Perry Rhodan 109: Das Loch im Universum (Silberband) - H. G. Francis - E-Book

Perry Rhodan 109: Das Loch im Universum (Silberband) E-Book

H. G. Francis

5,0

Beschreibung

Anfang des Jahres 3587 an Bord der BASIS, des gewaltigsten Trägerraumschiffs, das je für die Menschheit gebaut wurde: Der einäugige Roboter Laire und Pankha-Skrin, höchster Würdenträger der Trümmerleute, sind Gegner und müssen doch Verbündete sein. Ihr Duell beginnt auf der BASIS und eskaliert auf einem bewohnten Planeten. Perry Rhodan erreicht dennoch mit dem Trägerschiff sein Ziel, die Kosmische Burg des Mächtigen Partoc. Aber humanoide Wesen, die sich Demonteure nennen, haben bereits mit der Bergung und dem Abtransport der Burg begonnen. Als das riesige Bauwerk aus seinem Versteck geholt werden soll, kommt es für Rhodan zur Katastrophe ...

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Nr. 109

Das Loch im Universum

Anfang des Jahres 3587 an Bord der BASIS, des gewaltigsten Trägerraumschiffs, das je für die Menschheit gebaut wurde: Der einäugige Roboter Laire und Pankha-Skrin, höchster Würdenträger der Trümmerleute, sind Gegner und müssen doch Verbündete sein. Ihr Duell beginnt auf der BASIS und eskaliert auf einem bewohnten Planeten.

1.

Für Verna Theran war der einäugige Roboter Laire ein geheimnisvolles Relikt aus einer unwirklich anmutenden Zeit. Er war uralt, und wahrscheinlich würde sie nie alle Geheimnisse klären können, die ihn umgaben.

Sie hatte Laire in der Nähe der Hauptzentrale getroffen und folgte ihm mit einigem Abstand. Sein Äußeres faszinierte sie. Der humanoide, zweieinhalb Meter große Roboter war aus flexiblem Metall gefertigt, das ihr geschmeidiger erschien als menschliches Zellmaterial. Sein linkes Auge war gewaltsam aus dem Schädel herausgebrochen worden. Die leere Augenhöhle wirkte ausgeglüht, und dazu passten seine verbrannten Fingerstummel.

Verna Theran arbeitete als Robotologin. Sie wusste mittlerweile, dass Loower Laires Auge vor sehr langer Zeit gestohlen hatten. Zweifellos war dafür eine starke Schmelzladung nötig gewesen. Die Vorstellung, dass Laire nach der Explosion mit beiden Händen in die fast glutflüssige leere Höhle hineingegriffen und dabei seine Finger verstümmelt hatte, faszinierte sie.

Was mochte der Roboter damals empfunden haben?

Spürte er den Verlust? Verna war davon überzeugt; Laire erschien ihr jedenfalls lebendiger als manches Lebewesen.

Vergeblich dachte sie darüber nach, ob sie ihn einfach ansprechen sollte. Laire befasste sich mit kosmischen Problemen, hatte sie gehört. Aber er redete mit niemandem darüber.

Er bewegte sich außerordentlich geschmeidig. Jeder Teil seines Körpers schien an dieser fließenden Bewegung teilzuhaben. Darin unterschied er sich grundlegend von allen anderen Robotern.

Verna war nicht die Einzige, die Laire beobachtete. Viele Besatzungsmitglieder schauten ihm mehr oder weniger offen hinterher.

Er ließ sich in einem Antigravschacht abwärts sinken. Als Verna ebenfalls in den Schacht sprang, schwebte der Roboter schon tief unter ihr, und als sie Augenblicke später auf demselben Deck wie er ausstieg, sah sie ihn gerade noch in einem breiten Gang verschwinden.

Nur wenige Menschen, vorwiegend Techniker, hielten sich in diesem Bereich auf. Verna fragte sich, was Laire hier wollte. Natürlich konnte er sich im Schiff ohne Einschränkung bewegen. Doch in diesem Sektor lagen nur Spezialwerkstätten für Reparaturen. In angegliederten Labors befassten sich Wissenschaftler mit Forschungsprojekten. Überwiegend Metallurgie.

Nach der nächsten Abzweigung war Laire verschwunden.

Der Korridor führte etwa vierzig Meter geradlinig weiter und endete an einem breiten Schott. Keine Tür zweigte vorher ab. Das Schott hätte sich keinesfalls in der Kürze der Zeit wieder schließen können, wäre Laire dort hindurchgegangen.

Erschrocken fuhr Verna zurück, als sich vor ihr ein Schatten aus dem Nichts heraus verdichtete. Gucky materialisierte. Der Mausbiber blickte sie mit großen Augen forschend an.

»Wieso folgst du Laire durch das halbe Schiff?«

Verna fürchtete, dass Gucky ihre Gedanken lesen und damit an ihrer ureigenen Welt teilhaben würde, die jedoch niemanden etwas anging.

»Ist es verboten, dass ich mich mit Laire befasse?«, fragte sie. »Ich will nur Galto Quohlfahrt beweisen, dass ich auf seinem Gebiet ebenfalls ernst zu nehmende Forschungsarbeit leisten kann.«

Gucky entblößte seinen Nagezahn. »Du willst dieser Knallrübe imponieren?«, fragte er schrill. »Der ist doch nicht in der Lage, ernsthaft zu arbeiten. Aber das interessiert mich gar nicht. Ich möchte wissen, warum ich deine Gedanken nicht erfassen kann.«

»Das kannst du nicht?«, fragte Verna verblüfft. »Aber du bist doch Telepath.«

»Eben. Und du bist nicht mentalstabilisiert.«

»Woher weißt du dann, dass ich mich mit Laire befasse?«

Mit zwei Fingern rieb Gucky sich über seinen Nagezahn. »Sagen wir einfach: Manches an ihm interessiert mich ebenfalls.«

Vernas Unruhe legte sich. »Als Robotologin möchte ich so viel wie möglich über Laire herausfinden.«

»Von Laire möchten viele mehr wissen. Die Frage ist nur, wie er reagieren wird, wenn du ihm ständig an den Hacken klebst.«

»Bei passender Gelegenheit werde ich ihn ansprechen und fragen, ob er einverstanden ist.«

»Na, dann viel Spaß«, sagte Gucky und teleportierte.

Vergeblich suchte Verna die Räume ab, die sich an den Korridor anschlossen. Sie fand keine Antwort darauf, wohin Laire verschwunden sein konnte.

»Wieso verschwand er plötzlich?«, fragte Verna Theran. »Wie hat er das gemacht und vor allem: warum?«

Galto Quohlfahrt saß ihr gegenüber. Ein verwirrtes Lächeln umfloss seine Lippen.

»Gibt es für eine junge Frau wie dich nicht tausend andere Beschäftigungsmöglichkeiten?«, entgegnete er. »Musst du dich ausgerechnet mit Laire befassen?«

»Ich muss.« Verna Theran saß mit dem Robotologen in einem winzigen Kaffeeausschank, in dem eine Robotbedienung die Illusion persönlicher Betreuung vermittelte. »Würdest du das endlich akzeptieren?«

»Na schön.« Quohlfahrt seufzte sauertöpfisch. »Aber viel Freude wirst du mit Laire nicht haben. Er befindet sich nicht gerade in bester Stimmung.«

»Laire dürfte kaum Stimmungen unterworfen sein.«

»Die BASIS fliegt zur Kosmischen Burg des Mächtigen Partoc.« Der Olliwyner nippte nur an seinem Kaffee. »Das entspricht ganz und gar nicht Laires Wünschen. Er will ins Solsystem. Schließlich ist er überzeugt davon, dass sich dort sein Auge befindet.«

»Falls es noch so ist.«

»Laire geht davon aus, dass die Loower es haben.«

Verna trank ihren Kaffee aus. »Auf die Loower ist Laire nicht gut zu sprechen. Es stimmt wohl, dass Laire deshalb schon mit Pankha-Skrin aneinandergeraten ist?«

»Rhodan hat beide sofort wieder getrennt«, erwiderte Quohlfahrt. »Andernfalls wäre Laire dem Quellmeister wohl an die Kehle gegangen.«

»Soviel ich weiß, ist Perry Rhodan nicht bereit, schon jetzt in die Milchstraße zurückzukehren. Er will zunächst alle sieben Kosmischen Burgen aufsuchen und die Zusatzteile für das Auge einsammeln.«

»Richtig«, bestätigte Quohlfahrt und ließ ein Bestellholo aufleuchten. Sein Blick pendelte zwischen den abgebildeten Tortenstücken und der Frau. »Rhodan will den Schlüssel vervollständigen, mit dem die Materiequelle durchquert werden kann.«

»Und daran ist Laire nicht unbedingt interessiert? Er kann die Materiequelle passieren, sobald er sein Auge wiederhat.« Verna schürzte die Lippen. »Wenn ich richtig verstanden habe, kann jemand von jenseits der Materiequelle allein mithilfe des Auges durch die Quelle gehen. Jemand von diesseits der Quelle braucht aber die Zusatzteile für die Passage.«

»Die Zusatzteile und das Auge«, bestätigte Quohlfahrt.

»Dann ist mir so ziemlich alles klar. Ich begreife nur nicht, warum Laire sich derart seltsam verhält.«

»Vielleicht bildest du dir das nur ein.«

»Ich werde dir beweisen, dass mit Laire etwas nicht stimmt«, protestierte die Frau. »Hoffentlich ist er dann nicht schon zur Gefahr für das ganze Schiff geworden.«

Quohlfahrt lachte schallend. Er lachte auch noch, als sie sich erhob und grußlos davoneilte.

Verna ärgerte sich maßlos über Quohlfahrt. Seine Worte hatten sie verletzt. Was konnte er dagegen einzuwenden haben, dass sie sich mit Laire befasste? War der einäugige Roboter ein Forschungsobjekt für ihn und er wollte keine Konkurrenz?

Nun gerade!, dachte sie und ging zum nächsten Antigravschacht.

Die Nachtperiode war angebrochen, als sie die Stelle erreichte, an der sie Laire aus den Augen verloren hatte. Im Schiff wurde es ruhig.

Verna öffnete das Schott am Ende des Korridors. Dahinter lagen zahlreiche Werkstätten. Sie standen jedem zur Verfügung, der sie benutzen wollte, doch nirgendwo wurde momentan gearbeitet. Die positronische Steuerung gewährleistete, dass niemand Schaden anrichten konnte.

Verna betrat eine Werkstatt für optische Geräte und schaute sich um. Die Frage, ob sie besser doch einen offiziellen Forschungsantrag an die Schiffsführung stellen sollte, drängte sich wieder in den Vordergrund ihrer Überlegungen. Aber schon Sekunden später vernahm sie ein eigenartiges Scharren. Lautlos huschte sie in die Richtung, aus der das Geräusch erklang, und sah gerade noch, dass Laire aus einer Öffnung in der Decke herabglitt. Wie ein Schatten schwebte er zu Boden und eilte davon.

Als Verna ebenfalls die Werkstatt verließ, war Laire schon weit vor ihr und bog gerade in einen Seitengang ein. Die junge Wissenschaftlerin folgte ihm. Erst an der Abzweigung wurde sie wieder vorsichtiger.

Laire stand nur noch etwa dreißig Meter von ihr entfernt im Schatten einer Trennwand. Verna hatte Mühe, ihn überhaupt zu entdecken.

Sie wartete. Laires Verhalten irritierte sie.

Nach nicht einmal einer Minute erschienen Perry Rhodan und Atlan am Ende des Korridors. Verna sah, dass der Arkonide Rhodan etwas zeigte. Rhodan nahm es in die Hand, betrachtete es sekundenlang und reichte es dem Weißhaarigen lächelnd zurück. Sie gingen weiter.

Unmittelbar darauf löste Laire sich aus seinem Versteck und schob sich bis zur Gangecke vor. Nach einem Blick um die Ecke zog er sich sofort wieder zurück. Verna schloss aus seinem Verhalten, dass Rhodan und Atlan erneut stehen geblieben waren und dass Laire nicht gesehen werden wollte.

Etwa fünf Minuten lang stand Laire völlig unbeweglich. Die Robotologin spielte schon mit dem Gedanken, ihn aufzuscheuchen, als er endlich den Gang verließ und sich in die gleiche Richtung wie die beiden Aktivatorträger entfernte.

Verna folgte dem Roboter, bis sie ihn im Eingang einer Werkstatt sah. Rhodan und Atlan näherten sich ihm jetzt, aber Laire bot sich keine Versteckmöglichkeit.

Rhodan blieb stehen. An seinem Mienenspiel erkannte Verna, dass er nicht erwartet hatte, den Roboter zu treffen.

»Laire, kann ich etwas für dich tun?« Der Terraner klang überrascht.

»Danke, aber das ist nicht nötig«, antwortete der einäugige Roboter. »Ich will nur einige Reparaturen vornehmen, doch bis jetzt habe ich nicht den Eindruck, dass die notwendigen Voraussetzungen gegeben sind.«

Er wandte sich zum Gehen, und die beiden Männer schlossen sich ihm an. Verna hörte, dass Laire etwas über metallurgische Grundwerte sagte, aber sie verstand nicht, worüber er redete.

Als alle drei aus ihrer Sicht verschwunden waren, betrat sie die Werkstatt.

Verna fragte sich, was Laire hier wirklich getan hatte. Sie war davon überzeugt, dass er nur eine Ausflucht gebraucht hatte. Dabei überraschte sie nicht sonderlich, dass Laire in der Lage war, von der Wahrheit abzuweichen.

Hatte er etwas getan, was unter Umständen die BASIS gefährden konnte? Sie untersuchte jede Apparatur in der Hoffnung, etwas zu finden, was ihr eine Antwort gab. Aber Laire hatte keine Spuren hinterlassen, die ihr weiterhalfen.

Gerade deshalb war Verna mehr denn je davon überzeugt, dass sie sich mit Laire befassen musste.

Die Robotologin suchte die Nähe der Hauptzentrale, wobei sie sich unter die Spezialisten und Wissenschaftler mischte, die in diesem Bereich zu tun hatten.

Beinahe zwanzig Stunden dauerte es, bis Laire wieder auftauchte. Gefolgt von dem Ka-zwo Augustus kam er aus einem der Antigravschächte. Bevor Verna ihn aufhalten konnte, betrat er die Hauptzentrale.

Abermals vergingen Stunden, bis sich eine neue Chance bot.

Augustus kam plötzlich auf die Robotologin zu. Sie stellte sich ihm in den Weg, als er vorübergehen wollte.

»Ich muss Laire sprechen! Bitte informiere ihn.«

»Laire ist für niemanden zu sprechen.«

»Auch nicht für Rhodan oder Atlan?«

»Sie sind Ausnahmen.«

»Es ist wichtig.«

»Unmöglich«, erklärte Augustus und ging weiter.

Enttäuscht blickte Verna ihm nach. Sie war so müde, dass ihr schon die Augen zufielen. Ihre Beine wurden schwer wie Blei. Eigentlich verrückt, dass sie sich so hartnäckig an den Gedanken geklammert hatte, Laire zu befragen.

»Was ist los mit dir?«, fragte eine helle Stimme.

Müde wandte sie sich um. Gucky stand da und musterte sie nachdenklich.

»Mädchen, du siehst elend aus. Du gehörst ins Bett.«

»Das weiß ich selbst«, entgegnete sie ungewollt heftig.

»Dann ist es ja gut«, bemerkte der Mausbiber und watschelte davon.

»Und warum gehen Sie nicht ins Bett?«, fragte eine andere Stimme.

Verna fuhr wie elektrisiert herum. Atlan stand vor ihr. Er musterte sie mit seinen roten Augen, die freundlich wirkten, sie aber bis ins Innerste zu durchleuchten schienen. Ihre Müdigkeit war schlagartig wie weggewischt.

»Weil ich ...«, begann sie, stockte dann aber.

»Weil Sie auf Laire warten. Warum so umständlich?« Atlan deutete auf ihr Kombiarmband. »Sie brauchen sich nur nach dem Kode zu erkundigen. Wir würden Sie ständig informieren, wo Sie Laire finden. Als Wissenschaftlerin sollten Sie überlegter vorgehen.«

»Sie wissen, dass ich mir vorgenommen habe, Laire zu erforschen?«

»Gucky hat es mir gesagt.«

»Sie haben keine Einwände?«

Der Arkonide schien erstaunt zu sein. »Je mehr wir über den Einäugigen wissen, desto besser. Er selbst sollte jedoch einverstanden sein.«

Verna dachte daran, dass Laire sich vor Rhodan und Atlan verborgen hatte. Dafür musste es einen Grund geben. Allerdings wäre es verfrüht gewesen, Atlan über das zu informieren, was sie gesehen hatte.

»Ich habe mit Augustus gesprochen und von ihm erfahren, dass Laire für niemanden zu sprechen ist.«

Atlan schien überrascht zu sein. »Bleiben Sie trotzdem dran«, empfahl er ihr. »Lassen Sie sich den Informationskode geben und beobachten Sie weiter. Wir haben nichts dagegen, wenn Sie sich direkt an Laire wenden. Zunächst jedoch würde ich an Ihrer Stelle aus der Distanz arbeiten.«

»Das habe ich vor.« Verna hatte nicht damit gerechnet, dass der Arkonide ihrer Arbeit so positiv gegenüberstehen würde. Er reagierte völlig anders als Quohlfahrt. »Ich werde Sie informieren, falls Sie das möchten«, versprach sie.

»Ich würde mich sogar freuen.« Atlan nickte ihr freundlich zu und ging weiter.

Verna aktivierte ihr Armband und ließ sich den InformationsKode für Laire geben. Erleichtert und zufrieden zog sie sich in ihre Kabine zurück, um zu schlafen.

Am nächsten Morgen rief Verna Theran sofort die Laire-Information ab. Sie erfuhr, dass sich der Roboter wieder in der Werkstatt aufhielt, in der sie ihn schon beobachtet hatte.

Verna erledigte ihre Morgentoilette in aller Eile, versorgte sich zwischendurch mit Kaffee und aß erst einen Bissen, als sie ihre Kabine verließ. Dennoch schien es, als sei sie zu spät gekommen. Sie war noch mehrere Decks entfernt, da verließ Laire die Werkstatt wieder.

Die Robotologin betrat die Räume dennoch.

Mehrere Metallbearbeitungsgeräte waren eingeschaltet. Ein flackerndes Warnlicht zeigte an, dass die Temperatur in einem Schmelzofen in den kritischen Bereich stieg. Offenbar versuchte Laire, eine Legierung herzustellen, die unter den gegebenen Bedingungen gar nicht zustande kommen konnte.

Verna prüfte die technischen Angaben des Ofens und nahm die nötigen Korrekturschaltungen vor. Sie war gerade noch rechtzeitig gekommen, dass sie eine Explosion verhindern konnte. Kurz darauf fielen alle Messwerte in den Normbereich zurück.

Dass ausgerechnet Laire bei der Metallbearbeitung einen Fehler gemacht hatte, irritierte die Wissenschaftlerin. Sie fragte seinen neuen Aufenthaltsort ab. Einen triftigeren Grund, als ihn auf den Fehler hinzuweisen, würde sie kaum erhalten.

Verna verließ die Werkstatt wieder. Nach einigen Metern hielt sie jedoch inne. Sie nahm als selbstverständlich an, dass Laire die Werkstatt nicht nur betreten, sondern auch an den Maschinen gearbeitet hatte. Dabei hatte sie keinen einzigen Beweis dafür. Es war besser, wenn sie sich noch einmal umschaute.

Eine dumpfe Explosion erschütterte den Gang. Nur wenige Meter vor Verna brach die Wand auf. Eine heftige Druckwelle erfasste die Robotologin und wirbelte sie meterweit durch die Luft. Verna versuchte noch, den Sturz abzufangen, aber sie schlug mit dem Kopf auf und verlor das Bewusstsein.

Dichter Qualm erfüllte den Gang. Im Hintergrund loderte Glut. Verna registrierte, dass Hände aus Metall nach ihr griffen und sie hochhoben, dann setzte ihre Wahrnehmung erneut aus.

Sie erwachte in einer Medostation. Eine freundliche Stimme teilte ihr mit, dass sie aufstehen durfte.

»Danke«, murmelte Verna und lächelte dem Medoroboter zu.

Im Empfangsbereich wurde sie bereits erwartet. Ein hochgewachsener und schlanker Mann trat auf sie zu. »Ich freue mich, dass Sie unverletzt geblieben sind, Verna«, sagte er. »Sie hatten Glück.«

»Was ist da überhaupt explodiert?«, fragte sie. »Ich kann mir nicht vorstellen ...«

»Mein Name ist Gorman«, unterbrach er. »Hank Gorman. Ich bin Sicherheitsbeauftragter und will herausfinden, was geschehen ist. Bislang wissen wir nur, dass ein Schmelzofen explodiert ist, in dem versucht wurde, eine exotische Legierung herzustellen.«

»Laire war vor mir in dieser Werkstatt. Nur er kann an dem Ofen hantiert haben.«

»Er war in der Werkstatt, aber er sagt, dass er den Ofen nicht in Betrieb genommen hat.«

Verna blickte ihr Gegenüber verständnislos an. »Der Ofen war falsch eingestellt, seine Überlastung wurde signalisiert. Ich habe Korrekturen vorgenommen, aber das war wohl falsch.«

Gorman bat sie, ihm genau zu schildern, was sie unternommen hatte. Schließlich nickte er zufrieden.

»Ich glaube, ich weiß Bescheid.«

»Aber ich nicht.« Die Robotologin seufzte ergeben. »Ich habe keine Ahnung.«

»Sie haben die Betriebsanleitung nicht richtig interpretiert. Deshalb kam es zu dem Unfall.«

»Ich habe genau das getan, was vorgeschrieben war!«, rief die Frau erregt.

»Niemand macht Ihnen einen Vorwurf, Verna. Der Schaden wird behoben, und damit ist die Sache für Sie erledigt.«

Gorman verabschiedete sich mit einem Nicken. Ärgerlich die Lippen zusammengepresst, schaute Verna ihm nach. Sie war mit dem Ende des Gesprächs überhaupt nicht zufrieden. Der Sicherheitsbeauftragte gab ihr die Schuld an der Explosion. Dabei wusste sie, dass sie alles richtig gemacht hatte.

Nur einer konnte für die Explosion verantwortlich sein: Laire.

Verna nahm sich vor, mit einem Metallurgen zu sprechen. Sie musste sich über den Schmelzofen informieren, um zu klären, was wirklich geschehen war. Sie wollte Gewissheit, ob sie die Explosion ausgelöst hatte oder ob der Ofen ebenso explodiert wäre, wenn sie nicht eingegriffen hätte.

Ein ungeheuerlicher Verdacht stieg in ihr auf. Plötzlich hatte sie das Gefühl, dass es auf jede Minute ankam.

Garrett Lesterham schüttelte den Kopf. »Normalerweise kann so ein Schmelzofen gar nicht explodieren«, erklärte er, wobei er Verna Theran durchdringend anblickte.

»Was wollen Sie damit sagen?«, fragte sie den Metallurgen. »Glauben Sie, ich hätte die Explosion mutwillig ausgelöst? Erstens verstehe ich zu wenig von diesen Öfen. Zweitens wäre ich dann kaum zu Ihnen gekommen.«

»Das wundert mich eben«, erwiderte Lesterham. »Es ist jedoch eine Tatsache, dass die Öfen dieses Typs positronisch abgesichert sind. Wollen Sie Laire unterstellen, dass er ein Attentat auf die Werkstatt verübt hat?«

»Das wäre absurd. Dennoch muss es einen Grund für den Vorfall geben, und den will ich herausfinden. Ich bin der Ansicht, dass dabei weit mehr aufgedeckt wird, als wir jetzt annehmen.«

Lesterham zuckte mit den Schultern und bequemte sich endlich, ihr die erbetene Beschreibung zu geben. Dabei stellte sich heraus, dass erhebliche Widersprüche bestanden. Verna war bald klar, dass jemand den Ofen und die Bedienungselemente manipuliert hatte. Daraus ergab sich, dass sie in der Tat die Explosion ausgelöst hatte, eben wegen der vorgenommenen Korrekturen.

»Das wäre jedem passiert«, stellte Lesterham fest. »Sie brauchen sich keine Vorwürfe zu machen.«

Das hatte sie schon einmal gehört. Solche Phrasen halfen ihr aber nicht, damit fertig zu werden.

Sie hatte Lesterhams Labor kaum verlassen, da sprach ihr Kombiarmband an. Das Konterfei einer jungen Frau aus der Informationsabteilung entstand.

»Ich habe eine Einladung für dich, Verna. Der Loower Pankha-Skrin möchte mit dir reden.«

»Mit mir?«, fragte die Robotologin verblüfft. »Das dürfte wohl ein Irrtum sein.«

»Mir liegt der Auftrag vor, dich zu verständigen. Ich weiß auch nicht, warum, aber der Quellmeister wird schon einen Grund haben.«

»Scheint so. Na schön. Ich lasse mich überraschen.«

Verna begab sich danach nicht sofort zu dem Loower, sondern suchte eine Messe auf, um eine Tasse Kaffee zu trinken. Sie wusste nicht viel über Pankha-Skrin. Eigentlich nur, dass er dem Volk angehörte, das vor mehr als einer Million Jahren Laires linkes Auge entwendet hatte.

»Was ist los mit dir, Verna?« Galto Quohlfahrt setzte sich ihr gegenüber an den Tisch und orderte ebenfalls eine Tasse Kaffee. »Ich habe gehört, dass du einen Unfall hattest. Du siehst gut aus wie immer.« In seiner Stimme schwang Besorgnis mit.

»Alles ist halb so schlimm.« Verna lächelte beschwichtigend. »Mir bereiten andere Dinge Kopfzerbrechen.«

»Zum Beispiel?«

»... dass Pankha-Skrin mich zu einem Gespräch in seine Kabine eingeladen hat.«

»Und weshalb bist du noch nicht bei ihm?«

»Weil ich nicht einmal weiß, was ich bei ihm soll.«

Quohlfahrt grinste anzüglich. »Verna, Mädchen. Wieso willst du unbedingt vorher begreifen, worum es geht? Sprich erst mit ihm. Außerdem kann ich dir einen Tipp geben.«

»Ja?«, fragte sie überrascht. Doch dann glaubte sie, dass er sie auf den Arm nehmen wollte. Ihr Gesicht verdunkelte sich.

»Es ist nicht gerade Bordgespräch, aber einigen bekannt, dass Pankha-Skrin und Laire sich nicht grün sind.« Quohlfahrt schlürfte den Kaffee. »Laire hat in dem Loower einen Angehörigen des Volkes erkannt, das sein Auge geklaut hat.«

»Das weiß ich bereits.«

»Rhodan hat die beiden ganz schnell wieder voneinander getrennt, weil er das Gefühl hatte, Laire könnte über Pankha-Skrin herfallen. Inzwischen habe ich erfahren, dass der Loower sich in der Werkstatt aufgehalten hat, in deren Nähe du verunglückt bist.«

»Willst du damit andeuten, dass Laire einen Anschlag auf den Loower versucht hat?« Verna riss die Augen weit auf.

»Auf keinen Fall. Ich komme gerade aus der Hauptzentrale. Für Rhodan ist ausgeschlossen, dass Laire einen Anschlag verübt hat. Es steht fest, dass der Unfall von dir ausgelöst wurde, weil du ein Gerät falsch bedient hast. – Geh zu Pankha-Skrin und rede mit ihm! Ich verstehe nicht, weshalb du zögerst.«

»Das verstehe ich selbst nicht«, gab Verna zu. »Ich wollte mir erst über gewisse Dinge klar werden, glaube ich.«

Pankha-Skrin war allein in einer Aura aus orangefarbenem Licht.

Verna Theran hatte ihn einige Male im Informationsprogramm gesehen und stets den Eindruck gehabt, dass er größer sei. Nun stellte sie überrascht fest, dass er nur etwa einen Meter sechzig groß war. Er faltete die Stutzflügel vor dem Körper zusammen, fuhr beide Stielaugen aus und blickte sie prüfend an.

»Du hast mich lange warten lassen.« Was er sagte, wurde von einem Translator übersetzt.

»Ich habe mich bemüht, schnell zu kommen«, erwiderte Verna zögernd.

»Mir wurde von deinem Unglück berichtet. Warum ist der Ofen explodiert?«

Die Frau fühlte sich unbehaglich. Sie blickte sich nach einer Sitzgelegenheit um, da der Loower ihr jedoch keinen Platz anbot, blieb sie stehen.

»Ich dachte, das könntest du mir sagen.« Sie wusste inzwischen, warum sie nicht sofort zu ihm gegangen war. Mit Robotern konnte sie umgehen, deren Verhalten konnte sie beurteilen und vorausberechnen. Mit einer so fremdartigen Intelligenz wie dem Quellmeister wusste sie nichts anzufangen. Sie verstand nichts von der Mentalität der Loower und wusste nicht, wie Pankha-Skrin dachte. Kosmopsychologie hatte sie nie interessiert.

»Ich habe an dem Ofen gearbeitet«, erklärte Pankha-Skrin überraschend.

»Dann hast du die Veränderungen vorgenommen?«

»Sie waren nötig. Ich wollte eine neunfach gehärtete Schale herstellen, die ich benötige, um über bestimmte Dinge nachzudenken.«

»Worüber willst du nachdenken?«

»Das geht nur mich etwas an.«

Verna Theran schloss aus der Antwort, dass Pankha-Skrin religiöse Meditationen meinte.

»Ich musste die Einstellung des Ofens verändern, mir blieb gar nichts anderes übrig«, fuhr der Loower fort.

Verna wäre am liebsten sofort wieder gegangen. Aber Pankha-Skrin schwieg und machte keine Anstalten, sie zu verabschieden.

»Sicherlich ist es kein Zufall, dass Laire diese Werkstatt ebenfalls aufgesucht hat«, sagte sie nach einigen Minuten, die ihr endlos lang erschienen waren. »Wollte der Roboter dich dort treffen?«

Pankha-Skrins Stielaugen fuhren hoch. Er breitete die Hautschwingen aus.

»Laire war dort?«, rief er. »Das hat mir niemand gesagt.«

»Wolltest du, dass der Ofen explodiert? Sollte er gar zu einem Zeitpunkt explodieren, an dem Laire in der Werkstatt war?«

»Unsinn«, erwiderte der Loower heftig und trat einen Schritt auf die Frau zu; Verna wich ebenso hastig vor ihm zurück. »Ich wusste nicht, dass Laire ebenfalls dorthin kommen würde. Und ich habe die Einstellung am Ofen verändert, weil ich die benötigten Legierungen mit den entsprechenden Härtegraden anders nicht herstellen kann.«

»Was wäre passiert, wenn Laire von glutflüssigem Metall überschüttet worden wäre?«

»Das wäre entsetzlich gewesen.«

Verna hatte nicht das Gefühl, dass Pankha-Skrin die Wahrheit sagte. Doch sie wollte ebenso wenig glauben, dass er einen Anschlag auf den einäugigen Roboter versucht hatte. Trotzdem tastete sie sich in dieser Richtung vor.

»Ich habe gehört, dass du mit Laire Streit hattest. Er sieht in dir einen Dieb seines Auges.«

»Es ist besser, wir beenden das Gespräch!«

»Ich weiß immer noch nicht, warum du mich gerufen hast«, fasste Verna nach.

»Ich wollte ein Missverständnis aufklären, aber daran ist dir nicht gelegen. Daher ist es besser, wenn du jetzt gehst.«

Wortlos verließ Verna den Raum. Nichts hatte sich für sie geklärt, die Vorgänge erschienen ihr rätselhafter als zuvor.

Sie wollte versuchen, mit Laire zu reden. Deshalb forderte sie umfassende Informationen an. Das kleine Holo verriet ihr, dass solche Informationen nicht vorhanden waren. Sie gab den AufenthaltsKode ein und wurde ebenfalls enttäuscht: Entsprechende Daten lagen nicht vor.

Verna brauchte einige Zeit, bis sie verstand. Der Roboter hatte den Kode unwirksam gemacht oder jemanden veranlasst, ihn aufzuheben.

Sie tippte Atlans Daten ein. Etwa eine Minute verstrich, dann meldete sich der Arkonide. Er schien überrascht zu sein, sie zu sehen.

»Ich habe versucht, Laire mithilfe des Kodes zu finden«, sagte Verna. »Leider ohne Erfolg.«

»Laire hat gebeten, für einige Zeit in Ruhe gelassen zu werden. Er behauptet, nachdenken zu müssen.«

»Dazu benötigt ein Roboter seiner Klasse nur Sekunden.«

»Natürlich. Dennoch respektieren wir seinen Wunsch. Wir dürfen ihn nicht mit anderen Robotern vergleichen. Wenn er eine Ruhepause von uns verlangt, dann müssen wir sie ihm geben.«

»Gilt das auch für mich?«

Atlan lächelte. »Ihre letzte Frage habe ich nicht verstanden. Sicherlich war sie nicht so wichtig. Es hat mich gefreut, dass Sie sich an mich gewendet haben, Verna. Wenn Sie abermals Fragen haben, stehe ich Ihnen selbstverständlich wieder zur Verfügung.«

Er schaltete ab.

Seine letzten Worte waren der Robotologin Ansporn. Sie hatten nach einer gewissen Rückendeckung geklungen.

Verna Theran glaubte nicht, dass Laire sich wirklich zu einer Denkpause zurückgezogen hatte. Sogar in der Hauptzentrale hätte er ungestört sein können, wenn er wollte; er brauchte nur seine Wahrnehmungssysteme abzuschalten.

Sie war davon überzeugt, dass der Einäugige vielmehr im Verborgenen an einem Ziel arbeitete, das er schon lange verfolgte. Daher kehrte sie zu der Werkstatt zurück, in der Roboter und Techniker die Schäden beseitigten.

»Haben Sie Laire gesehen?«, fragte sie einen Techniker, der ein Sicherheitsschott montierte.

»Fragen Sie da drüben. Irgendwer hat von dem Roboter gesprochen.« Er zeigte auf eine Frau, die den Bautrupp leitete. Verna ging hinüber.

»Ich suche Laire. Haben Sie ihn gesehen?«

»Er war hier«, antwortete die Bauleiterin mürrisch. »Ich glaube, er wollte zu den Molekularverdichtern.«

Verna war froh, wenigstens diesen Anhaltspunkt zu haben. Sie wusste, was mit Molekularverdichtern gemeint war, und für einen Moment erwog sie, Atlan um Unterstützung zu ersuchen. Die betreffenden Labors und das Kleinkraftwerk der Forschungsabteilung waren mit SonderKodes gesichert.

Sie war überzeugt, dass Laire in diesen Labors arbeitete. Er hatte allem Anschein nach etwas zu erledigen, was er vor seinem Verbündeten Perry Rhodan geheim halten wollte.

Verna tippte den PlanzeichnungsKode in ihr Armband. Ein Grundriss erschien in dem winzigen Holobild. Die Frau tippte den Bereich an, der sie besonders interessierte, und erhielt davon eine brauchbare Vergrößerung. Haarfeine Linien kennzeichneten Versorgungsschächte, die Be- und Entlüftung und ebenso statische Verstärkungen.

Aus einem geöffneten Labor in der Nähe besorgte sie sich einen Magnetschlüssel. Damit entfernte sie eine Platte der Wandverkleidung und legte einen Versorgungsschacht frei, in dem mehrere Rohre aufstiegen. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass sie nicht beobachtet wurde, stieg sie an den Röhren bis zur Decke hoch, in der ein weiterer Schacht waagerecht verlief. Sie beugte sich nach unten und zog die abgelöste Platte wieder an die Halterungen heran, danach schob sie sich vorsichtig in den anderen Schacht hinein.

Nirgendwo gab es hinderliche Absicherungen. Obwohl Verna fürchtete, dass Laire seine geheimnisvolle Tätigkeit beenden würde, bevor sie ihr Ziel erreichte, ließ sie sich Zeit. Sie wollte jedes verräterische Geräusch vermeiden.

Einige Meter weiter mündeten Rohre von der Seite her ein. Es wurde eng. Verna dachte nicht darüber nach, ob sie auf dem gleichen Weg überhaupt zurückgelangen konnte. Irgendwie würde sie das schon schaffen.

Nach einiger Zeit hörte sie ein eigenartiges Zischen. Kurz darauf erkannte sie an der wachsenden Geräuschkulisse, dass sie sich ziemlich genau über Laire befand.

Sie tastete die Deckenverkleidung ab, bis sie einen der Magnetverschlüsse fand und sie die nächste Platte leicht wegdrücken konnte. Angespannt spähte sie durch den entstandenen Spalt nach unten. Ein dunkelbrauner Körper bewegte sich unter ihr; mehr konnte sie in dem kleinen Ausschnitt nicht erkennen.

Würde Laire sie töten, sobald er bemerkte, dass sie ihn heimlich beobachtete? Die Robotologin machte sich seine Verhaltensweisen der letzten beiden Tage bewusst. Danach stand für sie fest, dass sie eine derartige Bedrohung nicht ausschließen durfte. Sie musste davon ausgehen, dass Laire sie töten würde, sobald er es für notwendig ansah.

Ihre Muskeln verkrampften sich allmählich. Zentimeter für Zentimeter kroch sie rückwärts, bis sie eine tragende Wand unter sich wusste. Einige Minuten verstrichen, bis sich ihr Atem beruhigt hatte und ihr Herz wieder regelmäßig schlug.

Verna öffnete einen Magnetverschluss wenige Zentimeter vor ihrem Kopf und schaute erneut suchend nach unten. Laire hatte nichts bemerkt. Er stand etwa fünf Meter von ihr entfernt an einer Hightech-Werkbank und arbeitete an einer kleinen Metallschale. Sie durchmaß höchstens eine Handspanne und bestand offenbar aus dem gleichen exotischen Material wie Laire auch.

Hatte Pankha-Skrin nicht von einer Schale gesprochen? Die Robotologin war wie elektrisiert. Möglicherweise hatte Laire dem Loower die neunfach gehärtete Schale abgenommen, um sie für eigene Zwecke zu verwenden. Oder gar, um den Quellmeister an Meditationsübungen zu hindern?

Verna verrenkte sich, um mehr zu sehen.

Der einäugige Roboter arbeitete mit einem Desintegrator an der Schale. Mithilfe dieses die Materialstruktur auflösenden Werkzeugs glättete er die Kanten und gab ihnen eine eigenartig unregelmäßige Form. Damit glich die Schale immer weniger einer Halbkugel.

Die Robotologin konnte sich nicht erklären, welche Bedeutung die Schale hatte. Weshalb versteckte Laire sich vor Rhodan, während er an dem Objekt arbeitete?

2.

Verna Therans Kabinenservo meldete einen Anruf.

»Würde es Ihnen etwas ausmachen, in die Hauptmesse zu kommen?«, fragte Atlan über Interkom.

»Natürlich nicht«, erwiderte die Robotologin.

»Dann warte ich auf Sie.«

Die Robotologin war ebenso überrascht wie erfreut. Sie hatte ohnehin das Bedürfnis, mit Atlan über ihre Beobachtungen zu reden. Sie hoffte, dass er ihr mit einigen Auskünften helfen konnte.

Als sie die Messe betrat, saß Atlan mit Rhodan und einigen anderen Aktivatorträgern am Tisch. Der Arkonide erhob sich, als er sie bemerkte, und kam ihr entgegen. Er führte sie zu einem freien Tisch. Verna war erleichtert darüber, dass sie mit ihm allein reden konnte.

»Wenn Sie es wollen, können wir auch zu den anderen gehen«, sagte Atlan. »Perry interessiert sich bestimmt für das Problem. Bis jetzt weiß er nichts davon, aber wir können ihn informieren.«

Die Robotologin stutzte. Der Arkonide hatte von einem Problem gesprochen. Wusste er mehr, als sie ahnte?

»Warum haben Sie mich gerufen, Atlan?«, wollte sie wissen.

Er blickte plötzlich starr an ihr vorbei. Unwillkürlich drehte Verna sich um, weil sie sehen wollte, was ihr Gegenüber so interessierte.

Laire hatte soeben die Messe betreten, und der Ka-zwo Augustus folgte ihm wie ein Schatten. Der einäugige Roboter ging zu Rhodan und setzte sich mit an den Tisch, als er dazu aufgefordert wurde.

»Laire war verschwunden. Aber das wissen Sie ja«, sagte der Arkonide zu Verna. »Augustus hat sich vor einiger Zeit Informationen über die Loower geben lassen.«

»Ist das ungewöhnlich?«

»Eigentlich nicht. Dennoch hat mich etwas stutzig gemacht. Sie beobachten Laire seit einiger Zeit. Haben Sie festgestellt, dass er sich auf einen Kampf vorbereitet?«

Verna Theran war so überrascht, dass sie zunächst keine Antwort auf diese Frage fand. Sie schilderte Atlan, was sie beobachtet hatte. »Ich bin überzeugt davon, dass diese Schale nicht das Geringste mit einer Waffe zu tun hat«, schloss sie ihren Bericht. »Was immer sie bedeuten mag, eine Waffe ist sie bestimmt nicht.«

»Eine Schale ...«, wiederholte Atlan, und seine rötlichen Augen blickten sinnend ins Leere. »Vielleicht sollte ich Laire fragen.«

»Warum warten Sie nicht ab?«

»Weil ich ein Unheil verhindern möchte. Seien Sie vorsichtig, Verna. Es war nicht besonders geschickt von Ihnen, Laire auf diese Weise zu beobachten.«

»Das habe ich mir später auch gesagt.« Die junge Frau lächelte entschuldigend. »Andererseits hätte ich die Schale sonst kaum gesehen.«

»Wer weiß ...«

Atlan verstummte, denn in dem Moment kam Pankha-Skrin. Der Loower ging ebenfalls zu Rhodans Tisch. Ohne zu zögern, setzte er sich in den freien Sessel neben Laire.

»Kampfvorbereitungen?«, fragte Verna Theran. »Sehen Sie sich die beiden an. Ich glaube nicht, dass einer von ihnen vorhat, gegen den anderen vorzugehen.«

Atlan schwieg. Laire, Rhodan und der Quellmeister redeten lebhaft miteinander. Verna verstand nicht, worüber sie diskutierten, doch ihre Gesten waren frei von Feindseligkeiten.

»Ich glaube, wir machen uns zu viele Gedanken«, sagte Atlan. »Nach dem ersten Zusammentreffen der beiden hatte ich erhebliche Bedenken. Sie werden mir als Robotologin bestätigen, dass Laire streng zweckmäßig und logisch denken kann und sich dazu entschließen könnte, einen potenziellen Feind zu beseitigen.«

»Laire könnte in dem Loower diesen Feind sehen, nur weil Loower ihm vor undenklichen Zeiten das linke Auge geraubt haben.«

»Ich denke nicht an Rache«, erklärte Atlan.

»Ich spreche auch nicht von Rache, nur von Absicherung. Laire könnte sich bedroht fühlen. Zumindest habe ich das bislang angenommen. Wenn ich jetzt beide so einträchtig nebeneinander sehe, muss ich mich fast für meinen Verdacht entschuldigen.«

Verna verzichtete darauf, dem Arkoniden zu sagen, dass sie beobachtet hatte, wie Laire sich vor ihm versteckt hatte. Sie fürchtete, dass er dann den Mutanten die Überwachung Laires übertragen würde. Sie war jedoch davon überzeugt, dass sie die Aufgabe allein bewältigen konnte, die sie sich gestellt hatte.

Verna spürte, dass Atlan alles gesagt hatte. Sie lächelte.

»Ich darf mich wohl verabschieden?«

»Sie haben ein feines Gespür«, erwiderte der Arkonide. »Ich gebe zu, dass es mich an Perrys Tisch zurückzieht. Wenn Sie Lust haben, kommen Sie mit.«

»Ich würde mich nicht besonders wohlfühlen«, gestand die Robotologin.

»Dafür besteht nicht der geringste Grund. Hier wird niemand höher oder niedriger eingestuft als andere.«

»Natürlich nicht.« Verna erhob sich. »Bitte entschuldigen Sie mich trotzdem.«

Atlan streckte ihr die Hand hin, und die junge Frau ergriff sie hastig. Verna fühlte sich zu ihm hingezogen.

Galto »Posbi« Quohlfahrt tippte Verna auf die Schulter und lächelte wohlwollend, als sie sich umdrehte. »Gratuliere«, sagte er. »Du hast es geschafft.«

»Ich verstehe nicht«, erwiderte sie verwirrt. »Wozu gratulierst du mir?«

»Darf ich dich zu einer Tasse Kaffee einladen?«

»Wenn du mit mir plaudern willst, kannst du es hier tun.« Ihre Antwort fiel schroffer aus als beabsichtigt. »Was willst du?«

»Verhindern, dass du dich überschätzt. Verstehst du? Ich zweifle nicht an deiner wissenschaftlichen Qualifikation und weiß, was du leisten kannst.«

»Bitte – keinen Honig. Ich mag so etwas nicht.«

»Gut.« Quohlfahrt nickte eifrig. »Du hast dir vorgenommen, Laire unter die Lupe zu nehmen. Du hast ihn beobachtet, und dir ist dabei einiges aufgefallen, was dir eigenartig vorkommt.«

»Richtig«, bestätigte Verna.

»Atlan hat davon erfahren, und er hat dir gesagt, dass er mit deiner Arbeit einverstanden ist.«

»Ebenfalls richtig.«

»Hat er dir auch gesagt, was geschieht, wenn Laire das Komplott bemerkt und sauer darauf reagiert?«

»Darüber haben wir nicht gesprochen.«

»Das dachte ich mir, es hätte mich auch überrascht. Natürlich rechnet der Arkonide damit, dass du so behutsam vorgehst, dass Laire sich nicht beleidigt fühlt. Sagen wir es mal so: Mir ist klar, dass ein Roboter eigentlich nicht beleidigt sein kann.«

»Ich weiß, was du sagen willst.«

»Dann sind wir uns einig. Dann ist dir jetzt klar, dass es bei Laire nichts zu entdecken gibt.«

»Wie soll ich das verstehen?« Verna blickte ihn verblüfft an.

»Ich habe eben versucht, dir das zu erklären«, erwiderte Quohlfahrt. »Ich dachte, du hättest verstanden.«

Sie schüttelte den Kopf, und der Olliwyner blickte sie beschwörend an.

»Es gibt bei Laire nichts zu entdecken«, erklärte er. »Wenn da etwas wäre, was wirklich wichtig ist, dann würde Atlan dir den Auftrag wegnehmen. Die Mutanten würden alle Möglichkeiten ausschöpfen, und Laire könnte keinen Schritt mehr unbeobachtet tun. Dass Atlan keine Einwände gegen deine Arbeit hat, beweist geradezu, dass du dich vergeblich bemühst.«

Die Frau senkte den Kopf. »Das hättest du nicht sagen sollen«, erwiderte sie zögernd. »Atlan meint es ehrlich.«

»Er will dir nicht wehtun. Und ich möchte nicht, dass du dich eines Tages gedemütigt fühlst.«

Verna fürchtete, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Quohlfahrts Worte waren schmerzhaft für sie, weil sie fühlte, dass er es ehrlich meinte.

Sie wollte ihm sagen, was sie gesehen hatte, aber sie brachte kein Wort über die Lippen. Vielleicht hatte sie sich wirklich alles nur eingebildet? Vielleicht glaubte Atlan tatsächlich, dass sie sich ruhig mit Laire beschäftigen durfte, weil er nicht befürchten musste, dass sie dabei Schaden anrichtete? Vielleicht würde Laire sie gar nicht beachten, wenn er bemerkte, dass sie ihn beobachtete? Die Fragen steigerten ihre Unsicherheit. Plötzlich wusste sie nicht mehr, ob richtig gewesen war, was sie getan hatte.

Galto Quohlfahrt beugte sich zu ihr herab und küsste sie auf die Wange. »Ich gebe dir einen guten Rat«, sagte er mit ironischem Unterton. »Wenn du glaubst, dass eine Fehde zwischen Laire und Pankha-Skrin ausgebrochen ist, dann solltest du von nun an eine Gasmaske tragen, wenn du dich Laire näherst.«

»Eine Gasmaske?«, fragte sie.

»Pankha-Skrin ist ein organisches Wesen. Ihn mit Gas umzubringen wäre viel leichter als mit anderen Waffen.« Quohlfahrt lachte, als sie bleich wurde. »Keine Angst«, sagte er dann allerdings hastig. »Laire wird weder versuchen, Pankha-Skrin umzubringen noch dich. Er wird überhaupt niemanden töten. Hast du gesehen, wie er sich mit dem Loower unterhalten hat? Für mich steht fest, dass zwischen den beiden keine Animositäten bestehen. Mag sein, dass Laire einmal daran gedacht hat, sich den Quellmeister vorzuknöpfen. Aber jetzt nicht mehr.«

»Danke«, antwortete Verna beherrscht. »Ich glaube, ich habe endlich verstanden.«

»Wir sehen uns dann später. Ich melde mich.« Quohlfahrt nickte ihr zu und schloss sich zwei dunkelhaarigen Technikerinnen an. Er machte eine Bemerkung, die Verna nicht verstand. Aber die beiden Frauen lachten laut auf und hakten sich bei ihm ein.

Verna Theran ging enttäuscht zu einem Antigravschacht und ließ sich nach unten tragen. Quohlfahrts Behauptung hatte sie hart getroffen. War es wirklich so, dass Atlan sie handeln ließ, weil ihre Arbeit weder nützen noch etwas verderben würde? Hatte der Arkonide nur eine Art Beschäftigungstherapie für sie im Sinn?

Aber sie wusste, was sie gesehen hatte, und sie glaubte daran, dass sie sich nicht geirrt hatte.

Nachdenklich schlenderte sie durch die Gänge und Hallen des riesigen Raumschiffs. Sie wusste, dass Quohlfahrt seine Bemerkung mit der Gasmaske scherzhaft gemeint hatte. Trotzdem erschien es ihr einleuchtend, dass Laire bei einem möglichen Anschlag gegen Pankha-Skrin Gas einsetzen würde. Doch konnte sie die Schale, an der Laire gearbeitet hatte, damit verbinden? Das alles musste andere Zusammenhänge haben.

Verna Theran wollte nicht aufgeben, sie würde ohnehin nicht zur Ruhe kommen.

Sie tippte den Laire-Kode ein, aber sie erhielt keine Antwort. Also musste sie den Roboter wieder auf andere Weise aufspüren.

Nach einer Ruhepause ging Verna systematisch die Laboratorien ab, die ihrer Ansicht nach infrage kamen. Doch Laire war verschwunden.

Einige Male war Pankha-Skrin in ihrer Nähe. Verna glaubte dann, dem einäugigen Roboter etwas näher gekommen zu sein. Leider erwies sich das stets als Irrtum.

Schließlich verschaffte sie sich die Genehmigung für einige Experimente und erhielt Zutritt zu dem Labor, in dem Laire die rätselhafte Schale hergestellt hatte.

Gleich hinter der ersten Tür des in drei Räume unterteilten Labors entdeckte sie einen Fußabdruck Laires. Das stählerne Sohlenprofil hatte sich seltsamerweise in den Boden eingedrückt. Offensichtlich war der Belag vorübergehend weich geworden. Später hatte er sich wieder verhärtet, sodass der Abdruck geblieben war.

Verna tastete mit den Fingerspitzen über die seltsame Spur. Sie konnte sich nicht erklären, was geschehen war, und hoffte auf weitere Besonderheiten. Wo Laire an der Metallschale gearbeitet hatte, war aber nicht einmal Staub zurückgeblieben.

Unwillkürlich blickte Verna zur Decke. Sie lächelte, als sie bemerkte, dass sich die Kante einer Platte gegen eine andere verschoben hatte. Auf dieser Platte hatte sie gelegen.

Sie kehrte zu dem Fußabdruck zurück. Irgendwie musste sie das Kunststoffmaterial untersuchen und klären, warum der Boden vorübergehend weich geworden war. Nachdenklich kniete sie neben der Spur. Der Abdruck schien zu verschwimmen, und ein eigenartiger Geruch stieg von ihm auf. Verna strich mit den Fingern darüber hinweg. Ihr schien, als würden ihre Finger länger und immer länger. Sie wunderte sich über den Effekt und fragte sich, ob n-dimensionale Energien im Spiel waren, die ein hyperphysikalisches Trugbild schufen.

Hastig zog sie die Hand zurück. Die Finger sahen wieder normal aus. Aber der Boden schwankte. Verna merkte, dass ihr übel wurde. Sie öffnete den Mund und atmete tief durch. Die Übelkeit blieb. Vor ihren Augen flimmerte es, eisige Schauer rannen ihr über den Rücken.

Jäh erinnerte sie sich, dass Quohlfahrt ihr geraten hatte, eine Gasmaske anzulegen.

Keuchend versuchte sie, auf die Beine zu kommen. Es gelang ihr nicht. Sie stemmte die Hände gegen die Wand, rutschte aber nach unten weg. Obwohl sie dann versuchte, über den Boden zu kriechen, kam sie nicht weit. Als sie die Tür erreichte, brach Verna wimmernd zusammen.

Ein einziger Gedanke erfüllte sie, während es um sie herum ruhig wurde und sie sich immer leichter fühlte. Sie war in eine Falle Laires gelaufen.

Eine seltsame Heiterkeit verdrängte ihre Todesfurcht. Endlich hatte sie den Beweis dafür, dass sie sich nicht geirrt hatte. Laire führte seinen Kampf gegen Pankha-Skrin im Verborgenen, und er war entschlossen, den Loower zu töten. Selbst Galto Quohlfahrt würde die Wahrheit akzeptieren müssen.

Es wurde dunkel um sie herum. Verna Theran fühlte, dass sie ins Bodenlose glitt.

Zunächst erinnerte die Robotologin sich an nichts mehr, als sie wieder zu sich kam.

Ein Medoroboter bemühte sich um sie. Verna spürte Sonden in Mund und Nase und glaubte, ersticken zu müssen. Sie wollte sich dagegen wehren, sich herumwälzen und aufstehen, aber sie konnte sich nicht bewegen. Erst später erfasste sie, dass sie zwischen all den medizinischen Instrumenten fixiert war.

Sie wusste nicht, wie viel Zeit verstrichen war, als der Roboter die Sonden endlich entfernte. Es schien, als ziehe er damit auch einen Schleier zur Seite, der Verna umhüllt und ihre Gedankentätigkeit eingeschränkt hatte.

Sie erinnerte sich an die Falle, in die sie getappt war.

»Wie komme ich hierher?« Es fiel ihr noch schwer, die Worte zu formulieren.

»Darüber liegen keine Informationen vor«, antwortete der Roboter.

»Jemand muss mich hierher gebracht haben. Ich bin ohnmächtig geworden. Allein konnte ich nicht kommen.«

»Ich habe keine Informationen.«

Verna Theran spürte, wie es am ganzen Körper zu prickeln anfing. Sie schwitzte plötzlich. Erregt stand sie auf. »Du lügst!«, rief sie schrill. »Wer hat dich gezwungen, das zu tun?«

Der Medoroboter antwortete nicht. Verna schlug wütend auf ihn ein, bis ihr die Fäuste wehtaten. Schluchzend sank sie auf einen Hocker.

»Du musst dich schonen«, erklärte der Roboter. »Dein Nervensystem ist angegriffen. Die Nachwirkungen der Vergiftung können schwerwiegend sein.«

»Ich bin also vergiftet worden?«, fragte sie heftig, obwohl sie nicht im Geringsten daran zweifelte.

»Ein Nervengas, das tödlich gewirkt hätte, wärest du nur einige Minuten später behandelt worden.«

»Das ist ein offenes Wort.« Mit aller Deutlichkeit wurde Verna klar, wie knapp sie der tödlichen Falle entgangen war. Das Entsetzen lähmte ihre Sinne. Sie wollte aufstehen und sich Bewegung verschaffen, aber sie konnte nicht. Ihre Muskeln gehorchten den Befehlen ihres Gehirns nicht mehr, als sei sie paralysiert worden.

Der Roboter reagierte sofort und versorgte sie mit Sauerstoff. Verna atmete tief durch.

»Du musst dich schonen«, erläuterte die Maschine. »Das Gift ist erst teilweise neutralisiert. Jede Aufregung kann die Restpartikel wirksam werden lassen.«

Zehn Minuten später verließ Verna Theran die Medostation. Sie fühlte sich schwach und musste sich auf jeden Schritt konzentrieren.

Sie befand sich noch in jenem Schiffsbereich, in dem das Labor lag. Doch das überraschte sie nicht. Sie fragte sich vielmehr immer drängender, wer sie gerettet hatte. Da niemand auf sie wartete, kam wohl nur einer infrage: Laire.

Er kannte die Falle und wurde durch das Giftgas nicht gefährdet. Von ihm war anzunehmen, dass er die Falle beobachtete. Und zu ihm passte, dass er sie in der Station abgeliefert und sich dann entfernt hatte, ohne sich weiter um sie zu kümmern. Er war zweifellos auch in der Lage, Informationen im Medoroboter zu löschen.

Alles passte zusammen.

Nur: Einen Beweis dafür, dass Laire und Pankha-Skrin einander bekämpften, hatte Verna nach wie vor nicht. Immerhin beruhigte es sie, dass Laire ihr das Leben gerettet hatte.

Als Atlan die Hauptzentrale betrat, stellte er fest, dass die BASIS antriebslos durch den Raum fiel. Fragend blickte er Rhodan an, der mit dem Kommandanten Jentho Kanthall redete.

»Was ist los?«, fragte er. »Warum diese Unterbrechung?«

»Eine kleine Störung im Bereich der Nugas-Schwarzschild-Reaktoren«, antwortete Rhodan. »Nichts Aufregendes. Jentho hat sich dennoch entschlossen, den Linearflug zu unterbrechen.«

Atlan nickte nur. Die Erklärung genügte ihm.

Er wollte ein anderes Thema ansprechen, da betraten Laire und der Ka-zwo Augustus die Zentrale.

Atlan hatte Verna Theran nicht getäuscht, als er ihr freie Hand für ihre Forschungsarbeit gegeben hatte. Er war mit dem einverstanden, was sie tat, und er glaubte auch, dass ihre Arbeit sinnvoll war. Dass es zu einem Missverständnis zwischen ihm und ihr gekommen war, ahnte er nicht.

Er bedauerte, dass sie sich nicht in der Nähe aufhielt, denn in diesen Sekunden hätte sie einen Beweis für ihre Theorie erhalten. Der einäugige Roboter gab klar zu erkennen, dass er sich bedroht fühlte. Er fürchtete offenbar, dass er auch sein rechtes Auge verlieren würde, denn er verbarg es unter einer stählernen Schale. Selbst auf mehrere Meter Distanz erkannte Atlan, dass die Halbkugel mit zahllosen winzigen Löchern versehen war. Durch diese Öffnungen konnte der Roboter sehen. Helle Flecke am Rand der Halbkugel zeigten an, dass Laire sie mit einem Kleber befestigt hatte.

Rhodan ging auf den Roboter zu. »Ich sehe, dass du dein Auge mit einem besonderen Schutz vorsehen hast. Fürchtest du, dass dir jemand das Auge stiehlt?«

»Die Möglichkeit ist nicht auszuschließen.«

Laire hatte eine Schutzmaßnahme getroffen, die er als wichtig ansah. Das genügte. Erläuterungen erschienen ihm offenbar überflüssig.

Aber seine Reaktion passte nicht zu einem Roboter. Es war eine menschliche Reaktion auf der Basis von Emotionen.

Laire ging bis in die Nähe von Jentho Kanthall. Hier blieb er einige Minuten lang regungslos stehen, während in der Zentrale Schweigen herrschte. Jeder schien darauf zu warten, dass irgendetwas geschah.

Schließlich drehte Laire sich um und verließ den Raum wieder. Augustus folgte ihm.

Kaum hatte sich das Schott hinter beiden geschlossen, begannen die Gespräche wieder. Alle befassten sich mit Laire und seinem unrobotischen Verhalten.

»Das zielt eindeutig auf Pankha-Skrin«, stellte Atlan fest.

»Ganz sicher.« Rhodan nickte. »Pankha-Skrin ist eben ein Loower wie jene, die Laire einst das linke Auge herausgebrochen haben.«

»Und Laire fürchtet tatsächlich, dass Pankha-Skrin ihm nun das zweite Auge stehlen will«, bemerkte der Arkonide. »Im ersten Moment hätte ich fast laut gelacht, als ich ihn so sah.«

»Mir erging es nicht anders.« Rhodan lächelte flüchtig. »Selbstverständlich hat Pankha-Skrin nicht das geringste Interesse an diesem Auge.«

»Davon bin ich auch überzeugt. Mich interessiert allerdings, wie er sich zu der Schale äußert.« Der Arkonide dachte an Verna Theran. Er zweifelte nicht daran, dass sie Laires Vorbereitungen beobachtet hatte. Sie waren schuld daran, dass Verna den Roboter anders beurteilt hatte als er selbst. Unwillkürlich fragte er sich, wie sie reagieren würde, sobald sie den Roboter mit der Schutzschale vor dem rechten Auge sah.

»Fragen wir den Loower«, schlug Rhodan vor. »Ich habe ihn in der Hauptmesse gesehen. Er könnte noch dort sein.«

Tatsächlich saß Pankha-Skrin noch in der nahen Messe. Er diskutierte mit mehreren Wissenschaftlern.

Während Atlan sich zu dem Loower setzte, wandte Rhodan sich an einen der Wissenschaftler. »Worüber haben Sie sich unterhalten?«, fragte er.

Der Wissenschaftler blickte ihn erschrocken an. »Es liegt keine Dienstanweisung vor, die bestimmte Themen ausschließt«, erwiderte er unsicher.

»Das ist auch nicht notwendig. Dennoch wüsste ich gern, was Pankha-Skrin besonders interessiert.«

»Die Triebwerke. Und logistische Probleme, die bei einem Raumschiff wie der BASIS von erheblicher Bedeutung sind. Er hat uns wohl nicht ganz so viel zugetraut, wie wir tatsächlich leisten. Hätten wir ihm darüber nichts sagen dürfen?«

»Wir haben keine Geheimnisse vor Pankha-Skrin«, antwortete der Aktivatorträger. »Sie können die Unterhaltung gleich fortsetzen, wenn Sie wollen.«

Er ging zum Nachbartisch, an dem Atlan und der Loower saßen. Der Arkonide hatte dem Quellmeister mittlerweile erzählt, wie Laire sein Auge schützte.

»Das ist völlig überflüssig.« Abwehrend hob Pankha-Skrin die Tentakel, nachdem er seine Flughäute ausgebreitet hatte. »Mich interessiert dieses Auge nicht. Wozu auch? Ich hätte keinen Vorteil, wenn ich es Laire wegnehmen würde.«

»Er scheint aber zu befürchten, dass du so etwas tun wirst«, sagte Rhodan. »Allerdings wird es jetzt kaum noch möglich sein.«

Der Quellmeister faltete die Häute wieder zusammen. »Ich verstehe mich gut mit ihm«, verkündete er. »Laire weiß außerdem, dass er von mir keine Feindseligkeiten zu erwarten hat. Ich habe es ihm deutlich gesagt. Andererseits bin ich absolut sicher, dass mir von seiner Seite keine Gefahr droht. Bei unserer ersten Begegnung habe ich gemerkt, dass er Vorurteile gegen mich und mein Volk hat. Diese mögen begründet sein oder auch nicht. Jedenfalls habe ich mich bemüht, sie auszuräumen, und ich glaube fest daran, dass ich das geschafft habe.«

»Die Augenschale lässt anderes vermuten«, erwiderte Rhodan.

»Ich halte es für möglich, dass Laire so etwas wie einen Scherz zu machen versucht. Ihr wisst, dass ich das nicht so gut beurteilen kann, dennoch halte ich es für wahrscheinlich.«

Atlan und Rhodan blickten sich verblüfft an. An eine solche Möglichkeit hatten sie noch nicht gedacht. Eine weitere Überraschung für sie war, dass ausgerechnet der humorlose Loower auf diesen Gedanken gekommen war.

Eine Hand legte sich auf ihre Schulter. Verna Theran fuhr so heftig herum, dass sie mit Galto Quohlfahrt zusammenprallte, der hinter ihr stand. Ihr Ellenbogen bohrte sich ihm in die Seite. Er verzog das Gesicht.

»So temperamentvoll?«, fragte er und blickte sie prüfend an. »Was ist los? Du siehst nicht gut aus.«

»Nichts weiter.« Sie löste sich von ihm, spürte aber, dass sie wirklich noch schwankend auf den Beinen stand.

»Du willst mir also nicht sagen, was los ist«, stellte Quohlfahrt fest. »Dann werde ich auch keine Fragen mehr stellen. Ich habe eine Nachricht für dich, und sie betrifft Laire. Der Roboter machte Scherze.«

Verna lächelte gequält. »Lass hören. Vielleicht kann ich sogar darüber lachen.«

»Er hat sein rechtes Auge mit einer Stahlschale verbunkert, damit Pankha-Skrin es ihm nicht klauen kann.«

Verna Theran versteifte sich überrascht. Ihre Lippen bewegten sich, aber sie brachte kein Wort hervor, während Quohlfahrt ihr schilderte, wie Laire jetzt aussah.

»Ich hätte ihn gern beobachtet«, fuhr der Olliwyner fort. »Ich bin überzeugt davon, dass er aus einem Stahl besteht, der unserem Ynkelonium-Terkonit-Verbundstahl in jeder Hinsicht überlegen ist. Die Schale dürfte die gleichen Qualitäten aufweisen wie sein Körper.«

»Warum sollte das ein Scherz sein?«, fragte Verna.

»Ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich ein Scherz ist. Laires linkes Auge wurde seinerzeit von den Loowern herausgesprengt – also musste er etwas gegen brutale mechanische Gewalt unternehmen. Deshalb hat er das Auge verbunkert. Allerdings glaube ich nicht, dass Pankha-Skrin dieses Auge haben will.«

»Wozu auch? Mit diesem Auge orientiert sich Laire im Einstein-Universum. Das kann Pankha-Skrin auch so. Also braucht er es nicht. Pankha-Skrin hat, soweit ich weiß, nur eines im Sinn: Er will die Materiequelle durchdringen und die Gefahr beseitigen, durch die sein Volk sich bedroht fühlt. Dazu benötigt er Laires linkes Auge, nicht das rechte.«

»Eben, und das kann Laire ebenfalls nachvollziehen. Als logisch denkender Roboter muss er erkennen, dass er nicht bedroht ist. Nun kann ich mir sein Verhalten entweder so erklären, dass er eben ein ganz besonderer Roboter ist, der anders denkt ...«

»... oder er versucht tatsächlich, so etwas wie einen Scherz zu machen«, ergänzte Verna matt lächelnd. Allerdings war sie überzeugt, dass Laire das bestimmt nicht wollte. Sie wusste, dass er sich bedroht fühlte und dass er die Verteidigungsmaßnahme getroffen hatte, weil er sie als unabdingbar notwendig ansah.

»Ich dachte mir, dass du an dieser Information interessiert bist«, sagte Quohlfahrt. »Wie wär's mit einem Glas Wein? Nur wir beide. Ich habe heute meinen großzügigen Tag.«

»Vielleicht morgen.«

Verna nickte ihm zu und ging weiter.

Eine Zeit lang irrte sie durch das Schiff. Sie dachte nach. Laire reagierte nicht so, wie es von einem Roboter zu erwarten war. Ein Roboter war keine eigenständige Intelligenz, sondern folgte seiner Programmierung. Hatten seine unbekannten Erbauer Laire aber einprogrammiert, über Jahrhunderttausende hinweg ein ganzes Volk zu manipulieren und nach dem gestohlenen Auge suchen zu lassen? Zweifellos nicht. Sie hatten nicht einmal ahnen können, dass ein solches Ereignis jemals eintreten würde.

Laire hatte jedoch das Volk der Wynger mit bemerkenswerter Fantasie manipuliert, sich zu einem gottgleichen Wesen erhoben und eine besondere Zivilisation aufgebaut.

Konnte ein Roboter überhaupt Fantasie haben?

Verna wusste darauf keine Antwort. Eher beiläufig gab sie wieder den InformationsKode für Laire ein. Sie erwartete nicht, eine Antwort zu erhalten, umso überraschter war sie, als es doch geschah. Das Armband zeigte ihr an, wo Laire sich zurzeit aufhielt.

Sie eilte den Gang entlang weiter und lief zu einem Antigravschacht. Zwei Decks tiefer sprang sie auf ein Transportband, das sie schnell über gut einen Kilometer bis in die Nähe der Bedarfsgüterhangars brachte.

Abermals tippte sie den Kode ein. Laire hatte seine Position nur unwesentlich verändert. Er war etwa zweihundert Meter von ihr entfernt.

Verna betrat einen Hangar, in dem lebhafte Geschäftigkeit herrschte. Ein Arbeitstrupp schichtete Ausrüstungsgüter um. Etwa dreißig Roboter erledigten die Schwerstarbeit; Antigravplattformen und Kräne waren ebenfalls eingesetzt.

Die Frau hielt vergeblich nach Laire Ausschau.

»Was ist hier los?«, fragte sie einen der Arbeiter. Er blickte sie prüfend an, strich sich das verschwitzte Haar aus der Stirn und lächelte.

»Machen Sie eine Schiffsbesichtigung? Wir freuen uns immer, wenn hier auch mal jemand erscheint, um sich umzusehen.«

»Ich bin auf der Suche nach Laire.«

»Das sind wir auch.«

»Was soll das heißen?«

»Der InformationsKode zeigt an, dass er darunter ist.« Der Mann deutete auf einen Berg von Containern. »Wir räumen die Behälter gerade um.«

Verna fasste sich an den Kopf. »Das ist ausgemachter Blödsinn. Wie sollte Laire unter diesen Berg von Containern geraten?«

»Das wissen wir auch nicht. Nur, dass er tatsächlich da drunter steckt.«

Verna blickte auf ihr Armband. Sie verglich die Angaben mit den Markierungen an den Hangarwänden. Sie stimmten.

»Wir werden ja sehen«, sagte sie zögernd. »Noch glaube ich nicht daran.«

Etwa eine halbe Stunde verstrich, dann schrie einer der Arbeiter auf und zeigte auf eine Lücke, die sich zwischen den Containern öffnete. »Das ist nicht Laire!«, brüllte er. »Das ist Augustus!«

Der Ka-zwo zwängte sich zwischen den Containern hervor. Verna prüfte die neuen Daten in der Holoanzeige. Verblüfft stellte sie fest, dass die Werte sich leicht verändert hatten. Sie zeigten auf den Meter genau die Position, an der Augustus jetzt stand.

Sie verließ den Hangar und eilte zum Transportband. Sie hatte es gerade erreicht, als eine schwere Explosion erfolgte.

Durch die zweiundsiebzig Löcher in der Schale aus Ynkoterkonit-exotisch, das er mit einem Aufwand von 62.000 Grad Celsius in einem Formtiegelofen hergestellt hatte, konnte Laire gut sehen. Das Licht fiel entsprechend seinen Berechnungen aus verschiedenen Richtungen ein und reichte aus.

Laire wusste, dass sein rechtes Auge damit gesichert war. Pankha-Skrin konnte es ihm nicht mehr herausbrechen.

Aber damit war das Problem noch nicht gelöst.

Laire hatte eine Reihe von Überlegungen angestellt, nachdem er dem Loower zum ersten Mal begegnet war. Alle hatten zu einem eindeutigen Ergebnis geführt. Pankha-Skrin würde versuchen, ihm auch das rechte Auge zu entwenden. Die Gefahr war nur zu beseitigen, indem er den Loower tötete.

Pankha-Skrin stand jedoch unter dem Schutz Rhodans und der anderen Terraner. Daher durfte er nicht offen gegen ihn vorgehen.

Laire hatte Rhodans Persönlichkeit analysiert und war zu einem eindeutigen Ergebnis gelangt. Der Aktivatorträger würde sich sofort von ihm trennen, wenn er den Fehler beging, Pankha-Skrin vor Zeugen zu töten. Rhodan würde ihn entweder in den freien Raum befördern oder auf einem einsamen Planeten absetzen.

Damit hätte er wertvolle Zeit verloren. Seine Existenz war weder im Weltraum noch auf einem Planeten gefährdet. Allerdings bestand die Gefahr, dass Rhodan das linke Auge fand und es in die Unendlichkeit entführte. Dann würden erneut Jahrhunderttausende vergehen, bis sich für Laire eine neue Möglichkeit ergab, sein Auge zurückzubekommen.

Dieses Risiko wollte er keinesfalls eingehen. Deshalb hatte er sich entschlossen, Pankha-Skrin unter Umständen zu töten, die ihn nicht als Täter in Betracht kommen ließen. Eine schwierige Aufgabe, zumal die Pannen unnötige Aufmerksamkeit erregt hatten.

Der Formtiegelofen war geplatzt.

Eine junge Wissenschaftlerin wäre beinahe bei dem Giftanschlag auf Pankha-Skrin gestorben. Laire hatte sie in letzter Sekunde gerettet.

Deshalb hatte er gezielt Begegnungen mit Pankha-Skrin herbeigeführt, um seine friedlichen Absichten demonstrieren zu können. Er hatte weitere Treffen vorbereitet, während er gleichzeitig an tödlichen Fallen arbeitete.

Bei einer funktechnischen Prüfung war Laire aufgefallen, dass sein Aufenthaltsort jederzeit erkannt werden konnte. Ein Informationskode, auf Rhodans Anweisung in der Hauptpositronik gespeichert, sprach auf die minimale Streustrahlung des Fusionsmeilers an, aus dem Laire seine Energie schöpfte.

In zwanzigstündiger Arbeit war es ihm gelungen, den Roboter Augustus mit einer winzigen Strahlungsquelle zu versehen, die exakt dieser Streustrahlung entsprach. Außerdem hatte er sich selbst abgeschirmt. Auf diese Weise war es ihm gelungen, sich aus der Überwachung zu befreien.

In unregelmäßigen Zeitabständen schickte er Augustus in verschiedene Regionen der BASIS, während er an anderer Stelle Vorbereitungen für den tödlichen Schlag gegen Pankha-Skrin traf. Dabei konnte er sich nur auf Abwehrsysteme, Werkzeuge und Transporteinrichtungen stützen. Er durfte keine Beweise zurücklassen, die gegen ihn sprachen.

Wenn er den tödlichen Anschlag gegen den Loower verübte, musste die Schiffsführung den Eindruck gewinnen, dass technisches Versagen vorlag. Dafür kamen aber nur Einrichtungen infrage, bei denen ein Versager möglich war.

Laire hatte sich wiederholt mit Ingenieuren unterhalten und dabei ungemein wichtige Erkenntnisse gewonnen. So hatte er mittlerweile Systeme identifiziert, bei denen ein unprogrammiertes Ansprechen akzeptiert wurde. Andere Einrichtungen ließen produktionsbedingt keinen Ausfall zu. Und weitere Systeme kamen für einen Anschlag nicht in Betracht, weil dabei nicht nur Pankha-Skrin, sondern auch viele Besatzungsmitglieder der BASIS den Tod finden würden.

Laire registrierte, dass jemand nach ihm suchte. Er wartete in einer Werkstatt ab, bis er sicher sein konnte, dass die Ablenkung gelungen war und die Spur zu Augustus führte.

Schon kurz darauf erreichte Laire einen Ausrüstungsraum. Hier lagerte ein Notaggregat, mit dem künstliche Schwerefelder bis zu 5,8 Gravos erzeugt werden konnten. Daneben stand ein Rotationsprojektor. Beide Geräte mussten miteinander gekoppelt werden.

Laire wollte Pankha-Skrin abrupt einer Schwerkraft von 5,8 Gravos aussetzen, ihn damit handlungsunfähig machen und ihn danach sofort in rasende Rotation versetzen. Der kombinierte Angriff würde mit Sicherheit tödlich sein.

Laire hatte erkannt, dass beide Maschinen zu den Abwehreinrichtungen der BASIS gehörten. Diese Aggregate konnten versagen. Für ihn war es zudem leicht, sie so zu manipulieren, dass die Wirkung erst eintrat, sobald Pankha-Skrin in den Erfassungsbereich geriet.

Laire arbeitete etwa eine halbe Stunde an den Maschinen. Dann verließ er den Lagerraum, um den Loower in die Falle zu locken.

Damit begann die schwierigste Phase seines Plans. Laire ging von der Voraussetzung aus, dass Pankha-Skrin die Bedrohung ahnte. Daher konnte er den Loower nicht einfach auffordern, ihm zu folgen.

Mittlerweile war er zu einem perfekten Ergebnis gelangt, das sogar eine Reihe psychologischer Momente berücksichtigte. Laire war sich dessen sicher, dass Pankha-Skrin in nicht einmal einer halben Stunde tot sein würde.

Der Roboter fand den Loower mehrere Decks unterhalb der Hauptzentrale. Pankha-Skrin stand auf einem Transportband, das ihn mit hoher Geschwindigkeit in den Mittelbereich des Raumschiffs brachte. Zahlreiche Männer und Frauen waren in unmittelbarer Nähe.

Hin und wieder gelang es Laire, weiter aufzuschließen, doch fiel er immer wieder zurück. Er fand nicht einmal heraus, ob Pankha-Skrin ihn womöglich schon bemerkt hatte.

Laire registrierte, dass der Quellmeister über ein hervorragendes Raumgefühl verfügte und jeden Schritt vorausplante. Je länger er dem Loower folgte, desto deutlicher wurde für ihn, dass Pankha-Skrin die Verfolgung sehr wohl bemerkt haben musste. Immer wieder suchte der Quellmeister die Nähe spiegelnder Flächen, in denen er Laire beobachten konnte, ohne sich umzudrehen. Pankha-Skrin hätte mit seinen Stielaugen ohne Weiteres nach hinten blicken können. Er verzichtete wohl darauf, weil der Roboter das sofort bemerkt hätte.

Als der Loower eine nahezu menschenleere Halle durchquerte, lief Laire schneller.

Pankha-Skrin verschwand hinter einem Schott.

Laire rannte beinahe.

»He, Laire, wohin so schnell?«, rief ihm ein Techniker zu, der an einer Maschine arbeitete. Der Roboter hob grüßend eine Hand und eilte an dem Mann vorbei.

Er erreichte das Schott und öffnete es. Vor ihm lag ein etwa zwanzig Meter langer Korridor. Einige Container lagerten hier, von Pankha-Skrin war jedoch nichts mehr zu sehen.

Laire betrat den Gang. Leise zischend schloss sich das Schott hinter ihm. Völlige Stille herrschte.

Laires Wahrnehmungsvermögen war durch die Augenschale nicht beeinträchtigt. Er nahm jede Einzelheit in sich auf. Nichts deutete auf eine Gefahr für ihn hin. Dennoch hatte sich etwas geändert. Zuvor war der Abstand zwischen ihm und dem Quellmeister stets nahezu gleich geblieben, nun hatte er sich plötzlich deutlich vergrößert.

Dafür konnte es nur einen Grund geben.