Trelgron durchführe …

»Du trinkst zuviel«, erwiderte Kelly, ohne sich von der Stelle zu rühren.

Axton richtete sich erstaunt auf. »Was? Du wagst es, mir so etwas zu sagen und gleichzeitig einen Befehl zu missachten?«

»Ich bin nur um deine Gesundheit besorgt, Liebes.«

Der Verwachsene ballte die Hände zu Fäusten. »Hör zu, du wandelnder Schrotthaufen. Ich habe zu tun und verspüre nicht die geringste Lust, mich mit dir einzulassen. Wenn du nicht augenblicklich tust, was ich dir befohlen habe, ist es aus mit dir. Ich zerstrahle dich und besorge mir einen Roboter, mit dem ich mich in der Öffentlichkeit sehen lassen kann, ohne ausgelacht zu werden.«

»Du bist offensichtlich schlechter Laune.« Kelly ging mit großen Schritten zum Automaten, zapfte ein aufputschendes Getränk und reichte es Axton. Dieser nahm es hustend entgegen. Hastig trank er den Becher aus.

Axton schob die Unterlagen zur Seite und schichtete einen kleinen Stapel Ausdrucke mit den Daten von fünf Männern vor sich. »Bist du in der Lage, mir zuzuhören, oder stehst du unter einem psychischen Schock?«

»Ich bin in Ordnung«, antwortete der Roboter.

»Endlich mal. Wann habe ich schon einmal eine solch präzise und sachliche Antwort von dir bekommen? Ich kann mich nicht daran erinnern.« Er wartete einige Augenblicke ab, doch als Kelly auch dann noch nichts erwidert hatte, sagte er: »Hier sind die Dossiers von fünf Männern. Ich habe sie mit denen von Hor Saran verglichen. Du erinnerst dich? Das ist der Mann, über den der Stützpunktkommandeur von Karaltron Erkundigungen einziehen will.«

»Was ich einmal registriert habe, vergesse ich nicht. Das ist der Grund dafür, dass ich dir so unendlich überlegen bin.«

Axton nickte. »Ich sehe, du bist tatsächlich in Ordnung. Also, in den Dossiers dieser Männer gibt es einige Gemeinsamkeiten. Alle haben ebenso wie Saran auf Travnor Dienst getan. Alle hatten dort einen Unfall, waren für kurze Zeit unauffindbar oder in ungeklärte Vorfälle verwickelt. Alle haben sich nach Karaltron versetzen lassen, obwohl der Dienst dort, wie ich inzwischen weiß, weitaus weniger attraktiv ist als auf Travnor, obwohl Letzterer mit seiner Nähe zu Trantagossa natürlich eher ins Visier der Methans geraten kann, als wir hier im Herz von Thantur-Lok. Was schließt du daraus?«

»Vielleicht haben alle die gleiche Schuhgröße und lieben es, ihr Schuhwerk häufiger untereinander auszutauschen …«

Lebo Axton blickte den Roboter an, als habe er einen Geist vor sich. »Was hast du da gesagt?«

»Wenn du es möchtest, Schatz, wiederhole ich es«, sagte Gentleman Kelly mit nachsichtig klingender Stimme.

»Untersteh dich!«, schrie Axton. »Dein Hirn scheint heute unter Schwachstrom zu leiden. Wie kommst du dazu, mir einen derartigen Blödsinn zu servieren?«

»Das ist logisch begründet«, behauptete Kelly. »Da du mir eröffnet hast, dass du mich nicht mehr innig liebst, ist in mir das Bestreben erwacht, deine Liebe zurück zu gewinnen. Da du an mir meinen köstlichen Humor besonders liebst, habe ich den Versuch gemacht, dich auf meine Weise aufzuheitern und …«

»Sei still«, brüllte Axton aufspringend. »Ich habe die Nase endgültig voll!«

»Du hast auch Schnupfen?«

Axton zuckte zusammen, verengte die Augen und blickte den Roboter forschend an. »Wieso Schnupfen?«

»Ich hörte wiederholt, dass du hustest. Da du mir nun gesagt hast, dass du die Nase voll hast, muss ich davon ausgehen, dass die Infektion nunmehr auch den Nasalbereich erfasst hat.«

Axton brach fast zusammen, sank in den Sessel und hielt sich die Hände stöhnend vors Gesicht. »Womit habe ich das verdient? Wie ist es nur möglich, dass ich deine Nähe so lange ertragen habe?«

»Das zarte Band der Liebe verbindet uns«, erwiderte Kelly sanft. »Und wo man sich liebt, da fliegen auch manchmal die Tassen.«

Axton schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, ob ich weinen oder lachen soll. Ich erinnere mich daran, dass ich dich vom Schrotthaufen geholt habe. Schon damals hätte ich mir sagen müssen, dass niemand etwas auf den Schrotthaufen wirft, sofern es noch was taugt. Aber das ist vorbei. Konzentrier dich auf das, was ich dir über Saran und die anderen Männer gesagt habe. Und nun bitte keinen Blödsinn! Was hat die gemeinsame Aktion dieser Männer zu bedeuten?«

»Es gibt verschiedene Motive. Die Männer könnten gemeinsame harmlose Interessen haben, die sie auf Travnor nicht verwirklichen konnten. Vielleicht lieben sie die gleiche Musik. Vielleicht gibt es nur auf Karaltron eine Tierart, die sie alle mit der gleichen Begeisterung jagen.«

»Ist das alles?«, fragte Axton, als der Roboter verstummte.

»Nein. Es gibt noch andere Möglichkeiten.«

»Beispielsweise?«

»Die Männer könnten Agenten einer fremden Macht sein, die auf Travnor manipuliert und vorbereitet wurden, um durch die Versetzung nach Karaltron bessere Erfolgsaussichten für subversive oder schlimmere Aktionen zu haben.«

»Genau dieser Meinung bin ich auch. Leider fehlen die Beweise.« Er dachte an die angeblichen Doppelgänger von Vere’athor Mexon wie auch Shekur Quonson da Zorghan und vielleicht vielen weiteren Personen. Koprals Anforderung des besonderen Detektors hatte Axton klargemacht, dass es sich keineswegs um normale Verkleidungen oder Robotdouble handeln konnte. Wie schon öfter fühlte der Verwachsene plötzlich einen intensiven Druck des blauen Gürtels und kämpfte für Augenblicke gegen intensive Kopfschmerzen an. Er wusste, dass er als Kennon die maßgeblichen Berichte Atlans kannte und um die damit verbundenen Hintergründe wusste.

Er konnte nur vermuten, dass ihm – je länger er dem Einfluss der Traummaschine ausgesetzt war – Details entglitten, sich Erinnerungen hinter einem vagen Schleier verbargen oder ganz vergessen waren. Unwillkürlich tastete er nach dem Verlauf des blauen, schimmernden Gürtels, den er unter der Kleidung auf der nackten Haut trug und sich wie ein lebendes Wesen warm und geschmeidig anfühlte und mitunter lautlos zu flüstern schien. Von dem Ding, das aussah, als sei es aus Millionen winziger, blau leuchtender Kristalle zusammengesetzt, ging eine magische Kraft aus, die sich Axton nicht erklären konnte. Das Band war etwa einen Millimeter dick und wog fast nichts.

Plötzlich glaubte Axton Lordadmiral Atlans Gesicht zu sehen und seine Stimme zu hören. Er wusste wieder, dass der Mann in seiner Jugend mit dem echten Mexon zusammengetroffen war und ihn mit nach Kraumon genommen hatte. Mehr noch: Auf Travnor war dieser Mexon mit Kopral zusammengetroffen. Kopral war … tot! Axton erinnerte sich auch daran, dass sich Atlan unter dem Tarnnamen Darbeck bei den Amnestie-KAYMUURTES eingeschleust und teilgenommen hatte … teilnehmen würde!Als der glückliche Darbeck! Und dann stand eine eindeutige Abfolge von Begriffen vor Axtons innerem Auge, die ihn frösteln ließen: Doppelgänger … Duplikate … Duplos … Atomschablonen für die Multiduplikatoren der Meister der Insel!

War das die Lösung? Es würde viel erklären, verdeutlichte allerdings auch, wie groß die Gefahr tatsächlich war, die dem Großen Imperium drohte, sollten wirklich die Meister der Insel involviert sein. Axton stellte eine Verbindung zum Zweifachen Sonnenträger Kabenunnt beim Flottenzentralkommando auf Arkon III her. Der auch für den Stützpunkt Karaltron verantwortliche Offizier war ihm gut bekannt. Die Bildfläche erhellte sich; Kabenunnt saß hinter einem großen Kommunikationstisch und lächelte, als er Axton sah.

»Ich habe auf Wunsch von Kommandeur Trelgron ein wenig in den Unterlagen einiger seiner Männer nachgeforscht«, eröffnete Axton das Gespräch. »Dabei habe ich eine Reihe von Gemeinsamkeiten festgestellt, und ich bin zu der Ansicht gekommen, dass Sie sofort etwas unternehmen müssen.«

»Welche Männer sind es?«

Axton nannte die Namen. Der Zweifache Sonnenträger kreuzte die Arme vor der Brust. »Die Männer haben noch mehr miteinander gemeinsam. Unter anderem das: Sie wurden von wenigen Tagen erschossen.«

»Von wem?«, fragte Axton verblüfft.

»Von Atlan …«

Der Terraner hatte das Gefühl, ins Bodenlose zu stürzen.

»Ihre Warnung ist interessant, aber sie kommt zu spät. Stützpunktkommandeur Trelgron hat eine Spezialeinheit angefordert. Sie ist bereits unterwegs nach Karaltron und soll diese Person fassen, die angeblich wie der Gesuchte aussieht, der sich als Kristallprinz ausgibt, und sie wird ihn finden. Sie werden Satelliten in eine Umlaufbahn um Karaltron bringen und Roboter modernster Technik einsetzen. Der Leitende Offizier der Einheit führt seit fünf Jahren das Kommando dieser Spezialistentruppe und hat bisher jeden Einsatz erfolgreich abgeschlossen.«

»Sehr gut. Wie ist dieser … Atlan …?«

»Er und ein Begleiter erreichten Karaltron mit einem kleinen Kugelschiff unbekannten Bautyps, dass abgeschossen wurde. Beide entkamen und wurden trotz aller Bemühungen nicht gefunden. Nun, das wird sich bald ändern.«

»Halten Sie mich auf dem Laufenden, Keon’athor? Danke.« Axton unterbrach die Verbindung und starrte eine Weile ins Leere. Er wusste, dass die auf Karaltron als »Atlan« identifizierte Person nicht der echte Atlan sein konnte, sondern ein Doppelgänger sein musste. Ein Duplo! Die plötzlich wie eine glühende Nadel durch Axtons Kopf zuckende Erinnerung drohte ihn zu lähmen. Sie werden ihn auf Karaltron nicht fassen; Atlans Duplo wird hierher zur Kristallwelt kommen. Bald schon, in wenigen Pragos!

Eine erste Bestätigung dieser Erinnerung aus der Zukunft erhielt Lebo Axton am nächsten Prago. Ein gelbes Informationslicht leuchtete über einer Reihe von Tasten. Er drückte eine herunter und rief die Nachricht ab, die ihm sofort angezeigt wurde. Zweisonnenträger Kabenunnt hatte ihm einen Bericht über die Vorgänge auf dem Stützpunktplaneten Karaltron geschickt. Axton erfuhr, dass Kommandeur Trelgron als Helfer Atlans entlarvt worden und Atlan von Karaltron geflohen war; sein bislang noch unidentifizierter Begleiter war tot in der Mondstation aufgefunden worden. Die Bilddatei zeigte einen Körper, der von einem Thermostrahl durchschlagen worden war. Der Tote wies die typischen Merkmale einer Person auf, die durch den im Innern entstandenen Hitzestau getötet worden war.

Während Trelgrons Stellvertreter auf diesen Umstand nicht näher einging, war für Axton klar, dass Has’athor Trelgron den beiden Duplos auf die Schliche gekommen sein musste, selbst wenn er einen anfänglich für die echten Atlan gehalten und sogar mit ihm sympathisiert haben sollte. Wer war der zweite Duplo gewesen? Ein Doppelgänger Fartuloons vielleicht? Warum wurde das im Bericht mit keinem Wort erwähnt? Mehr noch: Warum wurde Trelgron beschuldigt, obwohl es diesen Toten gab, was ihn eigentlich hätte entlasten müssen.

Laut Trelgrons Stellvertreter konnte es »Atlan« und seinem Begleiter nur mit der Hilfe des Stützpunktkommandeurs gelungen zu sein, von Karaltron nach Karal zu fliegen. Die vollrobotische Mondstation war natürlich als erstes vom Spezialkommando untersucht worden und anschließend von der Liste gestrichen worden. Ein besseres Versteck hatte es kaum gegeben, suchte so doch das Kommando auf dem Planeten vergebens. Was genau in der Mondstation geschehen war, ging aus den Angaben Dreymongs nur bedingt hervor.

Fest stand, dass die Positronik der Station auf eine geschickte Weise sabotiert worden war. Zug um Zug hätten sich mit der Zeit Fehler eingeschlichen, vor allem wären Fernortung und -tastung lahm gelegt und letztlich auch die Aktivierung der Waffensysteme verhindert worden. Angeblich war diese Sabotage Dreymong aufgefallen. Während »Atlan« mit dem Leka-Diskus des Sonnenträgers entkam, erreichte Trelgrons misstrauisch gewordener Stellvertreter den Mond und wurde seinerseits von dem Has’athor überwältigt. Anschließend verschwand Trelgron mit der zweiten Leka. Dreymong äußerte die Vermutung, dass der Stützpunktkommandeur Atlan ins Arkonsystem gefolgt war.

Dem inzwischen mehr als misstrauische Axton fiel weiterhin auf, dass Dreymong mit seiner Meldung außerordentlich lange gewartet hatte. Der Stellvertreter Trelgrons teilte zwar mit, welche Schwierigkeiten er gehabt hatte, mit Karaltron Verbindung aufzunehmen, dennoch blieb eine Differenz von wenigstens zehn Tontas. Um diese Zeit zu spät hatte Dreymong Alarm geschlagen. Diese Frist blieb selbst dann, wenn man alle Verzögerungen und Entschuldigungen gelten ließ. »Ruf die Dateien von Dreymong und die der verantwortlichen Offizieren des Spezialkommandos ab«, befahl Axton dem Roboter. »Los doch. Ich habe nicht viel Zeit.«

Der Terraner hatte keine Ruhe. Da war etwas Ungeklärtes. Da waren Fragen, die beantwortet werden mussten. Nichts durfte offen bleiben, wollte er sich den Rücken frei halten. Nur so konnte er verhindern, dass er selbst plötzlich in einer Falle saß, aus der es kein Entrinnen gab.

Kelly rief im Vorraum des Büros die geforderten Dateien für Axton ab und meldete schließlich: »Du kannst die Daten einsehen, Liebling.«

»Du hast ziemlich lange gebraucht«, kritisierte der Verwachsene.

»Ich habe mit der Positronik geflirtet, Schatz. Ich hoffe, du bist mir deswegen nicht böse? Oder bist du eifersüchtig?«

Axton sank die Kinnlade nach unten. »Was hast du da gesagt? Du hast was mit dem Archivcomputer getan?«

Kelly neigte seinen ovalen Kopf leicht zur Seite. »Ich habe mir erlaubt, ein wenig mit ihm zu scherzen. Seine Antwortschwingungen flackern immer so erregend, wenn ich ihm Impulsfrontwellen am Rande der Schicklichkeit übermittle.«

»Du Satan.« Axton schleuderte einen Becher nach dem Roboter. »Ich will kein Wort mehr von diesem Blödsinn hören.«

»Ich wusste doch, dass du eifersüchtig bist.«

Axtons Hände begannen zu zittern. Er presste die Lippen zusammen. Seine rechte Hand tastete sich zu dem blauen Gürtel. »Noch ein einziges Wort«, sagte er drohend, »und ich schlage dir den blauen Gürtel um die Antennen, bis du nur noch Schrottwert hast.«

Kelly reagierte wie gewünscht. Er schwieg. Schon einmal hatte Axton mit dem Gürtel nach ihm geschlagen. Die Folgen waren für Kelly äußerst unangenehm gewesen. Die Maschine hatte sich in ihrer Existenz bedroht gesehen. Seine positronischen Systeme wären fast zusammengebrochen.

»Na also«, sagte Axton erleichtert. »Es geht also doch.« Er blickte Kelly an. »Ich habe nämlich so etwas wie Nerven, verstehst du«, erläuterte er in fast entschuldigendem Ton. »Und nicht immer bin ich dem Stress gewachsen, den du mit deinen dämlichen Bemerkungen hervorrufst.«

Er wurde sich bewusst, was er tat. Ärgerlich wandte er sich ab und las die Daten durch. Danach löste sich seine innere Spannung, und er lächelte. Er glaubte, sich erklären zu können, was auf Karaltron vorgefallen war. Sowohl die Orbtonen des Spezialkommandos als auch Dreymong hatten eindeutig versagt. Das Sonderkommando hatte »Atlan« entwischen und Dreymong sich in kläglicher Weise von Has’athor Trelgron ins Abseits stellen lassen – zumal nicht einmal klar war, ob der Kommandeur aus freien Stücken an Atlans Seite gehandelt oder nur durch Zwang und Erpressung mitgemacht hatte. Berücksichtigte Axton die Vorgeschichte, konnte es durchaus sein, dass Trelgron zunächst in dem Atlan-Duplo den echten Atlan vermutet hatte, doch spätestens bei der Positroniksabotage war er ihm auf die Schliche gekommen.

Dreymong wiederum mochte vielleicht nach seiner Befreiung die Absicht gehabt haben, sofort Alarm zu schlagen, aber damit waren die Offiziere der Spezialeinheit nicht einverstanden gewesen. Man hatte sich erst darüber einigen müssen, wie der Bericht abgefasst werden sollte. Und so war schließlich eine Meldung zustande gekommen, die den Eindruck erweckte, dass Trelgron der Alleinschuldige war. Eine Kurznotiz wies darauf hin, dass eine Großfahndung ausgelöst worden war.

Axton lehnte sich nachdenklich im Sessel zurück. Die Chancen Trelgrons waren minimal. Er allein konnte den Atlan-Doppelgänger nicht finden, und er selbst würde auch nicht mehr lange frei sein. Axton überlegte, ob er etwas für den Stützpunktkommandeur tun konnte. »Nein, es ist aussichtslos«, sagte er nach einer Weile. »Wenn er vernünftig ist, kommt er gar nicht erst ins Arkonsystem, sondern versteckt sich irgendwo auf einem einsamen Planeten.«

Als Axton bei Keon’athor Kabenunnt nachhakte, erfuhr er, dass dieser von dem Bericht ebenfalls wenig begeistert war, zumal er inzwischen erfahren hatte, dass die unidentifizierte Leiche ohne weitere Untersuchung komplett desintegriert worden war. Das reichte aus, um eine genauere Prüfung der gesamten Vorgänge einzuleiten. In diesem Zusammenhang gelang es dem Verwachsenen, die eingeleitete Großfahndung nach Trelgron dergestalt abzuschwächen, dass er unbedingt lebend zu fassen und anschließend ihm persönlich zum Sonderverhör zu überstellen sei.

Ein weiteres Informationslicht leuchtete auf, Axton rief die Nachricht ab. Sie betraf den Stützpunkt Travnor. Der Verwachsene ging sie mit gespannter Aufmerksamkeit durch und fragte sich, warum er noch immer keine Meldung von Conoor Baynisch bekommen hatte. Die Untersuchung der abgestürzten Stationstrümmer hatte bislang noch keine Hinweise auf Sabotage geliefert. Dafür musste inzwischen davon ausgegangen werden, dass es vor dem Ereignis zu etlichen rätselhaften Vorgängen gekommen war: Dutzende Personen hatten Unfälle, wurden ermordet oder waren plötzlich verschwunden gewesen.

Plötzlich fiel Axton auf, dass Kelly so still war. Doch er stand nur regungslos im Vorraum. Axton erschrak, war überzeugt davon, dass der Roboter ausgefallen war. Irgendein Schaden musste entstanden sein. »Verdammter Mist«, sagte er in englischer Sprache. »Das hat mir gerade noch gefehlt.«

Doch Kelly drehte den Kopf und richtete das Optikband auf ihn. »Bitte, stör mich nicht.«

Axton schluckte. »Was ist los?«, fragte er mit schriller Stimme. »Was treibst du hier?«

»Ich erkläre dem Archivcomputer, was Stress ist und weshalb wir nicht zueinander finden können.«

»Du Wahnsinnsvogel!« Axton sah rot. Der tief in ihm schlummernde Roboterhass brach hervor. Er griff unter die Bluse. Seine Hand krallte sich um den Gürtel aus dem geheimnisvollen, blauen Material. Es löste sich wie von selbst von ihm und bewegte sich in seiner Hand, als lebe es. Axton wirbelte es um den Kopf und traf Gentleman Kelly mit voller Wucht. Knisternd sprühten Funken auf.

Der Roboter gab einen klagenden Laut von sich, trat taumelnd zwei, drei Schritte zurück und sank langsam zu Boden. Die metallenen Knie prallten dumpf auf, der ganze Körper drehte sich zur Seite. Kelly stürzte der Länge nach hin und blieb mit ausgebreiteten Armen und Beinen liegen. Zutiefst bestürzt blickte Axton auf ihn. Er bedauerte, was er getan hatte. Kelly bedeutete ihm mehr, als er gedacht hatte. Das merkte er in diesen Augenblicken, als er meinte, den robotischen Freund verloren zu haben. Wie von selbst glitt das blaue Band wieder unter die Bluse und legte sich um seine Hüften.

»Meine Güte, Kelly, was ist los?«, fragte Axton mit heiserer Stimme und beugte sich über den Roboter. Deutlich war die Spur zu erkennen, die der Hieb auf dem Kopf zurückgelassen hatte. Der schimmernde Arkonstahl wies Einbuchtungen auf. »Kelly, was ist los?«

»Nichts«, antwortete der Roboter mit grabestiefer Stimme. »Ich bin ganz okay!«

Er sagte okay, ohne ein arkonidisches Pendant zu wählen. »Woher kennst du dieses Wort?«

»Von dir. Von wem sonst?« Kelly richtete sich langsam auf und stellte sich vor Axton hin. Unwillkürlich wich dieser einige Schritte zurück, obwohl er sich nicht bedroht fühlte. Axton wurde sich bewusst, dass er wieder einmal auf einen Trick des Roboters hereingefallen war. Er hatte sich durch das okay ablenken lassen.

»Ich will wissen, was das alles zu bedeuten hat«, sagte er aufbrausend; seine Stimme überschlug sich fast. »Was treibst du für ein Spiel mit mir?«

»Ich versuche, dir zu helfen.«

»Du? Mir? Du willst mir helfen? Wieso das?«

»Nach eingehendem Studium deiner schillernden Persönlichkeit und umfangreichen …«

»Rede nicht so geschwollen daher. Was ist los?«

»Du stehst unter allzu großer Anspannung, Schätzchen. So ist offensichtlich, dass du einen Wutanfall dringend nötig hattest, um deine Nerven wieder unter Kontrolle zu bekommen.«

Axton blickte den Roboter verblüfft an. Damit hatte er nicht gerechnet. Kelly hatte die psychische und psychologische Situation richtig erkannt und analysiert. Und er hatte so darauf reagiert, wie es notwendig gewesen war. Axton lächelte. Er fühlte sich tatsächlich besser. Damit hatte Kelly genau das erreicht, was er hatte erreichen wollen. »Und ich habe tatsächlich geglaubt, dass du mit dem Computer geflirtet hast.«

»Das habe ich auch, Liebling, aber das ist kein Grund für dich, eifersüchtig zu sein.«

Axton spürte, wie ihm das Blut in den Kopf stieg. »Sei vorsichtig, du Scheusal«, sagte er drohend. »Ich bin zu mehreren Wutausbrüchen hintereinander fähig. Es ist besser für dich, wenn du nicht über das Ziel hinausschießt.«

2.

»Da sind zwei Besucher, die Sie sprechen möchten«, meldete der Roboter mit näselnder Stimme. Die Maschine trug eine blaue Uniform mit silbernen Aufsätzen. Der Kopf war mit einer Maske versehen, die dem Automaten ein entfernt arkonoides Aussehen verlieh.

»Zwei Besucher?«, fragte Keon’athor Sermak dom Praykiot überrascht. »Was soll das heißen? Haben sie keinen Namen?« Der Zweifache Sonnenträger erhob sich aus dem Sessel und legte einen Folienband, in dem er gelesen hatte, zur Seite. Befremdet blickte er die Männer an, die den Raum betraten und sagte mit scharfer Stimme: »Ich erinnere mich nicht, Sie hereingebeten zu haben.«

»Das ist auch nicht notwendig«, antwortete der größere der beiden Besucher. Er trug die unauffällige Sommerkleidung, die von den Arkoniden der mittleren Bevölkerungsschichten aus Bequemlichkeitsgründen bevorzugt wurde. Sie bestand aus einem weiten Hemd, das vor dem Bauch mit einer Spange zusammengehalten wurde, und einer locker sitzenden Hose aus dünnem Stoff.

Praykiot musterte die Männer. Dann glitt ein spöttisches Lächeln über sein Gesicht. »Sollte es sich hier um einen Überfall handeln? Dann muss ich Sie enttäuschen. Diese Wohnung ist so gut abgesichert, dass Sie nicht die Spur einer Chance haben. Bei diesem Roboter handelt es sich zudem um eine Kampfmaschine, der Sie nicht gewachsen sein dürften.«

»Es ist ein Überfall, wenn Sie so wollen«, erwiderte der andere Besucher, der sich bisher schweigsam verhalten hatte. Er hatte ein scharfgeschnittenes Gesicht mit weit vorspringender Nase und auffallend großen Augen. »Allerdings ist der Überfall von etwas anderer Art, als Sie sich vorstellen.«

Er zog eine markante Dienstmarke und hielt sie dem Zweisonnenträger hin.

»Geheimdienst?« Dom Praykiot nickte. »Das ist allerdings etwas anderes. Bitte, nehmen Sie Platz.«

»Das haben wir nicht vor. Wir möchten Sie bitten, uns zu begleiten. Kein Aufsehen, kein Lärm und kein Widerstand. Das ist es, worauf es uns ankommt.«

»Ich verstehe nicht«, erwiderte der Flottenkommandeur. »Sie tun so, als sei ich verhaftet.«

»So könnte man es nennen.«

Keon’athor Praykiot setzte sich wieder in seinen Sessel. »So geht das nicht. Zunächst müssen Sie mir erklären, was man mir vorwirft. Ich bin mir keiner Schuld bewusst.«

»Das werden Sie noch rechtzeitig erfahren. Wir wissen nicht, was Sie getan haben. Wir haben nur die Aufgabe, Sie zu verhaften. Das ist alles«, antwortete der hochgewachsene TRC-Agent.

Der Zweisonnenträger spürte, wie sich in ihm etwas zusammenzog. Er war sich wirklich keiner Schuld bewusst. Gewiss, er hatte in aller Öffentlichkeit über Orbanaschol schallend gelacht. Aber nun erinnerte sich Praykiot an die mahnenden Worte Lebo Axtons, der gerade in letzter Zeit immer wieder vor dem harten Vorgehen Orbanaschols gewarnt hatte. Axton rechnete mit einer Säuberungsaktion. Praykiot atmete tief durch. »Na schön. Ich habe mir nichts vorzuwerfen, und ich wüsste auch sonst nichts, was gegen mich vorzubringen wäre. Wenn jemand meint, einen verdienten Orbton meines Ranges in dieser Weise demütigen und beleidigen zu müssen, wird er seine Gründe haben.«

»Werden Sie uns nun endlich begleiten, oder machen Sie Schwierigkeiten?«, fragte der Celista mit der großen Nase.

»Ich bin überzeugt davon, dass sich alles als Irrtum erweisen wird«, entgegnete der Flottenkommandeur gelassen. Er war ein Gegner Orbanaschols, aber das zu sein, war sein gesetzlich verankertes Recht. Solange er keine bestehenden Gesetze brach, konnte er nicht gezwungen werden, für die Politik des Imperators einzutreten. Das hatte nichts mit seinen militärischen Aufgaben und Pflichten zu tun. Praykiot gab seinem Roboter ein Zeichen. »Gib mir meinen Umhang. Und dann wirst du die Zentrale des Rechts verständigen.«

Die beiden Celistas traten plötzlich an den Roboter heran und setzten ihm kleine Geräte an den Kopf. Das ging so schnell, dass Praykiot keine Zeit zu einer Reaktion blieb. Die Maschine zuckte zusammen; die Beine knickten ein, sie stürzte polternd zu Boden.

»Was fällt Ihnen ein?« Der Admiral Dritter Klasse trat empört auf die Agenten zu.

»Sie verstehen immer noch nicht«, erwiderte der größere. »Sie haben Demut zu zeigen. Indem Sie aufbegehren, beweisen Sie uns damit nur, dass Sie zu den aktiven Rebellen gehören, die täglich Verbrechen gegen das Große Imperium begehen.«

Praykiot hob die Hände, streckte sie jedoch nicht nach den Agenten aus.

»Wenn Sie es nicht anders wollen, bleibt uns keine Wahl«, sagte der Große. Er hielt plötzlich einen Kombistrahler in der Hand. Ein nadelfeiner Thermoblitz zuckte auf den Kommandeur zu und durchbohrte ihn. Praykiot hielt sich noch für einige Augenblicke auf den Beinen. Mit geweiteten Augen blickte er die Celistas an, und erst jetzt begriff er, dass Orbanaschol die radikalste Reinigungsaktion seiner gesamten Gewaltherrschaft eingeleitet hatte. Ein einziges, unbeherrschtes Lachen hatte ihm den Tod gebracht. Keon’athor Praykiot drehte sich halb um sich selbst, fiel und blieb mit ausgebreiteten Armen liegen. Die Celistas wandten sich ungerührt ab und verließen die Wohnung.

»Der nächste wohnt ebenfalls in diesem Gebäude«, sagte der Große, bevor die Tür hinter ihm zufiel. »Hoffentlich macht er weniger Schwierigkeiten.«

An Bord von Sonnenträger Trelgrons Leka-Diskus: 17. Prago des Tartor 10.499 da Ark

Has’athor Ermed Trelgron war nur von einem einzigen Wunsch beseelt. Er wollte Rache. Fast zu spät hatte er erkannt, dass es sich nicht um Kristallprinz Atlan, sondern einen Doppelgänger gehandelt hatte. Wer auch immer diesen Mann losgeschickt hatte, er hatte gewusst, dass Trelgron mit dem echten Atlan sympathisierte. Aber als Stützpunktkommandeur trug er auch die Verantwortung dafür, dass die Verteidigungssphäre von Thantur-Lok an keiner Stelle brüchig wurde. Es wäre schlecht um das Imperium bestellt, wäre es so leicht gewesen, Zugang zu den Schwerpunkten im Abwehrschild um den Kern des Imperiums zu bekommen.

Umso fataler war die Manipulation gewesen, die nur durch leichte Abweichungen von den Normalwerten erkennen ließen. Hätten Atlan II und Fartuloon II auf Karal die Steuerungsanlagen total zerstört, wäre auf Karaltron Alarm ausgelöst worden. Indem sie aber Störfaktoren einbauten, brach das Verteidigungssystem erst nach einer längeren Frist zusammen – und das sogar, ohne einen Alarm zu verursachen.

Fünf Tontas, nachdem er den Mond von Karaltron verlassen hatte, ließ der Sonnenträger das Raumschiff antriebslos treiben und wartete. Die Situation war äußerst schwierig. Sein Stellvertreter Dreymong würde die erste sich bietende Chance nutzen, ihn aufzuhalten. Doch Dreymong konnte erst in einigen Tontas aktiv werden. Noch war er auf Karal in der Verteidigungsstation gefangen, noch hatte er keine Möglichkeit, die Offiziere des Spezialkommandos auf Karaltron zu verständigen. Sobald er es jedoch konnte, würde er Alarm auslösen und einen Bericht nach Arkon abstrahlen.

Das war das Problem, das Trelgron zu bewältigen hatte. Er wusste, dass Atlans Doppelgänger ins Arkonsystem geflogen war, deshalb musste er ebenfalls ins Zentrum des Imperiums. Als Stützpunktkommandeur verfügte er über umfangreiche Information. Er kannte die Routen von zahlreichen Linienraumschiffen. Und darauf setzte er seine ganze Hoffnung.

Er beobachtete die Instrumente mit angespannter Aufmerksamkeit. Jeden Augenblick konnte das Positivzeichen kommen, das ihm anzeigte, dass in der Nähe ein Raumschiff nach einer Transition materialisierte. Während Trelgron noch überlegte, wie er genau vorgehen sollte, sprachen die Strukturtaster an. Die Strukturerschütterung wurde angemessen und registriert. Im nächsten Moment erschien der Reflex eines großen Objekts auf dem Ortungsschirm, das sich mit einer Geschwindigkeit durch den Raum bewegte, die nur geringfügig unter der des Lichtes lag.

Trelgron drückte eine Taste und strahlte das Notzeichen ab. Augenblicke vergingen, bis die Offiziere in der Zentrale des anderen Raumschiffs reagierten. Der Bildschirm vor dem Sonnenträger erhellte sich. Als das Gesicht eines Mannes auf der Projektionsfläche erschien, beugte sich Trelgron leicht vor und sagte: »Hier spricht Kommandant Kret vom Kurierschiff LALAOL. Ich habe Triebwerksausfall. Bitte, nehmen Sie mich auf.«

»Schlachtkreuzer ZTOPHART, Stakort«, erwiderte der Funker. »Sind Sie manövrierunfähig?«

»Vollkommen. Sie müssen mich per Traktorstrahl auffischen.«

Das Bild wechselte, das füllige Gesicht des Kommandanten der ZTOPHART erschien auf der Projektionsfläche. Trelgron erschrak – er kannte den Offizier. »Arfka«, sagte er überrascht. Er hatte Mühe, sich nicht anmerken zu lassen, wie es in ihm aussah. Größeres Pech hätte er gar nicht haben können. Er kannte viele andere Orbtonen der arkonidischen Flotte. Diese aber war riesig. Ihr gehörten Hunderttausende Offiziere an. Unter diesen Umständen hatte Trelgron davon ausgehen können, dass ihm kein bekannter Offizier begegnete.

Der Kommandant der ZTOPHART reagierte nicht. »Kommandant Kret«, sagte er so ruhig, als habe er Trelgron noch nie gesehen, als hätte es nie wütende Auseinandersetzungen und schließlich gar einen handfesten Streit zwischen ihnen gegeben. Bei diesem war es um Trelgrons Frau Delgola gegangen. Arfka hatte sich Hoffnungen gemacht, sie für sich gewinnen zu können, doch damit war es vorbei gewesen, als Trelgron Delgola begegnet war. »Wir nehmen Sie auf. Und passen Sie auf, dass sich Ihre Impulstriebwerke nicht plötzlich doch wieder einschalten. Es könnte zu einer Spontanentladung kommen.«

Jetzt war die Ironie unüberhörbar, doch nun tat Trelgron, als sei alles ganz normal. »Keine Sorge. Das Triebwerk wird nicht mehr arbeiten. Auf gar keinen Fall. Haben Sie mich in der Ortung?«

»Haben wir. Wir kommen.« Arfka schaltete ab.

Ermed Trelgron sank in die Polster des Sessels zurück, wusste nicht, was er tun sollte. Es wäre sinnlos gewesen, die Impulstriebwerke zu aktivieren und zu flüchten. Damit wäre alles nur noch schlimmer geworden. Arfka hätte mit Sicherheit Alarm ausgelöst. Trelgron war niedergeschlagen, denn er war davon überzeugt, dass die Chance, die er sich erarbeitet hatte, nun vertan war. Arfka würde ihn an Bord nehmen und in die Enge treiben. Trelgron verfluchte sich selbst, weil er bei seiner ersten Meldung einen falschen Namen angegeben hatte. Das hätte er gar nicht nötig gehabt, denn noch konnte Dreymong Karaltrons Mond nicht verlassen und das Arkonsystem informiert haben. Im Gegenzug gingen von Arkon auch nicht sofort Informationen an alle Raumschiffe.

Trelgron leitete die systematische Zerstörung der Impulstriebwerke ein. Dabei ging er jedoch so vor, dass äußerlich keine Beschädigungen zu erkennen waren. Selbst ein gut ausgerüsteter Reparaturtrupp von der ZTOPHART würde nichts mehr ausrichten können. Danach wartete er, bis die ZTOPHART die Bewegungsanpassung vollzogen hatte und der Diskus eingeschleust war.

Ein Offizier führte Trelgron zum Kommandanten. »Kommandant Arfka hat in seiner Kabine ein kleines Essen für Sie anrichten lassen«, sagte der Orbton freundlich. »Sozusagen als kleinen Willkommensgruß.«

»Wie nett«, erwiderte Trelgron voller Unbehagen.

Der Offizier öffnete die Tür zur Kabine des Kommandanten und trat höflich zur Seite. Trelgron bedankte sich und trat ein. Er war mit Arfka allein. Der untersetzte, füllige Mann kam ihm entgegen. Er schob beide Hände in die Taschen und blieb dicht vor Trelgron stehen. Forschend blickte er ihm in die Augen. »Kommandant Kret, wie? Darüber kann ich noch nicht einmal lachen. Was soll der Blödsinn, Trelgron? Kommen Sie mir bloß nicht mit so einem Quatsch wie geheimer Kurier oder so. Wären Sie das, hätten Sie mit einem Hyperfunksender an anderer Stelle Hilfe gesucht.«

Sonnenträger Trelgron wusste selbst, dass es sinnlos gewesen wäre, so etwas zu behaupten. Geheime Kuriere hätten sich in der Tat anders verhalten als er. Er seufzte und setzte sich. »Ich fürchte, mir bleibt nichts anderes übrig, als die Wahrheit zu sagen.«

»Das ist richtig«, bestätigte Arfka grimmig und setzte sich ebenfalls. »Sollten Sie mir keine plausible Geschichte liefern können, mache ich Sie fertig. Glauben Sie nur nicht, dass ich vergessen habe, wie das einmal mit uns war. Die Art, wie Sie mir Delgola abspenstig machten, habe ich nicht vergessen. Und ich schwöre Ihnen, dass ich Ihnen darauf noch eine Antwort geben werde, die Sie ebenfalls nicht vergessen werden.«

»Ich falle fast in Ohnmacht vor Angst«, antwortete Trelgron spöttisch. »Wollen Sie meine Geschichte hören, oder ziehen Sie es vor, sich Ihren Ärger erst einmal von der Seele zu reden?«

»Ich will wissen, was mit Ihnen los ist.«

»Also gut. Ich bin auf der Flucht …« Er berichtete wahrheitsgetreu, was sich zugetragen hatte. Er wusste, dass er seinen Kopf riskierte, aber er hatte keine andere Wahl mehr, als zu sagen, wie es wirklich gewesen war. Je länger Trelgron sprach, desto deutlicher spürte er, dass er verloren hatte. Arfka hatte keinerlei Verständnis, oder er wollte ihn nicht verstehen. Als Trelgron seinen Bericht beendet hatte, schwieg er abwartend. Ein kaum merkliches Lächeln glitt über das volle Gesicht Arfkas. Der Kommandant der ZTOPHART blickte Trelgron im Vollgefühl seiner Überlegenheit an.

»Pech«, sagte er belustigt. »Sie haben ausgesprochenes Pech gehabt, dass Sie an mich geraten sind. Bei jedem anderen Kommandanten wären Sie wahrscheinlich mit Ihrer Lüge durchgekommen. Sie hätten die Kristallwelt erreicht und sich auf die Spur dieses Verräters setzen können.«

»Sie unterschätzen den Atlan-Doppelgänger gewaltig. Er kann ungeheuren Schaden anrichten. Deshalb muss ich ihn so schnell wie möglich aufhalten.«

»Sie müssen das? Warum Sie? Ich gebe eine Nachricht ans Flottenzentralkommando durch, und damit wäre auch schon alles erledigt. Ob dieser Mann nun wirklich Atlan oder sein Doppelgänger ist, spielt keine Rolle. Er kommt nicht weit. Man wird ihn bald erwischen.«

Trelgron lehnte sich erschöpft im Sessel zurück.

»Sie wollen sich aus persönlichen Motiven rächen, Trelgron, aber das geht mich nichts an. Ich übergebe Sie dem Militärgericht. Sie können den Verhöroffizieren erklären, wie Sie in mühseliger Kleinarbeit entdeckt haben, welch edler Bursche Atlan und welch minderwertige Kreatur Orbanaschol ist.« Arfka lachte dröhnend. »Es gefällt mir, dass ich nach so langer Zeit Gelegenheit habe, Ihnen eine Antwort auf gewisse Vorfälle zu geben, die mir nicht besonders gut gefallen haben. Schade nur, dass die reizende Delgola nun Witwe werden wird.« Sarkastisch breitete er die Hände über dem Tisch aus. »Aber so bedienen Sie sich doch, Sie essen ja gar nichts.«

Trelgron trank einen Schluck Fruchtsaft. »Sie verstehen überhaupt nichts, wieder mal. Es geht gar nicht um mich. Dieser Atlan-Doppelgänger hat versucht, eine Bresche in die äußere Verteidigungssphäre von Thantur-Lok zu schlagen. Das deutet darauf hin, dass ein Angriff von außen bevorsteht, denn sonst hätte wohl niemand einen derartigen Aufwand getrieben. Mit Sicherheit hat er Helfer, vielleicht sogar bis in hohe Kreise …«

Arfka unterbrach ihn ungeduldig. »Hören Sie doch auf. Sie bringen mich nicht von meinem Entschluss ab, Sie dem Militärgericht auszuliefern. Was danach mit Atlan oder diesem Doppelgänger geschieht, ist nicht mehr Ihre Sache. Glauben Sie mir, ich kenne meine Pflicht. Ich bin Orbton. Ich habe einen Auftrag vom Imperium erhalten, und den erfülle ich. Ob Orbanaschol als Imperator gut oder schlecht ist, ist für mich nicht wichtig. Das geht mich nichts an.«

»Über dieses Thema könnte man lange diskutieren …«

»Nicht mit mir.« Arfka schüttelte den Kopf. »Mir ist es egal, wer Imperator ist. Ich bin Offizier. Politik ist nichts für mich.« Seine Miene verhärtete sich. »Und nun essen Sie endlich, bevor ich Ihnen Fesseln anlegen lasse.«

Trelgron erhob sich. »Ich habe lange genug mit Ihnen an einem Tisch gesessen«, erwiderte er stolz. »Ich brauche nicht auch noch mit Ihnen gemeinsam zu speisen.«

»Na schön.« Arfka drückte einen Knopf am Armbandfunkgerät. »Dann gehen Sie eben hungrig in Gefangenschaft.«

Die Tür öffnete sich. Der Offizier, der Trelgron zum Kommandanten geführt hatte, trat ein. Er hielt eine beschriftete Folie in der Hand und sagte, ehe Arfka eine Anweisung geben konnte. »Ich habe eine Meldung für Sie, Erhabener. Sie ist privat.« Arfka streckte wortlos den Arm aus, nahm die Folie entgegen und überflog erbleichend die Nachricht. »Lassen Sie uns allein.« Als der Offizier die Kabine verlassen hatte, deutete Arfka auf einen Sessel und sagte heiser: »Bitte, setzen Sie sich.«

Der Sonnenträger war überrascht über den jetzt freundlichen, fast flehenden Ton, in dem Arfka plötzlich sprach. Er ließ sich in die Polster sinken und blickte sein Gegenüber prüfend an. Die Nachricht, die Arfka erhalten hatte, musste von erheblicher Bedeutung sein. Das Gesicht wirkte eingefallen und sah fahl aus.

»Was ist passiert?«, fragte Trelgron vorsichtig.

»Dieser fette Lump«, sagte Arfka keuchend. Trelgron presste die Lippen zusammen, weil er glaubte, sich verhört zu haben. Arfka sprang auf und eilte unruhig in der Kabine auf und ab. Schließlich blieb er vor Trelgron stehen und blickte auf ihn herab. »Sie hatten Recht.« Er ging zum Sessel und setzte sich. »Ein Freund teilt mir mit, dass Orbanaschol eine Säuberungsaktion gestartet hat. Er lässt alle beseitigen, die gegen ihn opponieren oder ihm auch nur ein bisschen unbequem geworden sind.« Seine rötlichen Augen füllten sich mit Tränen der Erregung. »Orbanaschols Häscher haben meinen Vater erschossen! Er sollte verhaftet werden, weil er den Imperator wegen dessen Personalpolitik kritisiert hat. Mein Vater hat gesagt, dass einflussreiche Ämter nicht für die Fähigsten bereit stehen, sondern nur für die, die dem Imperator raffiniert genug einschmeicheln. Das werde sich durch die bevorstehende Wahl nicht ändern. Ich weiß, dass sich mein Vater berechtigte Hoffnungen auf ein hohes Regierungsamt gemacht hat. Er hat es nicht bekommen, und das hat ihn zu seinen kritischen Worten veranlasst.« Arfka verkrampfte die Hände ineinander. »Es wird behauptet, er sei auf der Flucht erschossen worden. Mein Freund schreibt jedoch, er habe gesehen, dass er kaltblütig ermordet wurde, als er sich weigerte, seine Wohnung zu verlassen.«

Trelgron fühlte keinen Triumph. Er konnte zwar hoffen, dass ihm die persönliche Tragödie Arfkas helfen würde, aber das war kein Sieg, der befriedigte. »Was werden Sie tun?«

Arfka blickte ihn unschlüssig an. »Was soll ich tun? Was kann ich denn tun? Ich muss meinen Dienst auch weiterhin versehen. Ich bin nicht für Orbanaschol da, sondern für Arkon und das Imperium. Das ist entscheidend. Alles andere ist unwichtig. Ich sagte es schon.«

»Sie könnten mir helfen. Und Sie könnten sich einmal fragen, was Sie in meiner Situation getan hätten. Würden Sie sich noch immer eindeutig für Orbanaschol entscheiden?«

»Was wollen Sie?«

»Das wissen Sie doch. Geben Sie mir eine Chance, den Atlan-Doppelgänger zu finden. Lassen Sie mich auf der Kriegswelt frei. Verzichten Sie auf Ihre persönliche Rache. Zur Kristallwelt schaffe ich es dann allein.«

»Ich überlege es mir«, versprach der Kommandant der ZTOPHART. »Sie können sich vorläufig frei an Bord bewegen. Keiner meiner Offiziere wird etwas erfahren. Sollte ich Sie doch noch dem Militärgericht übergeben, hat das bis Arkon Zeit.«

Trelgron atmete auf. Er hatte einen vielleicht entscheidenden Aufschub erreicht.

Arkon I: 18. Prago des Tartor 10.499 da Ark

Der junge Mann hatte rote Augen und silbernweißes Haar, das ihm gelockt bis in den Nacken reichte. Das Gesicht hatte trotz der Jugend die Ausstrahlung einer kraftvollen Persönlichkeit. Er war fast 1,90 Meter groß. Ein das Gesicht bedeckendes Mehinda-Schnörkelmuster verhinderte, dass er sofort als Atlan erkannt wurde. Vom Äußeren abgesehen, gab es eine entscheidende Abweichung zum echten Kristallprinzen, die einen erheblichen Nachteil für den Doppelgänger bedeutete. Der Duplo hatte keinen aktiven Extrasinn, überdies war er ein sklavisch treuer Diener seiner tefrodischen Auftraggeber.

Atlan II befand sich in einem Schweren Kreuzer, der auf der Kristallwelt gelandet und von Duplos bemannt war. Sie hatten ihn bereits erwartet und aus der Leka übernommen, um dann ganz offiziell ins Arkonsystem vorzustoßen. Sie hatten das Wissen der Originale und waren in keiner Weise von diesen zu unterscheiden. Jede normale Überprüfung musste somit scheitern.

Arkon I wurde von den Bewohnern in erster Linie als Wohnwelt betrachtet und genutzt, deshalb hielt sich die Anzahl von großen Raumhäfen in sehr engen Grenzen – nicht zuletzt, um die mit den Flugbewegungen verbundenen »Belästigungen« für die Hochwohlgeborenen zu vermeiden. Dennoch gab es natürlich ausreichend Einrichtungen dieser Art – vor allem in Form vieler kleiner, privater Landefelder –, denn sie stellten das Tor zum All dar. Starts und Landungen von Großraumern wurden weitgehend vermieden, doch die der ungezählten Klein- und Verbindungsraumer wie auch der privaten Jachten waren an der Tagesordnung.

Ein Hauptanlaufpunkt war der Raumhafen der Fünf-Millionen-StadtMorararg, bei der es sich um eine der wenigen »wirklichen Städte« handelte, die es auf der dezentralisiert bebauten, um nicht zu sagen zersiedelten Kristallwelt gab; sie umspannte den gleichnamigen Raumhafen sichelförmig zu zwei Dritteln, ein im Nordwesten des Äquatorialkontinents Laktranor nördlich des Arban-Sees gelegenes Landefeld von dreißig Kilometern Durchmesser. Der Hügel der Weisen mit dem Kristallpalast des Höchstedlen war fast 6100 Kilometer entfernt.

Atlan II verzog verächtlich die Lippen, als er den Raumer verlassen hatte und im Gleiter mit wachsender Geschwindigkeit über farbig markierte Pisten zu einem der Ausgänge des Raumhafens schwebte. Auch hier traf er auf keine ernsthaften Kontrollen. Es schien, als sei keine Gefahr für die Kristallwelt vorhanden. »Ihr werdet euch wundern«, sagte Atlan II leise. »Das ändert sich bald, aber dann ist es zu spät für euch.«

Der Gleiter entfernte sich schnell vom Raumhafen. Bald flog Atlan II weitab von allen anderen Gleitern. Mit sich und der Entwicklung der Dinge zufrieden, landete Atlan II und ließ sich vom Bordcomputer eine Karte des Planeten auf den Bildschirm projizieren. Anschließend tippte er eine Zahlenkombination in die Tastatur des Visifons. Auf dem Bildschirm erschienen Anzeigen verschiedenster Art. Die meisten waren private Mitteilungen, in denen die Geburt eines Kindes, der Tod eines Familienmitglieds, die Jagdpacht auf einem exotischen Planeten oder die Urlaubsreise eines Anwalts oder Bauchaufschneiders bekannt gegeben wurde. Atlan II suchte die Adresse eines Planetenmaklers, der gerade eine längere Forschungsreise unternahm.

»Sehr schön, mein Freund«, sagte Atlan II zufrieden und tippte die angegebenen Adressendaten ein. Der Gleiter startete. »Während du dir neue Planeten ansiehst, die du verkaufen kannst, mache ich es mir in deinem Büro bequem.«

Tontas später landete Atlan II in einer Parknische an der Trichteraußenseite eines Hauses, das etwa fünfhundert Meter hoch war. Der Mann verließ die Maschine und öffnete kurz darauf mit einem Spezialschlüssel die Tür zu dem Büro. Er sah sich in aller Ruhe um, bevor er das Material aus dem Gleiter hereinschleppte. Die Geschäftsräume des Maklers zogen sich über mehr als eintausend Quadratmeter – also weit mehr Platz, als Atlan II benötigte. Nachdem er festgestellt hatte, dass keinerlei Alarmanlagen oder Wachroboter vorhanden waren, holte Atlans Doppelgänger alles Material aus dem Gleiter.

Konzentriert baute aus den Einzelteilen eine umfangreiche Maschinerie zusammen. Er arbeitete schnell und geschickt. Ihm fehlte lediglich der Extrasinn Atlans, sonst verfügte er über alle Fähigkeiten des Kristallprinzen, war als Duplo absolut identisch mit ihm. Da er sich jedoch unter Befehlszwang befand, reagierte er charakterlich immer dann anders als der echte Atlan, wenn es galt, einen Vorteil für die Tefroder und deren geheimnisvollen Auftraggeber zu erzielen. Er unterbrach die Arbeiten nur, um sich mit dem Trividgerät des Maklers über die aktuellen Ereignisse auf der Kristallwelt zu informieren. Auf diese Weise erfuhr er, dass zahlreiche wichtige Persönlichkeiten verhaftet und zum Teil zu Haftstrafen oder gar zum Tod verurteilt worden waren. Er zog die richtigen Schlüsse und erkannte, dass sich Imperator Orbanaschol III. im Rahmen einer groß angelegten Säuberungsaktion seiner Feinde entledigte.

Am Vormittag des zweiten Pragos, den Atlan II in den Geschäftsräumen des Maklers verbrachte, übten noch mehrere Kommentatoren massive Kritik am Vorgehen der Celistas. Am Nachmittaggaben verschiedene Sender bekannt, dass einige ihrer Mitarbeiter als »Agenten des Feindes« entlarvt und verhaftet worden waren. Atlan II nickte zufrieden; er würde noch etliche Pragos benötigen, um die Vorbereitungen abzuschließen. Erst danach konnte er aktiv werden.

Arkon III: 19. Prago des Tartor 10.499 da Ark

Die Kabinentür öffnete sich. Ermed Trelgron erhob sich aus dem Sessel, in dem er gesessen hatte. Er blickte unwillkürlich auf den Bildschirm, auf dem ein Landefeld des große AYA-Zentralraumhafenkomplexes zu sehen war. Die ZTOPHART war gelandet. Arfka schloss die Tür, ging zu einem Sessel und setzte sich.

»Wie haben Sie sich entschieden?«, fragte Trelgron beklommen. Er hatte Angst vor diesem Moment gehabt, weil er fürchtete, von Arfka einem Militärgericht übergeben zu werden. Mit keinem Wort hatte der Kommandant ihm während des Fluges gezeigt, wie es um ihn stand.

»Was glauben Sie?«

Trelgron stellte fest, dass Arfka älter aussah als noch vor einigen Tontas. Tiefe Schatten lagen unter seinen Augen, und die Kerben in seinen Mundwinkeln waren schärfer geworden.

»Es mir schwer fällt, mich über alles hinwegzusetzen, was mir bisher wichtig war. Ich kannte nichts Höheres als meine Dienstordnung. Sie bestimmte, was ich zu tun hatte. Sie sagte mir stets, was richtig war, und sie hat es mir immer abgenommen, über Probleme nachzudenken, die ich vielleicht allein nicht hätte bewältigen können. Sehen Sie mein Verlangen, mich an der Disziplin, an dem Vorgeschriebenen zu orientieren, ruhig als Schwäche an. Ich bin damit gut gefahren. Es ist leichter, damit zu leben als mit der Freiheit, sich selbst zu kontrollieren und die anfallenden Probleme selbst zu bewältigen.«

»Dieses Mal stehen Sie vor einem Problem, das Sie mit der Dienstordnung allein nicht in befriedigender Weise lösen können.«

»Das ist richtig. Die Dienstordnung befiehlt mir, Sie dem Militärgericht zu übergeben. Das würde bedeuten, Sie dem sicheren Tode auszuliefern. Mein Verstand sagt mir, dass es richtiger ist, Sie laufen zu lassen. Es gelingt mir nicht mehr, mich mit der obersten militärischen und politischen Führung des Imperiums zu identifizieren.«

Trelgron verzichtete auf eine Antwort. Arfka seufzte. »Also gut. Ich schleuse Sie durch.«

Im Hangar stieg Trelgron in den Laderaum eines Gleiters. Arfka startete und verließ die ZTOPHART. Zentitontas später hörte ihn Trelgron fluchen. »Verdammt. Sie lassen uns nicht durch die Kontrollen. Sie untersuchen sämtliche Maschinen.«

Trelgron kämpfte gegen das Bedürfnis, das enge Verlies aufzusprengen und zu flüchten. Er wusste, dass das sinnlos gewesen wäre. Er hatte hoch gespielt – und verloren. Der Sonnenträger krümmte sich zusammen. Seine Augen weiteten sich. Im Stauraum des Gleiters war es so dunkel, dass er kaum etwas erkennen konnte. Schritte näherten sich der Maschine.

Arfka atmete schnell und nervös. »Seien Sie still. Rühren sie sich nicht, sonst ist es mit uns aus.« Trelgron versuchte, sich aus den Geräusche ein Bild zu machen. Ein Gleitermotor heulte auf. Jemand erteilte Befehle. »Die Kerle suchen jemanden.« Arfkas Stimme war klar und deutlich zu verstehen, wurde durch die Polster und die Trennwand zum Gepäckraum kaum gedämpft. »Achtung. Jetzt kommen sie zu uns. Still, Trelgron!«

Der Sonnenträger biss sich auf die Unterlippe und spürte, dass seine Hände feucht wurden. Sein Schicksal musste sich in den nächsten Zentitontas entscheiden.

»Was ist denn los hier?«, fragte Arfka mürrisch. »Was sollen diese verschärften Kontrollen?«

»Zeigen Sie mir Ihre Identifikationskarte«, antwortete eine kühle, abweisende Stimme. Trelgron hörte, wie Arfka sich unruhig auf seinem Sitz bewegte. »Sie sind der Kommandant der ZTOPHART?«

»Das bin ich«, antwortete Arfka.

»Sie können passieren.«

»Das wurde aber auch Zeit.« Das Fenster schloss sich.

Trelgron fühlte, dass Arfka beschleunigte und sagte nach einigen Zentitontas: »Wir haben verdammtes Glück gehabt.« Der Gleiter setzte auf. Das Summen des Motors erstarb. Arfka stieg aus und öffnete die Klappe zum Stauraum. »Steigen Sie aus.«

Trelgron kletterte aus dem Gepäckraum und sah sich flüchtig um.

»Sie haben es tatsächlich geschafft«, sagte Arfka. »Alles weitere liegt nun bei Ihnen.«